Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales stammt vom 18. November 2010, die Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 24. November 2010.
Die Fraktion der FDP beantragt hierzu eine Verbindung mit den Punkten 25 und 26 der Tagesordnung. – Zur Begründung hat ihr Abgeordneter Dr. Kluckert das Wort. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, diesen Tagesordnungspunkt 4.1 zu verbinden mit den Anträgen der FDP-Fraktion unter den Tagesordnungspunkten 25 und 26. Diese FDP-Anträge sind der Antrag „Berliner Aktionsplan für Toleranz und gegen Deutschenfeindlichkeit“ sowie der Antrag „Integrationsverweigerung konsequent sanktionieren!“. Die rot-rote Koalition gaukelt mit der Überschrift „Gesetz zur Regelung von Partizipation und Integration in Berlin“ vor, heute einen Beitrag zur Integration in Berlin zu leisten. Tatsächlich, und das wird der Kollege Gersch gleich ausführen, hat die rot-rote Koalition ein unnötiges –
hören Sie zu, dann merken Sie es gleich! – und inhaltsleeres Gesetz durch den parlamentarischen Betrieb gepeitscht.
Herr Dr. Kluckert! Die Einwürfe sind vollkommen richtig. Sie sollen jetzt bitte nicht zur Geschäftsordnung,
Weil nämlich Ihre Inhaltsleere sich negativ auf die Debatte auswirken wird! Daher wollen wir den Tagesordnungspunkt anreichern mit Anträgen der FDP, die konkrete integrationspolitische Aussagen enthalten. Denn unsere Anträge sind der Gegenpol zur rot-roten Integrationspolitik,
Für die Öffentlichkeit ist es höchst aufschlussreich, wenn wir heute die politischen Herangehensweisen gemeinsam debattieren und gegenüberstellen. Unsere Anträge sind – das geben Sie ja selbst zu – der Gegenpol, denn sie beinhalten konkrete Maßnahmen, die sich nicht nur aufs Fördern beschränken, sondern auch das Fordern umfassen. Natürlich, meine Damen und Herren von der rot-roten Koalition, wollen wir Ihnen im Rahmen Ihrer Priorität keine Tagesordnungspunkte aufdrängen!
Unser Geschäftsordnungsantrag ist daher ein Angebot an Sie zur Bereicherung und Vertiefung der Debatte. Sie haben es, Herr Gaebler, mit Ihrer Mehrheit selbst in der Hand, dieses Angebot anzunehmen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Kluckert! – Die Linksfraktion widerspricht einer Verbindung. Herr Doering hat dazu das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kluckert! Sie haben eben selbst davon gesprochen, dass Ihre Anträge ein Gegenpol zu unserem Partizipationsgesetz sein sollen. Das sind sie auch. Deswegen haben wir schon rein inhaltlich die Zusammenlegung abgelehnt.
Denn die Debatte für eine Integration und Integrationsmöglichkeiten und auch als Angebot, sich zu integrieren, sind etwas anderes als das, was Sie unter Deutschenfeindlichkeit diskutieren wollen.
Jetzt kommen wir aber mal zur Geschäftsordnung, Herr Kluckert. Da kann man natürlich scheinheilig herkommen und sagen: Wir beachten ja die Geschäftsordnung, das ist
ein Angebot von uns. – Nein! Sie sprechen mit Ihrem Geschäftsordnungsantrag ein grundlegendes Problem an, das wir in der Geschäftsordnung haben. Das will ich Ihnen in aller Deutlichkeit einmal sagen. Vor einigen Jahren – das ist gar nicht so lange her – haben sich die Geschäftsführer darauf verständigt, dass wir das Instrument des Prioritätenblocks gemeinsam einführen. Es war Sinn der Maßnahme, dass die Fraktionen unmittelbar nach der Aktuellen Stunde, nämlich dann, wenn noch Zuschauerinnen und Zuschauer da sind, wenn die Medien noch da sind, für sie interessante Punkte im vorderen Bereich platzieren können, in den Prioritätenblock. Deswegen haben wir in § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung festgelegt, dass jede Fraktion für sich entscheidet, welcher Punkt das sein soll. Damit hat die Opposition die Möglichkeit, für sie interessante Punkte, die hinten auf der Tagesordnung sind, z. B. Anträge, die in der Regel aktueller sind als Beschlussempfehlungen, zu diskutieren. Die jeweilige Fraktion bestimmt dann Inhalt und Stoßrichtung der Diskussion. Und bisher haben sich alle Fraktionen an diese Maßgabe, an diese Verständigung gehalten. Was Sie jetzt machen, ist der Tabubruch und die Türöffnung. Was Sie provozieren, ist, dass zukünftige Mehrheiten hier im Hause dann von Ihrer Anregung Gebrauch machen und sagen: Na ja, einzelne Fraktionen haben zwar das Recht, ein Thema zu bestimmen. Aber wir können es ja mit der Mehrheit infrage stellen. – Und genau diesen Weg wollen wir nicht. Und das werfe ich Ihnen vor.
Ich lasse nun abstimmen. Wer der Verbindung von Punkt 4.1 der Tagesordnung mit den Punkten 25 und 26 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die Koalitionsfraktionen, die CDU, die Grünen und der fraktionslose Abgeordnete. Letzteres war die Mehrheit. Es gibt keine Enthaltungen. – Dann beraten wir ausschließlich die Gesetzesvorlage.
Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 15 Artikel zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch.
Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die Artikel I bis XV, Drucksache 16/3524. Für die gemeinsame Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke. Der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Wolf ist schon unterwegs. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuallererst möchte ich ganz herzlich auf der Zu
Die Mitglieder des Landesbeirats und die Mehrheit der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, das sind die wahren Experten für gelingende Integration.
Sie wissen, wo es hakt. Und sie können uns sagen, welche verheerende Wirkung Sarrazin-Thesen, Stigmatisierung und Alltagsrassismus aus der Mitte der Gesellschaft, Islamophobie von Rechtsextremisten und so ein gefährlicher reaktionärer Unsinn, wie Sie von der FDP ihn für heute beantragt haben, bei den Menschen anrichtet.
Und die Mitglieder des Landesbeirats haben Anstoß gegeben, ein Partizipations- und Integrationsgesetz hier einzubringen. Für diesen Anstoß und die fachliche, sachliche und auch kritische Begleitung des Gesetzesvorhabens bin ich Ihnen ausgesprochen dankbar.
Uns wurde in der bisher ja auch schon öffentlich geführten Debatte um das Gesetzesvorhaben vorgehalten, das Gesetz löse die Integrationsprobleme nicht. Es sei ein Pillepallegesetz. Multikulti sei ohnehin gescheitert. Und die Kanzlerin versteigt sich sogar zu der Aussage, Multikulti sei tot. Ich kann Ihnen sicher sagen: Niemand aus dem Landesbeirat, niemand von uns leugnet, dass es vielfältige Probleme in der Einwanderungsgesellschaft gibt: soziale, kulturelle und religiöse. Aber wir kommen nicht zu dem Kurzschluss, Multikulti sei gescheitert. Multikultur ist Lebensrealität in der Stadt. Berlin ist die internationale Metropole in Deutschland, die multikulturelle, multiethnische und multireligiöse Metropole. Und wäre Berlin das nicht – Berlin wäre nicht Berlin, und es wäre todlangweilig.
In Berlin leben Menschen aus 180 Staaten, Deutsche mit und ohne Migrationsgeschichte. Aber nicht alle haben gleiche Rechte. Viele haben schlimme Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen. Wer Integrationsprobleme lösen will, muss nicht die multikulturelle Gesellschaft beschimpfen, wer die Probleme lösen will, der muss für Teilhabegerechtigkeit kämpfen.
Was ist denn Integration? – Erfolgreiche Integration bedeutet, dass alle Menschen die gleichen Chancen und Rechte erhalten, dass sie in allen Facetten gesellschaftlichen Lebens teilhaben können. Oder wie der alte Fritz es sagen würde: Jeder soll nach seiner Façon selig werden können.
Integration ist nicht Anpassung und Assimilation. Integration ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Menschen bereit sind, sich zu verändern und zu einem vielfältigen Ganzen zusammenzuwachsen. Integration funktioniert nicht über Bevormundung, sondern über Partizipation.
Das sind die Hintergründe für das vorliegende Partizipations- und Integrationsgesetz. Dieses Gesetz ist nach den Integrationskonzepten 1 und 2 des Senats der nächste logische Schritt. Es ist kein Gesetz, das alle Probleme verfehlter Einwanderungspolitik der letzten 40 Jahre lösen kann. Aber es ist so, wie Prof. Dr. Hajo Funke in der Anhörung des Fachausschusses sagte:
… gehen die Bemühungen des Berliner Senats in die richtige Richtung. Das vorgelegte Gesetz ist Teil eines systematischen Programms. Das Gesetz bedeutet angesichts einer vierzigjährigen Erfahrung auch von Diskriminierung und Zurückhaltung nichts weniger als eine erhebliche Umgestaltung derjenigen Institutionen, die in jeder Hinsicht eine öffentlich wahrgenommene Vorbildfunktion für ein gelungenes Miteinander haben sollten. Darin ist Berlin – wie mit dem Integrationskonzept 2007 – Vorreiter. Die konkreten Bestimmungen für eine interkulturelle Ausrichtung des öffentlichen Dienstes – auch in der Personalpolitik – und die Stärkung des Integrationsbeauftragten sind keineswegs nur symbolische Politik, sie sind umgesetzt ein großer Schritt.
Das sagen die Experten im Fachausschuss. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich hätte es nicht besser formulieren können, deswegen habe ich so ausführlich zitiert. Kommen Sie mit uns auf die Seite der Vernunft in der Integrationspolitik! Hören Sie auf mit Stigmatisierungsdebatten! Hören Sie auf mit Ausgrenzung! Kämpfen Sie mit uns für Teilhabegerechtigkeit! Stimmen Sie für dieses Gesetz! – Herzlichen Dank!