Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 21. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin. Ich darf Sie alle recht herzlich begrüßen, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter. Ich wäre dankbar, wenn die Gespräche eingestellt werden würden, sodass wir uns hier auch gegenseitig zuhören. Das wird heute sowieso etwas schwieriger, weil mein Eindruck ist, dass von denen, die heute gekommen sind, die Hälfte erkältet ist und dass das dann mit dem Gehör auch etwas eingeschränkter ist. Also heute ein bisschen mehr Rücksicht auf andere nehmen, als wir das sowieso immer tun.
Ich habe zunächst Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind folgende sechs Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:
− Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Hauen und stechen statt bauen und besprechen: Koalition mit tiefen Gräben – auch beim Wohnungsbau und bei der S-Bahnausschreibung“
− Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Ergebnisse des 2. Berliner Mobilitätsgipfels“
− Antrag der AfD-Fraktion zum Thema: „Behrendt ohne Kontrolle: Nur noch Chaos in der Berliner Justiz“
− Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Liegenschaftspolitik des Senats – was ist dran am ‚Gedächtnisschwund‘?“
Die Fraktionen haben sich auf die Behandlung des Antrags der Fraktion der FDP „Liegenschaftspolitik des Senats – was ist dran am Gedächtnisschwund“ verständigt, sodass ich dieses Thema gleich in der Aktuellen Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufe. Die anderen Anträge auf Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.
Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Dringlichkeitsliste mit dem Verzeichnis der Dringlichkeiten hinweisen. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt, die dort verzeichneten und nach Redaktionsschluss eingegangenen Vorgänge unter dem Tagesordnungspunkt 11 bis 14 und 28 A sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Innere Sicherheit und Ordnung auf Drucksache 18/0789 unter Tagesordnungspunkt 16 in der heutigen Sitzung zu behandeln. Ich gehe davon aus, dass den zuvor genannten Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. – Widerspruch höre ich nicht. Dann ist dies so einvernehmlich beschlossen.
Auf die Ihnen vorliegende Konsensliste darf ich ebenfalls hinweisen und stelle fest, dass auch dazu kein Widerspruch erfolgt. Die Konsensliste ist damit so angenommen.
Der Regierende Bürgermeister ist entschuldigt ab 11 Uhr. Grund ist die Teilnahme an der Sitzung zur Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene.
Für die Besprechung der Aktuellen Stunde steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. In der Runde der Fraktion beginnt die FDP. – Herr Kollege Czaja, Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe erkältete, kranke Kollegen! Gute Besserung auch von mir! Das soll der Debatte aber nichts zum Abbruch tun, und ich möchte auch direkt zum Thema dieser heutigen Aktuellen Stunde kommen. Ich glaube, die heutige Aktuelle Stunde stellt einen öffentlich zur Schau getragenen Disput sehr deutlich in den Mittelpunkt, und es ist nicht eine tragische Momentaufnahme, sondern es ist leider Sinnbild und Zustand für diese Koalition in unserer Stadt.
Während der eine, nämlich der Regierende Bürgermeister Michael Müller, seine Herzensthemen, Ideen von Wohnungs- und Mietenpolitik, in eine neue große Koalition einbringen will, zeigt sich auf der anderen Seite die ressortverantwortliche Senatorin über jegliche Kritik an ihr irritiert. Nach mehr als einem Jahr Rot-Rot-Grün muss die gesamte Stadt erfahren, dass durch die Verknappungspolitik von Frau Lompscher Wohnen zu einer Gerechtigkeits- und Schicksalsfrage für unsere Stadt geworden ist – und das unter einer linken Senatorin.
Das ist doch ein Skandal, insbesondere für Sie, meine Damen und Herren, die Sie vorgeben, in dieser Stadt ordentliche Wohnungs- und Mietenpolitik zu machen.
[Beifall bei der FDP und der CDU – Udo Wolf (LINKE): Herr Czaja, reden Sie mal zum Thema! – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]
Der zur Schau getragene Streit zwischen Herrn KollatzAhnen und Herrn Gehb von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verdeutlicht einmal mehr, dass Sie – insbesondere Die Linke gescheitert ist am Wohnungsbau und der Liegenschaftspolitik in unserer Stadt.
Das Scheitern der Amtsvorgänger, angebotenes Bauland für ihre Bedürfnisse zu nutzen, setzt nun Frau Lompscher fort. – Man weiß nicht, wo sie es heute gerade fortsetzt. Ich sehe sie zumindest nicht im Plenum.
Herr Kollatz-Ahnen! Sie sprechen von Gedächtnisschwund. Wir werden sicherlich nicht zu hundert Prozent feststellen können, wer da wie Gedächtnisschwund hatte, aber ich kann Ihnen heute versichern: Die Berlinerinnen und Berliner werden keinen Gedächtnisschwund haben, wenn es in unserer Stadt zur nächsten Wahl geht, und sie werden Ihre schlechte Wohnungspolitik entsprechend quittieren.
Ja, Stefan Evers! Sie haben gestern den Rücktritt von Frau Lompscher gefordert. Sie haben Frau Lompscher zu Recht infrage gestellt. Was passiert aber im Ergebnis, wenn Frau Lompscher zurücktritt?
Dann kommt Frau Gennburg, dann kommt Herr Holm. Am Ende wird sich aber nichts ändern, weil es eine Frage der Haltung in unserer Stadt ist. Es ist eine Frage der Haltung, wie hier Politik gemacht wird, insbesondere wenn es um Verknappungspolitik und Mietsteigerung geht.
Deshalb kann ich Ihrer Überlegung durchaus etwas abgewinnen. Lassen Sie uns aber lieber an dem arbeiten, was über 70 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wollen, nämlich Rot-Rot-Grün ablösen, damit ein für alle Mal Schluss damit ist.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Frank-Christian Hansel (AfD): Das geht nur mit der AfD! – Steffen Zillich (LINKE): Ja, mit Zahlen ist es schwer! – Zuruf von Hendrikje Klein (LINKE)]
Im Übrigen – bei aller Aufregung – wurden seit 2015 keine Flächen erworben. Stattdessen prüft man ernsthaft, so die Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von mir, die Rigaer Straße für linke Chaoten zu kaufen, und stellt parallel Hunderte Wohnungen, Hunderte Kieze in unserer Stadt unter Milieuschutz. Ich sage Ihnen, Sie werden damit weder die Wohnungsnot mildern, noch werden Sie mit diesen Maßnahmen die Mieten senken. Das läuft fehl.
Ungeachtet der Debatte um die Änderung des Klimagesetzes – und ich kann Herrn Dr. Gehb nur recht geben –: 5 000 Bestandswohnungen aufzukaufen, ändert im Übrigen gar nichts an dem Wohnungsmangel in unserer Stadt.
Auf die immense Nachfrage müssen wir mit Bauoffensiven, schnellen Genehmigungsverfahren und innovativen Lösungen reagieren, statt mit Milieuschutzgebieten und der Privatisierungsbremse die Wachstumsschmerzen einer künftigen Vier-Millionen-Metropole lindern zu wollen. Statt durch urbane Gebiete neue Spielräume zu nutzen, mit einem Mieten-TÜV die Mietkosten zu korrigieren, Dachgeschossausbau zu ermöglichen oder die Bürger durch den Erwerb von Wohnungseigentum unabhängig zu machen, sieht man lieber zu, wie in unserer Stadt die Mieten steigen und Sie weiterhin Verknappungspolitik machen. Sie sollten sich verdammt noch mal etwas schämen!
Als Freie Demokraten sagen wir ganz klar: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum in dieser Stadt – Wohnraum und eine soziale Mischung in den Innenstadtbereichen. Natürlich gilt das nicht ausschließlich für untere Einkommen, sondern vor allem für die breite Mittelschicht, für die Sie nichts tun, gar nichts. Dabei brauchen wir mehr denn je – und dazu wollen wir Sie einladen – ein gesamtgesellschaftliches Verständnis, wie wir die Lösungen des Wohnungsmangels, des bedürfnisgerechten Wohnens, aber auch der Verkehrswege in Einklang bringen können.
Dazu gehört, Herr Zillich, auch der Mut, über Grenzen von Geschosswohnungsbau, Grenzen von Akzeptanz von Neubauvorhaben oder den Einsatz von seriellem oder modularem Bauen zu reden. Am Ende des Tages braucht unsere Stadt auch endlich einmal eine Willkommenskultur für Bagger, damit gebaut werden kann.