Protocol of the Session on December 9, 2010

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Ich stelle fest: Alle Jahre wieder hören wir die gleichen Reden zu diesem Thema.

[Uwe Doering (Linksfraktion): Von Ihnen auch!]

Alle Jahre wieder lesen wir die gleichen Medienberichte zu dem Thema. Alle Jahre wieder

[Uwe Doering (Linksfraktion): Alle Jahre wieder kommt der Weihnachtsmann!]

stellen wir fest, wenn wir die Senatorin angucken und fragen: Gibt es etwas Neues in der Sache? – nein, es gibt nichts Neues. Es ist alles beim Alten: Die Züge fehlen weiterhin. Mit sinkenden Temperaturen und Minustemperaturen funktionieren die Weichen nicht.

Erinnern Sie sich noch, Frau Senatorin? Wir hatten damals in der Ausschusssitzung die Diskussion, warum Weichen nicht funktionieren. Ich kann mich erinnern, da wurde großartig dargestellt: Sie funktionieren nicht, weil die S-Bahn die Schmiermittel eingespart hat, weil man nicht mehr hochwertige Schmiermittel, sondern nur noch minderwertige Schmiermittel benutzt. Das wird alles anders. Wir nehmen wieder die hochwertigen Schmiermittel. – Offenbar hat man sie nun doch nicht genommen. Die Weichen funktionieren immer noch nicht. Die „BZ“ hat in ihrer Umfrage, auf die schon verwiesen wurde, nachgefragt, und da kam von ehemaligen S-Bahnern die Empfehlung, dass man früher, zu DDR-Zeiten, auf die Weichen Gülle gegossen und damit das Einfrieren verhindert hätte.

Fazit ist: Die Fahrgäste stehen weiter in der Kälte auf den Bahnhöfen. Es fehlt an Zügen. Wenn sie kommen, kommen sie verkürzt. Sie kommen verspätet, und überfüllt sind sie ohnehin. Der Ratschlag der S-Bahn: Die Leute sollen sich wärmer anziehen – das hat die Kollegin Matuschek bereits vorgemacht, wie die Leute ausgestattet sind, wenn sie mit der S-Bahn fahren.

[Martina Michels (Linksfraktion): Das war Frau Hämmerling!]

Entschuldigung, das war Frau Hämmerling! Sie hat gesagt: Wärmer anziehen, dem Ratschlag der S-Bahn folgen. Das ist es, was die Leute heute zur Kenntnis nehmen müssen. Nur die Fahrpreise bleiben stabil. Da hat sich nichts getan, obwohl das Angebot drastisch gemindert ist.

Alle Jahre wieder das gleiche Ritual. Alle Jahre wieder das gleiche Drama. Was macht die S-Bahnleitung? – Sie redet sich raus. Sie beschwichtigt. Sie gibt Ratschläge gegen die Kälte. Aber kurz gesagt: Insgesamt tut sie nichts.

Was tut nun der Senat? – Der Senat tut auch nichts anderes. Er redet sich raus. Er beschwichtigt. Er entwickelt

Zukunftsfantasien. Kurz gesagt: Er tut auch nichts. Davon versucht die rot-rote Koalition, heute abzulenken. – Doch, eines tut der Senat: Er kürzt die Zuschüsse. Immerhin Zuschüsse kürzen ist wenigstens eine Leistung, die er vollbracht hat. Aber im Übrigen zeigt der Senat seit drei Jahren gänzliches Unvermögen, mit dieser Situation fertig zu werden.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Stattdessen werden diese Rekommunalisierungsgedanken entwickelt. Da sagt die Senatorin Junge-Reyer im „Morgenpost“-Interview von heute, das Problem sei, dass die S-Bahn kein Landesunternehmen sei. – Wie bitte, Frau Senatorin? Als ich das gelesen habe, hat es mir schier die Sprache verschlagen. Das fehlt uns gerade noch! – Liebe Frau Junge-Reyer! Wo leben Sie eigentlich? Sie haben doch wirklich viel Erfahrung in der Landespolitik gemacht und sehen in der Stadt, was so alles läuft. Schauen Sie sich doch einmal die Landesunternehmen an, von denen Sie reden! Nicht nur die S-Bahn ist ein instabiles Unternehmen, wie Sie richtig feststellen, sondern auch die Landesunternehmen – allen voran Charité, Vivantes und die BVG. Für die FDP-Fraktion heißt das ganz klar: Wir wollen auf keinen Fall, dass Sie die S-Bahn übernehmen. Wir wollen kein Landesunternehmen S-Bahn, und wir wollen auch keine Direktvergabe an die marode BVG.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Nun zu Ihren Aktivitäten: Sie haben intensive Gespräche mit der Deutschen Bahn geführt. Herr Gaebler sagte gerade, Herr Grube wolle nach unzähligen ausgeschlagenen Aufforderungen im Januar den Ausschuss besuchen.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Schauen wir mal!]

Ich glaube das erst, wenn er wirklich in der Sitzung erscheint. Ich würde fast wetten, dass er nicht kommt, aber warten wir es ab.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Ich würde nicht dagegenhalten!]

Sie sollten aufhören, mit denen zu reden. Stattdessen sollten Sie handeln, liebe Frau Senatorin. Handeln Sie wie ein verantwortlicher Unternehmer, nicht wie ein Verwaltungsbeamter!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Oliver Friederici (CDU)]

Wobei ich nichts gegen die Verwaltungsbeamten gesagt haben möchte, aber in dem Fall sollten Sie wie ein Unternehmer handeln. Weichen Sie nicht auf die Frage nach dem Börsengang der DB aus! Herr Gaebler, darüber müssen wir nicht mehr reden. Handeln Sie! Kündigen Sie den Vertrag! Stellen Sie die Zahlungen ein! Ich habe gehört, dass das sogar Herr Gaebler inzwischen gefordert hat. Das ist der richtige Schritt. Organisieren Sie Ersatzverkehre! Machen Sie Schadenersatz geltend, wenn Sie den Vertrag gekündigt haben! Da kommen ganz andere Summen zusammen.

[Beifall bei der FDP]

Reden Sie nicht, sondern machen Sie Druck! Stellen Sie sich vor, wie ein Unternehmer handeln würde. Wie würden Siemens und Daimler handeln, wenn sie ein derartiges Problem mit einem ihrer Hauptzulieferer hätten? – Schon nach dem ersten Winter hätten sie die renommiertesten Anwaltskanzleien der Bundesrepublik aufgefahren. Die hätten sich gegen so einen Schlendrian warmgelaufen. Nichts dergleichen haben Sie getan. Handeln Sie endlich wie ein Unternehmer! Das sind Sie auch den Fahrgästen schuldig. Und dann müssen wir uns auch nicht dieses Kapitalismusgequatsche von Frau Matuschek anhören.

[Beifall bei der FDP]

Wenn Sie zu dieser unternehmerischen Leistung nicht in der Lage sind, dann sollten Sie überlegen, ob Sie überfordert sind, und zurücktreten.

[Beifall von Björn Jotzo (FDP), Christoph Meyer (FDP) und Kurt Wansner (CDU)]

Sie müssen jetzt zeigen, dass Sie die Sache in den Griff bekommen. Die S-Bahn schafft es nämlich nicht.

Im Übrigen kann ich darauf verweisen, was ich an vielen Stellen schon gesagt habe: Bereiten Sie sich auf eine Vergabe der Leistungen im Wettbewerb vor! Orientieren Sie sich an den Anträgen der FDP-Fraktion! Wir haben ja einige vorgelegt.

[Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Vielen Dank!]

Ihre Skepsis, was die S-Bahn mit den Zügen macht, wenn sie die Ausschreibung nicht gewinnt, ist unbegründet. Hören Sie auf, den Leuten zu erzählen, diese Züge würden verschrottet oder anderweitig aus dem Verkehr gezogen. Die S-Bahn wird einen Teufel tun. Sie wird den Unternehmen, die im Wettbewerb obsiegen, selbstverständlich diese Züge verkaufen. Sie wäre bekloppt, wenn sie es nicht täte. Sie verkauft sie, weil sie ansonsten Vermögen verschwenden würde. Es ist ein Ammenmärchen, dass sie das nicht täte. Höre Sie auf, das den Leuten zu erzählen!

[Beifall bei der FDP]

Die „BZ“ wagte heute einen Blick nach Bayern. Die Landeshauptstadt München hat 238 Züge im Einsatz. Davon stehen zehn in der Werkstatt. Berlin hat 140 Züge im Einsatz. Davon stehen 60 in der Werkstatt. München fährt 442 Kilometer, Berlin 332. München hat täglich 800 000 Fahrgäste, Berlin 1,2 Millionen. München hat 1 005 Beschäftigte, Berlin 2 947. Noch irgendwelche Fragen?

[Uwe Doering (Linksfraktion): Lesen Sie auch mal den letzten Satz vor!]

Wir können auch gerne mit der Mitarbeiterzahl der deutschen Reichsbahn und der S-Bahn zu DDR-Zeiten vergleichen. Ich will das aber gar nicht vertiefen. Man stellt aber ziemlich eindeutig fest, wo die Probleme liegen. Diese Probleme haben Sie jetzt, hier und heute zu lösen. Vertrösten Sie die armen Bürger und geschundenen Fahrgäste nicht weiter! – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank, Herr Abgeordneter! – Für den Senat hat jetzt die Senatorin für Stadtentwicklung das Wort. – Bitte sehr, Frau Junge-Reyer!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation des S-Bahnbetriebs in Berlin ist allerdings eine Zumutung für die Fahrgäste. Die von der S-Bahn, vom Vorstand der Deutschen Bahn eingegangenen Verabredungen sind offensichtlich nicht hinreichend erfüllt worden, aber der Senat lässt die S-Bahn und die Bundesregierung nicht aus der Verantwortung heraus.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Ja! Wir haben mehr erwartet. Wir haben etwas anderes erwartet. Noch Anfang November haben wir mit dem Vorstand der Deutschen Bahn in die Zukunft geschaut und haben den kommenden Winter betrachtet. Wir hatten die Zusicherung, dass Vorsorge in erheblichen Umfang und anderer Qualität getroffen worden ist, als es im letzten Jahr der Fall war.

[Claudia Hämmerling (Grüne): Diese Zu- sicherung bekommen wir seit zwei Jahren!]

Dass wir Verantwortung übernommen haben, haben wir im Rahmen der Verhandlungen zum Verkehrsvertrag bewiesen. Das, was hier immer wieder gefordert wird, nämlich Nach- und Änderungsverhandlungen durchzuführen, haben wir getan. Wir haben viel erreicht. Wir haben mit dem Änderungsvertrag zum Verkehrsvertrag vor allen Dingen eine Qualitätssicherungsvereinbarung, einen Qualitätssicherungsplan verabredet, der einzuhalten ist. Das ist eine neue Qualität. Wie haben andere Voraussetzungen geschaffen. Wenn dann am 2. November in den Gesprächen zur Einhaltung dieser Qualitätssicherung mit der Deutschen Bahn und der S-Bahn, der VBB und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen der Verkehrsverwaltung einen mehrseitigen Plan überreicht bekommen haben, der in allen Einzelheiten schildert, was zur Winterfestmachung jeder Baureihe, jeder Werkstatt und – dargestellt von der DB Netz – auch der Weichen geplant ist, dann ist das eine Auswirkung des Handelns des Senats, der alle Zusicherungen vorliegen hatte.

Es hat nicht funktioniert, und in den Gesprächen, die wir zurzeit führen, stellen wir fest, dass die Ursachen vielfältig sind. Selbstverständlich liegen sie teilweise weit zurück und sie liegen – Frau Matuschek und Herr Gaebler haben darauf hingewiesen – in der Tatsache begründet, dass vom früheren Vorstand der Deutschen Bahn die Frage des Fitmachens für den Aktienmarkt wichtiger gewesen ist als das Fitmachen für den Berliner Nahver

kehr. Das ist richtig. Unter dieser Tatsache leidet die Berliner S-Bahn nach wie vor.

Wir haben es sehr konkret mit der Kombination der Notwendigkeit, unter den Auflagen des Eisenbahnbundesamtes eine ständige Kontrolle der Züge und der Wagen durchzuführen und die Radsätze auszuwechseln, und der Tatsache, die hinzugekommen ist, und die wir heftig diskutieren, zu tun, dass es der DB Netz offensichtlich nicht gelungen ist, zu Beginn des Schneefalls das sogenannte Weichenproblem zu lösen. Das Aufstauen der Wagen in den Schienen, das Aufstauen vor den Werkstätten hat tatsächlich die Folge gehabt, dass wir es im Augenblick mit einem geringeren weiteren Zulauf zu tun haben, der noch nicht die Leistung erreichen lässt, die wir versprochen bekommen haben.

Wenn wir uns allerdings mit den Folgen des Änderungsvertrags auseinandersetzen, dann will ich Ihnen mitteilen, dass wir – das ist mehrfach vorgerechnet worden – in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt etwa 90 Millionen Euro einbehalten haben. Wir werden dies wieder zugunsten der Fahrgäste in den öffentlichen Personennahverkehr geben. Wir werden dies insbesondere der BVG zur Verfügung stellen. Aber obwohl das erhebliche Größenordnungen sind, würde ich dieses Geld lieber ausgeben, wenn wir für die Fahrgäste wieder einen normalen, gewohnten, in alter Qualität betriebenen Verkehr bei der S-Bahn erhielten.

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Beifall von Claudia Hämmerling (Grüne)]

Wir haben hier heute ein paar gute Ratschläge bekommen. Ich muss Ihnen sagen, Herr Friederici, für den Fall, dass Sie weiter argumentieren wollen: Sie wissen es eigentlich besser! Ich habe Sie als jemanden kennengelernt, der sich in der neuen Funktion als verkehrspolitischer Sprecher durchaus mit Tatsachen auseinandersetzt. Wenn Sie sagen, dass man einen Sanierungsvertrag abschließen solle, bei dem man die Bahn zwingt, Fahrzeuge zu stellen, dann wissen Sie sehr gut: Wenn man dies tun würde, dann würden die Fahrzeuge ungefähr im Juni 2015 zum ersten Mal zur Verfügung stehen. Ich glaube, Sie wissen das, und alles, was Sie darüber hinaus behaupten, ist falsch. Es ist nicht möglich, in so kurzer Zeit Ersatz für die S-Bahn in Berlin zu schaffen. Wenn Sie den Eindruck erwecken, dann ist das fahrlässig!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion]

Herr von Lüdeke! Wenn Sie alle Jahre wieder davon sprechen, dann erzählen Sie alle Jahre wieder dasselbe. Neues habe ich von Ihnen hier heute auch noch nicht gehört. Wirklich nicht!