aber halten Sie uns nicht mit solchen lächerlichen Schiebereien auf. Frau Künast war dabei, Frau Künast hat nichts gemacht,
Frau Künast trägt Verantwortung und Sie wollen nicht dazu stehen. Das halte ich hier am Ende fest. – Vielen Dank!
[Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und der FDP – Andreas Gram (CDU): Ich freue mich jetzt schon auf Rot-Grün – Weitere Zurufe von der CDU]
Vielen Dank, Herr Kollege Gaebler! – Ich fahre in der Rednerliste fort. Das Wort hat Herr Kollege Friederici.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war ein wunderbares Lehrstück rot-grüner Vergangenheitsbewältigung
einer grundlegend erfolglosen Bundesregierung von 1998 bis 2005, von der in der Geschichte nur die Einführung des Dosenpfandes übrig bleiben wird.
Es ist schon sehr erstaunlich, Herr Gaebler und der Rest der SPD, wie Sie sich die Vergangenheit zurechtbiegen. Das gigantische Sparen der Deutschen Bahn an der eigenen Infrastruktur fand seit 1998 unter Zusammenarbeit von Kanzler Schröder, SPD, seinem Duzfreund und Intimus Mehdorn, SPD-nahe, und fünf Verkehrsministern der SPD statt, die alle den Börsengang von 1998 bis 2009 – gerade die Verkehrsminister der SPD, zuletzt Herr Tiefensee – sehr aktiv betrieben haben. Elf Jahre SPD in der Bundesverkehrspolitik haben zu dem Chaos geführt, das wir heute im Bund und in Berlin erleben müssen.
Stichwort 500-Millionen-Euro-Abführung: Die Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP hat klar gesagt, dass diese 500 Millionen Euro ausschließlich zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur fließen.
Es ist schon angesprochen worden, dass am Montag ein Verkehrsausschuss stattgefunden hat. Die Kernaussagen von Bahnchef Grube lauteten: Konstruktionsprobleme der Fahrzeuge, immer wieder neue technische Anforderungen und sich daraus ergebende technische Mehrarbeit an den Fahrzeugen sollen das Problem sein. Außerdem steht die Frage unbeantwortet im Raum, dass der Hersteller bestimmte Serviceintervalle beim Austausch technischer Komponenten empfohlen hat, was wohl nicht immer bei der S-Bahn umgesetzt worden ist. Gerade der letzte ist ein entscheidender Kritikpunkt der Berliner CDU. Bis zum heutigen Tag bewegt sich kein Verkehrsverwaltungsprüfdienst oder ein externer Prüfer in die Werkstätten und die Lagerhaltung der Berliner S-Bahn. Diese Bestände und die Arbeitsvorgänge werden leider nicht kontrolliert. Wenn nicht die Verkehrsverwaltung, wer sollte sonst dafür zuständig sein, für diesen Verkehr in Berlin Verantwortung zu übernehmen?
Der Regierende Bürgermeister, gerade frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt – herzlich willkommen auch von der CDU-Fraktion –, hat es leider nicht für nötig befunden, am Montag im Verkehrsausschuss zu erscheinen. Die Eingewöhnung in den Arbeitsalltag ist auch immer etwas beschwerlich. Da war es für Herrn Wowereit am Montag angenehmer, bei Gebäck und Getränken auf einer SPDKlausur in Potsdam zu weilen, anstatt sich den mühsamen Verkehrsproblemen in Berlin und den eigentlichen Aufgaben hier in Berlin hinzugeben. Das ist schade, hat sich doch Herr Wowereit in der Neujahrspressekonferenz geradezu über die S-Bahn echauffiert. Geradezu aufgeregt war er, er griff alles und jeden an: die Bahn, die S-Bahn, die Bundesregierung, den Bundesverkehrsminister, das Wetter. Alle waren schuld, nur er und seine rot-rote Senatstruppe nicht. Dann sprach er erstmals nach zwei Jahren und in der dritten S-Bahnwinterkrise von einem SBahnersatzverkehr. Das war es dann aber auch, Herr Wowereit. Seit zehn Tagen herrscht Funkstille in der Senatskanzlei, und es ist wieder nichts passiert.
Was Herr Wowereit, der nach seinem Urlaubsende von der S-Bahnkrise so offensichtlich überrascht worden ist, dabei in seiner Aufregung vergessen hat, das war auch die von ihm getragene und just am gleichen Tag in Kraft getretene Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Personennahverkehr in Berlin und Brandenburg. Klarer menschlicher Sachverstand und ein bisschen Gerechtigkeitsempfinden beim Sozialdemokraten Wowereit und auch bei der SPD und auch bei den Linken hätten doch reifen müssen, dass S-Bahnchaos, übervolle BVG-Busse und Preiserhöhungen nicht zusammenpassen.
Mit Beginn der ersten Winterkrise im Januar 2009 hatte die Berliner CDU-Fraktion dem Senat und der S-Bahn empfohlen, dass neue Fahrzeuge bestellt werden müssen, damit der Fuhrpark endlich Reserven hat. Rot-Rot hat dies natürlich wieder abgelehnt, das letzte Mal belegbar im Herbst des letzten Jahres 2010. Ein namhafter Berliner Radiosender hatte am Freitag letzter Woche gemeldet,
dass der Hersteller innerhalb von drei Jahren neue Fahrzeuge ausliefern kann. Genau das wäre ein wesentlicher Teil der aktuellen Problemlösung gewesen. Hätte Rot-Rot sich wirklich ernsthaft in der ersten S-Bahnkrise Anfang 2009 um eine solche Lösung bemüht, dann hätten wir mit Beginn des nächsten Winters wenigstens die so dringend benötigte Fahrzeugreserve. Hätten wir einen klaren Sanierungsvertrag mit klaren Zieldefinitionen gehabt, ausgehandelt zwischen Senat und S-Bahn, dann hätten wir schon heute auch einen stabileren S-Bahnverkehr. Das ist das zentrale Versäumnis dieses rot-roten Verkehrssenats. Acht Monate Nachverhandlungen des Senats zum SBahnvertrag haben das erste Mal ergeben, dass wenigstens ein Drittel der vereinbarten Summe nur noch gezahlt wird, zumindest im Monat, in dem wir jetzt sind. Diese Reduzierung wie auch die Abmahnungen hätten schon im Februar 2009 erfolgen sollen, nein, müssen. Der rot-rote Senat – und das muss auch immer wieder erwähnt werden – hätte viel früher härter und konsequenter mit der SBahn verhandeln müssen. Die BVG, die in diesen Tagen sehr Großes leistet, und vor allen Dingen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort verdienen daher auch unser aller Respekt und herzlichen Dank.
[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion – Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)]
Gleichfalls danken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Berliner S-Bahn, die in beispielhafter Weise an ihr Unternehmen glauben, für die S-Bahn eintreten und deutlich mehr arbeiten, als sie müssen. Frank Henkel, Heiko Melzer und ich haben uns gestern sehr lange vor Ort hierzu in den Einrichtungen der Berliner S-Bahn ein klares Bild von der Lage verschaffen können.
Ich sage es ganz deutlich in die Reihen dieser betroffenen Linksparteigenossen: Wenn Sie sich einmal als Fraktion in die Werkstätten begeben würden, dann würden Sie sehen, wie ernst die Lage ist, dann würden Sie hier auch nicht so sinnlos dazwischenbrüllen.
Verschaffen Sie sich erst mal ein richtiges Bild der Lage, die Sie verursacht haben, dann können Sie hier weiter diskutieren!
Dass es die BVG und die S-Bahn als eigenständige Unternehmen gibt, das ist auch gut so. Die BVG hat ihre Probleme, die S-Bahn ebenso. Und daher ist es schon aus betrieblicher Sicht auch nicht vernünftig. Das Zusammenlegen von zwei kranken Unternehmen in ein Bett bedeutet noch lange keine Gesundungskur für beide Unternehmen. Bahnchef Grube hat am Montag klar und deutlich gesagt, die S-Bahn wird den Bahnkonzern nicht verlassen. Das war es. Damit ist das sozialistische Luftschloss eines großen Berliner Verkehrskombinats unter staatlicher Aufsicht von SPD und den Linken endgültig geplatzt.
Die Berliner S-Bahn wird nur gesund, wenn der Berliner Senat härter gegenüber seinem Vertragspartner S-Bahn auftritt. Der Berliner Senat muss endlich seine Verkehrsverantwortung wahrnehmen und auch endlich die Frage der weitreichenden Entschädigung durch die S-Bahn klären, denn der letzte Dezember war kein Entschädigungsmonat. Das war kein Entschädigungsmonat aus der letzten Winterkrise. Der muss voll angerechnet werden. Das heißt ganz klar, es muss zeitnah – noch vor den Sommerferien – mindestens ein Zeitraum von zwei Monaten neu dazukommen und eine Entschädigung für den ausgefallenen Dezember 2010. Dem Berliner Senat muss endlich auch klar sein, dass er dieses im Interesse der Berliner verhandeln muss und endlich als der Akteur in der Berliner Verkehrspolitik auftreten muss. Wenn sich dieser Senat schon in Berlin fahrradfreundlich und ÖPNV-freundlich gebiert und auch auftritt, dann müssen natürlich auch endlich einmal Taten folgen. Alle Berlinerinnen und Berliner haben ein Recht darauf, dass die Berliner Landesregierung endlich Anwalt ihrer Interessen wird. Nicht nur die Menschen in der Innenstadt oder Hochburgen von Linkspartei oder SPD, alle Menschen, auch die weiter weg wohnen in unserer Stadt, haben ein Recht, sich in der Innenstadt frei bewegen zu können und sich auch mit dem öffentlichen Nahverkehr bewegen zu können.
Das ist ein Grundrecht, das für alle Menschen da ist, denn sonst stimmen alle Menschen und dann stimmen diese Menschen mit den Füßen ab, und wir werden diese vielen Jahresabos, die die Menschen im Vertrauen auf einen stabilen BVG- und S-Bahnverkehr gekauft haben, verlieren. Deshalb der dringende Appell an Herrn Wowereit: Endlich weniger gespielte Empörung, endlich mehr Arbeiten für diese Stadt! Das heißt, nicht nur immer auf andere schimpfen, sondern weiter die Zahlungen an die S-Bahn reduzieren, Ersatzverkehre endlich auch wirklich organisieren und Gratismonate mit der S-Bahn aushandeln, endlich mehr Kontrolle des Unternehmens durch den Senat herbeiführen und endlich einen Sanierungsvertrag für mehr S-Bahnfahrzeuge und Reserven erzwingen. Herr Wowereit muss endlich zu einem S-Bahngipfel aller Beteiligten einladen. Die Bahnchefs Grube und auch Herr Buchner, der Hersteller, der S-Bahnbetriebsrat, der VBB, die Fahrgastverbände und die Parteien gehören jetzt an einen Tisch. Herr Wowereit, machen Sie endlich die S-Bahn zur wirklichen Chefsache für alle Menschen in Berlin und Brandenburg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich mit der Feststellung, dass im vergangenen Jahr durch die neue S-Bahngeschäftsführung doch einiges geleistet wurde, um den Betrieb zu stabilisieren. Leider hat es sich erwiesen, dass trotz aller Anstrengungen, trotz der wirklich verantwortungsvollen Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der S-Bahn es nicht gereicht hat, die generelle Störanfälligkeit dieses Systems auszumerzen. Dieses System ist inzwischen labil geworden. Eine Störung an einer Ecke führt eben leider zum Kollabieren des Gesamtsystems. Trotz aller Anstrengungen, es hat nicht gereicht.
Bei der Anhörung des Bahnchefs Grube am Montag im Verkehrsausschuss hat dieser die Ursachen für die lang andauernden Schlechtleistungen der S-Bahn beziffert mit erstens falsch konstruierten Fahrzeugen und zweitens Winter. Kein Wort über jahrelange Missstände im Konzern Deutsche Bahn AG, kein Wort über die von der Konzernspitze angeordneten Sparmaßnahmen bei der SBahn, kein Wort über die konzerneigenen Finanzkreisläufe, die alle darauf ausgerichtet sind, aus den produzierenden Bereichen Betrieb und Netz Geld herauszupressen, um damit z. B. den Kauf von Arriva für 3 Milliarden oder den Bau von Stuttgart 21 für 7 Milliarden zu finanzieren. In den Konzernbilanzen der letzten Jahre sind immer Gewinne von weit über 1 Milliarde Euro ausgewiesen worden. Sie sind nicht genutzt worden, um ein stabiles Nahverkehrssystem in der Bundeshauptstadt zu sichern. Das ist die Wahrheit. Und die Pflege und der sorgsame Umgang mit dem Vorhandenen ist nicht gerade die Stärke der Deutschen Bahn AG,
ebenso wenig übrigens die einfache, korrekte und schnelle Information für die Fahrgäste. Diesbezüglich spielt es gar keine Rolle, ob gerade Winter oder Sommer ist.
Bahnchef Grube hat die Chance vertan, am Montag im Verkehrsausschuss den Kunden konkrete Entschädigungsleistungen anzukündigen, und stattdessen brüstet er sich mit der Meldung, dass die Deutsche Bahn AG bis 2014 700 Millionen Euro für die Beseitigung der Missstände bei der Berliner S-Bahn ausgeben wird. Dazu kann man doch aber nur sagen: Hätte es diese Missstände gar nicht erst gegeben, hätten Herr Grube und Herr Mehdorn davor dafür gesorgt, dass diese Missstände gar nicht erst entstehen, dann wären diese Aufwendungen auch gar nicht nötig gewesen.
Herr Grube hat uns übrigens nicht verraten, wie viel Trassenentgelte, Gebühren für das Halten an Bahnhöfen, neuerdings selbst für das Abstellen von Fahrzeugen durch die Berliner S-Bahn auf den Gleisen der Bahn AG an den Konzern abgeführt wurden und wie viel davon wieder zurückgeflossen sind für das Funktionieren des SBahnsystems.
Er hat in seiner Rede ziemlich arrogant und ignorant übrigens vorausgesetzt, dass das andere Berliner Nahverkehrsunternehmen, nämlich das kommunale Unternehmen BVG, wegen der S-Bahnmisere seit Jahren mehr Leistungen erbringt, um die Fahrgäste der S-Bahn aufzufangen. Würde es das kommunale Verkehrsunternehmen BVG nicht geben, wäre das Desaster noch viel größer. Die BVG, die gewiss genügend eigene Probleme hat, fährt das weg, was die S-Bahn liegen lässt. Das ist die Wahrheit über die Leistungsfähigkeit kommunaler Verkehrsunternehmen. Und dafür gebührt auch den BVGern Dank und Anerkennung!