Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Thiel! Ich habe in Ihrem Beitrag nicht viel über Wirtschaftspolitik erkennen können,
außer das Missverständnis, dass Wirtschaftspolitik darin besteht, Forderungen der FDP nach Steuersenkungen zu übernehmen.
Ich finde den Vorschlag des Kollegen Nußbaum, die Basis für die Gewerbesteuer zu verbreitern, richtig, ein Vorschlag, den ich schon lange vertrete.
Das ist sinnvoll, weil es die Finanzierungsbasis der Kommunen stärkt. Das ist auch wirtschaftspolitisch sinnvoll, weil über die Gewerbesteuer Infrastruktur finanziert wird, die wir für die Entwicklung des Standortes brauchen.
Ich bin auch nicht der Auffassung, Herr Kollege Thiel, dass sich Wirtschaftspolitik gegen eine sinnvolle Umweltzone stemmen muss, sondern ich finde, Ökologie und sinnvolle Wirtschaftspolitik geht zusammen und gehört immer mehr zusammen.
Wir haben noch immer einen Zuwachs bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im dritten Quartal dieses Jahres um plus 1,2 Prozent. Was das Absenken des Bruttoinlandsprodukts angeht, bundesweit wahrscheinlich minus 5 Prozent, ist es in Berlin minus 2,6 Prozent.
Und, Herr Kluckert, wenn Sie sagen, wir hätten nicht viel zu verlieren, dann sagen ich Ihnen: Natürlich hatten wir etwas zu verlieren.
Natürlich hätten wir auch eine Steigerung der Arbeitslosigkeit bekommen können, aber im Gegensatz zum Bundesdurchschnitt haben wir einen weiteren Anstieg der
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Insofern arbeiten wir gegen den Trend. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, wie Sie es immer formulieren, dass wir so wenig Industrie haben, sondern die Realität ist, dass es hier immer noch Wachstum bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und bei den Erwerbstätigen gibt.
Gleichzeitig ist klar, die Situation ist nach wie vor ausgesprochen schwierig. Es gibt keinen Grund zur Entwarnung. Das Niveau der Auftragseingänge in der Bundesrepublik insgesamt und in Berlin ist nach wie vor sehr niedrig. Wir haben im September dieses Jahres bei den Auftragseingängen in der Produktion gegenüber dem Vorjahr minus 21 Prozent gehabt. Das macht deutlich, die Kapazitäten in der Berliner Wirtschaft in der Industrie sind nicht ausgelastet, und zwar im großen Umfang nicht ausgelastet. Teilweise wird das über die Kurzarbeit kompensiert. Deshalb besteht im nächsten Jahr für die Beschäftigung Gefahr, wenn hier nicht die Auftragseingänge wieder anziehen bzw. der Ausfall der privaten Nachfrage durch öffentliche Nachfrage kompensiert werden kann.
Das zweite große Risiko besteht darin, dass das Bankensystem in der Bundesrepublik nach wie vor nicht funktionsfähig ist, dass die Banken immer noch zum großen Teil mit den Risiken aus den toxischen Papieren belastet sind, dass ihre Eigenkapitalbasis angegriffen ist. Auch hier sind wir in Berlin noch in einer relativ günstigen Situation. Ich sage das immer: Bei der Landesbank hatten wir in gewisser Weise so etwas wie die Gnade des frühen Crashs. Bei dem ganzen Subprime-Wahnsinn und dem, was danach gekommen ist, waren wir nicht dabei. Das heißt, Landesbank und Sparkasse sind in der Lage, kleine und mittelständische Unternehmen zu finanzieren. Ähnliches gilt für die Volksbank. Aber für eine Reihe von privaten Geschäftsbanken gilt das nicht mehr. Deshalb sage ich an dieser Stelle immer wieder: Es ist dringend notwendig, dass die Bundesregierung hier Maßnahmen ergreift und den Banken nicht nur zulasten des Steuerzahlers Risiken abnimmt, sondern dass hier auch aktiv eingegriffen wird, dass die Rekapitalisierung und die Nutzung von Möglichkeiten aus dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz und des Ergänzungsgesetzes nicht auf der freiwilligen Basis geschehen, sondern dass dieses verpflichtend geschehen muss, weil sonst bundesweit und teilweise auch in Berlin droht, dass wir die Folgen einer Kreditklemme zu spüren bekommen und die Erholungstendenzen abgewürgt werden.
Einmal setzen wir – und das, finde ich, läuft gut – das Konjunkturprogramm konsequent und zügig um. Das
wird sich in den nächsten Monaten noch deutlicher aufbauen, und die Wirkung in der wirtschaftlichen Stabilisierung wird man noch deutlicher sehen. Man sieht es bereits jetzt schon beim Ansteigen der Auftragslage in der Bauwirtschaft. Das hat stabilisierende Effekte.
Zweitens haben wir bei der IBB die Möglichkeit geschaffen, dass z. B. Betriebsmittelfinanzierungen, für Unternehmen gegenwärtig das entscheidende Thema, möglich sind.
Es geht aber nicht nur darum, der Krise zu begegnen, wir haben gleichzeitig Verbesserungen beim Unternehmensservice vorgenommen, indem wir jetzt Berlin Partner mit dem Unternehmensservice beauftragt haben. Sie kennen die Konzeption. Das will ich hier angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht weiter dar- und vorstellen. Aber ich glaube, das es auch in der gegenwärtigen Situation ein wichtiges Instrument ist, um die Unternehmen besser und intensiver begleiten zu können.
Es geht aber nicht nur darum, dass wir Antikrisenmaßnahmen ergreifen, dass wir versuchen, die Krisen zu managen, sondern es geht vor allem auch darum, dass wir zukunftsfähige Politik machen, dass wir den Strukturwandel in Berlin weiter vorantreiben. Ich glaube, dass wir in den letzten Jahren gesehen haben, dass wir hier einen gewissen Wendepunkt erreicht haben. Wir haben nach 2006 erstmalig seit der Wende wieder industrielles Wachstum, nicht nur beim Umsatz, sondern auch in der Beschäftigung gehabt. Wir haben in den Clustern, auf die wir uns orientieren, überproportionales Wachstum gegenüber dem Bundesdurchschnitt.
Insofern glaube ich, dass sich diese Strategie bewährt hat, sprich: Wir werden diese Clusterstrategie weiter fortsetzen, ausbauen und konsolidieren. Wir werden die Innovationsstrategie auch mit Brandenburg weiter vereinheitlichen, damit wir innerhalb dieser Region gemeinsam vorankommen.
Wir haben gleichzeitig in den letzten Jahren einen stärkeren Fokus auf das Thema Industrie gelegt. Es gibt mittlerweile ein breites Netzwerk Industrie, wo Gewerkschaften, Arbeitgeberseite und Politik an einem Strang ziehen. Ich glaube, dass wir das Thema Industriestandort in Berlin weiter voranbringen können, über die unterschiedlichen Komponenten: von der Innovationspolitik über Flächenpolitik. Das Stichwort Tegel ist mehrfach genannt worden. Da verlangt jeder mittlerweile das Erstgeburtsrecht für die Idee.
Wir sind der festen Überzeugung, dass Berlin weiterhin die Chance zu industriellem Wachstum hat und dass wir uns gerade auf die Bereichen, die Wachstumsfelder der Zukunft sind, konzentrieren. Wir haben es auf der Wirtschaftskonferenz zum Thema Green Economy ausführlich diskutiert: Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel innerhalb der Industrie. Das Thema nachhaltiges Wirtschaften, das Thema Ökologie ist ein genuin industriepolitisches Thema. Darauf werden wir uns in unserer Industriepolitik konzentrieren, um die Wachstumspotenziale hier zu nutzen.
Zur Wirtschaftspolitik gehört es auch zu wissen, dass es nicht einfach um den Grundsatz geht: Hauptsache Arbeit, sondern dass wir den Grundsatz verfolgen: gute Arbeit. Deshalb bin ich froh, dass der Rat der Bürgermeister, nachdem es jetzt im Ausschuss war, das Vergabegesetz aller Voraussicht nach in der nächsten Sitzung so beraten wird und wir es dann im Januar 2010 als Senat dem Parlament zuleiten können,
womit wir deutlich machen: Wir wollen, dass die Forderung nach guter Arbeit, dass Mindeststandards eingehalten werden und damit auch einen wichtigen Beitrag leisten zur Bekämpfung des Niedriglohnsektors. – Das ist auch aus dem Gesichtspunkt von Gleichstellungspolitik zentral, weil der Niedriglohnsektor ganz wesentlich auch ein Sektor von Frauenarbeit ist.
Das Thema Gleichstellungspolitisches Rahmenprogramm ist schon angesprochen worden. Ich glaube, dass der Senat hier einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht hat, indem er Neuland in der Bundesrepublik betreten hat, indem wir darauf orientieren, dass Frauenpolitik, dass Gleichstellungspolitik von allen Senatsressorts bearbeitet wird.
Wir werden im nächsten Jahr den ersten Umsetzungsbericht vorlegen und damit zeigen, dass wir hier deutliche Fortschritte machen.
Es ist von meinen Vorrednerinnen schon angesprochen worden, dass wir auch in diesem Haushalt deutliche Akzente haben setzen können: durch die Stabilisierung der Fraueninfrastruktur, durch die neue Ausrichtung der Fraueninfrastruktur auf die Schwerpunkte des Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms, durch die finanzielle Verbesserung.