Protocol of the Session on September 23, 2010

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[Beifall bei der CDU]

In diesem Zusammenhang geht ein herzlicher Gruß an die Besuchertribüne, denn einige Vertreter der Bürgerinitiativen aus Lichtenrade und Wannsee sind heute auch hier – herzlich willkommen!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

Die CDU-Fraktion hat diese Aktuelle Stunde beantragt, denn nach nunmehr zwei Wochen hat Herr Wowereit endlich gemerkt, dass der Bürgerprotest doch sehr groß ist. Genau wie beim S-Bahn-Chaos, beim WinterschneeChaos stellt Herr Wowereit ermüdet fest, er sollte sich vielleicht auch einmal darum kümmern. Sicher werden jetzt markige Worte fallen, vielleicht wieder unter dem Schlagwort einer Chefsache, und auch die Linken und die SPD-Fraktion legen einen Entschließungsantrag zur Abstimmung vor, in dem von einer Selbstverständlichkeit die Rede ist – aber selbstverständlich ist das bei Rot-Rot eben nicht! Jetzt sollen die Bezirke – oh Wunder! – plötzlich eingebunden werden, das ist doch schon mal ein Fortschritt im Regierungshandeln!

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)]

Doch was war wirklich passiert? – Die deutsche Flugsicherung hat Flugrouten vorgestellt, die für die Fluggesellschaften schnell und einfach zu fliegen wären, für die Menschen in Berlin aber sehr laut sind. Ganz einfach lief das, weil der Berliner Senat niemals zuvor seine Vorstellungen zu den Flugrouten gegenüber der Flugsicherung kund getan hat. Niemals zuvor wollte dieser Senat mit den Bezirken über den zu erwartenden Fluglärm reden oder strategisch gemeinsam vorgehen.

[Jutta Matuschek (Linksfraktion): Wo haben Sie das denn her?]

Es fällt auf, dass die Verkehrsverwaltung und Herr Wowereit als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft völlig überrascht worden sind und sich – wie im letzten Verkehrsausschuss zu erfahren war – bis zum heutigen Tage keine schriftliche Grundlage oder Präsentation, kein Konzept der vorgestellten Flugrouten im Besitz des Senats befinden.

Wie schon beim S-Bahnchaos ist der Senat zunächst überrascht – es wurden vorher keine Kontrollen und Nachfragen gestellt –, und man hat sich im Senat offensichtlich sogar bis zum 6. September dieses Jahres noch nicht mit dem Thema Flugrouten beschäftigt.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie sich doch auch nicht!]

Die Berliner CDU-Fraktion hat seit Jahren darauf hingewiesen, dass insbesondere in den Ortsteilen Schmöckwitz, Rahnsdorf, Müggelheim, Grünau, Bohnsdorf – unsere Abgeordneten Frau Görsch und Oliver Scholz – und auf der anderen Seite in Lichtenrade – Nicholas Zimmer – die Lage gelöst werden muss, dass die startenden Flugzeuge gleich nach dem Start nach Süden oder Osten bzw. nach Südwesten in der Luft abknicken müssen.

[Zuruf von Stefan Ziller (Grüne)]

Das geht beispielsweise in Barcelona und in Zürich, nur hier im Senat, hier will man das nicht, es ist ja etwas Neues, hier muss man sich auch mal für die Bürger einsetzen, das macht aber – siehe in der Vergangenheit die Tempelhof-Schließung – auch immer etwas Mühe, das ist schwierig, und dafür setzt man sich nicht so gerne ein.

[Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Herr Wowereit erklärt immer und immer wieder, BBI sei sein Projekt. Der rot-rote Senat ist mit dem Großflughafen jedoch völlig überfordert. Diese versemmelten Flugrouten über Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Marzahn-Hellersdorf sind nur ein Thema. Herr Wowereit hat monatelang den verspäteten BBI-Eröffnungstermin geleugnet, und er hat auch durchgehen lassen, dass der durchgehend erfolgslose Wirtschaftssenator Wolf bisher keine einzige Ansiedlung im Businesspark für den Flughafen BBI zu verantworten hat.

[Gelächter von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Dieser rot-rote Senat steht kurz vor dem Kollaps bei der verkehrlichen Anbindung von BBI und beim Weiterbau der A 100, der Senat ist mitverantwortlich bei der verspäteten Erschließung des Flughafens durch die Bahn – das ist die Bilanz des rot-roten Senats, wenn es um das Thema BBI geht.

[Beifall bei der CDU]

Und nun die Flugrouten! Chaos und Überforderung gehen weiter – wie bei der S-Bahn. Auch hier wird nur moderiert – bis September 2011, wenn die nächsten Wahlen stattfinden. Dieser Senat kann und will nicht verstehen, dass er für das Funktionieren und das Nichtfunktionieren des Verkehrs in Berlin verantwortlich ist, ihm ist es egal, wenn im bürgerlichen Südwesten und Südosten unserer Stadt die Menschen unter Fluglärm leiden. Sie, Herr Wowereit, sind ja rechtzeitig vor zwei Jahren aus Lichtenrade weggezogen in das ruhige Wilmersdorf.

[Lars Oberg (SPD): Das ist peinlich!]

Sie, Herr Wowereit, wollten es ja eher ruhig und gediegen haben und haben diesen Fluglärm nun eben nicht. Eine ganze Reihe von Bürgern in Berlin müssen ihn nun ertragen, weil Sie ja dort weggezogen sind.

[Beifall bei der CDU – Zuruf des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit]

Eine Einladung von Ihnen nehme ich erst einmal nicht an, nein danke, keinen Bedarf. – Umziehen können die meisten Berliner nicht, sie haben ihre Grundstücke und ihre Wohnungen dort. Die Berliner müssen dort wohnen

bleiben, aber die Berliner können Sie, Herr Wowereit, im September 2011 abwählen, damit eben nicht Sie 2012 diesen Flughafen eröffnen werden.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Gaebler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es scheint Mode zu werden, dass die Antragsteller zu ihrer eigenen Aktuellen Stunde gar nicht mehr reden, sondern über alles reden, was ihnen gerade einfällt, und das, Herr Friederici, haben Sie nicht besonders gut gemacht, da wäre mir an Ihrer Stelle mehr eingefallen.

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Wenn jemand überfordert ist, dann offensichtlich Sie mit dem Thema der Aktuellen Stunde.

Vielleicht noch ein Hinweis: Erstens ist Herr Wowereit schon vor fünf und nicht vor zwei Jahren umgezogen, er ist schon 2006 in seinem Wahlkreis direkt gewählt worden gegen Ihren Kandidaten Herrn Schwenkow und hat dort eine Mehrheit bekommen,

[Zuruf von Nicolas Zimmer (CDU)]

zum Zweiten kann ich nur sagen, dass er selbst letztens ziemlich unter dem Lärm gelitten hat, die die von Ihnen immer geforderte Graffitikontrolle per Hubschrauber in Halensee ausgelöst hat. Es ist nicht so, dass diese Gegend völlig fluglärmfrei sei – informieren Sie sich besser, bevor Sie solche Thesen in die Welt setzen!

Ich komme zum eigentlichen Thema der Aktuellen Stunde, der Flugroutenführung über dem Berliner Stadtgebiet. In den vergangenen Tagen hat das verständlicherweise für erhebliche Unruhe, insbesondere bei den Bürgerinnen und Bürgern im Süden Berlins, geführt.

Entschuldigung, Herr Gaebler! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Czaja?

Nein, der soll erst einmal zuhören, was ich sagen will, dann kann er später nachfragen, wenn er meint, es fehle noch etwas. – Es ist gut, dass mit der heutigen Debatte die Chance besteht, ein wenig Klarheit in die Diskussion zu bringen, Klarheit, worum es eigentlich geht, welche Vorschläge tatsächlich auf dem Tisch liegen, wie die Auswirkungen für die Berliner Bevölkerung sind und welche Alternativen es gibt.

Aus unserer Sicht muss der Grundsatz für alle Flugroutenplanungen lauten: So wenig Flüge wie möglich über dem Berliner Stadtgebiet aufgrund der dichten Besiedlung. Im Mittelpunkt der Überlegung kann nicht irgendeine abstrakte Leichtigkeit des Luftverkehrs stehen, im Mittelpunkt müssen die Menschen in unserer Stadt stehen!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Leider hat der CDU-Beitrag gezeigt, dass es Ihnen nicht um Aufklärung geht, nicht um die Bürgerinnen und Bürger – Sie greifen in Ihrer Verzweiflung als programm- und profillose Post-Landowsky-Partei nach jedem Strohhalm, um durch Skandalisierung und Angstmache Stimmung zu schüren und öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ersetzt keine Inhalte, Herr Friederici, sondern ist inzwischen nur noch peinlich!

[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP]

Das Vorgehen der deutschen Flugsicherung bei der Flugroutenfestlegung ist ein typisches Beispiel für abgehobenes, bürgerfernes und intransparentes Agieren einer bundeseigenen Gesellschaft. Information und Kommunikation null, öffentliche Aufregung zu Recht 100 Prozent. Das Muster kennen wir im Übrigen: Wir kennen es vom Vorgehen des bundeseigenen Wasserstraßenneubauamtes beim Landwehrkanal oder vom Eisenbahnbundesamt und der Deutschen Bahn beim Wiederaufbau der Dresdner Bahn in Lichtenrade. Berlin ist offensichtlich Terra incognita, unbekanntes wildes Land ohne schützenswerte Bevölkerung.

Zur aktuellen Aufregung um die Flugrouten: Das kommt dabei heraus, wenn man im stillen Kämmerlein, am grünen Tisch ein paar bunte Linien in den Stadtplan zeichnet und diese dann ohne Vorklärung und ohne Erläuterung einfach mal nach draußen gibt. Das ist ein massives Versagen der deutschen Flugsicherung und ein massives Versagen der aufsichtsführenden Behörde – des Bundesministeriums für Verkehr,

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Zuruf von Margit Görsch (CDU)]

übrigens desselben Ministeriums, das auch das Wasserstraßenneubauamt, Eisenbahnbundesamt und die Deutsche Bahn kontrollieren soll. Herr Minister Ramsauer, CSU, und Frau Staatssekretärin Reiche, CDU, beklagen reichlich spät den Scherbenhaufen, den wieder einmal eine ihnen unterstellte Behörde angerichtet hat. Sie arbeiten jetzt aber konstruktiv mit dem Berliner Senat und der brandenburgischen Landesregierung an einer schnellen Klärung und Lösung der Probleme, deshalb ist das Geheule der CDU umso unglaubwürdiger.

Was wir jetzt benötigen, sind Informationen statt Verunsicherungen – bunte Linien über dem Stadtgebiet sind keine ausreichende Diskussionsgrundlage. Wir wollen Klarheit über die Notwendigkeit solcher Routen, über Flughöhen, konkrete Auswirkungen derselben, Veränderungen gegenüber dem Status quo, Darstellung der Al

ternativlösungen und im Ergebnis eine schnelle Veränderung der Pläne.

[Margit Görsch (CDU): Hätte man vor zehn Jahren schon einführen sollen! – Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Wer war denn das?]

Frau Görsch! Vor zehn Jahren hat Herr Diepgen noch die Offenhaltung von Tegel gefordert. Vor fünfzehn Jahren hätte man das schon anders machen können, da hat die CDU aber noch verhindert, dass wir z. B. nach Sperenberg gegangen sind, Frau Görsch!

[Beifall bei der SPD, den Grünen und der Linksfraktion]

Das ist die Wahrheit, und das gehört dazu! Wenn ausgerechnet Sie aus Treptow-Köpenick sagen, die SPD sei schuld, dass über dem Südosten Berlins Flugzeuge starten und landen,

[Zurufe von der CDU]