Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 74. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, die Kolleginnen und Kollegen, natürlich auch die Besucher und die Vertreter der Presse ganz herzlich hier in unserem Haus.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich zwei Geburtstagskindern – sagt man ja wohl – zu gratulieren, nämlich zunächst dem Kollegen Michael Müller, dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion. – Herzlichen Glückwunsch!
Dann gratuliere ich auch dem Kollegen Benedikt Lux von Bündnis 90/Die Grünen, der heute auch Geburtstag hat.
1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD zum Thema: „Neuregelungen bei Hartz IV am Verfassungsgerichtsurteil vorbei – was bringt das so genannte Bildungspaket für Berliner Kinder?“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Winterchaos trotz nachverhandeltem Verkehrsvertrag: Warum hat sich der Senat keine Kontrollen und keinen Einfluss bei der S-Bahn gesichert und sich wieder auf offenbar unhaltbare Zusicherungen verlassen?“,
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Von S-Bahnchaos bis Klimaschutzgesetz – Ankündigungsweltmeister Wowereit verspricht viel und legt nichts unter den Weihnachtsbaum.“,
4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Täglich grüßt das peinliche S-Bahnchaos, der Senat schaut weiter hilflos zu – Berlin braucht keine ordnungspolitisch verfehlte Zwangsheirat der S-Bahn mit der brennend heißen Pannenbraut BVG, sondern fairen Wettbewerb im ÖPNV mit zügigen Ausschreibungen!“.
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Koalitionsfraktionen das Wort, und das ist die Kollegin Burgunde Grosse. – Bitte, Frau Grosse, ergreifen Sie das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die rot-rote Koalition hat heute ein aktuelles Thema zur Aktuellen
Stunde eingebracht mit der Überschrift: „Neuregelungen bei Hartz IV am Verfassungsgerichtsurteil vorbei – was bringt das so genannte Bildungspaket für Berliner Kinder?“ Das ist ein Thema, das ca. 150 000 Kinder in unserer Stadt betrifft und wäre vor Einführung am 1. Januar 2011 in unserer heutigen letzten Sitzung in diesem Jahr sicher ein Thema, über das man diskutieren sollte. Mit Sicherheit würden wir kontrovers diskutieren, da CDU und FDP, die zurzeit im Bund regieren, dieses Bildungspaket zu verantworten haben, das auf den ersten Blick gut aussieht, aber auf den zweiten Blick
wird einem klar, dass der vorgelegte Gesetzentwurf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und die Erwartungen und Hoffnungen vieler Menschen leider nur unzureichend erfüllt. Das ist ein Problem.
2010 – ich erinnere daran, das europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung – war für viele Menschen in Deutschland die Hoffnung, auch für die ca. 300 000 Bedarfsgemeinschaften in unserer Stadt. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt – ganz im Gegenteil! Wie sollte es auch unter Schwarz-Gelb? – Das sogenannte Bildungspaket investiert nicht in die Infrastruktur für bessere Bildung, sondern reduziert sich auf ein Gutscheinsystem, das mit großem bürokratischen Aufwand in den Jobcentern installiert werden soll. Hier wird eine weitere teure Bürokratie – die FDP ist eigentlich immer für Bürokratieabbau – mit schätzungsweise 130 Millionen Euro Verwaltungskosten aufgebaut, die sich in der Praxis als untauglich bzw. bestimmt sehr schwerfällig erweist.
Zudem ist dieses System intransparent. Wer soll in den Jobcentern die Entscheidung über Bildungsgutscheine treffen? Welche Kriterien liegen dem Urteil zugrunde? Wie wird das kontrolliert? Wann werden die Widersprüche entschieden? – Das sind alles noch offene Fragen, die uns die Bundesregierung derzeit nicht beantworten kann.
Für uns ist die sozialraumorientierte Kinder- und Jugendhilfe und nicht das Jobcenter der richtige Ansprechpartner und Akteur, um Kinder und Jugendliche adäquat zu begleiten. Notwendig ist es, institutionelle, schulnahe Förderangebote unter Einbezug der Träger der Jugendhilfe bereitzustellen. Diese Infrastruktur muss so ausgestaltet sein, dass Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichen kulturellen Milieus und sozialen Herkünften damit auch erreicht werden. Dieses ist erfolgversprechender, als mit Gutscheinen abgespeist zu werden.
Die Bildungs- und Teilhabechancen von Kindern und Jugendlichen werden durch die Vorhaben der Bundesregierung nicht verbessert. Wichtig ist, ich betone das nochmals, dass in die Bildungsinfrastruktur vor Ort investiert wird. Bildungsgutscheine nützen hier nichts. Die Schaffung von Bildungs- und Teilhabechancen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Um Perspektiven eröffnen zu können, müssen die Leistungen für Bildung sinnvoller eingesetzt wer
den. Unser Ziel ist der gebührenfreie Zugang aller Kinder zur Bildung von der Kita an, so wie es die rot-rote Koalition in Berlin bereits praktiziert.
Kinderarmut ist Familienarmut. Gute Arbeit für die Familien hat für uns Priorität, und dazu gehört endlich die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns.
Die Begrenzung beispielsweise der Lernförderung nur für diejenigen Kinder, deren Versetzung zwar gefährdet, aber noch abwendbar ist, nicht aber für die Kinder, die eine Klasse wiederholen müssen oder einen Schulwechsel auf eine höhere Schule anstreben, zeigt, wie unausgegoren und im Eilverfahren mal wieder ein Gesetz verabschiedet werden soll.
Wenn wir uns heute für ein anderes Thema für die Aktuelle Stunde entscheiden sollten, so werden wir dieses Thema in einer nächsten Sitzung in den entsprechenden Ausschüssen auf die Tagesordnung nehmen, und dann wird sich zeigen: Wie viel kommt für Berliner Kinder von dem Bildungspaket an? – Nicht viel! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön! – Meine Damen und Herren! Darf ich darum bitten, dass der Geräuschpegel im Saal durch jeden Einzelnen etwas niedriger wird, sodass wir Herrn Friederici, der jetzt für die CDU das Wort hat, auch gut verstehen und seine Worte würdigen können!
Vielen Dank für die netten Worte, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verkehrspolitik des Berliner Senats versinkt im Chaos.
Die Berliner Verkehrssenatorin Frau Junge-Reyer ist hilf- und machtlos, der Regierende Bürgermeister Wowereit ist im Schneegestöber nicht mehr zu sehen.
Die S-Bahnen der Bundeshauptstadt fahren nur noch zur Hälfte, bei der BVG fehlen aktuell 40 Busse. Der öffentliche Nahverkehr steht kurz vor dem Kollaps, und das ist der Grund für die heutige Aktuelle Stunde.
Die Berliner CDU-Fraktion will heute in der Aktuellen Stunde wissen, und der rot-rote Senat muss heute erklären: Wann fährt die S-Bahn wieder zu 100 Prozent? Die CDU-Fraktion möchte hier und heute vom Senat wissen: Welche Schritte werden aktuell und konkret unternom
Und wir wollen heute hören, weshalb der Senat beim nachverhandelten S-Bahn-Vertrag keine wirkungsvollen Kontrollmechanismen im Reparatur- und Betriebsablauf vereinbaren wollte oder konnte.
und für nicht mehr so wichtig halten. Aber die Oppositionsfraktionen von CDU, Grünen und FDP finden sehr wohl, dass dieses Thema heute in die Aktuelle Stunde gehört.
Wir wollen heute von Frau Junge-Reyer keine gespielte Empörung und keinen blinden Aktionismus wie vor den Kameras des RBB sehen. Wir müssen heute im Interesse der Fahrgäste vom Senat wissen, wann er endlich seine Verantwortung wahrnimmt und mit der S-Bahn und der Deutschen Bahn garantieren kann, dass das Verkehrsmittel S-Bahn wieder in Gang kommt.
[Beifall bei der CDU und der FDP – Uwe Doering (Linksfraktion): Wem gehört denn eigentlich die S-Bahn?]
Wir wollen heute in der Aktuellen Stunde ein klares Bekenntnis vom Regierenden Bürgermeister zum öffentlichen Nahverkehr in Berlin hören. Wir wollen heute vom Regierenden Bürgermeister hören, dass er nicht wieder, wie im letzten Winter und bei der letzten S-Bahnkrise, seinen halben Jahresurlaub von drei Wochen nimmt und die Berlinerinnen und Berliner mit einer überforderten Verkehrssenatorin alleine lässt, die sich seit inzwischen drei S-Bahn-Winterkrisen immer nur auf das verlässt, was man ihr von der S-Bahnseite sagt.
Wir wollen heute kein Wegducken. Rot-Rot ist für den öffentlichen Nahverkehr seit neun Jahren in Regierungsverantwortung. Wir wollen heute vom Berliner Senat wissen: Erstens: Wann fährt die S-Bahn wieder zu 100 Prozent? Zweitens: Welche Instrumente, welche Disziplinierungen nimmt der Senat in die Hand, um die SBahn und die Deutsche Bahn zu zwingen, sich absolut vertragstreu zu verhalten? Drittens: Wir wollen wissen, weshalb der Regierende Bürgermeister seit inzwischen gut einer Woche offensichtlich nicht mehr mit Bahnchef Grube geredet und warum Herr Wowereit diese Chefsache offensichtlich nicht mehr als Chefsache sieht.