Protocol of the Session on November 25, 2010

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Immerhin sind Sie zumindest einem Vorschlag von uns gefolgt, nämlich dem Vorschlag, zuverlässige Kontrollsysteme für die technische Sicherheit zu schaffen. Die Fahrgäste dürfen sich dann also künftig zwar nicht über ausreichend viele und auch nicht über pünktliche S-Bahnen freuen, aber wenigstens dürfen sie gewiss sein, dass die S-Bahnen sicher sind.

Der Zustand dieser S-Bahn macht nach wie vor ratlos. – Frau Senatorin! Sie haben in den Nachverhandlungen zum S-Bahnvertrag höhere Strafzahlungen durchgesetzt. Das finden wir in Ordnung; für den Landeshaushalt ist das gut. Aber das war es dann wohl. Davon wird die S-Bahn weder pünktlicher noch werden es mehr Züge. Für die Fahrgäste ist zuverlässiger S-Bahnverkehr aber wichtiger, als es die Einsparungen im Landeshaushalt sind. Aber bis heute weigert sich die S-Bahn, neue Züge anzuschaffen, obwohl diese auch nach Vertragsablauf eingesetzt werden könnten. Das verdanken wir der Logik der Bahnmanager, die nach wie vor auf den Börsengang setzen. – Herr von Lüdeke, Herr Friederici! Bitte bleiben Sie bei der Wahrheit! Sie könnten den Einfluss nehmen, das zu verändern. Doch das tun Sie nicht.

[Zuruf von der CDU: Doch, das machen wir!]

Die Bahnmanager haben uns immer wieder im Abstand von zwei Monaten die Rückkehr zum Normalbetrieb versprochen. Davon ist bis heute nichts zu spüren. Auf einigen Linien fährt noch immer gar kein Zug, auf anderen gibt es eingeschränkten S-Bahnverkehr und nach wie vor überall verkürzte Züge. Jeden Tag ist etwas anderes kaputt. Da fehlt eine Mitarbeiterin, und der komplette Ring steht still. Kurz danach geht nichts mehr, weil eine Weiche in der Bornholmer Straße ausfällt. Heute Mittag bin auch ich Opfer der unsäglichen S-Bahnpolitik geworden. Meine S-Bahn hielt am S-Bahnhof Bornholmer Straße und fuhr nicht weiter. Eine Ansage, dass die Züge auf dem gegenüberliegenden Gleis früher weiterfuhren, gab es nicht. So saßen viele Fahrgäste eine Viertelstunde in diesem Zug. Es ging nicht weiter, und alle waren letztlich frustriert, weil die S-Bahn eine vernünftige Fahrgastinformation nach wie vor nicht für erforderlich hält. Ich finde, es ist eine Katastrophe, was da an Fahrgastinformationen passiert.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion)]

Mir stinkt diese S-Bahnpolitik, und diese Politik des Bahn-Konzerns stinkt zum Himmel. Ich begreife nicht, dass bei der SPD immer noch Mitglieder in Erwägung ziehen, der Bahn diesen S-Bahnvertrag wieder per Direktvergabe zu übertragen. Sie wissen, es ist ein unkontrolliertes staatliches Monopolunternehmen mit Börsenoption, und das ist keinen Deut besser als andere Bahnunternehmen. Ich möchte, dass wir die Verkehrsleistung bestimmen und den Betreiber aussuchen.

Wir verstehen die Furcht der S-Bahnbeschäftigten vor einer Ausschreibung. Aber das kann kein Grund sein, die Fahrgastinteressen dem Diktat der Deutschen Bahn zu opfern. – Meine Damen und Herren von den Linken und der SPD! Es muss doch auch in Ihrem Interesse sein, dass wir in einem transparenten und offenen Wettbewerbsverfahren nicht nur ein zuverlässiges S-Bahnangebot, sondern auch sichere Arbeitsplätze bei der S-Bahn schaffen. Noch einmal zur Erinnerung: Bei der S-Bahn war der größte Arbeitsplatzvernichter die S-Bahn selbst. Ein Drittel der Arbeitsplätze ist dort im Wartungsbereich abgebaut worden. Die Auswirkungen haben wir alle zu spüren bekommen. Also warum vertrauen Sie diesem Unternehmen? Es tut mir leid, das verstehe ich nicht.

[Joachim Esser (Grüne): Weil es staatlich ist!]

Weil es staatlich ist, ja! Aber ein staatliches Monopol auf dem Weg zur Börse ist genauso ein Käse wie ein privates Monopolunternehmen. Deswegen wollen wir an dieser Stelle den Wettbewerb. Wenn wir es schaffen, in einem intelligenten Wettbewerbsverfahren klar zu definieren, wie die tariflichen Standards sind, wenn wir gute soziale Standards setzen, wird es am Ende auch möglich sein, sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Dann wird nicht einfach wieder abgebaut.

Eine Erklärung sind Sie uns noch schuldig. Sie wissen alle, die S-Bahn erbringt nicht 100 Prozent Verkehrsleistung. Wir wissen, Berlin kann sich jetzt mehr leisten, weil wir deshalb Gelder zurückbekommen – 34 Millionen

Euro in diesem Jahr, im nächsten Jahr werden es auch 20 Prozent Minderleistung sein, zumindest 15 Prozent. Mit welchem Recht darf das Land Berlin Gelder einbehalten, weil der Vertrag nicht erfüllt wird, aber die Fahrgäste sollen keine Entschädigung bekommen? Das ist ein Skandal! Wir haben den Antrag geändert und gesagt, wenn die S-Bahn Leistung nicht erbringt, möchten wir in Zukunft auch Entschädigungsleistung für die Fahrgäste. Mit welchem Recht verweigern Sie das den Fahrgästen? Die Erklärung hätte ich gern offen und in die Kamera.

[Beifall bei den Grünen]

Als Letztes möchte ich gern, dass Sie den Berlinerinnen und Berlinern endlich einmal sagen, was Sie mit der S-Bahn vorhaben. Und hören Sie auf, diffuse Wünsch-dirwas-Pläne von S-Bahnkauf und BVG zu träumen! Sie kennen den Zustand der BVG. Sie tragen jetzt Regierungsverantwortung, also können Sie die Entscheidung auch nicht bis zum September nächsten Jahres aussitzen. Sagen Sie jetzt, was Sie damit planen! Bis zum Jahresende müssen Sie eine Entscheidung treffen, das wissen Sie, sonst geht 2017 der Vertrag mit der S-Bahn einfach so weiter. Das können wir den Fahrgästen, den Berlinerinnen und Berlinern nicht zumuten.

[Beifall bei den Grünen – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Was habt ihr denn immer mit der BVG?]

Vielen Dank! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Matuschek das Wort!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Hämmerling! Sie fragen uns, was wir wollen. Darauf antworte ich ganz klar: Wir wollen Schaden vom Land Berlin abwenden,

[Joachim Esser (Grüne): Das ist euch in den letzten Jahren auch gut gelungen!]

der zweifellos einträte, wenn dass umgesetzt würde, was Sie in Ihren Anträgen hier verlangen, nämlich die Kündigung des Vertrages, die Zerschlagung der S-Bahn sowie die Zerschlagung der BVG. Das wollen Sie, das wollen wir nicht. Wir wollen Schaden von diesem Land abwenden und den Nahverkehr retten.

[Beifall bei der Linksfraktion – Michael Schäfer (Grüne): Ihr seid doch der Schaden für das Land!]

Zur Ehrlichkeit gehört auch die Feststellung, dass die Grünen den damaligen S-Bahnvertrag im Übrigen nicht deswegen abgelehnt haben, weil er so schlecht war, sondern weil es die rot-rote Regierung gewagt hat, die finanziellen Mittel zu kürzen. Sie haben damals gesagt, was für ein Unfug das sei; es müsse noch mehr Geld investiert werden. Deswegen haben Sie den Vertrag damals abgelehnt. An der Stelle sollten Sie einmal ehrlich sein.

[Beifall bei der Linksfraktion – Joachim Esser (Grüne): Gar nicht! Wir waren gegen die fehlende Ausschreibung]

Ich möchte den Börsengang der Bahn als dritten Punkt ansprechen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Schruoffeneger?

Nein, es ist so laut, dass ich nicht noch eine Zwischenfrage zulassen kann. – Die dritte Bemerkung in Richtung Grüne lautet: Ich kann mich erinnern, dass es eine Zeit einer rot-grünen Bundesregierung gab. Daran können Sie sich schon gar nicht mehr erinnern. Was wollen Sie denn wieder in der Regierung, wenn Sie sich schon nicht einmal mehr an Ihre letzte erinnern können? Ich kann mich aber nicht erinnern, dass die Grünen große Aktivitäten entfaltet hätten, um den Börsengang der Bahn von vornherein auszuschließen. Nun können Sie nicht behaupten, dass wir das nicht getan hätten. Wir haben von Anfang an gesagt, dass der Börsengang zu verurteilen und deswegen auch nicht anzustreben ist.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Die Berliner S-Bahn gehört zweifellos zur Daseinsvorsorge. Deswegen gehört sie auch in kommunale Verantwortung. Wir hatten gerade vorhin eine Debatte, wie wichtig die Daseinsvorsorge ist und wie wichtig es ist, sie in kommunaler Steuerung zu halten. Dann spare ich mir diesen ganzen Abschnitt meiner Rede.

Der Nahverkehr ist immanent wichtig. Deswegen muss er auch den regionalen und kommunalen Belangen unterstellt werden. Dabei hilft es manchmal, wenn man schaut, was andere tun. Es ist naheliegend zu schauen, was Bremen tut. Bremen macht eine Direktvergabe des Nahverkehrs. Was macht denn Hamburg? – Hamburg macht eine Direktvergabe des S-Bahnverkehrs. Aber weder in Bremen noch in Hamburg haben die Grünen in der Regierung etwas zu sagen. Hier erzählen Sie uns aber immer wieder, dass wir unbedingt Wettbewerb brauchen.

Die Frage ist doch, wer es besser kann. Das ist eine rhetorische Frage. Wenn man sie auseinanderdividiert, muss man erstens fragen, wer die Verantwortung trägt. Selbst bei einem Dienstleistungsvertrag, wie wir ihn jetzt mit der S-Bahn haben, trägt diese Koalition, diese Landesregierung die Verantwortung. Darum kann man nicht herumreden. Wir wollen es auch gar nicht. Wer trägt nun also die Verantwortung? – Wir sind es. Wer finanziert aber? – Es finanziert erstens der Steuerzahler und zweitens der Fahrgast. Wenn es aber der Steuerzahler finanziert, sollte er doch wenigstens – damit sind wir bei dem dritten Aspekt – mit steuern. Wer kann es sonst besser? Das ist genau der Punkt. Könnte es ein privates Unternehmen so steuern,

wie es eine kommunale Verantwortung tun würde? – Nein, das würde es nicht.

[Joachim Esser (Grüne): Seid wann sind Sie denn der Steuerzahler?]

Dann schauen wir doch einmal, was wir für Akteure in Ihrem wohlgelobten Wettbewerbsgeschehen haben. Im Eisenbahnbereich gibt es in der Bundesrepublik relativ wenig Akteure, die dann angeblich als die Privaten alles besser könnten. Der größte Akteur ist natürlich die DB AG. Es ist kein privater Akteur, sondern immer noch ein öffentliches Unternehmen im Besitz des Bundes. Dann haben wir zwei französische Unternehmen, die heißen Veolia und Keolis. Seltsamerweise sind es beide französische Staatsunternehmen. Dann haben wir einen dritten Akteur, Abellio. Wem gehört Abellio? – Abellio gehört der niederländischen Staatsbahn. Dann haben wir noch so etwas Schönes wie Arriva. Arriva gehörte einmal der DB AG; die mussten jetzt verkaufen. Wer kauft Arriva? – Es sind die französischen Staatsunternehmen. Dann haben wir noch ein etwas atypisches Unternehmen; es heißt BeNEX. Das ist eine Tochter der Hamburger Hochbahn, zur Hälfte, die andere Hälfte gehört – oh weh, oh Schreck – einer Heuschrecke. Es ist wie das Modell Wasserbetriebe in Berlin. BeNEX tritt durch das Betreiben von Lohndumping in dem so gelobten Wettbewerbsgeschehen auf.

Wir haben überhaupt nicht das, was Sie immer vorgaukeln, einen tatsächlichen Markt, einen Angebotsmarkt von ganz vielen Anbietern, die scharf darauf sind, den öffentlichen Nahverkehr zu betreiben. Es gibt hier ein relativ festgezurrtes Oligopol, wenige Anbieter, die alle, bis auf BeNEX, im Staatsbesitz sind. Ich frage Sie, was daran besser sein soll als tatsächlich ein öffentliches Monopolunternehmen, das auch öffentlich betrieben wird. Wenn wir das aus der Hand an andere öffentliche Staatsunternehmen gäben, hätten wir doch erst recht keine kommunale Steuerung. Deswegen stelle ich unter dem Strich fest, dass dieser Wettbewerb überhaupt nicht funktioniert.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Wir haben schon ein bisschen Erfahrung, wie angeblich erfolgreiche Wettbewerbsverfahren im Eisenbahnbereich gelaufen sind. Wir haben in jedem dieser Verfahren einzeln nachweisen können, dass es nur durch Lohndumping und durch Beschäftigungsqualitätsdumping funktioniert.

Es funktioniert auch, das gebe ich gerne zu, durch die Anschaffung besserer Fahrzeuge. Fahrzeuge haben aber nun einmal eine bestimmte Lebensdauer. Wenn die ausgelaufen ist und ein Anbieter, egal wie er heißt, neue Fahrzeuge beschaffen muss, hat man neue Fahrzeuge. Das ist richtig. Das ist aber kein Wettbewerbsergebnis, sondern ist das einfache Ergebnis einer technischen Verschlissenheit eines Fahrzeuges, das man irgendwann einmal ersetzen muss. Wir haben mehr negative Erfahrungen. Die reichen bis dahin, dass manche Kommunen sogar versuchen, ihr ursprünglich einmal privatisiertes Verkehrsunternehmen inzwischen wieder zurückzukaufen. Die Kieler Verkehrs AG hat das beispielsweise getan. Es ist kein

Eisenbahnunternehmen. Es ist ein typischer Fall von Rekommunalisierung.

Wir haben also vor, tatsächlich auf dem Weg weiter voranzuschreiten, den kommunalen Einfluss auf die S-Bahn auszubauen. Der Senat hatte im Januar gesagt, es gäbe drei Optionen. Wir haben als Linke gesagt, dass wir die Übernahme der S-Bahn gern hätten, dass die Betriebsübernahme durch die BVG durchaus realistische Option ist, daran muss man arbeiten. Die Ausschreibung eines Teilnetzes haben wir immer sehr skeptisch gesehen und sind froh, dass sich die SPD dieser Meinung inzwischen angeschlossen hat.

[Beifall bei der Linksfraktion]

Es kommt uns also darauf an, die verbleibende Zeit des jetzt gültigen und modifizierten Verkehrsvertrages zu nutzen.

Frau Matuschek! Sie haben leider keine verbleibende Zeit mehr!

Ich bin gleich fertig. – Der Druck auf die S-Bahn und DB AG muss weiter erhöht werden. Die Verlässlichkeit des Verkehrsangebotes muss wiederhergestellt werden. Auch das Vertrauen muss wiedergewonnen werden. Solange diese Konzernabhängigkeit der Berliner S-Bahn besteht, solange es ein ganzes Jahr dauert, die Betriebsentscheidung zur Wiederaufnahme der Werkstatt Friedrichsfelde zu fällen,

Frau Matuschek! Sie haben Ihre Zeit weit überschritten.

kann noch nicht von einem wiedergewonnen Vertrauen die Rede sein. Wir haben das Ziel, die kommunale Steuerung – –

[Beifall bei der Linksfraktion]

Das Wort hat jetzt Herr Abgeordneter von Lüdeke für die FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Matuschek! Das lag an Ihrer ausschweifenden Aussagen über Wettbewerb und ausländische Konkurrenzunternehmen.

[Zuruf von Jutta Matuschek (Linksfraktion)]

Dazu möchte ich Ihnen einmal etwas sagen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass hier ein Kleinunternehmer oder

ein Existenzgründer kommt und hier ein Bahnunternehmen aushebelt.

[Christian Gaebler (SPD): Die Grünen!]