Protocol of the Session on September 1, 2011

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vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Herr Meyer! Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat vor nicht allzu langer Zeit zum Thema Bürgerschule eine eigene Broschüre erarbeitet. Das ist ein ausführliches Konzept. Insoweit werden wir uns heute gern mit dem Konzept des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes auseinandersetzen.

Vieles von dem, was in den Anträgen zu finden ist, erinnert an Schulen in freier Trägerschaft. Schulen in freier Trägerschaft sind eine erhebliche pädagogische Bereicherung gerade in einem Land wie Berlin. Sie sind oftmals die einzige mögliche Alternative zum staatlichen Schulsystem mit all ihren Problemen. Das mag auch der Grund sein, warum sich gerade die rot-rote Mehrheit in diesem Haus immer wieder das eine oder andere einfallen lässt,

um diesen Schulen in freier Trägerschaft weitere Schwierigkeiten zu bereiten.

[Beifall bei der CDU]

Wenn es darum geht, eine Wahlfreiheit für Eltern zu erreichen, die Budgetfreiheit der einzelnen Schulen durchzusetzen und die Personalentscheidungen durch die Schulleitungen vornehmen zu lassen, dann sind das Dinge, die auch von der CDU-Fraktion mitgetragen werden. Profilgebung durch Schulkonferenz und Gesamtkonferenz sind glücklicherweise schon Realität und somit kein besonderes Merkmal der Bürgerschule.

Aber um es ganz klar zu machen: Wir unterstützen die Verlagerung von Kompetenzen an die einzelne Schule – so, wie es der ehemalige Schulsenator Klemann erstmals in Berlin eingeführt hat.

[Mieke Senftleben (FDP): Wie bitte?]

Das ist auch weiterhin die große Linie der CDU in den kommenden Jahren.

[Beifall bei der CDU – Mieke Senftleben (FDP): Klemann?]

Wir haben bei den vorliegenden Anträgen das Problem, dass es sich hierbei um komplette Systemumstellungen handelt. Sie suggerieren, dass dieses in der Form durch diese Anträge kurzfristig möglich ist. Das halten wir für nicht realisierbar und nicht vorstellbar. Wir brauchen einen deutlich längeren Übergang, und das Ziel muss sein – wie ich es vorhin beschrieben habe –, zu einer stärkeren Verlagerung von Kompetenzen an die Einzelschule zu kommen. Es muss auch zukünftig unser Bestreben sein, das mit Leben zu erfüllen.

Das, was Senator Klemann begonnen hat, wollen wir in dieser konsequenten Form weiter fortsetzen. Dabei kann ich es aus meiner Sicht nur bedauern, dass Frau Senftleben der Versuchung nicht hat widerstehen können, heute und hier anhand dieses Sachantrags auf Wahlkampf zu machen und sich über Stadträte lustig zu machen, die nichts anderes getan haben, als ihrer politischen Verantwortung gerecht zu werden, nämlich das mit Leben zu erfüllen, was sie vor der Wahl gesagt haben. Insoweit lehnen wir die Anträge ab.

[Beifall bei der CDU – Andreas Gram (CDU): Sehr gut – kurz und prägnant!]

Kollege Zillich hat nun das Wort für die Fraktion Die Linke. – Bitte!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe mich denjenigen an, die den gegenseitigen Respekt auch in dem Wanderzirkus Bildungspolitik, als der wir an der einen oder anderen Stelle unterwegs waren, noch einmal betont haben. Ich glaube, es reicht aber auch,

wenn man es hier einfach mal betont, und man muss es nicht noch in weiterer ritualisierter Form in langen Reden ausführen.

Der Antrag der FDP-Fraktion ist schon eine ganze Weile im Geschäftsgang und gar kein so schlechter Endpunkt, denn er dokumentiert sehr unterschiedliche Herangehensweisen – man könnte sagen: zwei Pole –, wie man an Bildungspolitik herangeht.

[Mieke Senftleben (FDP): Genau!]

Was beinhaltet das Konzept Bürgerschule tatsächlich? – Es beinhaltet zunächst einmal den Ausstieg aus der regelmäßigen staatlichen Schulträgerschaft. Es beinhaltet den Ausstieg aus der direkten staatlichen Finanzierung der Schulen und den Einstieg in eine indirekte Finanzierung über Bildungsgutscheine. Und es beinhaltet in seiner Radikalität auch die Entfernung aller Lehrerinnen und Lehrer aus dem staatlichen Schuldienst, wenn erst einmal neu eingestellt werden soll.

Kern dieses Modells ist die Gutscheinfinanzierung. Die Eltern bzw. die Kinder können sich als Inhaber öffentlich finanzierter Gutscheine auf dem Markt der Bildungsleistungen bewegen und sich die beste Variante aussuchen. Das ist zunächst erst mal etwas, was sicherlich für Wettbewerb sorgen würde – für Wettbewerb zwischen den Schulen und auch für einen Wettbewerb zwischen den Schulen um gute Schülerinnen und Schüler. Wir wissen, dass es Schulen gibt, denen das absolut helfen würde. Das gilt für gute Schulen sowieso. Wir haben gute Schulen. Starke Schulen würde ein solches Modell stärken. Wir wissen auch, dass es freie Schulen stärken würde, denn es würde eine bessere Finanzierung dieser Schulen mit sich bringen.

Aber es ist in einem Punkt keine Lösung: Was ist mit den Schulen, die nicht so gut sind? Was ist mit den Kindern an diesen Schulen? Was ist mit Kindern, die Eltern haben, die nicht in der Lage sind, sich als diese aktiven Teilnehmer auf dem Markt der Bildungsmöglichkeiten zu bewegen? – Da haben wir dann die Situation, dass die Bildungschancen dieser Kinder auf die Fähigkeit ihrer Eltern zurückgeworfen sind, sich in dieser Form im Sinne ihres Kindes zu verhalten. Eine solche marktgeregelte Zuteilung von Bildungschancen – genau das würde nämlich dabei herauskommen – halten wir bei einem Menschenrecht, wie es die Bildung ist, für falsch. Deswegen lehnen wir dieses Modell ab.

Wir haben ein anderes Modell, und dieses andere Modell bedeutet: Unsere Aufgabe ist es, die öffentlichen Schulen, und zwar alle Schulen – wir wissen, dass das ein weiter Weg ist –, in die Lage zu versetzen, tatsächlich Kinder unabhängig von ihren Voraussetzungen zum bestmöglichen Lernerfolg zu führen. Diese Aufgabe und auch diese Verantwortung wollen und dürfen wir nicht abgeben. Wir dürfen niemanden im Stich lassen, sodass eine Situation entsteht, wo man sagt: Du hast halt Pech gehabt! Dein Eltern haben halt nicht so ein tolle Schule ausgesucht.

Das sind zwei unterschiedliche Gesellschaftsmodelle. Wir sind für eine staatliche Verantwortung für die Bildungschancen und für das Menschenrecht auf Bildung für alle Kinder, und wir sind nicht dafür, dass man das einfach einer Marktregelung überlässt. – Danke schön!

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD]

Für die Fraktion der Grünen hat Kollege Mutlu das Wort. – Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Kollege Zillich schon gesagt hat: Diese beiden Anträge sind drei Jahre alt. In der Zwischenzeit hat sich viel getan. Es gab die Schulstrukturreform, das Qualitätspaket und andere Dinge, die einerseits die Berliner Schule als Reform teilweise über sich ergehen lassen musste, die aber andererseits auch durchaus positive Effekte in der Berliner Schule gebracht haben. Deshalb frage ich mich, ob diese Debatte noch notwendig ist. Sicherlich hat das Modell der Bürgerschule Elemente, die durchaus gut sind und auch in der staatlichen Schule implementiert werden sollten. Ich wüsste nicht, warum sie nicht auch ohne die völlige Freigabe in die Freiheit – wie Sie immer wieder betonen, Frau Senftleben! – in der staatlichen Schule Anklang finden sollten.

[Mieke Senftleben (FDP): Sollen sie ja!]

Ich verstehe auch nicht, warum der Paritätischen Wohlfahrtsverband, der im Grunde der Ideengeber für diese Bürgerschule ist – das ist ja fast wortwörtlich von ihm abgeschrieben –,

[Mieke Senftleben (FDP): Quatsch!]

das nicht auch ohne eine derartige Beschlusslage hier im Parlament umsetzen kann – als ein Träger, der mächtig und finanziell stark ist.

[Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)]

Die Gesetze Berlins geben das auch her. Das Schulgesetz von Berlin gibt es her, dass der Paritätische als anerkannter Träger diesen Weg auch ohne uns gehen kann. Wir sollten es durchaus unterstützen. Ich halte jetzt nichts davon, die staatliche Schule insgesamt in Frage zu stellen und flächendeckend Bürgerschulen zu fordern.

Wir werden uns sicherlich in der neuen Legislaturperiode mit dieser Thematik auseinandersetzen, vielleicht ohne die FDP. Das wird man sehen. Die Elemente, die gut und notwendig sind und die die Eigenverantwortung der Schulen stärken, den Schulleitungen und den Eltern auch mehr Verantwortung geben, sollten wir diskutieren und versuchen, dass wir es auch ohne eine derartige Beschlusslage in die staatliche Schule implementieren können.

In diesem Sinne, Frau Senftleben – ich weiß nicht, ob ich Sie nach dem 18. September wieder hier als Kollegin

sehen werde –, möchte ich mich – auch wenn das Ergebnis noch offen ist – dennoch für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre, auch wenn sie manchmal sehr heftig und kontrovers war, bedanken und Ihnen, falls Sie nach dem 18. September nicht mehr zu unseren Kolleginnen und Kollegen hier im Haus gehören, alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg wünschen. Viel Glück!

[Beifall bei den Grünen]

Vielen Dank, Herr Kollege Mutlu! – Auch die Kolleginnen und Kollegen, die ihren Rückzug angekündigt, sowie die anderen, die das nicht getan haben, wissen nicht, ob sie hier wieder erscheinen werden. Wir sollten vielleicht diese Vorsicht walten lassen. – Da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, komme ich jetzt zur Abstimmung.

Zum Antrag Drucksache 16/1158 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die FDP bei Enthaltung der Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der FDP. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der CDU. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der Grünen ist der Antrag abgelehnt.

Zum Antrag Drucksache 17/1316 empfiehlt der Fachausschuss mehrheitlich gegen die FDP bei Enthaltung der CDU und den Grünen die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Dafür ist die FDP. Dagegen sind die Koalitionsfraktionen. Bei Enthaltung der CDU und den Grünen ist der Antrag abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt 5 steht auf der Konsensliste.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 6:

Zweite Lesung

Online-Petitionen ermöglichen – Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung von Petitionen an das Abgeordnetenhaus von Berlin (Petitionsgesetz)

Beschlussempfehlungen Recht und Haupt Drs 16/4309 Antrag der CDU und der FDP Drs 16/3457

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der zwei Artikel miteinander zu verbinden, und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschriften und die Einleitung sowie die Artikel I und II Drucksache 16/3457 auf. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zum Antrag Drucksache 16/3457 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich gegen die CDU, die Grünen und die FDP die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von CDU, FDP

und den Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen liegen nicht vor. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur

lfd. Nr. 7:

a) Zweite Lesung

Gesetz zur Neuregelung des Krankenhausrechts