Protocol of the Session on March 3, 2011

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Hilfe, die grünen Kiezregulierer entdecken den Tourismus!

Bitte schön, Herr Thiel!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Wie bewertet der Senat den Slogan und die Aussage der aktuellen Anti-Tourismus-Veranstaltung der Kreuzberger Grünen „Hilfe, die Touristen kommen“?

2. Was versteht der Senat unter einem stadtverträglichen Tourismus, und gehört die geplante City-Tax zu einem solchen Konzept?

Danke schön! – Der Wirtschaftssenator Herr Wolf – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Thiel! Der Tourismus ist ein wichtiger, ein zentraler Wirtschaftsfaktor für Berlin. Er bringt uns Milliarden von Steuereinnahmen. Er sorgt dafür, dass ca. 230 000 Menschen in unserer Stadt in Arbeit sind und damit Einkommen haben. Und er führt zu einem erheblichen Kaufkraftzufluss in die Stadt. Insofern ist der Tourismus für uns unverzichtbar und auch die Weiterentwicklung des Tourismus. Es ist eine ausgesprochen positive Entwicklung, die wir in den letzten Jahren gehabt haben, und eine Entwicklung, an der alle Parteien und Fraktionen in diesem Haus mitarbeiten sollten. Deshalb halte ich es auch für richtig, dass wir in Berlin auch weiterhin eine Willkommenskultur gegenüber Touristen dokumentieren. Es ist natürlich auch unbestreitbar, dass mit dem Tourismus auch Begleiterscheinungen verbunden sind, die nicht an allen Stellen auf Begeisterung stoßen. Ich nenne z. B. – das war, glaube ich, auch einer der Punkte, weshalb die Kreuzberger Grünen diese Veranstaltung gemacht haben – die regelmäßig stattfindende Party an der Admiralbrücke zu nächtlicher Zeit. Dass das Anwohner stört und dass das eine Belästigung ist, ist, glaube ich, unbestritten. Das darf nur nicht in einen tourismusfeindlichen Tonfall umkippen.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FDP]

Mir liegen auch keine Angaben vor, wie viele Berlinerinnen und Berliner bei dieser Party regelmäßig mitfeiern, das heißt, wie viel hausgemachter Lärm dabei ist. – Herr

Zackenfels deutet gerade auf sich. Ich weiß nicht, wie häufig Sie dabei sind, aber es ist nicht auszuschließen.

[Heiterkeit bei der SPD]

Das Problem ist natürlich ernst zu nehmen, aber wir haben das doch schon an vielen verschiedenen Orten und Stellen innerhalb der Stadt gehabt, vor Jahren – ich erinnere an die Diskussion – auch im Bezirk FriedrichshainKreuzberg, in der Kneipenmeile in Friedrichshain, SimonDach-Straße und Umgebung. Da gab es auch lange Zeit eine heftige Diskussion, Anwohnerproteste, die Bedürfnisse der Gastronomen, rund um die Uhr, auch auf der Straße, bewirten zu können. Das Thema ist geregelt worden über einen längeren Prozess der Moderation, der Diskussion zwischen Anwohnern, den Betreibern der Lokale, der Gaststätten, und auch der Bezirk hat sich aktiv engagiert. Das, glaube ich, ist der Weg. Man muss an dieser Stelle moderieren, und man muss sich davor hüten, gerade bei einer Partei, die ja immer die Toleranz und die Weltoffenheit vor sich herträgt, den Eindruck zu erwecken, dass jetzt bestimmte Besucher in dieser Stadt nicht mehr gewollt seien.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FDP]

Konflikte gibt es. Diese Konflikte müssen vor Ort gelöst werden. Das ist nicht immer einfach. Da gibt es keine einfachen Lösungen. Aber der Grundsatz ist das Gespräch und die Moderation.

[Zuruf von Michael Schäfer (Grüne) – Zurufe von der SPD]

Herr Schäfer! Ich wusste gar nicht, dass Sie seit Neuestem auch für Lärmemissionen zuständig sind.

[Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der SPD – Zuruf von Özcan Mutlu (Grüne)]

Es gibt auch weitere Belästigungen oder ungelöste Probleme mit dem Tourismus, wenn ich z. B. das Thema Busparkplätze nenne. Es gibt durchaus immer wieder Plätze und Orte, wo wir nicht ausreichend Busparkplätze haben, wo Touristenbusse dann in Häufung vorfahren und das eine eigentlich nicht akzeptable Belastung ist. Das kann man nicht von heute auf morgen lösen, aber das ist ein Thema, an dem wir arbeiten müssen. Das ist auch im Tourismuskonzept, das der Senat neulich verabschiedet hat, als Problem so benannt worden.

Die Frage nach der City-Tax: City-Tax ist kein Instrument, das prohibitiv sein soll. Es ist kein Instrument, das den Tourismus zurückdrängen soll, sondern es kann ein mögliches Instrument sein, wenn es gelingt, das rechtssicher zu machen. Es ist nicht einfach, wie alle wissen, die sich mit dem Thema beschäftigt haben. Und es muss unbürokratisch sein. Kann eine solche zusätzliche Einnahme durchaus auch ein Beitrag sein, um für die von mir angesprochenen Probleme, z. B. Stichwort Busparkplätze, touristische Infrastruktur, zusätzliche Mittel zu generieren, die den Tourismus befördern können und die Stadtverträglichkeit von Tourismus erhöhen können? Über

solche Themen müssen wir nachdenken. Da bin ich offen, darüber nachzudenken.

Dritter Problempunkt: Auch das ist schon in der Vergangenheit diskutiert worden. Ich finde das auch eine Fehlentwicklung, dass über sogenannte Ferienwohnungen ganze Areale von eigentlich Wohnungen verdrängt werden.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Zurufe von den Grünen]

Das ist eine Verdrängung von Wohnraum, den wir dringend brauchen, der auch teilweise von den Hoteliers als unfaire Konkurrenz empfunden wird, auch unter dem Aspekt. Da hat der Senat bereits Maßnahmen ergriffen, dass, wenn die Zahl der Zimmer über die auch für Hotels vorgeschriebene Mindestgröße hinausgeht, dann auch die gleichen Vorschriften gelten, die für Hotels gelten, die in der Baunutzungsverordnung festgelegt sind,

[Daniel Buchholz (SPD): Haben die Grünen gar nicht mitbekommen, haben die verschlafen! – Weitere Zurufe]

also was die Frage Fluchtwege angeht, Feuerschutz, Brandschutz etc. All diese Auflagen gelten auch, und ich gehe davon aus, dass davon auch eine restriktive Wirkung ausgeht und eine Eindämmung dieser Fehlentwicklung möglich ist. Das sind eine paar Beispiele, wo wir versuchen müssen, die Folgeerscheinungen, die mit Tourismus verbunden sind und die nicht nur positiv sind, einzudämmen.

Aber ich sage ganz klar: Die positiven Folgewirkungen des Tourismus für die Stadt überwiegen eindeutig, und wir müssen an den paar Problemen – es sind nicht massenhaft und sie sind auch nicht dominierend – gemeinsam arbeiten, aber mit Augenmaß und mit einer entsprechenden Moderation. Und wir müssen klarmachen, dass diese Stadt Gäste will, woher auch immer sie kommen, und Gäste hier immer willkommen sind.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kollegen Thiel – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Senator! Vielen Dank für diese klare und eindeutige Positionierung. Mich würde in dem Zusammenhang – Stichwort: Tourismus – noch interessieren, wie der Senat zu der neuerdings aufgestellten Forderung steht, den Bau und den Betrieb von Übernachtungseinrichtungen in Berlin zusätzlich gesetzlich regeln zu wollen.

Herr Senator Wolf – bitte schön!

Ich weiß nicht, worin diese zusätzliche gesetzliche Regelung bestehen soll. Wenn es darum geht, dass wir den Bau von Hotels nicht mehr genehmigen – das kann es nicht sein. Wir haben die normale Bauplanung. In diesem Rahmen wird geklärt, welche Flächen für welche Nutzung zur Verfügung stehen. Das ist im Wesentlichen eine bezirkliche Angelegenheit. Aber eine Kontingentierung – wenn das damit gemeint sein sollte – von Hotels mit einer Höchstgrenze und gegebenenfalls einem Baustopp: Dies kann es nicht sein, sondern da gibt es das normale Instrument der Bauplanung. Damit sollte der Sache auch Genüge getan sein.

Danke schön! – Jetzt geht es weiter mit dem Kollegen Zackenfels. – Bitte schön, Herr Zackenfels!

Danke, Herr Präsident! – Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Einrichtung zum Beispiel eines Tourismusfonds zur Abfederung und für Ausgleichsmaßnahmen im Zusammenhang mit hoch frequentierten Innenstadtbereichen, wie dies der stellvertretende Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg Herr Dr. Beckers vorschlägt, positiv gegenüberstehen könnten?

Herr Senator Wolf – bitte!

Ich habe gesagt, ich kann mir am Beispiel City Tax vorstellen, dass man zusätzliche Einnahmen verwendet, um infrastrukturelle Probleme lösen zu können. Ich sehe mir gern auch diesen Vorschlag an. Ich glaube aber, dass die Lösung des Problems Admiralbrücke nicht darin bestehen wird, den Anwohnern Schallschutzfenster zu versprechen und darin zu investieren. Das wird sicher nicht das Thema sein können. Aber wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, um in allen Stadtteilen und allen Bevölkerungsteilen eine Akzeptanz für den Tourismus herzustellen, weil der Tourismus ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und damit ein wichtiger Faktor für Beschäftigung in dieser Stadt ist.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Danke schön, Herr Senator!

Jetzt geht es weiter mit der Frage Nummer 1 des Kollegen Dr. Michael Arndt von der SPD-Fraktion:

Ethnische Vertreibung durch Mieterhöhungen?

Bitte schön, Herr Dr. Arndt!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Treffen Pressemeldungen zu, wonach der Eigentümer einer Wohnanlage in der Kreuzberger Kochstraße beabsichtigt, Mieterhöhungen bis zur Kostenmiete vorzunehmen?

2. Ist dem Senat bekannt, dass der Eigentümer mutmaßlich von Mietern mit deutscher Staatsbürgerschaft eine moderate Mieterhöhung von nur 20 Euro verlangt, während er von Mieterinnen und Mietern mit nichtdeutscher Herkunft exorbitante Mieterhöhungen von ca. 900 Euro durchzusetzen versucht, und wie beurteilt der Senat dieses Vorgehen?

Danke schön, Herr Abgeordneter! – Die Senatorin für Stadtentwicklung Frau Junge-Reyer hat das Wort zur Beantwortung – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Arndt! Es trifft zu, dass offensichtlich ein Eigentümer, der ein Förderobjekt des sozialen Wohnungsbaus erworben hat, dabei ist, die volle Kostenmiete zu verlangen. Das Grundstück ist die Kochstraße 16 – 25 in Kreuzberg mit 32 Wohnungen. Hier endete im Jahr 2005 die Grundförderung. Nach dem Senatsbeschluss von 2003 wurde keine Anschlussförderung gewährt. Das Objekt ist im Dezember 2010 veräußert worden.

Der neue Eigentümer hat jetzt offensichtlich Mieterhöhungen vorgenommen. Sicher wissen wir dies zurzeit von zwei Mietparteien, die dem Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg die Mieterhöhungserklärungen zur Kenntnis gegeben haben. Hier wurde die Miete auf die volle Kostenmiete angehoben. Allerdings ist in der Presse von einen dritten Fall die Rede. Hierzu liegen dem Bezirksamt – so das Bezirksamt – jedoch noch keine genauen Informationen vor.

Ich habe deshalb die Investitionsbank gebeten, zur Frage der Mieterhöhungen in diesem Objekt eine aktuelle Mieterliste mit den verlangten Einzelmieten abzufordern, und die Arbeitsgemeinschaft für Sozialplanung und angewandte Stadtforschung – die bekannte Organisation SPAS – ist mit der Beratung der Mietparteien, also der Betroffenen, beauftragt. Sie unterstützt die Mietparteien und hat

bereits Kontakt aufgenommen, und zwar nicht nur zu den zwei in Rede stehenden Mietparteien.

Beide Haushalte, die sich mit den Mieterhöhungserklärungen an das Bezirksamt gewandt haben, haben offensichtlich als Familie jeweils ausländische Wurzeln. Der hier zitierte Migrationshintergrund scheint vorzuliegen. Allerdings kann nicht nachgewiesen werden, dass diese Zugehörigkeit zu einer bestimmten Herkunft der Mieterhöhung in diesen zwei Fällen zuzuordnen ist. Ob möglicherweise ein Fall von Diskriminierung, wie Sie dies gerade dargestellt haben, vorliegt, lässt sich nicht nachweisen.

Ich will dennoch Gelegenheit nehmen, deutlich zu machen, dass der Senat selbstverständlich jede Diskriminierung, aus welchem Grund, mit welchem Ziel und zu welchem Zweck auch immer, verurteilt. Wir haben deshalb bei Mieterhöhungen ein abgestimmtes Vorgehen mit der Landesstelle für Gleichbehandlung verabredet. Das heißt, dass wir auch in diesem Fall zur Sicherstellung, dass eine Mieterhöhung diskriminierungsfrei bzw. im Rahmen von Mietverhältnissen diskriminierungsfrei vorgenommen wird, jeweils alle Informationen und alle Möglichkeiten zur Hilfe austauschen, und wir unterstützen die Landesstelle für Gleichbehandlung auch bei den rechtlichen Erwägungen in diesem Zusammenhang.