Protocol of the Session on January 24, 2019

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[Zurufe von Stefan Franz Kerker (AfD) und Karsten Woldeit (AfD)]

Ja, Islamismus, da sind wir dabei. – Ich möchte nicht verhehlen, dass die Elternarbeit an dieser Stelle genauso wichtig ist, aber eben auch schon lange intensiv geleistet wird.

Abschließend: Es ist richtig, es ist nicht Aufgabe des Staates zu prüfen, wie Eltern leben, was sie denken, das ist im Übrigen auch nicht das Ziel der Broschüre, sondern diese soll als Hilfestellung und Information für Fachkräfte in Kitas dienen. In Zeiten, in denen rechtsradikale Terroristen wie der NSU gezielt Menschen ermorden, in denen sogenannte Reichsbürger Zeitungsverlage und Parteizentralen überfallen und sogar Polizisten im Einsatz töten, gilt es, wachsamer denn je zu sein.

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Menschenfeindliche Bemerkungen und Einstellungen machen leider auch vor Kindertagesstätten nicht halt. Die Broschüre gibt Hinweise, was getan, wie reagiert und vorgebeugt werden kann. Sie soll Erzieherinnen und Erzieher unterstützen, eigenständig und bezogen auf den konkreten Fall zu entscheiden. Es geht eben nicht um Kontrolle, sondern darum, eine Erziehungspartnerschaft der Erzieherinnen und Erzieher mit allen Familien zu unterstützen und die Kita eben als diesen Ort zu fördern, als Ort für Vielfalt, Demokratie und Bildung, an der alle Kinder teilhaben sollen. Wir als SPD-Fraktion lehnen deshalb natürlich Ihren Antrag ab. Ich kann nur schwer hoffen, dass dies auch alle anderen Fraktionen in diesem Haus tun. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt Herr Abgeordneter Simon das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute beraten wir in erster Runde – heute geht es ja nicht um die Abstimmung, Frau Kühnemann – und werden das dann an den Ausschuss überweisen, den Antrag „Keine Gesinnungskontrolle bei Kitaeltern – Verwendung und Verbreitung der Broschüre ‚Ene, mene, muh – und raus bist du!‘ der Amadeu-AntonioStiftung in staatlichen Kitas untersagen!“. Nach dem Willen der antragstellenden Fraktion soll der Senat aufgefordert werden, in staatlichen Kindergärten in Berlin jegliche Verwendung dieser Broschüre zu untersagen.

Zunächst sei mir eine kurze Bemerkung zum Begriff „staatliche Kita“ gestattet. In Berlin bietet das Land seit 2006 durch fünf regionale Kita-Eigenbetriebe Plätze an. Über 30 000 Kinder werden dort betreut. Insgesamt werden in Berlin deutlich über 160 000 Kinder in Kindergärten betreut. Anhand dieser Zahlen kann man nachvollziehen, dass eine große Zahl von Kindern in den Kitas der Eigenbetriebe betreut wird, deutlich mehr aber in Kitas, die von freien Trägern betrieben werden. Für diese Einrichtungen würde der Antrag – so er denn eine Mehrheit fände – keine Relevanz entfalten. Keine Relevanz entfaltet er auch für die Erzieherinnen und Erzieher der Eigenbetriebe Südost, denn in diesen 43 Kitas wird der Ratgeber nicht genutzt. Diese Beschränkung auf einen Teil der Berliner Kitas findet die CDU-Fraktion bemerkenswert, denn die im Antrag genannte Broschüre wendet sich an alle Erzieherinnen und Erzieher, egal bei welchem Träger sie beschäftigt sind.

Um was für eine Broschüre handelt es sich eigentlich? – Meine zwei Vorredner haben dazu schon ausgeführt, aber selbstverständlich möchte ich die Sicht der CDU-Fraktion dazu auch kundtun. Es handelt sich um eine umstrittene 60-seitige Broschüre, die Erzieherinnen und Erziehern eine Strategie im Umgang mit Kindern aus rechtsextremen Elternhäusern vermitteln möchte. Sie enthält ein Vorwort der Bundesfamilienministerin Giffey, und die Druckkosten wurden mit staatlichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt gefördert. Zuerst behaupten die Autoren, dass wir uns in einer Zeit rechtspopulistischer Mobilisierung befinden würden, und dafür werden fünf Beispiele genannt. Auf Seite 8 wird im fünften Beispiel – zur Erinnerung, es geht um rechtspopulistische Mobilisierung – die Position der Berliner CDU zur Broschüre „Murat spielt Prinzessin,

[Lachen bei der AfD]

Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben“ angeführt. Ich habe daraufhin noch einmal meine Plenarrede aus dem Mai 2018 gelesen,

(Melanie Kühnemann-Grunow)

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das war ein Fehler!]

denn auch ich bin kritikfähig und setze mich mit Kritik auseinander, aber ich kann weder unserem Antragstext noch meinen Redebeiträgen im Ausschuss oder im Plenum entnehmen, dass wir uns in einer Art und Weise geäußert haben, die Rechtspopulisten mobilisieren würde.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

Ein Vorwurf der Autoren der Broschüre, den ich aufs Schärfste zurückweise! Ich stelle für die CDU-Fraktion fest, Gefahren für die Demokratie und für unsere Gesellschaft drohen von vielen Seiten – Frau Kühnemann hat dazu auch ausgeführt –, von Gewalttätern, Extremisten jeglicher Couleur und sonstigen Feinden der Demokratie.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

Sie droht nicht nur von Rechtsextremisten, sondern auch von Linksextremisten, religiös motivierten Extremisten, um nur einige zu nennen. Ich stelle also die Frage: Ist dieser Ratgeber mit seiner einseitigen Fixierung auf Rechtsextreme nicht genauso kontraproduktiv wie der Pranger, den die AfD für linke Lehrer online gestellt hat?

[Beifall von Dirk Stettner (CDU) – Torsten Schneider (SPD): Das würde ich jetzt nicht vergleichen!]

Alle Erzieherinnen und Erzieher haben nur eine begrenzte Zeit für Fortbildung. Das ist auch nachvollziehbar, denn sie sollen sich ja um die Kinder kümmern, die ihnen anvertraut sind. Da der Teilbereich Demokratieförderung eben auch nur ein Teilbereich der Arbeit mit Kindern ist, sollten Handreichungen nicht zu spezielle Themen behandeln. Zielführender wäre aus unserer Sicht ein Ratgeber, der sich insgesamt mit Demokratieförderung und nicht nur mit dem Umgang mit Rechtsextremen befasst.

Richtschnur für die Betreuung und Bildung der Kinder im Land Berlin ist, jedenfalls für die Erzieherinnen und Erzieher, das Berliner Bildungsprogramm. Es ist mit seinen umfassenden und allgemeingültigen Hinweisen und Empfehlungen zum Umgang mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden im Leben der Menschen hervorragend für den praktischen Einsatz geeignet. Die CDU-Fraktion kann gut nachvollziehen, dass diese Broschüre von vielen sehr kritisch gesehen wird. Wir können auch gut nachvollziehen, dass das Bezirksamt Neukölln – vertreten durch den Jugendstadtrat und stellvertretenden Bezirksbürgermeister Falko Liecke – von der Nutzung der Broschüre abrät. Das tun wir auch. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Seidel. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann jetzt schon vorausschicken, dass ich mich absolut nicht auf die Beratung im Ausschuss freue, und möchte zunächst feststellen, dass es eine absolute Unverschämtheit ist, dass Sie mit diesem Antrag hier eine absurde Desinformations- und Diffamierungskampagne bedienen, die sich in erster Linie gegen die AmadeuAntonio-Stiftung wegen ihres expliziten Engagements gegen Rechtspopulismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus richtet,

[Zuruf von Marc Vallendar (AfD)]

nur dass gerade diese Kampagne sehr verdeutlicht, wie wichtig dieses Engagement ist. Im Namen meiner Fraktion möchte ich herzlichst der Amadeu-Antonio-Stiftung für ihre engagierte und wertvolle Arbeit gegen die Ideologie der Ungleichheit danken.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Ich danke auch der Ministerin Giffey, die nach dem Aufflammen dieser Hetzkampagne von rechts im Herbst letzten Jahres klare Position bezogen hat,

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

sich anders verhalten hat als der andere Neuköllner, der Herr Liecke.

Die Handreichung für pädagogisches Personal in Kitas „Ene, mene, muh – und raus bist du! – Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik“, deren Einsatz Sie hier untersagen lassen wollen, wird u. a. vom Bundesprogramm „Demokratie leben“ gefördert, und genau darum geht es auch.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Buchholz?

Nein, danke! – Sie gaukeln hier eine fachliche Auseinandersetzung vor, die es nicht gibt. Es gibt im Gegenteil einen Bedarf, wie Frau Kühnemann-Grunow schon erwähnt hat, an Unterstützung und Fortbildung aufseiten der Kitalandschaft, wenn es um die Themen Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit geht, die nicht nur die Amadeu-Antonio-Stiftung bei ihrer Beratungsarbeit festgestellt hat. Unter anderem zeigt auch eine Studie des Deutschen Kinderhilfswerks: Die Mehrheit der dort interviewten Fachkräfte wird im Kontext ihrer Arbeit mit diesen Phänomenen konfrontiert. Es herrschen oftmals starke Irritationen und Ratlosigkeit. Genau hier setzt die Handreichung an, die nach der Bewertung von Fachverbänden, Wissenschaft, Praxis und

(Roman Simon)

Gewerkschaften mit praxisnahen Ratschlägen und Handlungsempfehlungen weiterhilft

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

und zahlreiche Verweise auf weiterführende Literatur und Materialien enthält. Dabei wurden reale Fälle aus der Kitapraxis in anonymisierter Form dargestellt und analysiert. Immer steht dabei das Kind, der Kinderschutz im Mittelpunkt. Und immer geht es natürlich um eine gute Erziehungspartnerschaft mit den Eltern als Grundlage für gelingende frühkindliche Bildung.

[Thorsten Weiß (AfD): Ist ja lächerlich! Unfassbar!]

Ihre Kampagne will diese Broschüre diffamieren,

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

mit falschen Zitaten, gezielten Auslassungen und Missinterpretationen. Das ist Ihnen in den Parlamenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg nicht gelungen, und es wird Ihnen auch hier nicht durchgehen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich möchte nur kurz zwei weitere von ganz vielen Gründen für die Ablehnung des Antrags nennen – erstens: Grundlage der frühkindlichen Förderung in der Berliner Kita und Tagespflege ist das Kitagesetz und das darauf beruhende Bildungsprogramm. Danach ist das Erziehungsziel, das Kind auf das Leben in einer demokratischen Gesellschaft vorzubereiten, die für ihr Bestehen die aktive verantwortungsbewusste Teilhabe ihrer Mitglieder im Geiste der Toleranz, der Verständigung und des Friedens benötigt, in der alle Menschen ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität, ihrer Behinderung, ihrer ethnischen, nationalen, religiösen

[Georg Pazderski (AfD): Suchen Sie sich mal neue Textbausteine! – Lachen bei der AfD]

das ist das Kitagesetz! – und sozialen Zugehörigkeit sowie ihrer individuellen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen gleichberechtigt sind. Das steht in unserem Kitagesetz, und das gilt hier im Land Berlin.

[Gunnar Lindemann (AfD): Noch!]

Zweitens: Staatssekretärin Klebba hat in der Sitzung des Fachausschusses am 6. Dezember 2018 auf Ihre Frage hin erklärt, dass der Berliner Senat besagte Handreichung weder finanziert noch verschickt habe. Die Handreichung wird tatsächlich selbstständig von Kitaträgern im Bedarfsfall bei der Stiftung bestellt. Ich empfehle, sich einmal ein eigenes Bild zu verschaffen und sich diese Handreichung anzugucken.

[Stefan Evers (CDU): Ja!]

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut unseres demokratischen Gemeinwesens.