Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Für die FDPFraktion hat die Kollegin Senftleben das Wort. – Bitte!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Kolleginnen und Kollegen! Zum Ende der Legislaturperiode habe ich noch einmal das Bedürfnis, genauer hinzuschauen, wie Sie es mit der Wahlfreiheit, der Eigenverantwortung der Schulen halten. Wahlfreiheit und Eigenverantwortung heißt bei Rot-Rot-Grün, dass Eltern Mitspracherecht haben, insbesondere bei der Gründung der Einheitsschule. Geht es allerdings um mehr grundständige Gymnasialplätze, zählt der Elternwille nicht. Die Plätze bleiben gedeckelt. Gar keine Wahlfreiheit besteht zum Beispiel bei JÜL, jedenfalls bis zum nächsten Schuljahr. Dann soll sich das ja wohl ändern.
Zu unseren Freundinnen und Freunden der CDU: Die rufen manchmal auch nach Wahlfreiheit und Eigenverantwortung, zum Beispiel bei JÜL. Aber auch bei der CDU gilt die Wahlfreiheit nur so lange, wie Eltern und Schule das wählen, was die CDU gut findet. Wenn nicht, wird der Elternwille ignoriert, wie zum Beispiel in Reinickendorf.
Mit unserer FDP-Fraktion gibt es die Eigenverantwortung ohne Wenn und Aber. Die FDP hat das Bürgerschulkonzept, das Wahlfreiheit und Vielfalt im Bildungswesen garantiert, staatliche Bevormundung abschafft, auf eine faire und transparente Finanzierung setzt und den Staat dabei nicht aus der Verantwortung lässt. Warum ist uns dieses Bürgerschulsystem so wichtig? – Die Schulen bekommen die gestalterische und finanzielle Freiheit. Damit können sie sich eigenverantwortlich um die beste und individuellste Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler kümmern. Vergessen wir nicht: Vor gut einem Jahr sind mehr als 26 000 Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen, um sich in der Volksinitiative „Schule in Freiheit“ genau dafür einzusetzen. Leider – das wissen Sie – ist das vielfach respektlos abgehandelt worden.
Die Bevormundung von Eltern, Schülern und Lehrern muss aufhören, und zwar mit einer schulgutscheinfinanzierten, selbstständigen Schule. Jede Schule, unabhängig ob in staatlicher oder freier Trägerschaft, erhält eine transparente und verlässliche Finanzierung über Schulgutscheine. So entsteht Wahlfreiheit für Eltern und Schüler, so entsteht Gestaltungsfreiheit für die Schule.
Jede Schule im Bürgerschulmodell trifft mit ihrem Budget ihre Entscheidung inklusive Personalentscheidungen. Zu diesen Entscheidungen gehört auch – und das ist das ITüpfelchen – die Trägerschaft. Analog zum Kitagutschein wird mit den Schulgutscheinen auf der Trägerseite mehr Vielfalt überhaupt erst möglich.
Wir benötigen für das Bürgerschulmodell zwei Dinge: Transparenz und Durchblick bei der Schulfinanzierung – beim Thema Transparenz hatte ich vorhin bereits etwas dazu gesagt – und zweitens das Vertrauen in die Kompetenz und das Engagement unserer Pädagogen und auch
unserer Eltern. Die FDP-Fraktion hat beides. Ich frage mich, wie es mit Ihnen aussieht. Es ist doch in der Tat verlogen: Einerseits loben Sie den Wettbewerb – da nehmen Sie sogar das Wort Wettbewerb in den Mund – zwischen öffentlichen und Schulen in freier Trägerschaft, andererseits benutzen Sie Ihr Lieblingsargument – das wird nachher mindestens von den Linken wieder gebraucht werden –, den freien Schulen vorzuwerfen, dass sie Schulgeld erheben. Dabei sind Sie es doch gerade, die die freien Schulen wegen der realen Zweidrittelfinanzierung eigentlich dazu zwingen. Das nenne ich bigott.
Sparen Sie sich also Ihre Krokodilstränen, erlauben Sie den Schulen endlich eigenverantwortliches Handeln und nicht nur, wenn es Ihnen parteipolitisch in den Kram passt!
Ich möchte aber jetzt, nachdem ich erfahren habe, dass er dazu nicht redet – leider ist er nicht da, der Sascha Steuer –, sondern dass es in der Tat vorhin seine Abschiedsrede gewesen ist, ich möchte mich bei dir, Sascha Steuer, bedanken! Du darfst nicht mehr kandidieren, ich glaube, dass ist schade, denn man konnte gut mit dir diskutieren.
Herr Senator Zöllner! Wir wissen, dass Sie nicht mehr antreten. Insofern wünsche ich Ihnen alles Gute und bedanke mich auch bei Ihnen für die Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es wird ja langsam ein bisschen sentimental, aber ich denke, das darf es auch heute bei unserer letzten Sitzung sein. – Liebe Mieke Senftleben! Ich habe Verständnis, dass du zum Abschied – aber vielleicht ist da ja gar kein Abschied, meine guten Wünsche hast du, vielleicht schafft die FDP es ja doch, noch einmal die Kurve zu bekommen – hier noch einmal dein Lieblingsthema – vielleicht darf ich es so formulieren – auf die Tagesordnung geholt hast. Du hast es wie immer mit sehr viel Engagement vorgetragen. Ich weiß, deine Beiträge haben nicht immer jedem gefallen, aber es ist dir doch gelungen, auch bei schwer verdaulichen Bildungsthemen Leben in die Bude zu bringen. Dafür, Mieke, meinen Respekt!
Du hast Sascha Steuer schon verabschiedet. Ich möchte mich anschließen. Er war immer ein aufrechter, ein wehrhafter Vertreter seiner Positionen, stets mit Stil. Ich möchte auch daran erinnern, dass Christa Müller, unsere Ausschussvorsitzende, nicht wieder ins Parlament einziehen
wird. Sie hatte es mit diesem Ausschuss wahrlich nicht immer leicht. Sie hat sich durchgebissen mit einem Lächeln, und manchmal hat sie vielleicht auch die Zähne zusammengebissen, aber sie hat es mit Würde gemacht. Ich möchte mich bei ihr bedanken!
Jetzt noch zum eigentlichen Thema, der Bürgerschule Berlin. Uns Bildungsleuten kommt das Thema ziemlich bekannt vor. Die Ähnlichkeit mit der Volksinitiative „Schule in Freiheit“ ist auffallend.
Ich möchte es so ausdrücken: Die zum Teil doch abenteuerlichen Thesen dieser Volksinitiative wurden von der FDP einem Reinigungsprozess unterzogen bzw. waren von vornherein etwas unproblematischer. Das muss ich zugestehen. Was ist das Ergebnis? – Auf jeden Fall etwas Brauchbareres, als das, was wir vorher von der Volksinitiative gehört haben. Die Überwindung der klassischen, staatlich dominierten Organisation von Schule wird gefordert, die absolute Wahlfreiheit und die volle staatliche Finanzierung aller Schulen, unabhängig von der Trägerschaft. So weit stimmen auch die Volksinitiative und die FDP überein. Bei den pädagogischen Inhalten, wie sie die Volksinitiative vorschlägt, war es Frau Senftleben doch etwas unheimlich, und es gab andere Schwerpunkte. Es wird von Mindeststandards gesprochen, von einem einheitlichen Bildungsniveau, von Vergleichsarbeiten, der Staat soll die Schulaufsicht ausüben, bei der Steuerung behilflich sein, die Eltern sollen beraten werden, eine Verwendungskontrolle soll stattfinden – das klingt alles so, als ob man doch eine Art Risikoabschirmung gegen möglichen Missbrauch von allzu großer Gestaltungsfreiheit einzieht. Der Staat behält seine Rolle als Aufsicht. Das finde ich grundsätzlich in Ordnung. Das war ja auch ein Teil unserer Einwendungen bei der Anhörung der Volksinitiative.
Allerdings bleiben bei mir bei der Personalfreiheit immer noch Fragen offen. Es ist unklar, wer eigentlich letztlich einstellt und was von den Lehrerinnen und Lehrern als Qualifikation erwartet wird. Die Rede ist von Zeitverträgen, damit man das Personal unkompliziert wieder loswerden kann. Weiter wird von Fachkräften unterschiedlicher Qualifikation gesprochen. Ob das Anreize für junge Lehrerinnen und Lehrer sind, wage ich zu bezweifeln. Wenn ich sehe, wie schwierig es schon heute ist, unter den Bedingungen des öffentlichen Dienstes Lehrkräfte zu finden, dann frage ich mich schon, wie das funktionieren soll, wenn man – auf Deutsch – erst anheuert und dann wieder feuert. Das ist das, was du in deinem Konzept darstellst. Was soll denn der Status der Lehrkräfte sein, wie ist es mit Personalvertretung? Bei diesen Punkten fasst du dich doch recht kurz, und vieles bleibt unklar.
Ich will jetzt nicht mit dem Totschlagargument Finanzierung kommen. Natürlich würde die Bürgerschule mehr kosten, weil sie sämtliche Kosten, die jetzt auch privat getragen werden, dem Staat auflädt.
Darum geht es uns jetzt nicht, lassen wir das! Sie wollen ja nur einen Modellversuch starten und sagen, damit sei die ideologische Debatte über das Schulsystem beendet. Ich glaube, die haben wir bereits mit unserer erfolgreich in Gang gesetzten Schulstrukturreform beendet.
Das sollte vor allem Frau Harant interessieren, sie hat mir eine Reihe von Fragen gestellt! Diese Fragen will ich kurz beantworten.
Wer stellt ein? – Die Schule in Absprache mit der Verwaltung, klar. Die Schule beantragt, wie viele Lehrerinnen und Lehrer sie benötigt, dann hat die Schule das Recht einzustellen, via Internet. Das ist eine alte Forderung von uns.
Was an Qualifikationen? – Auch das ist letztlich Sache des Staates, welche Qualifikation er sozusagen erwartet.
Kündigungen – ja! Da sagen wir gezielt ja, denn Sie wissen, wir wollen keine Verbeamtung der Lehrerinnen und Lehrer, und wir wissen auch, dass es manchmal Probleme gibt an Schulen, wo wir sagen müssen: Ja, Kündigungen sollen möglich sein! Das hat aber nichts mit dem Prinzip Hire-and-Fire zu tun.
Fachkräfte – wir alle rufen doch ständig nach ihnen. Nach Sozialarbeitern, nach Soziologen, nach Krankenschwestern und anderen. Genau das sind doch die Fachkräfte, wo die Bürgerschulen die Möglichkeit hätten, sie in ihren Schulen zu halten.
Personalvertretung – auch das wäre zu regeln. Sie muss an die Schule, dort muss sie implementiert werden.
Jetzt zu den Kosten: Sie sagen, das Bürgerschulsystem sei teurer als das jetzige Schulsystem. Aber dabei haben Sie ein wesentliches Prinzip nicht verstanden, nämlich das Prinzip der Finanzierung über Schulgutscheine. Wenn ich an öffentlichen Schulen weniger Schüler habe, weil die zu freien Trägern gehen, bleibt die Summe konstant, denn die Schülerzahlen ändern sich nicht. Liebe Frau Kollegin Harant! Das ist das gleiche Prinzip wie beim Kitagut
schein. Das ist genau der Punkt: Durch die Schulgutscheinfinanzierung findet ein fairer Wettbewerb statt und nicht das, was wir im Augenblick haben, wo eine Schulform sehr bevorzugt wird und wo wir offensichtlich immer noch nicht wissen, was dort wirklich ein Schüler kostet. Die Schülerkosten liegen jetzt schon exorbitant hoch, und vielleicht können wir einfach mal mit einer Modellschule in einem Bezirk einen Versuch starten. Das ist mein Ziel für die nächste Legislaturperiode.
Ich habe es aber noch nicht verstanden, denn wenn die Privatschulen kein Schulgeld mehr erheben dürfen, dann muss dieses Geld von staatlicher Seite aufgebracht werden. Oder wie wollen Sie diese Lücke schließen? – Das sollte man doch ehrlich zugeben. Dann ist die ganze Finanzierung Sache des Staates. Dazu muss man dann stehen, wenn man ein solches Modell will.