Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Auftragsvergabe bei der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE hat das Parlament im vergangenen Jahr intensiv beschäftigt. Es hat dazu spezielle, vom Aufsichtsrat durchgeführte Prüfungen gegeben. Hier im Hause ist im Beteiligungsausschuss umfangreich und intensiv über das Vorgehen bei der Auftragsvergabe und die Ergebnisse dieser Prüfung gesprochen worden. Die Medien haben berichtet. Es ist alles bekannt. Es wurde nichts vertuscht oder verheimlicht. Wer hier von Aufklärungsverweigerung spricht, lebt offensichtlich auf einem anderen Stern.
Der Senat hat klargestellt, dass Recht und Gesetz selbstverständlich bei allen landeseigenen Gesellschaften beachtet werden müssen. Es hat personelle Konsequenzen bei der Geschäftsführung der Gesellschaft gegeben. Das Arbeitsgerichtsverfahren hat die fristlosen Kündigungen inzwischen bestätigt und keine Versäumnisse bei Aufsichtsrat oder Senat erkennen können. Die SPD-Fraktion
hat den Abgeordneten Hillenberg aus den Ausschüssen und den damit verbundenen Funktionen abberufen, um hier auch den Anschein einer Vorteilsnahme zu vermeiden und für die Zukunft auch auszuschließen. Der Abgeordnete Hillenberg hat die Fraktion verlassen und tritt zur nächsten Wahl auch nicht wieder an.
zur Aufklärung der Hintergründe der Vergabepraxis bei der HOWOGE. So wird es von CDU, Grünen und FDP in den Medien kolportiert. Wahlkampf soll hier natürlich überhaupt keine Rolle spielen.
Die Kollegen Esser und Meyer widersprachen auf ihrer Pressekonferenz gestern nachdrücklich Äußerungen von SPD-Politikern, wonach der Ausschuss als Wahlkampfinstrument missbraucht werden soll. Ihnen geht es angeblich um eine begrenzte Untersuchung mit wenigen Zeugen. Aufhänger soll sein – das hat Herr Graf auch gerade noch mal gesagt – die gewünschte Vernehmung des ehemaligen Finanzsenators Sarrazin zu seinen Behauptungen, die in den Medien verbreitet wurden. Nun haben wir hier aber mitnichten einen Antrag mit wenigen zugespitzten Fragen, die in einer überschaubaren Zahl von Zeugenanhörungen geklärt werden könnten. Über vier Seiten breiten Sie eine Vielzahl von Vermutungen und Verdächtigungen aus und machen nicht etwa Regierungshandeln oder das Handeln von Regierungsmitgliedern zum Hauptgegenstand,
sondern die Arbeit von Fraktionen dieses Hauses. Statt zielgerichtet das scharfe Schwert Untersuchungsausschuss zu nutzen, feuern Sie mehrere Schrotsalven ab in der Hoffnung, irgendetwas zu treffen, das Sie parteipolitisch ausschlachten können. Das ist ein klarer Missbrauch des Instruments Untersuchungsausschuss als Wahlkampfplattform. Mit Aufklärungswillen hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ein Großteil Ihrer Fragen zur Sache haben Sie bereits im Beteiligungsausschuss gestellt und beantwortet bekommen. Wohl deswegen müssen Sie jetzt noch einen draufsetzen. Damit begeben Sie sich auf dünnes Eis. Wenn Sie jetzt ausschließlich –auf die Regierungsfraktionen des Hauses bezogen – die Gesprächskontakte von Abgeordneten mit Auftragnehmern von Gesellschaften des Landes Berlin im Allgemeinen zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses machen, stellen Sie alle Abgeordneten der Fraktionen von SPD und Linken unter einen Generalverdacht. Das ist ungeheuerlich.
Und wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Wollen Sie alle 74 Abgeordneten der Koalitionsfraktionen vernehmen und nach möglichen Kontakten befragen?
Das hätte übrigens den zusätzlichen Effekt, dass Sie dann allein im Ausschuss sitzen, weil Zeugen dem Ausschuss nicht angehören dürfen. Vielleicht ist ja gewollt, aber das zeigt auch entweder die mangelnde Vorbereitung dieses Antrags oder dass Ihnen eigentlich völlig egal ist, was hier parlamentarisch passiert. An dieser Stelle sehen Sie schon, wie absurd Ihr Antrag ist. Der Rechtsausschuss wird zudem prüfen müssen, ob die von Ihnen vorgesehene Ausforschung der internen Abläufe von Fraktionen tatsächlich mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Abgeordneten vereinbar ist.
Es ist zudem festzustellen, dass das Thema Vergaberecht Ausschreibungsverpflichtungen und freihändige Vergabemöglichkeiten von anderen Fraktionen des Hauses wesentlich intensiver behandelt wurde als von den Regierungsfraktionen. Während Sie bei SPD und Linken den Weg eines Antragsentwurfs, der es nie zu einem Beschluss gebracht hat, akribisch verfolgen wollen, sind inhaltlich weiter gehende Anträge der CDU, die in diesem Haus eingebracht und abgestimmt, übrigens abgelehnt wurden, nicht Gegenstand Ihrer Untersuchungen. Von der CDU erwarte ich da gar nichts anderes, aber dass Sie von der FDP und insbesondere die Moralapostel von den Grünen dies mitmachen, zeigt doch, worum es hier wirklich geht: Mit Dreck zu schmeißen und zu hoffen, dass irgendetwas hängen bleibt. Und das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Wenn wir hier im Parlament gemeinsam die Arbeit von Abgeordneten im Detail untersuchen wollen, dann werden wir dies für Angehörige aller Fraktionen machen. Alles andere wäre aus unserer Sicht verfassungswidrig. Wir würden uns dann z. B. vom Vorsitzenden des Bauausschusses erläutern lassen, welchen Einfluss Ausschussvorsitzende und Stellvertreter tatsächlich auf die Auftragsvergabe städtischer Wohnungsbaugesellschaften haben und wie die Trennung zwischen Beratung von Investoren einerseits und Mitwirkung an der Schaffung von Planungsrecht im Parlament andererseits miteinander vereinbar sind.
Vielleicht können wir uns aber auch gemeinsam wieder auf die Kontrolle der Regierungsarbeit konzentrieren. Nutzen Sie die Zeit in den Ausschüssen, Ihren weit über das angekündigte Ziel hinausgeschossenen Antrag zu
straffen und das Wahlkampfgetöse herauszunehmen! Dann können wir sicher auch konstruktiv an einer schnellen Abarbeitung mitwirken. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Gaebler! Der Herr Wowereit hat damals, als die Vorgänge bei der HOWOGE aufkamen, gesagt: Das System ist in Ordnung, es hat Regeln, und bei Verstößen wird reagiert. – Lieber Herr Gaebler! Lieber Herr Wowereit! Das System ist eben nicht in Ordnung, und bei Verstößen wird eben nicht reagiert. Seit wir die Situation haben, dass offenkundig Mitglieder des Senats schon seit Juni 2006 spätestens über die Vergabepraxis der HOWOGE Bescheid wussten, wissen wir auch, der rote Filz reicht bis in den Senat. Dieses näher zu untersuchen, daran werden Sie uns nicht hindern.
Lassen Sie sich mal von der Vielzahl der Fragen nicht täuschen! Von verschiedenen Seiten her verdichtet sich das zu einer einzigen Situation, nämlich zu der Sitzung des HOWOGE-Vorstands mit den Eigentümern am 9. Juni 2006. Da waren anwesend die beiden damaligen Vorstände Herr Adam und Herr Kirschner. Da waren anwesend die beiden Senatoren Herr Sarrazin und Frau Junge-Reyer. Da war anwesend die Frau Staatssekretärin Thöne. Da war anwesend der Abteilungsleiter Herr Schulgen. Da war anwesend der Herr Brand von der Stadtentwicklungsverwaltung. Und da war anwesend die Frau Kuban, Aufsichtsratsvorsitzende der HOWOGE. Ich frage Sie mal: Gibt es da irgendjemand dabei, der kein SPD-Parteibuch hat? – Ich glaube nicht. Vielleicht einer!
Wir werden das feststellen. Und dort wurde über eine Vergabepraxis diskutiert, die Herr Sarrazin meiner Ansicht nach in seinem Schreiben im Großen und Ganzen richtig wiedergegeben hat oder die ich auch in der Darstellung von Herrn Hillenberg aus der „Berliner Zeitung“ vom 22. Februar 2010 zusammenfassend zitieren kann und darf. Auf die Frage, wie die Auftragsvergabe bei der HOWOGE lief, hat Herr Hillenberg dort geantwortet:
Die hat aufgrund ihrer guten Erfahrung einen Stamm von Ingenieurbüros. Natürlich hätte die Howoge jedes neue Projekt per Annonce ausschreiben können, aber dann hätten sich halt auch die Büros beworben, die dort schon arbeiten. Also sparte man sich diesen Schritt.
Das ist genau das, was auch das Einladungsschreiben zu diesem Treffen am 9. Juni 2006 beschreibt und was Herr Sarrazin meiner Ansicht nach völlig richtig gelesen und
interpretiert hat. Dann haben wir aber eine immer noch amtierende Senatorin, Frau Junge-Reyer, die den Eindruck erweckt: Nö, sie habe dieses Einladungsschreiben, das wir ja kennen, nicht so verstanden wie Herr Sarrazin und wie Herr Hillenberg, die die Praxis meiner Ansicht nach richtig verstanden haben. Dabei hat diese Senatorin an der Sitzung teilgenommen, wo man noch Fragen zu diesem Schreiben stellen kann, wo es noch einen Vortrag gibt. Und danach sagt sie immer noch: Nö, weder ihr noch ihren Mitarbeitern Brand und Schulgen ist der Gedanke gekommen, dass die von der HOWOGE beschriebenen Verfahrensweisen nicht in Ordnung wären und ab einer bestimmten Größenordnung sogar rechtswidrig sind. – Das kann man so nicht stehen lassen. Es ist das gute Recht dieses Parlaments – welchen Monat wir auch immer schreiben und wann auch immer Wahlen sein werden –, diesen Vorgang aufzuklären.
Ich zitiere abschließend noch mal Frau Junge-Reyer aus der dpa-Meldung vom 25. Februar 2010. Da hat sie gesagt:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich am Anfang zu sagen: Es ist das gute Recht des Hauses – in der Regel der Opposition –, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Das stelle ich überhaupt nicht infrage.
Ist zu erwarten, dass er zu Substanz, zu neuen Erkenntnissen führt, gerade nach der Rede von Herrn Esser? Oder wird der Ausschuss nur aus wahltaktischen Gründen eingerichtet?
Alles, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, im vorliegenden Antrag zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses als Fragestellung zur Prüfung und Klärung von Sachverhalten aufgeschrieben haben, ist inzwischen nicht nur dem Abgeordnetenhaus, sondern auch der Öffentlichkeit bekannt. Vieles von dem, was Sie durch den Untersuchungsausschuss aufarbeiten wollen, ist
in den Protokollen und Unterlagen des Hauptausschusses und des Bauausschusses nachzulesen. Bekannt ist auch das Zitat von Herrn Hillenberg: „Man kennt sich eben.“