Vier Monate sind seit der Terminverschiebung vergangen. Der Aufsichtsrat hat ausführlich beraten, viele Gremien in allen drei Eigentümerbereichen – sowohl beim
Bund als auch im Land Brandenburg und in Berlin – haben die Situation ausführlich beraten. Wir haben uns ein Bild von den zum Teil gravierenden Schwierigkeiten und Herausforderungen auf der Baustelle gemacht, und wir haben die Konsequenzen gezogen. Die wichtigste ist die Auflösung der Verträge mit den Planern und Bauüberwachern und mit dem Technikvorstand der Gesellschaft. Weitere Entscheidung sind zur Neustrukturierung getroffen worden. Klar ist, eine solche Entscheidung, auch einen Stopp zu machen mit den Planern, die essentiell für dieses Projekt notwendig sind, bringt erst einmal Unruhe und kann natürlich auch – wie es auch geschehen ist – zu einem temporären Stillstand führen. Ich glaube, in der Abwägung der Vor- und Nachteile musste dies im Sinne einer grundlegenden Neuaufstellung hingenommen werden,
Diese Phase der Unsicherheit ist jetzt aber vorbei. Die Weichen sind neu gestellt, heute geht es darum, zu erläutern, wohin sie führen. Erstens: Mit dem Planungschef Horst Amann ist wieder Verlässlichkeit hergestellt. Der erfahrene Flughafenplaner hat seine Arbeit am 1. August begonnen. Wir haben ihm die notwendige Zeit gegeben, um sich einen Überblick zu verschaffen. Er hat die Zeit für eine schonungslose Analyse genutzt, die Probleme liegen auf dem Tisch. Es wurden Schlussfolgerungen gezogen, und der Handlungsbedarf wurde ermittelt. Personelle Umstrukturierungen des Ersatzes der Planer und der anderen Beteiligten hat er angepackt und zügig umgesetzt; die letzten Vervollständigungen werden vorgenommen.
Zweitens: Nach seiner Einarbeitungszeit hat Horst Ammann am vergangenen Freitag den neuen Eröffnungstermin genannt – es ist der 27. Oktober 2013. Ich sage gleich an dieser Stelle: Wir alle hätten uns einen früheren Termin gewünscht, aber es gilt, wie schon bei allen vorangegangenen Terminplänen: Sie ergeben sich nicht aus dem Votum von Politikerinnen und Politikern oder weil man das so gerne hätte, sondern aus dem Votum der Techniker und der Baubeteiligten vor Ort, die diese Vorschläge erarbeiten und in einen Terminplan umsetzen. Die größten Airlines haben diesen Termin bestätigt, er fällt zusammen mit dem Flugplanwechsel zwischen Sommer und Winter. In der Vergangenheit gab es Irritationen, ob das ein guter Termin sei für die Airlines oder ein schlechter. Wir haben deshalb extra die drei wesentlichen Fluggesellschaften gefragt, und sie haben bestätigt, dass das ein geeigneter Zeitpunkt ist, wobei selbstverständlich auch die Airlines einen früheren Termin, der auch geeignet gewesen wäre, bevorzugt hätten.
Drittens: Es gibt jetzt auch Klarheit über das Finanzierungskonzept. Der Senat hat am Dienstag den Entwurf für einen Nachtragshaushalt beschlossen. Damit werden wir den auf Berlin entfallenden Anteil von 444 Millionen Euro finanzieren. Mit dem Nachtragshaushalt steht fest: Wir werden die zusätzlichen Kosten für mehr Lärm
schutz, zusätzliche Bauten und die Verzögerung der Eröffnung ohne zusätzliche Neuverschuldung finanzieren.
Einen Flughafen dieser Größe kauft man nicht von der Stange oder wie ein Musterhaus nach der Besichtigung.
Jeder Flughafen ist ein hochkomplexes Unikat, und wie bei kaum einem anderen Projekt verändern sich im Laufe des Baus die Rahmenbedingungen und Anforderungen teilweise fundamental. So war es in den letzten Jahren auch beim Bau des BER. Wir hatten das höchste Passagierwachstum unter den deutschen Flughäfen. Im Jahr 2005 waren es 17,15 Millionen Fluggäste. In diesem Jahr rechnen wir mit über 25 Millionen Fluggästen. Das ist eine Steigerung von über 40 Prozent. Berlin hat heute das drittstärkste Fluggastaufkommen in Deutschland – nach Frankfurt und München.
Als mit dem Bau begonnen wurde, sind wir dafür kritisiert worden, dass er zu groß sei. Gigantomanie ist uns vorgeworfen worden. Längst kristallisiert sich aber heraus, dass Berlin und die gesamte Region ein solches Drehkreuz braucht. Auch die Drehkreuzfunktion hat damals in weiter Ferne gelegen. Es haben sich alle gar nicht getraut, das in den Mund zu nehmen. Heute hat er dank der Initiative von Air Berlin in der Tat diese Drehkreuzfunktion, und Lufthansa ist auch dabei, einen Teil zum Drehkreuz beizutragen. Das ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte, eine riesige Erfolgsgeschichte der Berliner Flughäfen.
Ihre Prognosen waren völlig falsch, denn Sie haben immer gesagt: Wir brauchen diesen Flughafen nicht. – Aber heute kritisieren Sie uns dafür, dass er aus Ihrer Sicht schon wieder zu klein ist.
Natürlich war mit diesem großartigen Wachstum verbunden, dass die Pläne auch während des Baus angepasst werden mussten. Dies war von vornherein mit eingeplant, aber die einzelnen Schritte mussten dann selbstverständlich auch nach Baubeginn ergriffen werden und führten dann auch zu nicht unerheblichen Veränderungen. Diese Neubauten, diese Erweiterungen haben natürlich auch ihren Preis, der bei Beginn der Bauarbeiten so in der Kalkulation noch nicht vorgesehen war.
Wir haben beispielsweise die Fläche des Fluggastterminals von ursprünglich 220 000 m2 um mehr als ein Drittel
auf 360 000 m2 erweitert. Geplant war in der ersten Ausbaustufe nur das Terminal mit dem Hauptpier. Gebaut und fertiggestellt wurden darüber hinaus noch der Nordpier und der Südpier. Auch diese zusätzlichen Module haben ihren Preis. Für die Umsteigeverkehre haben wir Doppelstockbrücken realisiert, die ursprünglich so nicht vorgesehen waren, aber für die Hub-Funktion des Flughafens unerlässlich sind. Hierzu gehört auch der Einbau zusätzlicher Laufbänder und ein Ebenenwechsel im Bereich des Hauptpiers für den Non-Schengen-Verkehr. All dies hat höhere Kosten zur Folge. Wir haben zwei zusätzliche Pavillons für die Passagierabfertigung eingerichtet, weil sich der Flugverkehr so rasant entwickelt und neue EU-Sicherheitsvorschriften hinzukamen. Mehr Check-inSchalter und mehr Sicherheitstechnik – auch das bekommt man nicht zum Nulltarif.
Aber auch diese Entwicklung ist letztendlich eine Erfolgsgeschichte. Wir haben einen größeren Flughafen gebaut, und wir haben einen deutlich leistungsfähigeren Flughafen als ursprünglich geplant.
Auch das kostet natürlich mehr. 600 Millionen Euro zusätzliche Kosten resultieren daraus, dass wir die Größe des Flughafens während der Bauzeit an das Wachstum Berlins und des Flugverkehrs angepasst haben.
600 Millionen Euro mehr Wert ist dafür auch geschaffen worden. Dies ist keine Verschwendung von Steuergeldern, sondern das ist eine kluge Investitionspolitik, die aufgrund des Wachstums notwendig war.
Ein Großteil dieses Geldes konnte im ursprünglich bewilligten Finanzvolumen auch dargestellt werden, aber dieses, was dort als Puffer für zusätzliche Leistungen und Unvorhergesehenes vorgesehen war, war dann auch verbraucht.
Das jetzt im Aufsichtsrat beschlossene Finanzkonzept sieht einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 1,2 Milliarden Euro vor, wobei ich sage, dass das eine Worst-CaseBetrachtung ist, und wir hoffen und werden alles dafür tun, dass die volle Summe nicht ausgeschöpft wird.
Aber wir müssen natürlich auch vor dem Hintergrund des notwendigen Notifizierungsverfahrens hier eine Verlässlichkeit haben, dass der Rahmen auch ausreicht.
Diese 1,2 Milliarden Euro müssen von den Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg ihrem Anteil entspre
chend aufgeteilt werden. Es ist offensichtlich immer wieder notwendig, deutlich zu machen, dass es hier drei Gesellschafter gibt: Das sind der Bund, Berlin und Brandenburg. – Alle drei Gesellschafter haben in der Vergangenheit Wert darauf gelegt, dass sie gleichberechtigt die Entscheidungen treffen. Mich wundert, dass nachher bei der Schuldzuweisung diese Gleichberechtigung irgendwie doch aufgegeben wird.
[Beifall bei der SPD und der CDU – Joachim Esser (GRÜNE): Ja, Herr Vorsitzender! – Weiterer Zuruf von den GRÜNEN: Sie wollten doch Vorsitzender sein! – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]
Von diesen 1,2 Milliarden Euro entfallen allein 276 Millionen Euro auf Baumehrkosten, die sich aus Zusatzbauten ergeben haben. 305 Millionen Euro entfallen auf zusätzlichen Schallschutz, wobei das die Betrachtung ist, die sich aus den Vorgaben des MIL ergibt. 67 Millionen Euro entfallen auf verschiebungsbedingte Baumehrkosten. 230 Millionen Euro resultieren vor allem aus den Mindereinnahmen wegen der Verschiebung des Eröffnungstermins, und 322 Millionen Euro sind zur Risikovorsorge eingeplant. Alles zusammen, wie gesagt, 1,2 Milliarden Euro. Der Berliner Anteil beträgt 444 Millionen Euro.
Auch das gehört zur Wahrheit, die in der Öffentlichkeit gern etwas anders dargestellt wird: Nur ein Viertel der gesamten Mehrkosten von 1,2 Milliarden Euro – also rund 300 Millionen Euro – sind auf die Verschiebung der Eröffnung zurückzuführen. Selbstverständlich wären die Mehrkosten beim Schallschutz auch entstanden, wenn der Eröffnungstermin der alte geblieben wäre. Die Verschiebungskosten betragen also nicht 1,2 Milliarden Euro, sondern liegen in einem Umfang von ca. 300 Millionen Euro. Immer noch hoch genug, aber in der Relation etwas deutlich anderes, als immer behauptet wird!
Ich will an dieser Stelle noch einmal gesondert auf die 305 Millionen Euro für zusätzlichen Schallschutz eingehen. Diese Mehrkosten kamen in der Tat überraschend, denn wir waren bis zu einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg im Juni davon ausgegangen, dass die bislang angesetzten Summen von ca. 140 Millionen Euro ausreichen. Jetzt ergeben sich zusätzliche Anforderungen, von denen man beim Beginn des Flughafenbaus nicht ausgehen konnte und die nichts mit der Verschiebung zu tun haben. Sie wären, wie eben schon erwähnt, sowieso entstanden.
Es wird auch weiterhin eine juristische Auseinandersetzung um die Festlegungen des zuständigen Ministeriums in Brandenburg, des MIL, bezüglich des Lärmschutzes geben. Deshalb ist die Risikobetrachtung nicht nur auf die 305 Millionen Euro zu beziehen, die errechnet worden sind, sondern auf die Worst-Case-Betrachtung von 480 Millionen Euro, die auch innerhalb der 1,2 Milliarden Euro mit abgedeckt sind. Denn wir können heute nur
bedingt einschätzen, wie die juristischen Auseinandersetzungen ausgehen, und es wird sicherlich noch ein jahrelanger Prozess darum geführt.
Ich sage heute: Es ist gut und richtig, dass wir in unserer Region besonders hohe Maßstäbe an den Lärmschutz anlegen. Das war im Übrigen auch schon vor dem Urteil so.
Aber auch das muss gesagt werden: Hier hat sich eine Entwicklung beschleunigt. Die jetzt zugrundeliegenden Maßnahmen setzen in der Tat neue Maßstäbe, die es so in Deutschland bislang an keinem Ort und an keinem Flughafen gegeben hat.
Ich fasse das Thema Kostenentwicklung noch einmal zusammen: Ein Viertel der Mehrkosten ist auf die Verschiebung zurückzuführen, ein weiteres Viertel fließt in den verbesserten Schallschutz, und deutlich mehr als die Hälfte resultiert aus einem Mehr an Leistungsfähigkeit des neuen Flughafens und aus der notwendigen Risikovorsorge.
Der Senat hat den Entwurf eines Nachtragshaushalts beschlossen, der diese neuen Planungsdaten umsetzt, und wir können dabei auf Spielräume zurückgreifen, die sich angesichts der immer noch guten Konjunktur deutlich besser darstellen, als es bei der Verabschiedung des Haushalts der Fall war. Die Steuereinnahmen entwickeln sich deutlich besser, als noch im Frühsommer erwartet wurde. Die Zinszahlungen fallen angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus niedriger aus. Zumindest die Entwicklung der Steuereinnahmen ist auch Ausdruck gestiegener Wirtschaftskraft, und so schließt sich hier ein Kreis: Der neue Flughafen BER wird Berlin wirtschaftlich noch weiter voranbringen,
und deshalb investieren wir in die Zukunft und in eine bessere wirtschaftliche Entwicklung für die gesamte Region.
Ich sage an dieser Stelle auch: Dieses Projekt ist kein Milliardengrab für Steuerzahler, wie in diesen Tagen zu hören ist. Alle drei Gesellschafter haben bislang bei Kosten von 3,1 Milliarden Euro lediglich 430 Millionen Euro aus Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt. Auch mit den neuen Summen wird der überwiegende Teil der Investitionen von der Flughafengesellschaft selbst erwirtschaftet.