Sebastian Czaja
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Last Statements
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schön, hier am heutigen Morgen mit Ihnen über die Zukunft von Berlin zu sprechen, aber auch einen kurzen Moment auf diese Legislaturperiode zurückzuschauen. Ich glaube, der Regierende Bürgermeister denkt immer noch darüber nach, ob es richtig war, das mit der Sojamilch zu machen oder nicht.
Herr Regierender Bürgermeister! Von uns einen Dank für Ihre Arbeit, die Sie in der Stadt geleistet haben, einen Dank, dass Sie beharrlich beständig geblieben sind – trotz
Ihrer zwei Koalitionspartner Linke und Grüne –, dass Sie stets den Diskurs auch mit der Opposition gesucht haben, denn das zeichnet einen Demokraten aus. Dafür unseren herzlichen Dank!
Wenn wir diese Aktuelle Stunde „Berlin vor der Wahl“ beim Wort nehmen, dann hat Berlin in wenigen Tagen die Wahl, und genau darum geht es uns. Wir hätten uns nicht vorstellen können, dass sich gerade diese Regierungskoalition, die sich vor fünf Jahren gebildet hat, die sich sozial nennt, nicht mit den wesentlichen sozialen Fragen unserer Stadt auseinandergesetzt hat.
Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass wir heute hier stehen und gerade in der Wohnungs- und Mietenpolitik vor einer der größten sozialen Aufgaben unserer Stadt stehen. Weil Sie in den letzten fünf Jahren in der Wohnungs- und Mietenpolitik mehr falsch als richtig gemacht haben, ist das die soziale Frage unserer Stadt, mit der wir uns auseinanderzusetzen haben.
Wir haben die große Herausforderung, mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt Berlin zu bauen, 200 000 Wohnungen für das nächste Jahrzehnt. Der Pakt für bezahlbares Wohnen ist richtig, Frau Jarasch, aber es braucht dafür eine klare politische Haltung, wobei man nicht zum einen Ja sagt – zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ –, wie Sie das tun, und auf der anderen Seite der Auffassung ist, Sie könnten dann noch die Unternehmen einladen, die Stadt zu gestalten. Das wird nicht funktionieren.
Das ist die Politik, die in den letzten fünf Jahren gescheitert ist, die Dinge gegeneinander auszuspielen – Vermieter gegen Mieter, Autofahrer gegen Fahrradfahrer, Fahrradfahrer gegen Fußgänger. Mit Klassenkampf und Kulturkampf muss Schluss sein.
Wir wollen eine Politik in dieser Stadt machen, die darauf setzt, endlich die Probleme in den Mittelpunkt dieses Parlaments zu rücken. Dafür Lösungen zu finden, wird die Aufgabe sein.
Die Lösung dieser Aufgabe sind wir den Berlinerinnen und Berlinern schuldig.
(Bettina Jarasch)
Sie haben nicht nur in der Wohnungspolitik nicht hinreichend geliefert, sondern wenn man sich die Bilanz im Bereich der Bildungspolitik anschaut, dann ist das leider bitter – bitter deshalb, weil leider immer noch – und das trotz der hohen Kosten und der hohen Aufwendungen, die das Land Berlin pro Schüler im Verhältnis zu allen anderen Bundesländern ausgibt – der Zufall der Geburt darüber entscheidet, welche Chancen man hier hat. Das wollen wir ändern. Der Zufall der Geburt darf nie wieder darüber entscheiden, welche Chancen man in dieser Stadt hat.
Dafür brauchen wir ein leistungsfähiges, starkes Bildungssystem. Dafür wird es wichtig sein, dass wir unsere Kitalandschaft auch so positionieren, dass die Kitas echte Bildungseinrichtungen werden und dass wir die Vorschule in den Berliner Kitas verpflichtend im letzten Jahr einführen. Damit geben wir jedem ganz klar die Möglichkeit, einen guten Weg in den Bildungsbereich zu finden.
Wir werden die soziale Frage in dieser Stadt auch nur dann beantworten können, wenn wir Mobilität als Teilhabe verstehen, denn die Teilhabe ist das ganz Entscheidende. Für uns – das muss man zur Kenntnis nehmen – haben Sie die letzten fünf Jahre ausschließlich eine Verkehrspolitik für den inneren S-Bahnring gemacht. Fünf Jahre für den inneren S-Bahn-Ring – eine absolute Leistungsschau, wenn man sich das anschaut. Aber warum haben Sie zwei Drittel der Berlinerinnen und Berliner vergessen? Wieso muss man in Treptow-Köpenick nach 22 Uhr das Verkehrsangebot im öffentlichen Nahverkehr suchen und findet es nicht? Wieso gibt es in den Außenbezirken überhaupt keine Wahlfreiheit der Verkehrsmittel? – Weil Sie die letzten fünf Jahre ausschließlich Verkehrspolitik für den inneren S-Bahnring gemacht haben. Das gilt es zu beenden, denn wir denken an die zwei Drittel Berlinerinnen und Berliner, die in den Außenbezirken leben und einen guten, leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr brauchen.
Es wird die Aufgabe für das nächste Jahrzehnt sein, in den öffentlichen Nahverkehr so gut zu investieren, dass soziale Teilhabe, egal zu welcher Uhrzeit, in Berlin auch möglich ist.
Das schaffen wir nur, indem wir einen solchen öffentlichen Nahverkehr ausbauen.
Wenn wir uns in Berlin die großen Fragen anschauen, dann stehen wir eben nicht nur vor der Frage des Bildungsaufstiegs, dann stehen wir nicht nur vor der Frage,
wie wir mehr Wohnraum schaffen und die Mobilitätswende gestalten können – und das im Übrigen so, dass wir die Interessen nicht weiter gegeneinander ausspielen, sondern mit pragmatischen Lösungen Antwort geben. Da geht mein Dank an die Freien Demokraten, an meine Fraktion, die in dieser Legislaturperiode zu jeder Zeit genau das getan haben. Jeder Kollege und jeder Kollegin in meiner Fraktion hat Lösungen für diese Probleme gesucht, um damit sehr deutlich Antworten auf die Herausforderungen gegeben, die wir haben.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel plakativ darstellen, dem Diskurs um die Frage, wie wir den Verkehr in einer wachsenden Stadt lenken, dem Diskurs darum, die Verkehrsträger nebeneinander zu organisieren. Das ist und bleibt unser Anspruch. Mein Kollege Henner Schmidt hat gemeinsam mit der Fraktion und mit der Technischen Universität deutlich gemacht, wie das in der Kantstraße gelingen kann, wie man Dinge verhindern kann, die ausschließlich ideologisch sind und auf Druck und Zwang setzen. Das wollen wir verändern, und dafür werden wir uns jeder einzelne Straße, die in Berlin vor einer großen Herausforderung steht, wie zum Beispiel die Friedrichstraße oder andere Tangentialen, anschauen. Ich sage nicht, dass das leicht wird. Das ist anstrengend. Das ist eine Riesenherausforderung, die wir vor uns haben. Aber ich glaube, wir haben als Gesamtfraktion zeigen können, dass wir uns genau diesem Problem annehmen. Denn wie schön wäre es, wenn Berlin, einmal das Drehkreuz der Mobilität ganz ohne Denkstau werden würde? Genau das wollen wir im nächsten Jahrzehnt.
Wenn wir zum Drehkreuz der Mobilität ohne Denkstau werden, wieso sollten wir dann nicht auch endlich das Klingelschild für die klügsten Köpfe hier in Berlin werden? Wieso sollten wir es nicht schaffen, eine Wirtschaftspolitik zu forcieren, die dazu einlädt, in Berlin ein Unternehmen zu gründen, ein Unternehmen hierzu positionieren? Wie schön wäre es doch, wenn in einem nächsten Jahrzehnt in dieser Stadt endlich mal eine Wirtschaftssenatsverwaltung Unternehmen begrüßen würde, statt Farbbeutel und eine Kiezdemonstration?
Damit hätten wir einen ganz anderen Aufschlag, einen völlig neuen Stil, der Investitionen und Ansiedelungspolitik unterstützen würde.
Ein neuer Stil an Politik wird nötig sein, damit wir die Zukunftstechnologien hier in die Stadt holen. Ein neuer Stil an Politik wird notwendig sein, damit das, was Sie, Herr Regierender Bürgermeister, vorhin im Rahmen der Feierstunde über Herrn Virchow ausgeführt haben, auch tatsächlich hier in Berlin Zukunft haben wird. Ich darf Sie zitieren: „Wirtschaft und Forschung sind die Motoren der
Zukunft.“ – Genau dafür braucht es eine Politik. Dafür braucht es die Freien Demokraten. Es braucht uns, um das in dieser Stadt zu verstetigen und deutlich zu machen.
Das, was Sie als Wissenschaftssenator geleistet haben, was Sie als Wissenschaftssenator fokussiert haben – auch in der Clusterpolitik und damit verbunden in der Wirtschaftspolitik –, muss verstetigt und in Kontinuität umgesetzt werden. Das wollen wir Freie Demokraten in Berlin tun, weil wir genau darin Zukunftspotenziale sehen.
[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU) – Anne Helm (LINKE): Erbschleicher! – Steffen Zillich (LINKE): Kontinuität und FDP passen nicht zusammen!]
Herr Zillich, Kontinuität und FDP passen hervorragend zusammen. Ich sage Ihnen vor allen Dingen eins: Verlässlichkeit passt gut zu den Freien Demokraten. Wir waren nicht diejenigen, die die Mieterinnen und Mieter mit einem Mietendeckel an der Nase herumgeführt haben, wo von vorneherein klar war, dass er den Mieterinnen und Mietern nicht hilft.
Sie haben mit Ihrer Mietendeckelpolitik in dieser Stadt dazu beigetragen, dass die Sorgen und Nöte am Wohnungs- und Mietenmarkt wesentlich größer geworden sind. Wenn diese Stadt eins braucht, dann doch Verlässlichkeit, Verlässlichkeit in allen politischen Fragen. Ihre Unterstützung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ tut nichts anderes, als die Verlässlichkeit wieder einmal aufs Spiel zu setzen.
Wieder einmal sorgen Sie dafür, dass Investitionen um die Stadt herumlaufen. Sie sorgen dafür, dass Ansiedlungen hier nicht passieren. Sie sorgen mit Ihrer Politik dafür, dass der Standort Berlin nicht die Chance bekommt, die er hat, nämlich zu wachsen, nicht die Chance bekommt, in der Metropolregion Berlin-Brandenburg groß zu werden. Deshalb laden wir die Berlinerinnen und Berliner ein, am 26. September ihr Kreuz bei den Freien Demokraten zu machen, denn wir werden gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern die Zukunft in die Metropolregion Berlin-Brandenburg holen. – Herzlichen Dank!
Ja, Herr Präsident! Ich frage den Senat: Aus dem Taxigewerbe hört man in diesen Tagen, dass die IBB die ausgezahlten Novemberhilfen zurückfordert. Trifft dies zu, und in welchem Umfang werden die Hilfen aktuell zurückgefordert?
Ja, Herr Präsident! Denn dann bleibt noch eine Frage offen. Das Taxigewerbe hat ja durch das Herunterfahren auch des öffentlichen Lebens enorme Einbußen erfahren und ist deshalb auf die Hilfe angewiesen oder vertraut auf diese Hilfe. Von daher frage ich: Wie will der Senat das Taxigewerbe, das auch Bestandteil des ÖPNV ist, an dieser Stelle dann nun tatsächlich unterstützen?
[Beifall von Stefan Förster (FDP)
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich möchte mich dem umfassenden Dank an die Ausschussvorsitzende wegen der guten, moderierenden, konsequenten Sitzungsleitung und das bei allen Konfliktsituationen, die in einem gemeinsamen Ausschuss mit Jörg Stroedter, Christian Gräff und mir programmiert waren, anschließen. Vielen Dank dafür, dass Sie das stets moderiert haben!
Ich möchte mich bei allen anderen Kollegen bedanken, die mit uns in den letzten Jahren daran gearbeitet haben, herauszufinden, ob wir den BER zu einem Denkmal der Aufklärung, Herr Kollege Schatz, machen können oder nicht. Ich glaube, es ist uns miteinander gelungen. Die Reden der letzten Minuten hier haben noch einmal deutlich dokumentiert, dass wir mit dem Abschlussbericht durchaus ein umfassendes Werk haben, was an der einen oder anderen Stelle Aufklärung gibt, was Erkenntnis gibt und was vor allem eines macht: Es fordert uns auf, die richtigen Konsequenzen zu ziehen.
Man muss schon festhalten, dass nach zwei Untersuchungsausschüssen, jahrelangen Bauverzögerungen und einem Finanzdesaster, das seinesgleichen bis heute sucht, die Finanzlage der Flughafengesellschaft schwierig, nein, desaströs ist und das nicht erst, seitdem wir über Corona in unserem Land sprechen, sondern wie zahlreiche Zeugenaussagen dokumentiert haben, die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg bereits vor der Coronapandemie in einer sehr existenzbedrohenden Lage war. Mit dieser Frage müssen sich alle in dieser Stadt auseinandersetzen. Alle, die vorhaben, zukünftig Verantwortung zu übernehmen, müssen die Frage beantworten, wie sie mit diesem Fass ohne Boden genau umgehen wollen, damit der Flughafen BER, der von größter Relevanz für unseren Tourismus- und Wirtschaftsstandort ist, tatsächlich zu einem leistungsfähigen und langfristig starken Flughafen in der Metropolregion Berlin-Brandenburg wird.
Wir haben alle Chancen, diesen Flughafen zu einem leistungsfähigen und starken Flughafen zu machen, wenn wir die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen. Wir haben alle Chancen, weil der Flughafen BER der einzige Flughafen in ganz Deutschland ist, der über ein Ausbaupotenzial verfügt. Wir haben alle Chancen, wenn wir nach Osteuropa schauen, wenn wir uns gemeinsam zukünftig dafür stark machen, dass mehr Langstreckenverbindungen am Flughafen BER starten und landen und wir nicht nur die sechs, die im Augenblick dort angesiedelt sind, sondern vielleicht mit der Perspektive von London 156 – also dazwischen geht auch noch was –
in die Region Berlin-Brandenburg holen und damit im Übrigen auch nicht nur für den Tourismus und dem Wirtschaftsstandort, sondern auch für die Gesamtregion eine Erfolgsbilanz schreiben können.
Wir haben also alle Chancen, wenn wir die Hausaufgaben und die Schlussfolgerungen aus diesem Abschlussbericht konsequent ziehen, uns die Zukunft in die Region BerlinBrandenburg holen. Daran wollen wir arbeiten, aber das bedarf noch der einen oder andere Rückschau.
Herr Schatz! Sie haben davon gesprochen, dass wir uns in kleinteiligen Fragen verloren haben – Sie nannten Dübel und Kabelschächte als Beispiel.
Ich will mal das Beispiel dieser Kabeltrassen nehmen. Das war doch ein Beispiel, da wir sehr umfassend diskutiert haben, was damals sehr tagesaktuell war
und was eines gezeigt hat: dass das, was Sie hier als These aufgemacht haben, dass die Unternehmen nicht rechtzeitig darauf hingewiesen haben, welche operativen Mängel sich aus den Bauvorgaben der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg ergeben könnten, nicht stimmt. Die Unternehmen haben sehr häufig darauf hingewiesen, dass, wenn sie nach den Vorgaben der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg die Bauleistung erbringen, es möglicherweise zu entsprechenden Bruchstellen, zu entsprechenden Wassereintritten wie beispielsweise in diesen Kabelschächten kommen kann. Die Antwort der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg – und die muss uns alle stutzig machen – war die, dass man gesagt hat, man erwarte, dass diese Leistung so, wie man sie beauftragt habe, erbracht wird und die fachliche Expertise keine Rolle spielte, damit die Unternehmen enthaftet wurden und der Steuerzahler in die Haftung kam. So können wir bei unseren Großprojekten nicht weitermachen. Daraus müssen wir lernen, dass wir an dieser Stelle nicht die Unternehmen enthaften, sondern auf die Expertise der Unternehmen hören.
(Harald Moritz)
Und das gilt im Übrigen für alle Bauvorhaben: Denn der BER ist auch ein Denkmal, wie wir zukünftig mit sämtlichen Infrastrukturmaßnahmen umgehen. Lassen Sie uns Infrastrukturmaßnahmen nicht kleinrechnen, sondern realrechnen.
Lassen Sie uns Infrastrukturmaßnahmen so planen, wie sie tatsächlich benötigt werden. Wir hätten gar nicht die Frage untersuchen müssen, wie es zur Sprinklersituation kommen konnte, wenn man den Flughafen BER gleich umfassend und richtig geplant hätte. Das ist doch völlig logisch, wenn ich zunächst mit 500 Sprinklern plane und dann auf 5 000 erhöhe, dass der letzte tropft, weil der Rohrquerschnitt zu klein ist. Völlig logisch!
Das war der Tod im System: die permanente und ständige Umplanung und die permanente politische Federführung in diesem Projekt. Das bedeutet für zukünftige Großprojekte: einmal geplant und danach gebaut. So müssen wir verhandeln, und so müssen wir rangehen und dem Steuerzahler ehrlich sagen, was das kostet, und nicht die Verdreifachung der Kosten, nämlich auf 6,5 Milliarden im laufenden Betrieb nach oben schrauben. Dann kriegen wir auch die Berlinerinnen und Berliner hinter diese Großvorhaben und bekommen dafür mehr Akzeptanz in unserer Stadt.
Wir brauchen aber auch weiterhin eine externe Prüfung, die tatsächlich noch einmal die wirtschaftliche Situation des Flughafens BER untersucht. Denn die Finanzplanung scheint viel zu ambitioniert und das tragfähige Refinanzierungskonzept fehlt bis heute. Diese Antwort sind wir den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern in unserer Stadt schuldig. Auch diese Frage muss beantwortet werden, und deshalb setzen wir darauf, dass dringend durch eine vollumfängliche und externe Prüfung der tatsächliche wirtschaftliche Schaden bzw. die Situation der FBB vor der Pandemie benannt wird, dann die Pandemie eingepreist wird und wir damit Klarheit über die Kosten und die Aufgaben haben.
Wir befinden uns nach wie vor auf der Dauerbaustelle BER, eine Baustelle, die möglicherweise 2040 oder wann auch immer ihr Ende finden wird, weil zahlreiche Leistungen am Flughafen BER nach wie vor zu erbringen sind. Das wird uns fordern, damit nicht in einer nächsten Legislaturperiode ein weiterer Untersuchungsausschuss eingesetzt werden muss, sondern ein Untersuchungsausschuss vermieden werden kann, sofern wir die Schlussfolgerungen daraus ziehen.
Wir müssen die Schlussfolgerungen ziehen, insbesondere, Herr Kollege Stroedter, was die Kapazitätsengpässe betrifft. Das ist kein Märchen! Der Flughafen BER ist eben
auch erfolgreich in Betrieb gegangen, weil wir leider eine Pandemie haben. Wir werden uns mit der Frage von Kapazitäten beschäftigen müssen. Das bedeutet, dass wir diese Kapazitätsengpässe nur schließen können, wenn wir auch weiterhin den Masterplan 2040 verfolgen und im Übrigen damit auch die zukünftige Flughafencity zu einem wirtschaftlichen Leuchtturm in der Region BerlinBrandenburg machen. Wir wollen das und wollen genau das mit Dringlichkeit angehen.
Wenn wir noch mal bei dem bleiben, Herr Schatz, an das Sie erinnert haben, nämlich daran, dass ich am 28. Juni 2018 gesagt habe, wir möchten das zu einem Denkmal der Aufklärung machen, dann muss ich heute hinzufügen, dass Sie von der Zeit vom 28. Juni bis zum heutigen Tag noch ein weiteres Denkmal in dieser Stadt geschaffen haben – nicht nur ein Denkmal der Aufklärung, was wir zusammen erarbeitet haben, sondern ein Denkmal der Ignoranz, was diese Koalition geschaffen hat: nämlich am Flughafen Tegel. Am Flughafen Tegel ein Denkmal der Ignoranz – das ist Ihr Denkmal dafür, dass Sie 1,1 Millionen Berlinerinnen und Berliner in der Frage ignoriert haben. Ignoriert!
Mit dieser Frage müssen Sie sich nicht mehr auseinandersetzen, weil die politische Entscheidung ist gefallen. Sie werden unsere Unterstützung haben, dass dieser Wirtschaftsraum gut wird, dass dieser Wirtschaftsraum sich gut entwickelt, dass wir Wohnungen ansiedeln und auch in dieser Region eine mietsenkende Neubauoffensive in den nächsten Jahrzehnten vorantreiben. Wir werden aber genau hinschauen, damit Sie Fehler, die wir in Tempelhof und anderswo gesehen haben, nicht wiederholen, damit wir tatsächlich eine wirtschaftliche Erfolgsbilanz schreiben, damit wir tatsächlich Unternehmen dort ansiedeln können.
Deshalb bin ich allen sehr dankbar, die in den letzten Jahren in diesem Untersuchungsausschuss mitgearbeitet haben: meinem Kollegen Bernd Schlömer, der mit mir gemeinsam viel Zeit und auch inhaltliche Arbeit in diesem Ausschuss geleistet hat; dem Ausschussbüro mit Herrn Dr. Giesen an der Spitze, der auch an vielen Samstagen und Sonntagen hier im Haus war, wie ich selber gesehen habe, und daran gearbeitet hat. Stellvertretend für Ihr ganzes Team unser herzlicher Dank für diese großartige Arbeit, die Sie geleistet haben!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wenn die bisherigen Reden in dieser Aktuellen Stunde eines sehr deutlich gezeigt haben, dann dass es eine tiefe Sehnsucht in unserer Stadt gibt, die Wirtschaftspolitik größer, besser und umfassender zu denken. Das kann man an dieser Stelle, glaube ich, jetzt schon einmal festhalten.
Das resultiert aus etwas. Das resultiert daraus, dass wir in Berlin in den letzten fünf Jahren eine Wirtschaftspolitik erlebt haben, die defensiv statt offensiv war. Ich will an
die Zeiten vor der Pandemie erinnern: Im Übrigen ist Berlin schon vor der Coronakrise im internationalen Ranking der letzten Jahre von den Top-Standorten für die Start-ups zurückgefallen. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch an den nicht realisierten Google-Campus. Möglicherweise erinnern Sie sich auch noch an den Wegzug der Fashion Week, an die gescheiterte Bewerbung um die IAA, an den Wegzug des MDAX-Unternehmens Hypoport.
Das sind nur einige wenige Beispiele, die Wegmarken einer Wirtschaftssenatorin der letzten fünf Jahre sind. Wegmarken einer Wirtschaftssenatorin, die defensiv statt offensiv für den Wirtschaftsstandort Berlin geworben hat.
Die sich damit abgefunden hat, dass daraus resultierend 3 000 Arbeitsplätze in Berlin nicht mehr vorhanden sind. Die sich damit abgefunden hat, dass eine gescheiterte Bewerbung und der Wegzug der Fashion Week einen Einnahmeverlust von 920 Millionen Euro für unsere Stadt bedeutet. So ist die Bilanz, die wir bereits vor Corona zu verzeichnen hatten. Wir könnten weiter über die Herausforderungen im Messe- und Kongressgeschäft sprechen, auch dazu haben wir heute Morgen das eine oder andere gehört.
Frau Pop! Es ist Zeit, dass Sie sich wenigstens noch auf den letzten Metern dieser Legislaturperiode gegenüber dem Finanzsenator durchsetzen, wenn es um die Frage des Messe- und Kongressstandorts geht. Wenn es um die Frage von Investitionen für unseren Wirtschaftsstandort Berlin geht.
Wir müssen an dieser Stelle doch eines festhalten: Wir brauchen dringend eine gemeinsame Strategie für die Metropolregion Berlin-Brandenburg. Da spielt der Flughafen BER mit seinen Langstreckenverbindungen eine entscheidende Rolle für den Kongress- und Messestandort Berlin. Der spielt aber genauso eine entscheidende Rolle für den Wirtschafts- und Handelsstandort Berlin. Deshalb ist es richtig, sich dafür zu engagieren, endlich mehr Langstreckenverbindungen für Berlin zu bekommen.
Es ist notwendig, sich in dieser Stadt dafür zu engagieren, endlich eine gemeinsame Strategie für die Metropolregion Berlin-Brandenburg zu bekommen.
Während wir in Brandenburg exzellente Ansiedlungen erleben und das Automobil der Zukunft entwickelt wird, verliert man sich in Berlin immer noch im Klassenkampf zwischen Auto und Fahrrad. Merken Sie, was los ist? – Das ist das Problem: Wir müssen ideologiefrei an diese
Fragen herangehen und müssen von der gemeinsamen Metropolregion Berlin-Brandenburg profitieren.
Lassen Sie uns doch mal groß denken, lassen Sie uns mal die Kraft, die von der Ansiedlung von Tesla ausgeht in ein gemeinsames Cluster überführen, in ein Automotive Cluster der Zukunft. Das Automobil der Zukunft wird zukünftig in Berlin-Brandenburg gebaut. Das wäre doch mal eine Aufgabe, der wir uns verschreiben könnten.
Weder Bayern noch Baden-Württemberg waren von heute auf morgen die Automobilländer. Wieso wird Berlin-Brandenburg nicht das Automobilland der Zukunft und schafft Tausende Jobs und wird ein echter Jobgarant für die Metropolregion? Viele Unternehmen sind bereits hier, die müssen zusammengebunden werden, die müssen gefördert und unterstützt und zielgerichtet in der Wirtschaftsregion Berlin-Brandenburg angegangen werden. Das wollen wir.
Das bedeutet, die vielen relevanten Unternehmen nicht zu vergessen. Deshalb sagen wir als Freie Demokraten, dass es in dieser Stadt Zeit für ein Start-up-Stipendium ist – so wie wir das im Übrigen in Nordrhein-Westfalen
in einer völlig anderen Form, Frau Pop – aufgesetzt haben. Das brauchen wir in Berlin, damit die Innovationskraft der Gründerinnen und Gründer hier endlich freigesetzt wird, und das verbinden wir mit einem Zukunftsfonds in der Metropolregion Berlin-Brandenburg. Das entspricht nicht Ihrem kleinen Karo, sondern einem großen Wurf für die gesamte Region Berlin-Brandenburg.
Darüber hinaus halten wir es für unabdingbar, für die Region eine gemeinsame Wasserstoffstrategie zu entwickeln.
Nein, es passiert nicht! Da kann ich Ihren Kollegen Kössler aus dem Wirtschaftsausschuss zitieren. – Die Vorgaben aus dem Land Berlin zu machen und nicht auf Augenhöhe mit dem Land Brandenburg eine gemeinsame Strategie für diese Frage zu entwickeln, wird nicht dazu führen, dass man auf Augenhöhe zu Lösungen kommt und damit die Standortvorteile nutzt, sondern es wird genau das eintreten, was bei Tesla eingetreten ist, dass man in der Metropolregion eben nicht zusammenarbeitet. Wir haben Ihnen dafür Vorschläge gemacht, unter anderem auch einen gemeinsamen Ausschuss einzusetzen – der parlamentarische Dienst dieses Hauses und des Landtags in Brandenburg haben diese Frage bereits geprüft. Das ist notwendig, um große Strategien für die Wirtschaftsansiedlungen in Berlin-Brandenburg in den nächsten fünf Jahren auch voranzubringen.
Wir brauchen darüber hinaus Entbürokratisierung, viel mehr Entbürokratisierung. Unser Motto ist Entlastungen statt Entlassungen. Das heißt, die zahlreichen Stellschrauben, die Sie in Ihrer Legislaturperiode gedreht haben, Frau Senatorin, dafür exemplarisch das Vergabegesetz, haben doch nicht dazu geführt, dass mehr Spielräume für die Unternehmen entstanden sind. Kein einziger Spielraum mehr! Während andere Bundesländer wie Thüringen, wie Niedersachsen in der Pandemie ihre Vergaberichtlinien vereinfacht haben, um regional die Unternehmen zu stärken, haben Sie das Gegenteil gemacht und die Regeln verschärft, und damit den Berliner Unternehmen das Leben eher schwerer als leichter gemacht.
Sie haben in dieser Pandemie lange auf Entscheidungen warten lassen. Ich darf daran erinnern, dass der Fruchthof lange um Unterstützung gebeten hat. Wo waren Sie? Ich darf daran erinnern, dass die Bürgschaftsbank schnelle und finanzielle Überbrückungshilfen angeboten hat. Wie lange haben wir gewartet? Zusammen mit Jörg Stroedter habe ich im Ausschuss dafür gekämpft, dass genau das passiert. Wo waren Sie, als Hotel- und Gaststättengewerbe in Berlin Hilfe gebraucht haben? – Wenn Sie irgendwo waren, dann leider immer zu spät. Auch das ist die Bilanz Ihrer Politik der letzten fünf Jahre.
Wenn wir heute über die Frage der Wirtschaftspolitik sprechen, dann müssen wir auch über die Frage der Fachkräfte sprechen. Dann müssen wir auch über die Frage reden: Wie können wir in Berlin eine neue Ausbildungsoffensive starten? – Ich darf noch mal daran erinnern, wir haben in den letzten Tagen viel über Alltagshelden gesprochen. Dann lassen Sie uns auch dabei bleiben, lassen Sie uns dabei bleiben, über genau diese Alltagshelden in unserer Stadt zu sprechen. Denn das Handwerk bringt jede Menge Helden hervor, jede Menge Heldinnen und Helden, die wir im Handwerk haben, und die es gilt zu unterstützen. Da erwarte ich Unterstützung! Wir als Freie Demokraten schlagen Ihnen deshalb vor, ganz konkret das Handwerk zu unterstützen in dieser Stadt, zu entbürokratisieren, zu entlasten: das Vergabegesetz zu vereinfachen, die Meisterprüfungen entgeltfrei zu machen und dafür zu sorgen, dass es eine echte Ausbildungsoffensive gibt, damit wir endlich die unterstützen, die uns auch in dieser Stadt jeden Tag unterstützen
und die Stadt am Laufen halten. Auch das ist die Aufgabe in Berlin. Zum Thema Handwerk, Fachkräftesicherung, Ausbildungsplatzsicherung, möchte ich heute, Frau Pop, von Ihnen im Rahmen dieser Aktuellen Stunde etwas hören. Denn das ist das Fundament für einen Neustart: die Fachkräfte, die wir in dieser Stadt brauchen, und die es gilt zu unterstützen.
Gestatten Sie mir ein, zwei letzte Anmerkungen. Es wird wichtig werden, dass wir die Herausforderungen, die aus dieser Pandemie resultieren, angehen, aber dass wir zu keinem Zeitpunkt die Investitionen in die Zukunft vergessen, dass wir die Rahmenbedingungen so schaffen, dass unser Handelsstandort Berlin die vielen stationären Läden endlich wieder mit Leben füllt, mit Kundschaft füllt, dass wir Flexibilität schaffen, wenn es um die Öffnungszeiten in unserer Stadt geht, mindestens für die nächsten zwei Jahre dafür sorgen, dass das Ladenschlussgesetz für sonntags gekippt wird und der stationäre Handel das aufholen kann, was er in den letzten 14 Monaten der Pandemie verloren hat. Lassen Sie uns dafür einsetzen, dass das Gesicht, das diese Stadt so lebendig gemacht hat, nämlich unsere Innenstädte und Kieze, wiederbelebt wird. Das gelingt nur mit einer gescheiten Wirtschaftspolitik. Das gelingt eben auch nur dann, wenn wir auf die Herausforderungen, die vor uns liegen, groß reagieren, umfassend denken. Das erwarten wir von Ihnen, Frau Senatorin! Das ist im Übrigen unser Anspruch an die nächste Legislaturperiode.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an dieser Stelle zunächst sehr deutlich sagen, dass die Berlinerinnen und Berliner durch sehr eigenverantwortliches Handeln und Entbehrung die Voraussetzungen geschaffen haben, dass wir eine sinkende Inzidenz haben und heute überhaupt in der Lage sind, über weitere Lockerungen in Berlin zu diskutieren und zu beraten. Also ein großes Dankeschön an die Berlinerinnen und Berliner, dass sie gerade in diesen schweren Zeiten lauter Entbehrungen die gemeinsame Kraftanstrengung mit schultern!
Ich würde diesen Dank gern auch in ganz umfassender Art und Weise an der Berliner Senat richten, nur, das kann ich leider nicht. Das kann ich deshalb leider nicht, weil der Berliner Senat weit hinter das, was eigentlich schon Gegenstand der Verabredung war, zurückfällt, nämlich hinter den eigenen Stufenplan, und das strategische Konzept einer Öffnungsperspektive nach wie vor schuldig bleibt, obwohl dieser Plan eigentlich da ist und es deshalb zu Recht Irritationen auslöst.
(Dr. Maren Jasper-Winter)
Es löst Irritationen aus beim Vorsitzenden von Intoura e. V.; Robert Rückel schreibt – ich darf zitieren –: Der Senat hat am Dienstag einen Plan für die kommende Woche als Pressemitteilung veröffentlicht. Verbindlich ist das leider nicht. Während andere Bundesländer seit Wochen Stufenpläne veröffentlichen und wir auch gemeinsam mit anderen Verbänden schon im Januar einen Stufenplan erarbeitet haben, ist die Pressemitteilung noch sehr dünn. Manches ist unverständlich. Es fehlen konkrete Angaben zur Kultur. Es ist unklar, was passiert, wenn die Inzidenz unter 50 bzw. unter 35 fällt. Außerdem ist die Pressemitteilung fehlerhaft. Laut Pressemitteilung sollen Kletterwälder ab dem 4.6. mit Testpflicht öffnen, dabei sind sie gestern ohne Testpflicht erlaubt. Ja, was ist denn nun, und was gilt in dieser Stadt?
Ich kann das fortführen. Ich kann an dieser Stelle dem Druck der Wirtschaft, der Kultur und des Sports noch einmal Nachdruck verleihen, die sich endlich eine Öffnungsperspektive wünschen. Sie drängen auf eine Öffnungsperspektive.
In diesem Zusammenhang kann ich Ihnen eine Leseempfehlung geben, und zwar den Artikel der „Berliner Morgenpost“: „Senat in längerer Pfingstpause – Stufenplan verzögert sich“ – Was für eine Überschrift! Die will doch niemand lesen in diesen Tagen – dass der Senat eine Pfingstpause priorisiert, statt am Stufenplan zu arbeiten.
Das ist doch ein echtes Problem – ein echtes Problem, wenn es genau darum geht und die Senatskanzlei den Eindruck nicht teilt, dass angesichts der großen Not – so wird zumindest die Pressesprecherin zitiert – gar kein besonderer Handlungsdruck bestehe, sondern es gibt einen Fahrplan, an dem man sich orientieren kann. – Uns erreichen zahlreiche Fragen von gastronomischen Betrieben, die eben nicht wissen, wie und mit welchem Konzept sie in den nächsten Tagen öffnen. Uns erreichen zahlreiche Fragen von Imbissbetrieben in der Stadt, die nicht wissen, ob die Bierzeltgarnitur auch mit einem Test versehen werden muss, wenn ich die Currywurst oder die Pommes essen möchte. – All das sind offene Fragen.
Da macht es mich wirklich ein Stück weit wütend, wenn ich eine Wirtschaftssenatorin am Montag im Ausschuss erlebe, die sagt, sie würde gerne eine Stellungnahme dazu abgeben, es aber nicht kann, weil die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung immer noch daran arbeite; deshalb sind wir hier in dieser Stadt im Ungewissen. – Frau Kalayci! Erklären Sie sich heute! Erklären Sie sich vor allen Dingen gegenüber den Betrieben in der Stadt, wie Sie dazu stehen!
Wir haben uns orientiert an dem, was in diesem Haus Beratungsgegenstand war und auch an dem, was wir als Freie Demokraten vorgelegt haben, nämlich an einem
Stufenplan, und haben Ihnen deshalb zahlreiche Änderungen im Rahmen eines Dringlichkeitsantrags vorgelegt. Dieser orientiert sich in den wesentlichen Fragen an dem Stufenplan und damit an verlässlicher Politik, die gerade in einer Pandemie nachvollziehbar sein muss. So schlagen wir Ihnen vor, bei den Kontaktbeschränkungen beim Aufenthalt im öffentlichen Raum Änderungen vorzunehmen, ebenso bei den Veranstaltungen und den personenbezogenen Grenzen, Veranstaltungen für Kultur und Theater – Mensch! Gerade – Herr Lederer ist jetzt zufällig nicht im Raum –, wenn es um unsere Kultur und die Kulturschaffenden geht, dann muss man sich doch schon die Frage erlauben: Wieso dürfen die einen öffnen und die anderen nicht, obwohl sie das alles in denselben geschlossenen Räumen machen? Wieso differenzieren wir an dieser Stelle und schaffen keine Gleichwertigkeit für die Kultureinrichtungen, die so wichtig sind für unsere Stadt?
Mir fehlt die absolute Nachvollziehbarkeit. Auch dazu hätten wir gerne Erklärungen, und die können Sie uns heute geben, oder Sie stimmen unserem Antrag zu und bleiben damit auch Ihrem eigenen Stufenplan treu und dokumentieren damit eins in dieser Pandemie: dass zumindest das, was hier in diesem Parlament diskutiert und beraten wird, auch Orientierung ist, damit die Berlinerinnen und Berliner, die diese Pandemie auf ihren Schultern mitgetragen haben – die sie mitgeschultert haben, im wahrsten Sinne des Wortes auch verzichtet haben –, nunmehr auch die verlässlichen Öffnungsperspektiven bekommen. Es ist nämlich eine gute Nachricht, dass der Inzidenzwert weiter sinkt, wir damit Öffnungsperspektiven haben, Stück für Stück Normalität in unserer Stadt zurückgewinnen können und damit auch in der Stadt der Freiheit wieder Freiheit zurückgewinnen. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Isenberg! Sie tun hier so, als würden wir von einem Öffnungsexzess sprechen. Darum geht es überhaupt gar nicht. Es geht hier in der gesamten Debatte um die Frage der Verhältnismäßigkeit – um die Verhältnismäßigkeit, wie wir hier ringen und streiten.
(Thomas Isenberg)
Dann muss man das ins Verhältnis setzen. Dieses Verhältnis kann man am besten mit einer Öffnungsperspektive und einem Stufenplan erreichen.
Ich verstehe nicht, wieso der Senat sich bisher nicht auf einen Stufenplan verständigen konnte, wieso er auch nicht bereit ist, am Dienstag entsprechende Verständigungen zu vollziehen, nur weil es am Montag einen Feiertag gibt und damit die Staatssekretärsrunde das nicht vorbereiten kann. Das ist doch absurd. Jeder in dieser Stadt muss eine Kraftanstrengung erbringen, nur der Senat geht in den Urlaub und nutzt Pfingsten.
Das können Sie doch keinem erklären, während draußen die Existenzen in Gefahr sind, wo es um den stationären Handel geht, wo es um die Außengastronomie geht, wo es um die Hotellerie geht. Das können Sie niemandem erklären, und das haben Sie heute auch nicht erklärt. Die Chance, das deutlich zu machen haben Sie nicht genutzt, Herr Isenberg.
Wenn Sie uns vorwerfen, wir würden hier nicht das richtige Maß in der Debatte haben, müssen Sie den gleichen Vorwurf im Übrigen Ihrem Regierenden Bürgermeister, Michael Müller, machen, der heute gerade die Forderung der Freien Demokraten unterstützt und sagt, wir müssen früher über die Frage der Öffnung im Bereich der Hotellerie sprechen, um damit auch das touristische Leben in unserer Stadt wieder hochzufahren, das für die Hotellerie, aber auch für die Stadt als solches so wichtig ist.
Sie müssen sich schon, wenn Sie sich mit der Bandbreite der Wissenschaft auseinandersetzen, mit den Aerosolforschern auseinandersetzen. Da bleibt dann schon die abschließende Frage, wieso Sie gerade den gastronomischen Betrieben zahlreiche weitere Hürden geben und auch noch für die Außenbereiche zusätzliche Tests verlangen, statt ausschließlich auf einen Termin und die AHARegeln zu bestehen. Das Gleiche gilt beim stationären Handel. Da sind Sie mittlerweile einen Schritt weiter, aber ich erwarte von Ihnen möglichsten Pragmatismus unter Abwägung auch der Wissenschaft und Hinzuziehung aller wissenschaftlicher Erkenntnisse, damit sich diese Öffnungsperspektiven auch lohnen und wir nicht in den nächsten Wochen das Ganze so verstolpern, wie das beim stationären Handel in der Stadt verstolpert worden ist: 2 bis 10 Prozent Umsatz. Das zeigt in etwa, was Ihre Öffnung mit dem stationären Handel gemacht hat und wo es den stationären Handel bei offener Tür hingeführt hat, nämlich in den Ruin.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über ein Thema, das die größte Herausforderung für unsere Stadt ist und damit eine der größten sozialen Fragen in unserer Stadt: der Wohnungs- und Mietenmarkt.
Es ist die größte Herausforderung, vor der wir in Berlin stehen und bei der wir den Mieterinnen und Mietern eine Antwort zu geben haben.
Wir sind in der Verpflichtung, Wohnungsbau voranzutreiben und eine Wohnungs- und Mietpolitik mit Augenmaß zu machen. Sie allerdings – Frau Helm, diesen Vorwurf muss ich Ihnen machen – haben mit den Sorgen und Ängsten, die in unserer Stadt Zehntausende Mieterinnen und Mieter haben, Glücksspiel betrieben – auf Kosten der Mieterinnen und Mieter.
Ich will Ihnen auch sagen, wieso Sie genau dieses Glücksspiel betrieben haben. Sie haben den Eindruck erweckt, es wäre in der Tat überraschend, dass über den Mietendeckel so geurteilt wurde, wie über ihn geurteilt wurde.
Nein, es war nicht überraschend.
Es war fast Verfassungsbruch mit Ansage, den Sie betrieben haben,
und zwar aus einem ganz einfachen Grund. Ich habe es mitgebracht – vielleicht wurden die Akten nicht vollständig übergeben, Herr Scheel, aber ich will noch einmal daran erinnern –: Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags kommt zu der Auffassung, wie ein Mietendeckel zu bewerten ist.
In der Tat! – Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Abgeordnetenhauses kommt zu der Auffassung, wie dieser Mietendeckel zu bewerten ist. Prof. Dr. Ulrich Battis kommt zu der Auffassung, wie dieser Mietendeckel zu bewerten ist,
und das Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtshofes, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, kommt zu der Auffassung.
Wir sprechen später.
Nein, keine Zwischenfragen. – Dies, um die Vollständigkeit der Akten sicherzustellen,
aus denen hervorgeht, dass dieser Mietendeckel ein riskantes Spiel mit den Sorgen und Ängsten der Mieterinnen und Mieter in unserer Stadt war. – Sie, Herr Zillich, und auch Sie, Herr Scheel, können nicht von der Hand weisen, dass das ein absolutes Risiko war, was Sie hier verantwortet haben.
Nein, keine Zwischenfragen.
Keine Zwischenfragen!
Sie haben in unserer Stadt damit den Wohnungs- und Mietmarkt in ein weiteres Chaos geführt.
Sie haben in Kauf genommen, dass viele Mieterinnen und Mieter nun mit enormen Schulden konfrontiert sind. Jetzt versuchen Sie, den Fehler statt bei sich selbst beim Rechtsstaat zu suchen.
Sie suchen den Fehler nicht bei sich selbst. – Doch, Frau Helm! Ich will ein Beispiel dafür geben: Da wird tatsächlich nach den Wohnverhältnissen der Richter unseres höchsten Gerichtes gefragt und ihre Unabhängigkeit in dieser Entscheidung angezweifelt. – Ja, bitte! Wo sind wir denn, dass wir solche Fragen diskutieren und diese Entscheidung anzweifeln?
Schuld an verfassungswidrigen Gesetzen sind im Übrigen diejenigen, die verfassungswidrige Gesetze machen, und nicht die, die sie hinterfragen, nicht die, die es hinterfragt haben.
Wir, wir als Freie Demokraten und die CDU haben uns engagiert, um Rechtssicherheit wiederherzustellen für die Mieterinnen und Mieter und für die Vermieter. Dieses Ungleichgewicht, das Sie in der Stadt vorangetrieben haben, das ist nicht von der Hand zu weisen, das tun Sie weiter und das tun Sie eben auch, indem Sie sich an dem Tag des Urteils nicht mit dem Urteil auseinandersetzen,
sondern ad hoc zu Mietdemonstrationen in der Stadt aufrufen und das in Pandemiezeiten. Und damit auch den gesellschaftlichen Frieden in dieser Stadt weiterhin gefährden.
Zuruf von Maik Penn (CDU)]
Das ist brandgefährlich, dieses Spiel, was Sie hier treiben und hilft keinem Einzigen in der Stadt.
Ich habe heute im Übrigen eines vermisst: Ich habe vermisst, dass Sie sich bei den Mieterinnen und Mietern entschuldigen. Kein Einziger,
kein Einziger aus Ihrer Koalition hat sich entschuldigt. Niemand!
Herr Scheel! Vielleicht machen Sie das stellvertretend. Und wenn Sie sich schon nicht dafür entschuldigen, dann entschuldigen Sie sich wenigstens für die Auseinandersetzung, die Sie in dieser Stadt jeden Tag vorantreiben. Ich finde es unerträglich, wenn das Bundestagsbüro von Jan-Marco Luczak beschmiert wird, ich finde es unerträglich, wenn das Bundestagsbüro der Abgeordneten Kluckert und Alexander Wieberneit beschmiert werden.
Das ist die soziale Spaltung, die Sie in der Stadt vorantreiben.
Ich erwarte auch dafür eine Entschuldigung von Ihnen. So können wir in dieser Stadt nicht die Zukunft gestalten und so kriegen wir auch die Probleme und Sorgen in dieser Stadt nicht in den Griff.
Sie haben Verantwortung,
und diese Verantwortung sollten Sie übernehmen.
Ich bin Raed Saleh sehr dankbar, dass er sich an dieser Stelle auch bei der Vonovia bedankt hat. Ja, lieber Raed, es sind genau die Wohnungsunternehmen in der Stadt, die bereit sind, im gesellschaftlichen Konsens statt in der Konfrontation Verantwortung zu übernehmen. Es sind im Übrigen die, die Ihre Koalitionspartner, Linke und Grüne,
enteignen wollen, die in dieser Stadt Verantwortung übernehmen und bereit sind,
den Mieterinnen und Mietern entgegenzukommen. Reden wir doch mal über Heimstaden, die ebenso erklärt haben, Verantwortung zu übernehmen und die aufgelaufenen Mietrückstände nicht in Anspruch zu nehmen.
Was würde man mit Vernunft und Verstand daraus machen? – Man würde sie einladen zu einem Mietengipfel,
man würde sie einladen zu einem wohnungspolitischen Tisch. Burkhard Dregger hat es angesprochen. Nichts davon passiert, gar nichts. Stattdessen weiterhin Konfrontation.
Der einzige Lichtblick Raed Saleh, der das erkannt hat. Sie sind fernab davon, fernab!
Wissen Sie, wenn Sie die soziale Frage so umtreiben würde, dann müsste es Sie doch alarmieren, wie viele im Augenblick auf eine Wohnung in unserer Stadt nach wie vor warten, wie viele Hunderte in einer Schlange stehen und eine Wohnung suchen. Ja, ich sage es Ihnen ganz ehrlich: uns kann es egal sein, wie viele auf das neue iPhone warten,
wie viele anstehen, um den neuen Turnschuh zu bekommen. Das kann uns egal sein, wie viele Stunden man dafür wartet. Aber uns darf es nicht egal sein, wie viele in Schlangen stundenlang für Wohnraum anstehen in dieser Stadt.
Zu keinem Zeitpunkt darf es uns egal sein.
Deshalb erwarten wir ganz klare Lösungen. Wir erwarten, dass Sie endlich eine mietsenkende Neubauoffensive vorantreiben in unserer Stadt.
Wir erwarten, dass Sie die Landesbauordnung so aufräumen und entrümpeln, dass Bauen in dieser Stadt schnell möglich wird.
Zurufe von der LINKEN]
Wir erwarten, dass Sie den Weg von Hamburg gehen und zu einem Wohnungsgipfel einladen, dass Sie die Akteure, die Bereitschaft erklärt haben, an einen Tisch holen.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie einen Mieten-TÜV umsetzen,
so wie das auch in Schleswig-Holstein im Koalitionsvertrag verabredet ist. Wir erwarten einfach von Ihnen in dieser Stadt, dass Sie Verantwortung übernehmen und nicht die Stadt spalten. Und wenn Sie nicht in der Lage sind, diese soziale Frage in Berlin zu verantworten und zu beantworten, dann haben Sie als Regierungskoalition fertig. – Vielen Dank!
[Beifall bei der FDP und der CDU –
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Regierender Bürgermeister! Wir sind dankbar, dass Sie heute eine Regierungserklärung gehalten haben. Wir sind der Auffassung, das muss öfter passieren.
Wir sind auch der Auffassung, dass man bei einer Regierungserklärung Ihrerseits die Erwartung durchaus nicht nur formulieren kann und muss, sondern auch haben sollte, dass am Ende einer Regierungserklärung mehr übrigbleibt, als der Ausblick darauf, dass die Luca-App in Berlin angekommen ist und funktioniert und dass Sie noch einmal mit der Berliner Wirtschaft über die Frage von Homeoffice reden wollen.
Das ist die Zusammenfassung aus meiner Sicht nach 45 Minuten Regierungserklärung Ihrerseits. Es bleibt also die Frage: Was nun, Herr Regierender Bürgermeister?
Man muss festhalten, dass wir auch eine Strategie Ihrerseits heute noch nicht zur Kenntnis nehmen durften. Ich
will einmal daran erinnern, dass wir nicht mehr im März 2020 sind, wir sind im März 2021:
ein Jahr Pandemie, ein Jahr Erkenntnis, ein Jahr, das dazu beigetragen hat, Wissen über das Virus zu sammeln, Wissen über das Virus, das wächst.
In unserer Gesellschaft ist immer noch der Eindruck vorhanden – zunächst Lockdown, dann Lockdown Light, dann verschärfter Lockdown, dann WellenbrecherLockdown, dann Osterruhe –, ob ein Lockdown tatsächlich Ihre einzige Maßnahme bleibt, und die Frage steht im Raum, ob es eine Strategie gibt.
Diese Strategie muss in jedem Parlament diskutiert werden. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter, Herr Regierender Bürgermeister: Diese Strategie muss in jedem Parlament diskutiert werden, bevor sie in die Ministerpräsidentenkonferenz geht.
Wir wollen hier mit Ihnen darüber sprechen, Wir wollen mit Ihnen darüber sprechen, weil das Parlament – wenn wir uns miteinander ernst nehmen, Frau Jarasch, wenn wir uns ernst nehmen und uns zuhören –,
wir in diesem Saal, durchaus dazu beitragen kann, Qualitätssicherung zu betreiben – Qualitätssicherung zu betreiben für die Maßnahmen, die Sie vorhaben, in die Abwägung, in die Ministerpräsidentenkonferenz, zu bringen oder nicht.
Diese zwölf Monate der Pandemie haben uns oft eines gezeigt: Immer dann, wenn sich das Parlament nicht die Zeit genommen hat, wenn das Parlament nicht befasst war, haben völlig übernächtigte Entscheidungen dazu beigetragen, dass sie später von den Gerichten korrigiert werden mussten. Diesen Weg wollen wir durchbrechen. Dazu laden wir Sie ein, und wir hoffen, dass dieser Weg in unserem Land in der Zukunft in die Umsetzung kommt.
Wir müssen nach einem Jahr Pandemie leider auch zur Kenntnis nehmen, dass man sich zwischen Zuständigkeiten, Profilkämpfen und Eigeninteressen zwischen Kanzleramt, Europaparlament und den Ländern verloren hat. Das kann nach zwölf Monaten nicht der Befund sein. Wir müssen besser werden. Deshalb schlagen wir Ihnen heute auch konkrete Dinge im Rahmen Ihrer Regierungserklärung vor.
Herr Regierender Bürgermeister! Ich möchte noch mal an eine Regierungserklärung erinnern, die Sie fast genau auf den Tag vor einem Jahr hier gehalten haben. Fast genau
(Anne Helm)
auf den Tag vor einem Jahr haben Sie eine Regierungserklärung unter der Überschrift „Die Coronakrise gemeinsam meistern – solidarisch, konsequent, unbürokratisch“ abgegeben. Ich will mal die Frage stellen, was tatsächlich solidarisch, konsequent und unbürokratisch umgesetzt worden ist? – Vielleicht einiges, aber ich möchte Ihnen an drei Beispielen deutlich machen, wo ich glaube, dass es nicht solidarisch, nicht konsequent und auch nicht unbürokratisch war und wir besser werden müssen.
Ich frage Sie, was ist daran solidarisch – Sie sind in Ansätzen darauf eingegangen –, wenn Astrazeneca wie Blei in den Regalen liegt und Personen, die schwere Vorerkrankungen haben, sich nicht freiwillig impfen lassen können. Ich finde das nicht solidarisch. Deshalb müssen wir in dieser Frage besser werden, wir müssen flexibler werden. Ich hoffe, dass der Appell der Fraktionsvorsitzenden Anne Helm hier im parlamentarischen Raum dazu führt, dass wir die notwendige und nötige Flexibilität an den Tag legen, dass die Impfdosen, die wie Blei in unseren Regalen liegen, am Ende an diejenigen, die sich freiwillig damit impfen lassen wollen, die Vorerkrankungen haben, auch erreichen und das Angebot kommt.
Herr Regierender Bürgermeister! Ich frage Sie, was ist daran konsequent, wenn sich Maßnahmen scheinbar nur dann an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren, wenn es um den Lockdown geht. Wenn sich aber sowohl Herr Drosten in seinem Podcast als auch das RKI für die Öffnung der Außengastronomie aussprechen, dann verhallen diese. Wenn das RKI der Auffassung ist, pro Kunde seien 10 Quadratmeter ausreichend, Sie sich aber auf 40 Quadratmeter verabreden, dann frage ich mich, wo das konsequent ist.
Ich habe nach einem Jahr immer noch Fragen. Viele Eltern fragen sich – auch in Anlehnung an Ihre Regierungserklärung vor einem Jahr –, was eigentlich aus „unbürokratisch“ geworden ist. Was ist daran unbürokratisch, wenn Eltern eigenverantwortlich beispielsweise Luftfilter anschaffen, die dann nicht in den Schulen aufgestellt werden dürfen? Was ist daran unbürokratisch, wenn wir für die Beschaffungen in den Schulen zur Digitalisierung Monate brauchen, um ein Endgerät zu bestellen, damit es am Ende auch in den Berliner Schulen ankommt? Da sind wir – da bin ich Ihnen dankbar für den Befund – noch weit hinter unseren Möglichkeiten in der Stadt. Da müssen wir besser und vor allen Dingen unbürokratischer werden. Die Krise erlaubt uns, an der einen oder anderen Stelle unbürokratisch zu werden. Dann bitte ich auch darum, dass Sie unbürokratisch werden, Herr Regierender Bürgermeister.
Nehmen Sie sich also selbst beim Wort Ihrer eigenen Regierungserklärung, die Sie hier vor einem Jahr gegenüber dem Parlament abgegeben haben. Wenn wir heute über die Regierungserklärung „Gemeinsam aus der Pandemie – verantwortungsvoll, mit Augenmaß und flexibel“ reden, dann muss es um Lösungen gehen. Augenmaß bedeutet für mich konkrete, differenzierte Lösungen. Das bedeutet für uns als Fraktion, dass wir aus dem Panikmodus rausmüssen, hin zu langfristigen Lösungen.
Das ist aus unserer Sicht – erstens: eine Erweiterung der Coronaampel. Was stellen wir uns darunter in Berlin vor? Wir möchten, dass Sie ein verlässliches bezeichnen und einen bereinigten Inzidenzwert anfangen zu ermitteln. Ein bereinigter Inzidenzwert, das bedeutet, wir ziehen zukünftig ein Gesamtlagebild hinzu, was sich an der Auslastung auf unseren Intensivstationen, an der Testkapazität und den tatsächlichen Tests, an dem Impfstatus, vor allem am Schutz der vulnerablen Gruppen und daran orientiert, was technisch in unserer Stadt möglich ist. Sie haben das Thema Luca angesprochen und damit auch die Kontaktnachverfolgung. All das sind für uns Faktoren, die dazu beitragen können, dass wir einen Weg aus dem Dauerlockdown herausfinden. Die müssen jetzt auf den Tisch. Die müssen Teil jedes politischen Handelns werden.
Wir möchten, dass Sie sich stärker mit dem Thema Testen auseinandersetzen, dass Sie genau das, was Sie in Bezug auf die Teststrategie angesprochen haben, auch konsequent umsetzen und in dieser Stadt möglichst viele entgeltfreie Tests auch zur Verfügung stellen, da, wo es notwendig ist, um den gesellschaftlichen Betrieb und damit auch unseren wirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten. Tun Sie das, gehen Sie in den Austausch! Ich bitte sogar darum, dass die Gesundheitssenatorin viel stärker – Frau Senatorin Pop, wir haben im Wirtschaftsausschuss darüber diskutiert – in all diesen Fragen der Gesundheits- und Hygienekonzepte, in Gastronomie und Handel, Tourismus mit einbezogen wird. Nein, Frau Senatorin, Sie gehören mit an den Tisch. Diese Termine müssen Sie wahrnehmen und nicht nur der Wirtschaftssenatorin überlassen. Die Konzepte der Branchen liegen vor. Sie sind gut. Sie sind erprobt. Lassen Sie die Branche etwas tun in unserer Stadt.
Nehmen wir die Branchen doch ernst, die Verantwortung übernehmen wollen in Berlin, und sorgen Sie dafür, dass diese Konzepte nicht nur diskutiert, sondern auch umgesetzt werden.
Das Thema Fehlerkultur steht im Raum seit der Ministerpräsidentenkonferenz und auch der Entschuldigung der Bundeskanzlerin Merkel, auch Ihrer Entschuldigung,
Herr Regierender Bürgermeister, die wir heute Morgen gehört haben. Fehlerkultur bedeutet dann aber eben auch, sein eigenes Handeln nicht nur zu entschuldigen, sondern für die Zukunft anders auszurichten, wenn man es dann hinterfragt. Das bedeutet konkret: Lieber einmal 70 Prozent machen als 100 Prozent planen und dazu beitragen, dass das, was an Ideen und Lösungen da ist in dieser Stadt, auch in die Umsetzung kommt. Mit den Freien Demokraten werden Sie weiterhin einen Partner in diesem Parlament und in dieser Stadt haben, der gerne Ideen, Handlungsanleitungen, Handlungsempfehlungen mit in die Debatte bringt. Wir haben das bewiesen mit dem Parlamentsbeteiligungsgesetzes, was wir nur noch ernster nehmen müssen. Ernster nehmen müssen bedeutet, Debatte, bedeutet aber auch, dem anderen zuzuhören, bedeutet aber eben auch, das Argument des anderen anzuhören und gegebenenfalls das Argument des anderen auch umzusetzen und nicht nur im starren Regierungshandeln zu bleiben. Dann erst wirkt ein Parlamentsbeteiligungsgesetz. Dann erst können wir das erreichen, was in unserer Gesellschaft notwendig ist, nämlich Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Ihre Maßnahmen.
Wir haben Ihnen darüber hinaus ein Angebot gemacht für einen Stufenplan. Wir haben Ihnen als Freie Demokraten den Vorschlag unterbreitet, Luftfilter in den Berliner Schulen einzusetzen, schon letztes Jahr im Juni, und wir haben darüber hinaus, dafür sind wir Ihnen sehr dankbar, den Vorschlag unterbreitet, dass die vulnerablen Gruppen, die in die Impfzentren fahren, mit Taxigutscheinen eine Unterstützung bekommen. Auch das haben Sie umgesetzt. Das zeigt aber eines: Wir müssen einander zuhören und die Ideen, egal ob aus Regierung oder Opposition, abwägen. Nur dann können wir gemeinsam, Herr Regierender Bürgermeister, ein Wort, dass Sie immer wieder gerne anstrengen, aus dieser Krise herauskommen. – Es hat mich sehr gefreut, dass Sie mit zugehört und nicht aufs Handy geschaut haben.
In diesem Sinne, vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die Debatte hat gezeigt, dass es gut gewesen wäre, wenn wir zu einem früheren Zeitpunkt über diese Rechtsverordnung gesprochen hätten.
Ich will das begründen, denn ich glaube auch, dass Herr Bertram und Frau Ludwig, die für die eine oder andere Sache, die in der Rechtsverordnung geregelt ist, heute probiert haben, Erklärungen für sich zu suchen, sie aber nicht gefunden haben und die Gesundheitssenatorin Kalayci auch mit vielen Tagen Verspätung, da sie diese Verordnung erklärt, keine hinreichenden und umfassenden Erklärungen dafür geliefert hat.
Wenn es in diesem Haus mal einen Konsens gab, dann war es der, dass wir gesagt haben, gerade in diesen Zeiten, da es solch massive Einschränkungen im alltäglichen Leben gibt, ist es wichtig, dass Regeln und Maßnahmen nachvollziehbar sind und vor allen Dingen eine Runde besser von der Regierung erklärt werden, weil es notwendig ist, um die gesellschaftliche Kraftanstrengung in dieser Stadt gemeinsam zu heben. Das ist eine Fehlanzeige an dieser Stelle.
Ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar, Frau Ludwig, Herr Bertram, dass Sie heute den Versuch unternommen haben, die eine oder andere Frage hier zu erörtern.
Herr Regierender Bürgermeister! Die Ministerpräsidentenkonferenz Mittwoch, die Senatssitzung Donnerstag, die Vorlage hier im Haus Freitag – wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auf einem normalen, geregelten Wege es fast gar nicht möglich oder ausgeschlossen gewesen wäre, eine Sondersitzung noch rechtzeitig, bevor die Rechtsverordnung in Kraft tritt, zu machen und darüber zu sprechen und die Auswirkungen dieser Rechtsverordnung zu erläutern. Es war schlichtweg nicht mehr
(Nicole Ludwig)
möglich, weil die Rechtsverordnung von Samstag auf Sonntag in Kraft getreten ist und wir gemäß der Geschäftsordnung ein großes Einvernehmen gebraucht hätten, um hier überhaupt noch am Samstag eine Parlamentssitzung haben zu können. Das hätte an der einen oder anderen Stelle möglicherweise sogar ein Verwaltungsgerichtsurteil des Landes Berlin, wenn wir über die Frage der Schulen und des Wechselmodells, Frau Scheeres, für die 7. bis 9. Klassen sprechen, vermeiden können. Das hätten wir vermeiden können, wenn wir darüber gesprochen hätten, wenn wir gemeinsam nach Lösungen gesucht hätten.
Wir hätten im Übrigen – und das legen wir Ihnen heute auch vor – auch verhindern können, dass die Händler in unserer Stadt bei der Anwendung von Click & Meet mehr Fragen haben als Klarheit. Erklären Sie dem Handel in der Stadt, wie nun ein solches Meeting im Handel aussieht. Erklären Sie, ob es eine Befristung auf 30, 60, 90, 100, 120, 150, 240, was weiß ich wie viele Minuten gibt! Orientiert sich der Handel in Berlin an Rheinland-Pfalz in der Frage, dass nach jedem Termin eine Lüftung oder Raumreinigung vorzunehmen ist und zwischen zwei Terminen 15 Minute Pause sein müssen? – Ich kann es nicht erklären, habe heute auch keine Erklärung dieser Landesregierung dazu gehört.
Ich habe Herrn Isenberg gehört, der uns vorgeworfen hat, dass wir an dieser Stelle fahrlässig noch weit über das hinausgehen, was vom RKI vorgeschlagen wird. – Herr Isenberg! Lesen bildet. Das RKI empfiehlt 10 Quadratmeter pro Person im Handel und nicht 40 und kein Click & Meet.
Und deshalb schlagen wir Ihnen auch vor, für den Handel genau das hier heute abzuschaffen. Das schlagen wir Ihnen nicht aus dem rechtsfreien Raum heraus vor. Schauen Sie sich das Oberverwaltungsgerichtsurteil im Saarland an! Schauen Sie sich dieses Urteil an! Genau dort hat man sich mit dieser Frage auseinandergesetzt, und das ist ein zweites Urteil, das deutlich zeigt: Es ist wichtig, dass wir im Parlament darüber sprechen, um nicht wieder in den Modus des Anfangs der Pandemie zurückzukommen, wo ein Gericht nach dem anderen in Deutschland anfängt, diese Rechtsverordnung zu korrigieren. Das ist unsere Aufgabe. Dafür haben wir ein Parlamentsbeteiligungsgesetz gemacht. Das ist genau hier in diesem Raum passiert, und ich möchte Sie erneut dazu einladen, dass wir das an dieser Stelle öfters tun.
Wir haben Ihnen darüber hinaus heute weitere Punkte vorgelegt. Sie können nicht erklären, wieso Berlin einen Sonderweg geht. Ich lade Sie ein. Kommen Sie ans Rednerpult, und erklären Sie es dem Berliner Sport, erklären
Sie es Frau Ludwig, erklären Sie es Herrn Bertram, erklären Sie es uns, wieso man in Berlin genau diesen Weg geht, den alle anderen Bundesländer nicht gehen. Ich habe es bis heute nicht verstanden, und es wäre so dringend notwendig, wenn Sie den Rest der Akzeptanz in der Gesellschaft nicht noch weiter verspielen wollen – darüber, welche Maßnahmen Sie und vor allen Dingen wie Sie sie beschließen.
Wir haben Ihnen dazu einen Änderungsantrag vorgelegt. Sie haben sich sicherlich an den Antrag der Freien Demokraten erinnert, der sich mit den Fahrschulen in der Stadt auseinandergesetzt hat, und haben sich gedacht, dass Sie jetzt nicht einfach einem Oppositionsantrag zustimmen wollen und deshalb in der Rechtsverordnung mal eben einfügen, dass zukünftig jeder Fahrschüler einen Negativtest vorzulegen hat. Ich frage Sie: Was hat das mit Infektionsschutz zu tun, wenn der Fahrschüler in der Fahrschule für 60 Minuten Praxisunterricht einen Negativtest vorzulegen hat, am nächsten Tag aber ohne einen Negativtest in ein Taxi, in ein Uber oder in den öffentlichen Nahverkehr einsteigen kann? Was hat das mit Infektionsschutz zu tun? Ich kann es nicht nachvollziehen, und ich hätte gerne eine Erklärung gehört. Die höre ich aber hier heute nicht. Die Wirtschaft wartet auf eine Erklärung dafür, warum Sie diese Maßnahme so getroffen haben. In vielen anderen Bundesländern ist der Negativtest nämlich nicht vorzulegen, in Berlin jedoch schon, und das ist etwas, was zu ändern ist.
Wir haben darüber hinaus eine weitere Absurdität in dieser Rechtsverordnung: Es ist doch nicht nachvollziehbar – und auch da machen wir Ihnen einen Änderungsvorschlag, zu § 15 –, wieso Sie in einen Baumarkt gehen dürfen, der unter seinem Dach das Blumen-, Garten- und Pflanzcenter beherbergt – Herr Müller, Sie können sich dort Blumen und Blumenerde kaufen –, aber wenn Sie dann feststellen, dass Ihnen ja noch der Spaten fehlt, um das alles in die Erde zu bringen, einen Termin im benachbarten Baumarkt machen müssen, der unter demselben Dach ist, um diesen Spaten zu erwerben. Das ist doch absurd, oder?
Das hat nichts, aber auch gar nichts mit Infektionsschutz zu tun, sondern ist eine Regel, mit der bei vielen Berlinerinnen und Berlinern und in dieser Gesellschaft das Vertrauen in eine Regierung verspielt wird, das so bitter notwendig wäre – das Vertrauen in das politische Handeln und auch in das Handeln der Parlamentarier.
Diese vielen Einzelmaßnahmen in der Rechtsverordnung führen immer wieder dazu, dass wir Ihnen Dringlichkeitsanträge und Änderungsanträge vorlegen, und ich kann nur noch mal den dringenden Appell erneuern: Lassen Sie uns nicht nur uns miteinander über Fragen
austauschen, sondern auch über Fragestellungen entscheiden! Nur dann ist das Parlamentsbeteiligungsgesetz und auch die Debatte hier im Parlament wirklich ernst zu nehmen, wenn danach auch konsequent gehandelt wird. Und erklären Sie, Frau Kalayci, die Maßnahmen lieber einmal mehr statt zu wenig, damit die Akzeptanz in der Gesellschaft in den nächsten Wochen noch hält.
Was in diesen nächsten Wochen auch noch möglich sein müsste – auch dazu legen wir Ihnen einen Antrag vor –, ist die Öffnung der Außengastronomie. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wieso sich die Ministerpräsidenten darauf verabreden, im Sinne eines Stufenplans – Herr Regierender Bürgermeister, ich kenne im Übrigen diesen Stufenplan gut –
die Außengastronomie zu öffnen, es aber in Berlin heißt: Machen wir nicht! Wir verlängern den Lockdown, statt den gastronomischen Betrieben das zuzutrauen, was sie können, nämlich mit guten Konzepten die Außengastronomie wieder in Betrieb zu nehmen – mit Abstand an der frischen Luft, mit einem Heizpilz, elektrisch oder mit Gas betrieben, völlig egal. – Ein Angebot zu machen, in dieser Stadt zu wirtschaften, das wäre Ihre Aufgabe.
Und es wäre ein weiteres Angebot zu machen – mein letzter Punkt –, nämlich die Teststrategie und die Testkapazitäten in Berlin auszubauen. Denn jeder Euro, der in Tests fließt, der Tests kostenlos macht für unsere Gesellschaft, führt dazu, dass wir die Wirtschaft schneller wieder in Gang bekommen,
statt weitere Millionen in Überbrückungskredite und weitere Überbrückungskredite zu geben. Lassen Sie die Wirtschaft und die Gesellschaft endlich in Eigenverantwortung wirtschaften, und lassen Sie vor allem die Gesellschaft wieder in die Eigenverantwortung zurück! Und alles, was Sie darüber hinaus regeln müssen, erklären Sie, verdammt noch mal! Erklären Sie es, damit wir mit einer gesellschaftlichen Akzeptanz weiter durch diese Pandemie kommen! – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erinnern wir uns: Gökhan Gültekin war 37 Jahre alt. Er war gelernter Maurer, doch das war ihm nicht genug. Er wollte mehr und gründete Anfang 2020 ein Hausmeisterunternehmen. 2006 überlebte er einen schweren Unfall, bei dem ein Linienbus eine Telefonzelle überfuhr, in der er sich aufhielt. Er kümmerte sich um seinen Vater, der unheilbar an Krebs erkrankt war.
Sedat Gürbüz war 29 Jahre alt. Er war Besitzer und Betreiber einer Bar, die er dann verkaufte, weil er unabhängiger sein wollte. Er nahm von jedem seiner Mitarbeiter persönlich Abschied, bedankte sich für ihre Arbeit und fand aufmunternde Worte.
Said Nesar Hashemi war 21 Jahre alt. Er hatte vier Geschwister, war ein Familienmensch. Als gelernter Maschinen- und Anlagenführer hatte er es sich zum Ziel gesetzt, in diesem Jahr seine Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker abzuschließen. Seine Schwester beschreibt ihn als ehrgeizig und hilfsbereit.
Mercedes Kierpacz war 35 Jahre alt. Sie hatte zwei Kinder, für die sie an jenem Abend eine Pizza bestellte und abholte. Ihre Kinder waren ihr absoluter Lebensmittelpunkt. Arbeitskollegen und Freunde sagten, dass sie ein herzlicher Mensch mit einer starken Persönlichkeit war.
Hamza Kurtović war 22 Jahre alt. Er hatte Grund zum Feiern, denn er hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen. Als Fachlagerist wollte er eigenständig werden, sich ein eigenes Leben aufbauen, eine Familie gründen.
Vili Viorel Păun war 22 Jahre alt. Er kam mit 16 nach Deutschland, um hier Geld für die medizinische Behandlung seiner Mutter zu verdienen. Als Kurier in einem Kurierdienst schlug er sich durch. Beim Versuch, anderen Menschen das Leben zu retten, wurde er selbst zum Opfer.
Fatih Saraçoğlu war 34 Jahre alt. Er arbeitete selbstständig als Schädlingsbekämpfer. Die Arbeit lag ihm, sie machte ihm Spaß. Mit seinem Unternehmen wollte er zukünftig bundesweit tätig werden und Arbeitsplätze schaffen.
Ferhat Unvar war 23 Jahre alt. Er hatte gerade seine Ausbildung zum Heizungs- und Gasinstallateur abgeschlossen. Seine Familie sagte, er hatte viele Träume und auch konkrete Pläne, diese Träume wahr werden zu lassen. Ein erster Schritt sollte die Gründung eines eigenen Unternehmens sein.
Kaloyan Velkov war 33 Jahre alt. Er kam mit seinem achtjährigen Sohn vor zwei Jahren nach Deutschland. Er arbeitete hier als Lkw-Fahrer. Weil er das Geld nicht hatte – es reichte nicht, um auch seine Eltern zu unterstützen –, arbeitete er nebenbei als Wirt in einer Bar.
Fünf weitere Personen wurden am Abend des
19. Februars in Hanau durch Schüsse verletzt, selbst die eigene Mutter tötete der Attentäter. Durch diesen rechtsterroristischen Akt wurde unser ganzes Land verletzt.
Die Opfer kamen aus unserer Mitte. Dieser rechtsextreme Terrorakt hat uns schockiert, er macht uns traurig, wütend und fassungslos, doch ich frage: Konnte er uns eigentlich überraschen? – Ich sage nein, überraschen konnte er uns eigentlich nicht. Deutschlands ungelöstes Problem mit rechtsextremer Gewalt besteht nicht erst seit dem letzten Jahr. Diese Gefahr ist real, sie ist alltäglich, und sie kostet immer wieder Menschenleben.
Diese rechtsextreme Gewalt wird zusehends hemmungsloser. Sie wächst nicht zuletzt auch in einer Atmosphäre, die durch eine Politik der Fremdenfeindlichkeit und des Hasses geschaffen wird, eine Politik, die die Grenzen des Sagbaren verschiebt, die Verrohung erzeugt und Gewalttaten prophezeit, ja sogar billigend in Kauf nimmt. Angeheizt durch die Diskussion im Netz hat sich ein großer Raum des Hasses geschaffen, der diese Hemmungslosigkeit zusehends weiter befördert.
Ja, auch in Berlin sind wir nicht frei davon. Das jüdische Leben in unserer Stadt gerät immer mehr in Gefahr. Übergriffe und Beleidigungen gehören mittlerweile zum Alltag vieler Jüdinnen und Juden. Sie sind dabei nicht nur dem Hass rechtsextremer und gewaltbereiter Ideologen, sondern auch immer stärker dem Hass religiöser Fanatiker ausgesetzt, in einer nicht hinnehmbaren, aber sich
immer schneller drehenden Spirale des Hasses von allen Seiten.
Auch der Hass auf Muslime wächst immer stärker. Er wird politisch instrumentalisiert, es wird Stimmung gegen Menschen gemacht, die anders aussehen oder anders heißen. Demokraten werden von Rechtsextremisten bedroht, ihr Eigentum wird zerstört, und sie werden angegriffen. In den schlimmsten Fällen gipfelt es sogar in versuchter Tötung oder Mord. Auch viele von uns hier im Haus haben mit realen Bedrohungen und Sachbeschädigung ihre Erfahrungen gemacht. Sei es die Terrorserie in Neukölln, Todeslisten bekannter Neonazinetzwerke oder immer mehr rechtsextreme Chatgruppen, die aufgedeckt werden. Die Gefahr kommt immer näher. Sie wird immer deutlicher, brutaler und am Ende auch tödlich.
Dieser Terror mag uns emotional alle treffen. Real trifft er vor allem aber Menschen, die anders aussehen, deren Namen anders klingen, die zum Teil nicht in Deutschland geboren wurden, Menschen mit Migrationshintergrund, Jüdinnen und Juden, Muslimas und Muslime, Homosexuelle und auch Menschen, die sich zum Beispiel in ihrem ehrenamtlichen Engagement für genau diese Menschen in der Demokratie und Freiheit einsetzen. Alle diese Menschen fühlen sich zunehmend unsicher. Sie verlieren das Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden und nicht zuletzt in unseren eigenen Staat.
Sie verlieren das Vertrauen in einen Staat, der ihnen Einigkeit, Recht und Freiheit versprochen hat. Ein Land, in dem jeder ganz unabhängig von seiner Herkunft, seiner Religion oder seiner Sexualität das eigene Glück finden können soll. Wenn wir dieses Versprechen nicht mehr halten können, verlieren wir nicht nur das Vertrauen dieser Menschen, wir verlieren ein Stück unserer eigenen Identität.
Es ist daher unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, den Kampf gegen Rassismus und anderweitige gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit zu führen. Dazu gehört, dass wir zusammenstehen: zusammenstehen gegen demokratiefeindliche, fremdenfeindliche, hassschürende, freiheitsfeindliche und rückwärtsgebarende radikale Gruppierungen in unserer Gesellschaft und unseren Parlamenten, dass wir uns im Kampf gegen rechtsradikale Politik und rechtsextreme Gewalt nicht auseinanderdividieren lassen.