Sie konnten heute in Umfragen lesen, was vier von fünf Berlinern von Ihrem Krisenmanagement halten – nichts!
Genau wie wir erwarten sie von einem Regierenden Bürgermeister, dass er sich nicht wegduckt und sich nicht vorführen lässt, wie Sie das bislang getan haben, Herr Wowereit.
Sie haben vor anderthalb Jahren hier gestanden und der Bahn gedroht: Eine dritte Chance wird es nicht geben! Das war vor anderthalb Jahren! Und heute? – Heute müssen wir feststellen: Es gab eine dritte Chance, es gab eine vierte, jetzt gab es sogar eine fünfte Chance. Sie haben zwei Jahre lang nichts getan, und Berlin steht heute so
Wie oft, die Frage stellt sich, wie oft wollen Sie die Beteiligten eigentlich noch vorladen, bis etwas passiert? Wie viele leere Drohungen soll es noch geben? – Herr Wowereit! Glauben Sie, es reicht aus, wenn Sie zum Jahresauftakt einer Pressekonferenz alte Entschädigungsforderungen aufwärmen?
Glauben Sie, dass davon die S-Bahn auch nur eine Sekunde früher kommt? Meinen Sie, davon stehen die Menschen in unserer Stadt auch nur eine Minute weniger in der Kälte? – Nein! Die zentrale Frage, Herr Regierender Bürgermeister, ist die Infrastruktur, und hier verspielen Sie Zeit, Zeit, die wir nicht haben!
Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sie eine kurzfristige Lösung unmöglich gemacht haben und dass wir bei einer Lösung nicht mehr von Monaten, sondern – leider Gottes – von Jahren reden müssen. Deshalb müssen die Verhandlungen jetzt beginnen, nicht erst nach der Wahl!
Deshalb wollen wir heute mit Ihnen über den aus unserer Sicht einzig gangbaren Ausweg aus dieser Krise reden, nämlich die Verhandlungen über einen Sanierungsvertrag. Wir müssen die Bahn endlich verpflichten, neue Züge anzuschaffen.
Da müssen diejenigen, die jetzt von sich sagen, sie können sowieso alles besser, mal sagen, was sie anzubieten haben – außer ein paar Erinnerungen an die Wendezeit.
Was verändert sich eigentlich für die Fahrgäste, wenn Berlin den S-Bahnvertrag kündigt? – Das schadet den Mitarbeitern, die für die Krise nichts können,
aber es hilft nichts. Was verändert sich eigentlich, wenn diese völlig überforderte Verkehrssenatorin jetzt zurücktritt? – Gar nichts, außer, dass Herr Wowereit einen neuen Sündenbock hat, den er, um von seinem Versagen abzulenken, vorschicken kann. Sie wollen Köpfe rollen sehen, ich will Züge rollen sehen, das ist mein Verständnis von Politik!
Wir müssen den Berlinerinnen und Berlinern endlich wieder eine Perspektive aufzeigen, und wir müssen endlich mit den Missständen aufräumen. Wir haben heute die Chance zu zeigen, dass Politik nicht hilflos sein muss, sondern dass sie Stillstand beheben kann
und dass Politik etwas bewegen kann. Dieses Signal müssen wir heute aussenden, und dazu eignet sich die Aktuelle Stunde hervorragend. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Hämmerling das Wort. – Bitte schön, Frau Hämmerling!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit zwei Jahren hat uns das S-Bahnchaos fest im Griff, und es wird wohl zu einer unendlichen Geschichte werden. Bahnchef Grube sagte uns am Montag, Ex-S-Bahnmanager, Flugschnee und Hersteller seien schuld, nicht etwa sein Renditestreben und das Management. Wir wissen alle, dass uns die Bahnmanager seit zwei Jahren verschaukeln. Seit 2005 warnt der VBB-Chef, Herr Franz, ebenso erfolglos wie der Betriebsrat vor dem rigiden Sparkurs der Deutschen Bahn. Sie, Herr Wowereit, haben schon 2007 mit dem Verzicht auf eine Ausschreibung – obwohl Sie einen schlechten Vertrag gemacht hatten – dafür gesorgt, dass die S-Bahn ihre Monopolstellung weiter ausnutzen kann. Sie schützen die S-Bahn noch immer, obwohl Sie damit den Fahrgästen und dem Standort Berlin einen Riesenschaden zufügen. Das macht uns fassungslos.
Sehen wir uns diesen Scherbenhaufen einmal an! Die Bahnmanager haben in der Hauptwerkstatt 75 Prozent der Stellen – von 800 auf 200 – abgebaut. Von 26 Meistern blieben nur drei. Jedes Kind weiß: Bis dahin war die Flotte intakt. Aber wenn Fahrzeuge auf Dauer auf Verschleiß gefahren werden, dann wird jedes Fahrzeug kaputtgehen,
völlig unabhängig von Herstellermängeln. Seit zwei Jahren wissen es selbst Laien: Die S-Bahn braucht dringend Personal, Werkstattkapazitäten und Züge. Trotzdem haben die Manager viel zu wenig Leute eingestellt, die Werkstatteröffnung über ein Jahr verschleppt und nicht einen einzigen neuen Zug bestellt.
2003 gab es in unserem Bahnnetz 8 300 Signalstörungen – jetzt sind es 13 800. Sie wissen es: Wenn ein Signal nicht von Rot auf Grün schaltet, dann steht der Zug, dann fährt die S-Bahn nicht mehr. Das ist nun einmal so.
Es ist eine Unverschämtheit, dass es bis heute keine Aussagen zum Regress, nicht einmal zur Entschädigung gibt, die Sie, Herr Wowereit, vor acht Wochen in diesem Hause im Übrigen abgelehnt haben. Da hat die Regierungskoalition unseren Antrag zur Entschädigungsforderung abgelehnt. Das gehört auch zur Wahrheit!
Dass die Bahn einmal so und einmal so agiert und bis heute nicht sagt, wann sie entschädigt, macht eines klar: Die nehmen Sie nicht ernst, Herr Wowereit. Sie können Sie nicht ernst nehmen. Die Bahnmanager planen bis heute keinen Kurswechsel. Sie haben unsere gute, leistungsstarke und umweltfreundliche S-Bahn kaputtgemacht und in Schutt und Asche gelegt. Das Einzige, was Ihnen einfällt, Herr Wowereit, sind Schnapsideen zu einem S-Bahnersatzverkehr mit Bussen und zu einer Übernahme durch die BVG. Damit liefern Sie unsere Stadt diesem kranken Bahnunternehmen weiter aus, und zwar über das Ende des gültigen Verkehrsvertrags 2017 hinaus. Begreifen Sie das doch endlich!
Wir sehen nur einen plausiblen Grund, warum S-Bahn und CDU auf Kuschelkurs mit der Deutschen Bahn bleiben – die CDU will den Vertrag ja sogar verlängern und die Vertragseinhaltung erzwingen –, aber wenn ich das ehrlich bewerte, Herr Präsident, dann bekomme ich einen Platzverweis. Also sage ich es einmal vorsichtig: Die Hellsten sind Sie nicht, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD. Der Grund für Ihren Kuschelkurs ist der Klüngel zwischen CDU und SPD und der Deutschen Bahn AG. Einerseits baut der Konzern Personalstellen ab, andererseits bietet er eine Jobmaschine für Ex-Politiker aus CDU und SPD. Erinnern wir uns: Die Tinte der Unterschrift von Bayerns CSU-Minister unter dem Bahnvertrag war noch nicht trocken, da wechselte er schon in die Konzernspitze. Genauso war es beim SPD-Verkehrsminister in Brandenburg, ähnlich bei dem ex-verkehrspolitischen Sprecher der CDU oder dem Ex-Bürgermeister aus Bremen.