Stadt aufgemacht haben, aktiv geworden sind, und es ist aus dem Zusammenwirken mit einer Koalition entstanden, die verstanden hat, dass das Weiter-so! in der Verkehrspolitik keine Perspektive ist, sondern dass wir eine Mobilitätswende brauchen. Deshalb gab es einen konstruktiven Dialog mit den Initiativen aus der Zivilgesellschaft. Dafür allen Akteuren noch einmal ganz herzlichen Dank! So müssen wir weiterarbeiten.
Weil der Kollege Friederici das die ganze Zeit behauptet hat: Es geht nicht um ein Radgesetz, sondern um ein Mobilitätsgesetz, in dem der Radverkehr eine Rolle spielt. Es geht um das Zusammenspiel der verschiedenen Verkehrsträger und Verkehrsmittel, nicht um das Nebeneinander und Gegeneinander, wie wir es in der Vergangenheit hatten, sondern um das Miteinander. Das ist die neue Qualität dieses Gesetzes.
Weil der Kollege Friederici in seiner Rede erklärt, das sei vonseiten der Industrie- und Handelskammer das meistkritisierte Gesetz, zitiere ich einmal aus einer Presseerklärung der Industrie- und Handelskammer zu diesem Gesetz – Überschrift: „Gute Basis, jetzt kommt es auf die Umsetzung an“. Das können wir nur unterschreiben. Es wird weiter erklärt, ich zitiere:
Wir sind froh, dass aus dem ursprünglichen „Fahrradgesetz“ ein Regelwerk entstanden ist, das die verschiedenen Verkehrsarten berücksichtigt.
Kollege Friederici! Lesen Sie doch einmal die Verlautbarung der IHK, statt haltlose Behauptungen in die Welt zu setzen!
Es geht bei diesem Gesetz in der Tat um nicht weniger als um den sozial-ökologischen Umbau des städtischen Verkehrssystems und der städtischen Verkehrsinfrastruktur. Das ist eine hochambitionierte Aufgabe, aber ein solcher Umbau ist dringend notwendig. Er ist notwendig, weil die Verkehrsprobleme in großstädtischen Ballungsräumen nicht durch immer mehr Autoverkehr gelöst werden können, denn immer mehr Autoverkehr bedeutet Stau, Unwirtlichkeit der Städte und Verlust von Aufenthaltsqualität. Mehr Autoverkehr bedeutet mehr Schadstoffe und wird obendrein dazu führen, dass wir unsere Klimaziele nicht erreichen werden, denn der Verkehr ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Wir haben den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor in den letzten Jahren nicht reduziert, sondern er ist erhöht worden. Deshalb ist es dringend notwendig, eine Umkehr einzuleiten.
Die Verkehrswende ist nicht nur aus ökologischen, sondern auch aus sozialen Gründen notwendig, denn nur eine Minderheit der Berliner Haushalte verfügt über ein Auto, und auch in diesen Haushalten sind nicht alle in der Lage, eine Auto zu bewegen. Deshalb geht es um den Verkehr für alle. Der Großteil der Berlinerinnen und Berliner benutzt den öffentlichen Personennahverkehr, fährt mit dem Rad oder geht zu Fuß. Deshalb müssen diese sozial und ökologisch verträglichen Verkehrsmittel Vorrang haben, deshalb wollen wir den Vorrang für den Umweltverbund aus öffentlichem Personennahverkehr, Radverkehr und Fußgängerverkehr, weil er ökologisch verträglich ist, weil es ein Verkehr für alle ist, weil er niemanden ausschließt, sondern alle Zugang zu diesen Verkehrsarten haben. Deshalb ist es auch sozial vernünftig.
Mit diesem Gesetz wird ein Ausbau der Radinfrastruktur in die Wege geleitet. Damit wie auch mit dem Ausbau der sicheren und schnellen Wege für den öffentlichen Personennahverkehr ist eine Umverteilung des Verkehrsraums verbunden. Auch hier geht es um Verteilungsgerechtigkeit, denn, wie gesagt, nur eine Minderheit der Berlinerinnen und Berliner verfügt über ein Auto. Circa 30 Prozent der Wege in Berlin werden mit dem Auto zurückgelegt, aber das Auto beansprucht den überwiegenden Teil des Verkehrs- und des Straßenraums. Deshalb muss hier Gerechtigkeit hergestellt werden. Wer sich das Geschehen auf den Berliner Straßen genau ansieht, der sieht, dass sich Radfahrer zum Beispiel auf engen Radwegen drängeln und dass es immer mehr werden. Deshalb muss die Infrastruktur ausgebaut werden. Dieses Gesetz legt die Grundlage dafür, dass es sichere, geschützte Radwege, Radschnellwege und Abstellanlagen für Fahrräder gibt. Das ist eine wichtige Grundlage, die wir an dieser Stelle legen.
Zweiter Punkt: Wir wollen nicht nur ein Vorrangnetz für den Radverkehr, wir wollen auch ein Vorrangnetz für den öffentlichen Personennahverkehr.
Wir wollen, dass Busse und Bahnen am Stau vorbeifahren, dass sie eine Vorrangschaltung haben, dass sie Vorrang vor dem individuellen Autoverkehr haben. Wir werden die Straßenbahn als ökologisches Verkehrsmittel massiv ausbauen, denn das ist gelebte und vor allen Dingen funktionierende und erprobte Elektromobilität.
Wenn Kollege Friederici erklärt, die Straßenbahn sei ein Kampf- und Staumittel, das wir einsetzen wollen,
sage ich: Kollege Friederici! Karneval ist seit Februar vorbei. Ihre Rede hatte durchaus karnevaleske Qualitäten,
Die Straßenbahn ist kein Staumittel, sondern mit einer Straßenbahn werden wesentlich mehr Menschen auf weniger Straßenraum befördert als es mit Autos der Fall wäre. Die Straßenbahn löst den Stau auf, das Auto organisiert den Stau.
[Stefan Förster (FDP): Mit S-Bahn und U-Bahn! – Heiko Melzer (CDU): Sie haben das mit der U-Bahn verwechselt!]
Wir werden die digitale Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel vorantreiben, denn nur darüber kann man die Wahlfreiheit der Menschen, welche Verkehrsmittel sie für die Befriedigung ihres jeweiligen Mobilitätsbedürfnisses nutzen, ausbauen.
Das heißt, wir wollen eine Vernetzung von öffentlichem Personennahverkehr, von Bike- und Carsharing, Taxiverkehr mit einer App, auf einer Plattform organisieren, damit Menschen jeweils die Freiheit haben, sich zu entscheiden, welches Verkehrsmittel sie zu einem bestimmten Zweck sinnvollerweise verwenden können. Das Ganze muss zu verträglichen, sozial erschwinglichen Preisen geschehen. Das bedeutet auch, die Zukunft wird nicht im individuellen Autobesitz liegen. Das Auto wird nicht mehr zum individuellen Statussymbol. Die Zukunft des Autos wird sein, dass es ein kollektives Verkehrsmittel ist, das über Carsharing kollektiv genutzt wird.
Wo der öffentliche Personennahverkehr die Mobilitätsbedürfnisse nicht befriedigen kann, wo das nicht über den Rad- oder Fußverkehr erledigt werden kann, kann das Auto sinnvoll eingesetzt werden, sozusagen als Ersatz, wenn Mobilitätsbedürfnisse durch die anderen Transportmittel nicht befriedigt werden können. Das wird die Zukunft sein, und deshalb werden wir diese Digitalisierung vorantreiben.
Deshalb legen wir mit diesem Gesetz die rechtliche Grundlage für den Umbau von der autogerechten zu einer menschengerechten Stadt. Das ist in der Tat eine hochambitionierte Aufgabe, das verlangt eine Anstrengung vieler planerischer Kapazitäten und Ressourcen. Das heißt, wir müssen auch die Verwaltung ertüchtigen, damit sie in der Lage ist, das umzusetzen. Wir werden entsprechende Investitionsmittel dafür bereitstellen müssen, die
über das hinausgehen, was wir gegenwärtig mit den Haushalten bereitgestellt haben. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das schaffen können, denn die Umfragen zeigen: Eine breite gesellschaftliche Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner will die Verkehrswende, den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, die Ausweitung der Infrastruktur für den Radverkehr. Auf diese gesellschaftliche Mehrheit werden wir uns stützen.
[Lachen und Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP – Stefan Förster (FDP): Fragen Sie doch mal in Spandau!]
Da kann die Opposition aus CDU und AfD noch so viel krakeelen, die Berlinerinnen und Berliner wissen, was in der Verkehrspolitik gut und vernünftig ist, und das werden wir umsetzen.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Thorsten Weiß (AfD): Volksentscheid Tegel! – Georg Pazderski (AfD): Darum werden sie Sie ablehnen!]
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einzelne Vorredner der Koalition haben sich ja geradezu in Euphorie hineingesteigert. Ich halte mal fest: Es gibt wirklich keinen Grund zum Jubeln.
Das Gesetz ist ein halbfertiger Torso: Wirtschaftsverkehr, Fußverkehr werden in die Zukunft vertagt, Autoverkehr wird völlig ausgegrenzt. Das Gesetz überprivilegiert die Radfahrer auch gegenüber den Fußgängern. – Frau Kapek! Wenn Sie sagen, die Fußgänger würden durch das Gesetz geschützt – das stimmt nicht. Das soll ja erst im zweiten Teil, den Sie uns für die Zukunft versprechen, passieren.
Das Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht, da es die Verwaltungsprozesse nicht ausreichend bedenkt und quantitative Vorgaben hineinbaut, die nicht in ein Gesetz gehören. Das Gesetz ist voll von Zielkonflikten, die durch das Gesetz ja gerade erst verursacht und nicht abgeschwächt werden. Alles zusammen: Dieses Gesetz verfehlt den Anspruch eines gesamthaften integrativen Mobilitätsansatzes.
Oder nett zusammengefasst, wie der angehörte Bezirksbürgermeister, übrigens von der Linken, sagte – Zitat:
„Das Gesetz ist kein gesetzgeberisches Kleinod.“ – Ja, das stimmt; es handelt sich wirklich nicht um eine Perle der Gesetzgebungskunst.
Trotzdem: Die Koalition jubelt, als hätte sie jetzt gerade den Stein der Weisen entdeckt. Ich kann diese Stimmung durchaus verstehen, also endlich mal das Gefühl vermitteln zu können, dass etwas passiert – gerade angesichts der massiven Verkehrsprobleme und der vielen verkehrlichen Herausforderungen. Das ist natürlich sehr befriedigend für Rot-Rot-Grün: endlich mal so ordentlich Emotionen hochschaukeln, Fronten bilden, Spannung erzeugen. Das stärkt dieses schwache, langweilige Profil, das der Senat bisher hatte.