Was wir hier vorliegen haben, ist ein Antrag, bei dem man nur sagen kann: Das ist der Fluch der bösen Tat. – Der Kollege Kreins hat es sehr gut dargestellt: Wenn man den 16. Bauabschnitt baut, stellt man auf einmal fest, dass man Verkehrsprobleme an der Elsenbrücke und an der Stralauer Allee bekommt – folglich muss der 17. Bauabschnitt kommen. Dann stellt man aber – wie der Kollege Geisel – fest, dass man, wenn man bis zur Frankfurter Allee oder Storkower Straße weiterbaut, dort wieder ein Problem bekommt. Folglich muss man den Ringschluss vollenden und das Ganze bis nach Pankow weiterführen.
und wie der große Sozialdemokrat Herbert Wehner gesagt hat – ich nehme mir heraus, ihn zu zitieren: Da wird der Quatsch immer quätscher!
Deshalb wäre es einmal an der Zeit, darüber nachzudenken – nachdem all diese Probleme immer von der Opposition und jetzt auch von Ihnen genannt wurden –, ob es nicht notwendig und richtig wäre, aus dieser falschen Logik auszusteigen und die Notbremse zu ziehen.
Wenn Sie diese Logik nämlich weiterbetreiben, heißt das: Sie bauen – wenn Sie es denn finanziert bekommen – durch die Stadt eine Schneise, die gewachsene Stadtstrukturen zerstört und neue Barrieren innerhalb der Stadt schafft. Denn auch da, wo Sie untertunneln, haben Sie natürlich ein Problem, und Sie werden nach der Planung ja nicht alles untertunneln. Sie werden mit dieser Stadtautobahn nicht die Ideologie der verkehrlichen Entlastung realisieren, sondern nach wie vor gilt der Grundsatz, dass neue Autobahnen und Straßen Verkehr anziehen. Das ist ein Verkehrskonzept aus der Vergangenheit, aus dem letzten Jahrhundert. Deshalb sage ich: Das macht keinen Sinn!
Ich sage Ihnen auch: Viel Glück bei den Gesprächen über den Länderfinanzausgleich und die Altschuldenhilfe, wenn Sie gleichzeitig antreten, für wenige Kilometer unsinniger Autobahn Milliardenforderungen an den Bund zu stellen! Das wird die Solidarität der anderen Bundesländer wirklich befördern, kann ich Ihnen nur sagen.
Ich empfehle Ihnen auch, noch einmal in die Geschichte Ihrer eigenen Partei zu blicken: Es waren die Berliner Sozialdemokraten, die sich in den Siebzigerjahren von der alten Planung der Schließung eines Autobahnrings und vom Ideal der autogerechten Stadt verabschiedet haben. Das war Harry Ristock, der sich damals verabschiedet hat.
Nein, das war nicht wegen der Mauer; das ist doch Quatsch! Sie fallen auf die alte Planung der Sechzigerjahre zurück, von der Sie sich schon verabschiedet haben! – – Ich erinnere mich: 1981 ist Hans-Jochen Vogel aufgetreten und hat gesagt: Die Westtangente wird nicht gebaut – die Berliner SPD ist wieder wählbar. – Ich sage: Verkehrspolitisch ist die Berliner SPD der heutigen Zeit nicht mehr wählbar!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass die A 100 immer ein sehr strittiges Thema ist. Wir kommen jetzt aber wieder zur Ruhe, und Kollege Baum hat das Wort.
Herr Kollege Oberg! Das war jetzt, glaube ich, das zweite Mal. Vogelzeigen ist nicht parlamentarisch. Ich muss Sie zur Ordnung rufen und bitte Sie eindringlich, dass zu unterlassen! – Kollege Baum hat das Wort.
Ich freue mich über die Aufregung! – Es wurde hier schon einiges gesagt. Es geht aber um eine grundsätzliche Frage, und deshalb will ich auch noch etwas vortragen: Wie soll eigentlich mit den Planungen zum 17. Bauabschnitt verfahren werden, was soll danach folgen, was wollen wir für Berlin und was ist gut für Berlin? – Das erste große Projekt der Koalition unter dem neuen Regierungschef ist also die Planung des Weiterbaus der A 100 bis zur Frankfurter Allee, und wenn Sie den Titel des Antrags ernst nehmen – „Weiterbau der A 100 vollenden, den 17. Planungsabschnitt absichern“ –, dann gute Nacht, Frankfurter Allee!
Aber Herr Geisel hat schon erwähnt, dass er sich dafür einsetzen wird, die Autobahn bis zur Autobahn 114 an der Prenzlauer Promenade weiterzubauen. Das zeigt das gesamte Ausmaß des Projekts, das mit diesem Antrag fortgeführt werden soll. Dieses Projekt, eine Autobahn mitten durch Berlin zu bauen, das ja schon die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen hat platzen lassen, ist wirklich Zündstoff für die Stadt. Es wird Wahlkampfthema werden, und Sie werden es schwer haben, die Menschen zu begeistern, die es vor Ort betrifft. Ich bin gespannt, wie Sie das schaffen wollen.
Die Piraten lehnen den Weiterbau ab, und ich sage Ihnen auch, warum. Zunächst einmal ist es ja so: Je attraktiver Sie das Autofahren machen, desto mehr machen davon Gebrauch, und je näher Sie den Verkehr ampelfrei in die Innenstadt leiten, desto mehr Verkehr werden Sie in der Innenstadt auch ernten. Kurzum: Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten. Nun ist Verkehr nicht grundsätzlich schlecht; auch wir setzen uns für einen leistungsfähigen öffentlichen Personennahverkehr ein. Allerdings ist Verkehr nicht gleich Verkehr. Autobahnverkehr durch die Stadt zu leiten ist gegenüber der Umwelt, den Anwohnern und denjenigen, die sich dort aufhalten, unverantwortlich.
Die Linke hat eine Studie – Auswirkungen innerstädtischer Autobahnen auf die Sozialstruktur angrenzender Wohngebiete – der TOPOS Stadtforschung in Auftrag gegeben. Ein Ergebnis lautet: Autobahnen führen in ihrem Umfeld zu einem Verfall der Infrastruktur. Je näher Wohngebäude an innerstädtischen Autobahnen stehen, desto schlechter ist ihr Instandhaltungszustand, desto höher ist ihr Leerstand.
Was bedeutet das für die Anwohner und alle, die sich in der Nähe dieser Streckenabschnitte aufhalten? – Belastung durch Lärm, Abgase und insgesamt eine schlechte
Aufenthaltsqualität. Kurzum: Da will niemand wohnen. Sie vernichten an der Strecke, wo Sie bauen wollen, aktiv Wohnraum, wo Sie ja eigentlich aktiv Wohnraum schaffen wollten.
Ich sage das mal so plakativ und deutlich: Das Fortführen des Baus dieses Autobahnabschnittes ist ein Vernichtungsprogramm an Lebensqualität mitten in der Stadt!
Es wird nicht nur Autoverkehr geben, der in die Innenstadt oder auf die Frankfurter Allee fließt, es kommt, wenn man letztlich den Ringschluss erreicht hat, auch zu zusätzlichem Transitverkehr mitten durch die Stadt, der in der Stadt nicht einmal ein Ziel hat, dann aber eben auch durch Wohngebiete fährt. Das ist einfach Unsinn! Wenn der Lückenschluss bis hoch zur Prenzlauer Promenade, A 114, kommt, dann werden wir mitten durch Berlin auch Transitverkehr haben, der dort sonst nicht vorhanden wäre. Sie sehen, die Piraten finden es nicht sinnvoll, noch mehr Beton in Berliner Wohngebiete zu kippen, noch mehr Fläche für Autoverkehr zu reservieren.
Es gibt ja auch ganz praktische Probleme, und da bin ich wirklich schon auf Ihre Lösung gespannt. Wie wollen Sie der Grenzwertüberschreitung beim Feinstaub im Bereich der Frankfurter Allee begegnen? Schon jetzt werden dort die Grenzwerte regelmäßig überschritten. Durch einen Autobahnanschluss wird noch mehr Verkehr in die Innenstadt geleitet. Einfaches Einmaleins: Mehr Verkehr – die Grenzwerte werden öfter und höher überschritten. Wird die Autobahn dann gesperrt? Dürfen dann dort nur Elektroautos fahren,
Welche Alternativen gibt es aber? Wie soll den Berlinerinnen und Berlinern und deren Gäste Mobilität in der Stadt ermöglicht werden? – Schauen Sie mal nach Paris! Dort gibt es ein funktionierendes Leihfahrradsystem. Dort gibt es Angebote, die genutzt werden. Wenn Sie an einer Kreuzung stehen – –
In Berlin ist es eben anders. – Dort stehen Sie an einer Kreuzung und sehen gar keine Station. In Berlin stehen Sie an einer Kreuzung und sehen oftmals zwei oder drei Stationen. Genau deswegen funktioniert es dort, des
Herr Kreins! Sie erwähnten am 27. September schon den Sachstandsbericht – wie auch heute. Sie wollen einen Mix aus Investitionen, auch in den Fuß- und Radverkehr, und wollen dort auch vorankommen. Rückblickend betrachtet muss man aber sagen: Da ist wenig passiert. Es gibt immer noch sehr viele Radwege, die in einem sehr schlechten Zustand und nicht ohne Gefahr zu benutzen sind. Auch insgesamt sind man da wenig große Würfe. Wann kommt denn der erste Fahrrad-Highway in Berlin?
Ist da schon was in Planung, oder haben Sie da nichts vor? Oder planen Sie eben nur für den Autoverkehr mitten in der Stadt?
In vielen Städten der Welt, und damit komme ich zum Schluss, wurden in den letzten Jahren zahlreiche Anstrengungen unternommen, um Stadtraum, der bisher dem Autoverkehr gewidmet war, anderen Nutzungsarten zuzuführen, so der Alaskan Way Viaduct in Seattle, der Sheridan Expressway in New York oder auch gleich ganze Stadtautobahnen wie z. B. der Miller Highway in New York.