Wenige Menschen können es sich leisten, dauerhaft auf ein eigenes Auto umzusteigen, und sind leider, leider für lange Zeit dem öffentlichen Nahverkehr abhanden gekommen, weil sie nämlich ihre Jahresabos gekündigt haben. Sehr, sehr viele Menschen sind aber auf den funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr in Berlin angewiesen und können es sich nicht leisten, privat mit dem Auto zu fahren, oder sie fahren aus Überzeugung öffentlich. Sie müssen aber alle hin und zurück zur Arbeit und müssen nun die Versäumnisse des Senats ausbaden. Das ist ein klassisches Beispiel rot-roter Gerechtigkeit. Das wird leider weiter zu Politikverdrossenheit führen. Diese rot-rote Politik ist absolut beschämend und inakzeptabel!
Dagegen wendet sich die Berliner CDU-Fraktion. Der Regierende Bürgermeister hat am Montag sinngemäß in einem Bericht der „Abendschau“ erklärt, die Politik sei machtlos. Das ist sie eben nicht, Herr Wowereit! Hätte der Senat durch knallharte Verhandlungen deutlich auf die Schaffung einer Fahrzeugreserve gedrungen, hätte er auf viel, viel deutlichere Reduzierungen der Zahlungen gedrungen – die heute gegen Null gingen –, hätte er – Stichwort Chefgespräch – mit Grube vereinbart, dass deutlich mehr Werkstatt- und Reparaturpersonal aus dem DB-Konzern abzustellen sei und würde der Senat endlich dafür Sorge tragen, dass es für alle S-Bahnlinien einen von der S-Bahn bezahlten Ersatzverkehr durch Reise- und Stadtbusse oder durch Schnelltaxis wie in Hamburg gäbe – ich bin mir sicher, wir hätten heute nicht dieses Verkehrschaos.
Meine Damen und Herren von der Linkspartei! Auch Sie sollten sich daran gewöhnen: Sie sind nicht nur Claqueure eines rot-roten Senats, sondern sollten auch einmal wieder zur Kontrolle dieser Landesregierung übergehen!
Ich fasse zusammen: Die Berliner CDU-Fraktion fordert erstens die Beantwortung der Frage: Wann fährt die S-Bahn wieder verbindlich zu 100 Prozent? Das muss heute aufgeklärt werden. Zweitens: Welche konkreten Schritte werden von der verantwortlichen Verkehrsverwaltung eingeleitet, damit der S-Bahnvertrag wieder eingehalten wird? Drittens: Sieht Herr Wowereit die S-Bahn noch als Chefsache? Viertens, zur Frage der Entschädigung: Welche Vorstellungen wird der Senat an die SBahn richten? Wenn das so weitergeht mit dem Dezember-Winter-Chaos dieses Jahres, muss unverzüglich der nächste Entschädigungsmonat her!
Denn die Entschädigungen, die wir derzeit für den November und Dezember 2010 haben, resultieren noch aus der alten Winterkrise.
Rot-Rot muss endlich die gravierenden Verkehrsprobleme dieser Stadt lösen. Es brennt an allen Ecken und Enden. Die Lösung kann aber nicht sein, BVG und S-Bahn zu fusionieren. Aus zwei kranken wird kein gesundes Unternehmen. Rot-Rot muss jetzt seine Hausaufgaben erledigen. Es kann nicht sein, dass sich der Senat nur bei guten Nachrichten verantwortlich fühlt – bei Eröffnungen, etwa neuer Fahrtreppen, bei Aufzügen, einem neuen grünen Abbiegepfeil oder bei neuen Fahrzeugen. Verkehrspolitik ist Verkehrspolitik im Guten wie im Schlechten, und dafür steht Rot-Rot seit neun Jahren in der Verantwortung.
Der Berliner Senat und diese Koalition sind zwei Legislaturperioden verantwortlich für den gesamten Berliner Verkehr und den im nahen Umland in Brandenburg. Was dieser Senat nach fast zehn Jahren hinterlässt: S-Bahnkrise, zu wenige BVG-Busse, kein abgestimmtes ÖPNVKonzept, einen verspäteten Eröffnungstermin des Flughafens BBI, kein Konzept beim Wirtschaftsverkehr und das Chaos bei der A 100. Das ist rot-rote Verkehrspolitik. Es reicht, Herr Wowereit!
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Friederici! – Jetzt hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Gaebler das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! So ein Beitrag wie der von Herr Friederici hinterlässt einen zunächst einmal ratlos. – Herr Friederici! Wenn ich einmal zusammenfasse, was Sie gesagt haben, dann müssten Sie dafür sein, dass das Land Berlin die S-Bahn in eigener Regie betreibt. Das fordern Sie ja gerade von uns. Wozu brauchen wir dann noch einen DB-Konzern dazwischen, dem wir ständig Ansagen machen müssen?
Dann machen wir es doch besser gleich selbst mit einem landeseigenen Unternehmen, und dann wird alles besser. Das war das Ergebnis Ihres Vortrags. Ich glaube, man kann das ein bisschen differenzierter sehen, aber im Ergebnis sind wir dann vielleicht gar nicht so weit auseinander – ein bisschen vielleicht in der Schuldzuweisung.
Zurück zur Sache! Es ist traurig. Wir können feststellen: Es gibt einen erbärmlichen Zustand der Berliner S-Bahn, übrigens nicht nur bei den Fahrzeugen, die wir schon häufiger diskutiert haben, sondern auch Weichen und Signale sind offensichtlich in einem technisch heruntergekommenen, schlechten Zustand. Der selbsternannte
Weltkonzern bekommt die Probleme im Berliner Nahverkehr nicht in den Griff. Es gibt keine Züge, keine Informationen, kein Konzept, aber jede Menge ratlose und wütende Fahrgäste. Das ist die tägliche Realität bei der Berliner S-Bahn, und das ist die Kapitulation der Deutschen Bahn AG vor selbst verursachten Problemen. Wenn jetzt sogar schon die vom Springer-Verlag herausgegebene BZ dazu einen Bericht nach dem Motto „Es war nicht alles schlecht in der DDR“ macht, dann muss das schon viel heißen.
Ich habe auch in meinem Bücherschrank gestöbert und festgestellt, dass es aus der Zeit der 750-Jahr-Feier ein schönes Buch über die Berliner S-Bahn gibt. Man staune: Da gibt es tatsächlich einen Berliner S-Bahnzug im Schnee mit einem normal besetzten Bahnsteig zu sehen, und der Zug scheint betriebsbereit zu sein. Das ist allerdings ein Zug mit Baujahr 1930, der 1987 noch in Betrieb war. Die Bahn sollte sich heute davon eine Scheibe abschneiden, dass das ein bisschen langlebiger war. In dem Buch steht auch:
Die S-Bahn fährt zu jeder Tageszeit und zu jeder Nachtzeit. Zwischen Ostbahnhof und Alexanderplatz oder zwischen Alexanderplatz und Ostbahnhof fährt alle 90 Sekunden ein Zug, bei 55 Grad Hitze über den Schienen und bei 35 Grad Kälte.
Ja, so war das damals. Nun soll man die DDR an dieser Stelle nicht glorifizieren – es gab auch danach noch einen vernünftigen S-Bahnbetrieb –, aber es zeigt, wohin uns der Mobilitätskonzern Deutsche Bahn AG gebracht hat. An der Stelle will ich gar nicht verhehlen: Natürlich hat das seine Ursachen im Umgang mit der Bahn in den vergangenen Jahren.
Die Strategie des Börsenganges war ein Fehler. Das haben wir als Berliner SPD schon immer vertreten. Es hat dazu auf Bundesebene zunächst andere Positionen gegeben – das haben Sie vorhin richtig wiedergegeben. Aber man kann aus seinen Fehlern auch lernen. Wir haben uns an der Stelle durchgesetzt. Es gibt eine klare SPDPosition: kein Börsengang der Bahn, keine Privatisierung. Die Zukunft der Bahn, auch die der S-Bahn, kann nicht in einer Privatisierung liegen. Vielmehr muss der öffentliche Eigentümer dafür sorgen, dass die Bahn ihren Versorgungsauftrag erfüllt. Das ist übrigens auch für ein mögliches weltweites Engagement zwingend. Wer beauftragt denn ein Unternehmen, welches im eigenen Markt zu Hause eine derart schlechte Leistung abliefert? Deshalb soll das öffentliche Unternehmen Bahn erhalten bleiben und benötigt einen funktionierenden Nahverkehr auch in Berlin, um erfolgreich in Deutschland und Europa arbeiten zu können. Daran wollen wir weiter mitarbeiten.
Nein! Vielleicht nachher! Aber ich will jetzt erst einmal im Zusammenhang ein paar Dinge ausführen. Es ist ja ohnehin wieder eine Scherzfrage.
Deshalb, Herr Friederici, hätte mich interessiert, was Sie eigentlich zu dem Thema Börsengang und Privatisierung der Bahn sagen, das wir gemeinsam als Ursache festgestellt haben. Wo ist das Geld, das für die S-Bahn notwendig ist? Wo ist das Geld, wo Sie doch eingefordert haben, dass wir Maßnahmen überwachen, für die aber gar kein Geld vorhanden ist? Da muss man sehen: Was macht Bundesminister Ramsauer? Das frage ich hier gern und häufig. Die „BZ“ und andere fragen es inzwischen übrigens auch. Es kann also nicht nur an mir liegen. Was also macht er? Er ist nämlich immer noch Bundesverkehrsminister.
Nun sollte man denken, dass der Bundesverkehrsminister und mit ihm die gesamte schwarz-gelbe Bundesregierung die Bahn und Herrn Grube in ihrem Kampf um mehr Service, Qualität und Kundenorientierung unterstützen. Aber was machen die Herren und wenigen Damen? – Nachdem der Haushalt durch Milliardengeschenke für Hotels, Atomkonzerne und andere Klientel von SchwarzGelb geplündert worden ist, müssen jetzt die Fahrgäste die Zeche zahlen. 500 Millionen Euro wollen CDU und FDP mit dem gerade beschlossenen Bundeshaushalt der Bahn wegnehmen. Das ist die Wahrheit, Herr Friederici! Sie plündern die Bahn weiterhin aus, und werfen uns vor, dass dort nichts umgesetzt wird. Das ist doch lächerlich!
Sie sind die Schuldigen und Sie schreien jetzt: Haltet den Dieb! Reden Sie doch einmal mit Ihren Bundestagsabgeordneten. Weshalb haben die dieser 500-Millionen-EuroKürzung zugestimmt? Damit die S-Bahn weiterhin nicht in das Gleis kommt? Damit der Senat weiterhin Forderungen stellen kann, die die S-Bahn nicht erfüllen kann, weil sie das Geld dafür vom Konzern nicht bekommt? Ich finde es wirklich ehrenrührig, dass Sie sich hier hinstellen und eine solche Rede halten. Das haben die Fahrgäste und Berlinerinnen und Berliner nicht verdient, dass eine große Volkspartei sich derart lächerlich macht, indem sie solche Unterstellungen in den Raum stellt.
Eine große Volkspartei wie die CDU. Sie sind ja noch eine, auch wenn die Umfragen das hier in Berlin nicht immer erkennen lassen.
Jetzt zurück zum eigentlichen Thema. Die Bahn hat mehrfach gesagt: Wir haben verstanden. Wir tun alles. – Noch am 7. Oktober wurde per Pressemitteilung verkündet: Umfangreiches Maßnahmenpaket für S-Bahnbetrieb in der kalten Jahreszeit. Bereits im Frühjahr hatten Fachleute eine Problemanalyse erstellt. Daraus ist ein Maßnahmepaket abgeleitet worden und das soll rechtzeitig zur Winterzeit, zumindest in der Hälfte abgeschlossen sein. – Das war schon ein Warnsignal. – Bei den Wintervorbereitungen arbeite die S-Bahn Berlin eng mit DB Netze zusammen.
Weichenheizungen, Weichenantriebe, Signale und die zur Sicherungstechnik gehörenden Fahrsperren werden entsprechend vorbereitet. Mit einer 24Stunden-Bereitschaft kann unmittelbar auf witterungsbedingte Ausfälle reagiert werden.
Buchner zu, dass mit mehr Personal auch mehr Weichen vom Schnee hätten befreit werden können. Die Weichen gehören allerdings der BahnTochter DB Netz. Sie gehörte zuletzt zu den gewinnträchtigsten Sparten des Konzerns, allein zwischen Januar und Ende Juni lag der operative Gewinn bei 237 Millionen Euro. Zugleich wird in diesem Bereich seit Jahren ein Sparkurs gefahren … Ein Sprecher des Unternehmens wies den Vorwurf zurück, die Probleme resultierten aus Sparvorgaben. Zum Schneeräumen auf dem S-BahnNetz habe man 118 Kräfte sowie 44 Leute zur Sicherung eingesetzt,
Ich glaube, da hat jemand etwas nicht verstanden. Wir haben gerade gesagt: Nach den vergangenen Jahren muss es mehr werden.
Nun ist aber die Frage, Herr Friederici, was jetzt passieren soll. Soll sich Frau Junge-Reyer selbst an die Weiche stellen und das Eis weghacken?
Das wäre mal eine Maßnahme, würde aber wahrscheinlich immer noch nicht helfen. Es ging immerhin um 62 Weichen. Vielleicht sollten wir es alle machen. Aber im Ernst: Es kann doch nicht sein, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Dieser Senat und diese Koalition soll das umsetzen, was ganz selbstverständlich zu den Kernaufgaben eines Verkehrsunternehmens gehört, nämlich eine betriebsfähige Infrastruktur vorzuhalten.
Wenn dann der DB Netz nichts Besseres einfällt, als der Berliner „Abendschau“ ein Werbevideo zu schenken, in dem man sieht, wie im Erzgebirge Weichenheizungen funktionieren. Ich kann den Beitrag allen empfehlen. Es lohnt, ihn sich anzuschauen. Er ist sehr hübsch. Auch der Mensch, der erklärt, wie das Wasser auf der Weiche verdampft, macht das sehr gut. Man fragt sich allerdings nach wie vor, warum es im Erzgebirge funktioniert, wo es mehr schneit, wo es kälter ist und wo es dem Vernehmen nach auch Wind geben soll, und weshalb es in Berlin nicht funktioniert.