Protocol of the Session on January 24, 2019

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[Zuruf]

Ich freue mich zu hören, Herr Müller, dass es nicht Ihre Fahrradlobby ist, dem Zuruf nach zu urteilen. Aber es ist die Fahrradlobby der Grünen. Hier wird ebenso nicht geliefert, wenn es um die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr geht. Deshalb lassen Sie mich zum Schluss kommen: In Berlin ist es Zeit, das Richtige zu tun, damit Bewegung und Mobilität organisiert werden, dass innovative Verkehrskonzepte nicht in den Schubladen landen, sondern in die reale Umsetzung kommen und dass die Alltagsprobleme, die Alltagsherausforderungen im öffentlichen Nahverkehr bewältigt werden: mehr Personal einstellen, schnellere Bestellungen vornehmen, darüber nachdenken, auch in den Randbezirken die Lücke und die letzte Meile zu schließen, darüber nachdenken in dieser Stadt, die BVG sicherer zu machen, sauberer zu machen und dafür zu sorgen, dass dieser öffentliche Nahverkehr am Ende des Tages dazu einlädt, vom Pkw umzusteigen. Wenn Sie diese Einladung nicht schaffen zu formulieren, –

Herr Kollege! Kommen Sie bitte zum Schluss!

dann wird diese Stadt im Verkehrsinfarkt ersticken. – Vielen Dank!

[Beifall bei der FDP]

Für die Fraktion Die Grünen hat jetzt der Kollege Moritz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede meinen ausdrücklichen Dank für die gute und wichtige Arbeit der Beschäftigten der BVG aussprechen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Beifall von Sibylle Meister (FDP]

Dabei möchte ich die Fahrerinnen und Fahrer hervorheben, weil sie das Aushängeschild der BVG sind, aber

auch direkt der berechtigten oder auch unberechtigten Kritik der Kunden ausgesetzt sind, was sicher für die Fahrerinnen und Fahrer oft eine starke Belastung darstellt. Wir können trotz aller Probleme stolz sein, Eigentümer der BVG zu sein, des größten deutschen Nahverkehrsunternehmens und sogar eines der größten der Welt.

Berlin wächst, und wir wollen die Verkehrswende voranbringen, also den Umstieg vom Auto in den Umweltverbund, was wiederum mit mehr Verkehrsleistung im ÖPNV verbunden ist. Die Berlinerinnen und Berliner sowie deren Gäste nutzen den ÖPNV erfreulicherweise immer öfter, was an den ständig steigenden Nutzerzahlen ablesbar ist. 2018 hat die BVG wieder ein Rekordergebnis eingefahren, 1,1 Milliarden Fahrgäste, und wir wollen noch mehr.

Ständiges Wachstum führt aber auch zu Problemen, zumal wenn mit dem gleichen Material und Personal immer mehr geleistet werden soll. Dann stößt das Wachstum an seine Grenzen. Wenn nicht rechtzeitig Vorsorge getroffen wurde, sind die Grenzen noch schneller erreicht. Die BVG ist an ihre Grenzen gestoßen. Wir könnten alle Dutzende Beispiele aufführen, an denen wir auf den Bus, die Straßenbahn oder die U-Bahn warten mussten, der bzw. die ausgefallen ist oder krachend voll war. Die Pünktlichkeits- und Zuverlässigkeitswerte sind gesunken und erreichen nicht mehr die Vorgaben.

Wo liegen jetzt aber die Gründe für die vermehrten Ausfälle und Verspätungen? – Da ist zum einen die marode und vernachlässigte Infrastruktur zum Beispiel bei der UBahn zu nennen. Die U-Bahnwagen haben ein durchschnittliches Alter von 30 Jahren und werden dadurch immer reparaturanfälliger oder sind gar nicht mehr einsatzfähig. In Hamburg beträgt das Durchschnittsalter bei der U-Bahn 13 bis 14 Jahre, weil dort eine kontinuierliche Fahrzeugbeschaffung stattgefunden hat. Das gab es in Berlin nicht. In Berlin waren die Kassen leer, und es wurde gespart bis es quietscht. Die alten Fahrzeuge müssen länger im Einsatz bleiben.

Unter Rot-Schwarz wurden dann U-Bahnen ausgeschrieben, leider zu spät. So müssen die alten U-Bahnen weiter unterwegs sein, was aber bei der Baureihe F79, die 40 Jahre alt ist, nicht mehr funktioniert. Deshalb gab und gibt es bei den Fahrgästen natürlich Verdruss. Bis genügend Fahrzeuge zur Verfügung stehen, muss der Takt auf den Linien U6, U7 und U9 leider verlängert werden. Das führt dann aber wenigstens zur Verlässlichkeit.

Ein weiteres Problem gibt es beim Personal und dem stark gestiegenen Krankenstand. Das trifft für alle drei Verkehrsbereiche zu, am stärksten aber bei Bus und Straßenbahn. Hier sind die personalbedingten Ausfälle fünf- bis zehnmal so hoch wie 2017, und die bestellten Leistungen konnten nicht erbracht werden.

(Sebastian Czaja)

Das liegt mit Sicherheit auch an den hohen Belastungen, denen die Fahrerinnen und Fahrer im immer dichter werdenden Straßenverkehr ausgesetzt werden. Das Problem hat die BVG erkannt und versucht, mit Neueinstellungen und Maßnahmen der Gesundheitsförderung gegenzusteuern. Im Aufsichtsrat hat die Vorsitzende ein regelmäßiges Berichtswesen zur Personalentwicklung eingeführt, damit der Aufsichtsrat schnell reagieren kann. Im Wirtschaftsplan 2019 ist eine erhebliche Steigerung der Personalzahlen vorgesehen. Es sollen 1 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 720 im Fahrdienst, neu eingestellt werden.

Die BVG hat ein Bündel von verschiedenen Maßnahmen zur Gesundheitsförderung eingeführt, bietet zahlreiche Präventionsangebote. Auch in der Personalführungsstruktur sind Verbesserungen eingeführt worden. Jetzt ist zum Beispiel ein Gruppenleiter nicht mehr für 100, sondern nur noch für 50 Fahrerinnen und Fahrer zuständig und kann natürlich dadurch auf die Kolleginnen und Kollegen besser eingehen. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren beim Thema Personal, die von Bedeutung sind, nicht zuletzt auch das Thema der Bezahlung. Wird aber durch diese Personalmaßnahmen das Leben der Fahrerinnen und Fahrer wirklich dauerhaft leichter?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Nein!]

Wird dadurch das Parken in der zweiten Reihe weniger? Werden die Busspuren von Falschparkern frei und die für zig Millionen Euro installierten Vorrangschaltungen an den Ampeln wieder Bus und Straßenbahn Vorrang geben? Ich fürchte, hier müssen wir weiter verstärkt arbeiten. Mit dem Mobilitätsgesetz haben wir dem ÖPNV den Vorrang eingeräumt und der BVG das Freiräumen der Busspuren ermöglicht. Wie schon erwähnt, muss aber dafür die notwendige Verwaltungsvorschrift erlassen werden. Wir strukturieren die VLB um. Das ist richtig. Aber auch hier müssen wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Rüstzeug dafür geben, dass sie weitere Busspuren anordnen und die Vorrangschaltung wieder Bussen und Straßenbahnen Vorrang gibt.

Es gibt also ein ganzes Bündel an notwendigen Maßnahmen, die umgesetzt sind, die noch in Umsetzung sind, aber leider werden einige Maßnahmen auch länger dauern.

Bevor ich zum Schluss einen Ausblick wage, lassen Sie mich noch kurz auf den Titel der heutigen Aktuellen Stunde eingehen. Da wird von Umfragewerten gesprochen. Meine persönlichen Erfahrungen mit Umfragewerten und Wahlergebnissen haben mich zu Beginn meiner politischen Arbeit nach der Wende bei den Wahlergebnissen für Bündnis 90 im Jahr 1990 in der Realität ankommen lassen. Auch später gab es für uns schwierige Ergebnisse. Wir haben aber nicht pappsatt anderen die Schuld gegeben, sondern Haltung bewiesen, unsere Konzepte geschärft und weitergemacht. Das war auch nicht

anders, als wir hohe Umfragewerte hatten und dann wieder in der Realität gelandet sind.

[Zuruf von Ronald Gläser (AfD)]

Zurück aber zum ÖPNV: Da wir jetzt alle den Ernst der Lage und die Wichtigkeit des ÖPNV erkannt haben, werden wir sicher gemeinsam die Probleme angehen und lösen. Dafür haben wir das Mobilitätsgesetz erlassen.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Immobilitätsgesetz! – Karsten Woldeit (AfD): Fahrradgesetz!]

Es geht um die Neuausrichtung der Verwaltung. Wir treffen wichtige Entscheidungen zum Beispiel durch den Nahverkehrsplan mit seinem – so würde ich einmal sagen – gigantischen Investitionsprogramm. Es geht um die Fahrzeugbeschaffung, den Ausbau und die Sanierung der Straßenbahn, der U-Bahn, der S-Bahn, die Umrüstung der Busflotte, die Reaktivierung und den Ausbau der Schienenwege im Rahmen der „i2030“-Vereinbarung, die Stettiner Bahn und um die Erhöhung der Leistungen der bestehenden Verkehrsverträge und der neuen im Regionalverkehr. Es geht um gerechte und attraktive Tarifpolitik im ÖPNV und vieles mehr.

Manches davon wird erst in der nächsten und einiges in der übernächsten Legislaturperiode fertig werden können, aber ich bin mir sicher, dass wir, dass Rot-Rot-Grün gemeinsam den ÖPNV besser und leistungsfähiger und für die Herausforderungen der Zukunft fit machen wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Nun gebe ich Frau Senatorin Günther das Wort. – Bitte schön, Frau Senatorin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete!

[Frank-Christian Hansel (AfD): Jetzt ein bisschen mehr Dynamik! – Heiko Melzer (CDU): Mehr geht nicht!]

Viele Themen wurden heute angesprochen. Erlauben Sie mir als Berliner Verkehrssenatorin, dass ich mich auf das Kernthema Berliner Nahverkehr fokussiere.

[Heiko Melzer (CDU): Kernthema ist dieser Senat! – Stefan Evers (CDU): Wir zitieren darin den Regierenden Bürgermeister! – Weitere Zurufe]

Und da muss man sagen: Berlin ist eine Metropole. Berlin ist eine wachsende Stadt mit vielfältigen Herausforderungen,

(Harald Moritz)

[Zuruf von der AfD: Wer hat Ihnen denn das gesagt? – Weitere Zurufe]

mit Luftverschmutzung, mit hohen CO2-Belastungen, mit oft langen Staus.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Mit einem Stau! – Kurt Wansner (CDU): Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?]

Möchten Sie gerne zuhören oder selbst herumschreien? Dann warte ich doch kurz. –

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Mehr Respekt wäre hilfreich in so einer Debatte.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN – Zuruf von Stefan Förster (FDP) – Weitere Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP – Paul Fresdorf (FDP): Es sinkt das Niveau!]

So, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre jetzt trotz der Zwischenrufe mal wieder Zeit, dass wir den Ausführungen der Senatorin zuhören. – Danke schön!

[Kurt Wansner (CDU): Das ist schwer!]

Um Abhilfe zu schaffen, müssen wir in Berlin im Verkehrssektor neue Wege gehen. Es gilt, dass wir die Berlinerinnen und Berliner sukzessive davon überzeugen müssen, noch mehr als bisher den Umweltverbund zu nutzen.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Sebastian Czaja (FDP): Er fährt doch nicht! – Heiko Melzer (CDU): Sie müssen doch erst mal Fahrzeuge haben!]

Damit es gelingt, müssen wir vier Voraussetzungen erfüllen. Die erste Voraussetzung ist, dass natürlich das ÖPNV-Angebot erreichbar sein muss.

[Frank-Christian Hansel (AfD): So, wie das BER-Angebot! Heiko Melzer (CDU): Gute Erkenntnis nach zwei Jahren!]

Die zweite ist, dass die Qualität stimmen muss. Das heißt, die Züge und Busse müssen in kurzen Takten und pünktlich kommen, und die Züge dürfen nicht immer überfüllt sein.