Protocol of the Session on March 21, 2019

Login to download PDF

Und deshalb muss diese Spekulation beendet werden.

(Burkard Dregger)

[Frank-Christian Hansel (AfD): Italiener und Griechen kaufen hier! Sie haben ja keine Ahnung!]

Ich will es Ihnen an einem Beispiel deutlich machen. – Herr Oberst! Bringen Sie mal die Truppe zur Ruhe! Ich habe nicht „Rühren!“ gesagt. –

[Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN]

Ich will es am Beispiel der Deutschen Wohnen zeigen, was gegenwärtig auf den Immobilienmärkten passiert. Die Deutsche Wohnen hatte von 2012 bis 2017 aus dem operativen Geschäft, das heißt aus der Wohnungsbewirtschaftung, einen Gewinn von 2,8 Milliarden Euro vor Steuern.

[Georg Pazderski (AfD): Die SED lässt grüßen!]

Gleichzeitig hatte sie 2012 bis 2017, also im gleichen Zeitraum, einen Buchwertgewinn von 8 Milliarden Euro. Um es mal zu erläutern: Buchwertgewinn heißt, dass dem keine realen Werte gegenüberstehen, sondern da ist einfach in der Bilanz der Immobilienbestand höher bewertet worden, und zwar von Jahr zu Jahr. Und wenn Sie sich mal ansehen, was die Deutsche Wohnen ihren Aktionären und ihren Investoren schreibt, dann sagen Sie:

[Georg Pazderski (AfD): Haben Sie nicht die Wohnungen verkauft? Sie waren doch daran schuld!]

Seien Sie doch einfach mal ruhig und hören Sie mal zu! – Ein Buchwertgewinn heißt, dem stehen keine realen Werte gegenüber, sondern den Investoren wird gesagt: Wir sehen ein hohes Mietsteigerungspotenzial in Berlin in der Zukunft, und deshalb können wir unsere Immobilienbestände so hoch bewerten. – Ich lasse keine Zwischenfrage zu. – Mit anderen Worten: Die Deutsche Wohnen rennt ihrer eigenen Bewertung hinterher, und sie muss systematisch die Möglichkeiten zur Mieterhöhung nutzen, um ihrer bilanziellen Bewertung Rechnung zu tragen. Und das geht zulasten der Mieterinnen und Mieter, und das wollen wir beenden.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und das ist Spekulation mit dem Gut Wohnen, das unserer Ansicht nach nicht an die Börse gehört, sondern ein Menschenrecht ist.

Und deshalb ist jede Diskussion, die wir über eine Entschädigung zum Buchwert haben, auch eine absurde Diskussion. In der juristischen Diskussion über das Thema Entschädigung bei Enteignungen gibt es u. a. einen Grundsatz, nämlich entschädigt werden kann nur, soweit es sich um ein Äquivalent eigener Leistungen der Eigentümer handelt. Bei dem, was in den Bilanzen der Deutschen Wohnen steht, handelt es sich nicht um ein Äquivalent eigener Leistung, sondern um die Antizipation zukünftiger Spekulationsgewinne, und derartige Dinge müssen nicht entschädigt werden.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Und deshalb muss es hier mal zu einer realistischen Diskussion zu diesem Thema kommen.

Und wenn wir über die Ratingagenturen reden: Ich will gar nicht darüber reden, dass die gleichen Ratingagenturen, die sich jetzt Sorgen um das Land Berlin machen, vor der Finanzkrise alle toxischen Papiere mit dem besten Rating versehen haben, was sich anschließend als Flop erwiesen hat.

[Kurt Wansner (CDU): Sie haben die GSW verscherbelt!]

Ich will aber an dieser Stelle auf zwei weitere Punkte hinweisen. Erstens: Moody’s und Deutsche Wohnen haben beide Blackrock als Eigentümer. Und Moody’s ratet auch die Deutsche Wohnen – mit einem Rating von A3, mit einem absurden Buchwert, der hoch spekulativ ist, und einem extrem hohen Verschuldungsgrad. Ich sage: Bis wir diesen Verschuldungsgrad der Deutschen Wohnen haben und einen derartig fiktiven Buchwert als Land Berlin, behalten wir noch lange ein gutes Rating!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vor allen Dingen auch deshalb, weil diese Koalition dafür steht, dass es keine finanzpolitischen Abenteuer gibt.

[Lachen bei der AfD]

Sie lachen, aber wir haben in der Vergangenheit die ruinierte Bankgesellschaft saniert.

[Ah! von der AfD]

Wir haben die öffentlichen Unternehmen, die zugrunde gerichtet wurden, wieder handlungsfähig und aktionsfähig gemacht,

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

und wir werden weiter auf diesem Weg vorangehen. Und deshalb sage ich: Wenn es zu Entschädigungen kommt bei möglichen Vergesellschaftungen – noch haben wir ja dieses Gesetz überhaupt nicht; Herr Dregger, es gibt auch keine Enteignungsliste der Linken; noch haben wir ein solches Gesetz nicht –, sollte es jemals dazu kommen, wird es eine Entschädigung nach dem Ertragswert geben und damit keine Belastung des Haushalts, weil das wie beim Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe aus dem Unternehmen, und zwar ohne Mietsteigerung, finanziert werden kann. Das wird der Weg sein, den wir gehen, wenn es dazu kommt.

[Beifall bei der LINKEN]

Und obendrein sage ich, der Kollege Schneider hat es angesprochen, das Thema Mietpreisdeckel, ist ein Thema, das die Koalition anfassen wird, weil es in der Tat richtig ist. Wenn es gelingt, einen Mietpreisdeckel zu etablieren und damit auch einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Vermieter vorzunehmen, der flächendeckend innerhalb der Stadt wirkt, wäre das ein riesiger

Unterschied zur gegenwärtigen Situation. Es hätte eine riesige Bedeutung, und das wäre ein Signal, auf das die Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt warten, und das würde übrigens auch das eine oder andere Geschäftsmodell, unter anderem das Geschäftsmodell der Deutschen Wohnen der Spekulation auf Mietpreissteigerungen in der Zukunft, zerstören. Deshalb sage ich: Das ist ein Weg, den diese Koalition auf jeden Fall gehen wird, und den werden wir anpacken.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Noch eine Anmerkung zu den diversen Gutachten: Es ist klar, wir werden eine ganze Reihe von rechtlichen Diskussionen und Auseinandersetzungen haben. Aber ich sage als Erstes: Das Grundgesetz ist geltendes Recht, und das Grundgesetz hat den Artikel 15.

[Harald Laatsch (AfD): Davon habt Ihr doch keine Ahnung!]

Und wir sind bereit, geltendes Recht anzuwenden.

[Heiko Melzer (CDU): Großzügig!]

Und ich sage auch noch: Wenn Sie sich die Diskussion innerhalb der Stadt ansehen, die Aufregung, die von Teilen der Opposition kommt, wird in der Stadt nicht geteilt.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD]

Wenn Sie sich die Umfragen ansehen, dass bei der Umfrage von Seeway über 50 Prozent der Berlinerinnen und Berliner das Thema Enteignung angesichts der Entwicklung auf dem Wohnungs- und Mietenmarkt richtig finden und befürworten, dass es bei der Umfrage von Forsa eine Mehrheit von über 40 Prozent gegenüber 39 Prozent gibt,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Das macht’s nicht besser! – Zurufe von der CDU]

das macht deutlich, wie groß das Problem der Mieten mittlerweile ist, und deshalb, sage ich, muss vonseiten der Politik hier in der Tat ein klares Signal kommen: Wir sind bereit, Eingriffe in die Eigentumsrechte vorzunehmen, wenn die Eigentümer nicht sozial verantwortlich handeln, und das ist gegenwärtig die Situation auf dem Berliner Wohnungs- und Mietenmarkt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der AfD]

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Czaja das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie haben die Frage gestellt, wieso die Freien Demokraten am heutigen Tag

[Frank-Christian Hansel (AfD): Mit den Grünen was machen wollen!]

zu dieser Aktuellen Stunde auch einen Antrag vorgelegt haben, über den wir sofort abstimmen wollen, wo wir sofort ein Signal aus dieser Stadt haben wollen, unter der Überschrift: „Berlins Zukunft nicht verspielen – Neubau statt Enteignung!“ – Herr Schneider! Ich reduziere Ihnen diese Überschrift und sage: Berlins Zukunft nicht verspielen, darum geht es am heutigen Tag, nämlich die richtigen Signale zu setzen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Und wenn in einer globalisierten Welt Berlin Revolution spielt, dann kann das nur zum Schaden der eigenen Stadt sein, so wie wir es gerade jetzt erlebt haben, bei all den Debatten, bei all den Bewertungen, die für den Standort mittlerweile im Umlauf sind. Da können wir in der Tat, Herr Wolf, über Moody’s reden, da können wir auch das anstrengen, was Sie angestrengt haben, und über Blackrock reden, aber werden Sie sich doch einer Frage bewusst: Eine Negativstimmung für diese Stadt, die nicht nur europaweit, sondern international mittlerweile um sich greift, die Ihre Linkskoalition in dieser Stadt Zug um Zug organisiert und auf den Höhepunkt im Sinne einer Enteignungsdebatte getrieben hat, schadet dem Standort Berlin. Es schadet der Zukunft dieser, unserer tollen, wachsenden Stadt Berlin.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Und wenn Sie Zweifel daran haben, wenn hier im Saal eine Liste des Berliner Senats zitiert wird, dann zweifeln Sie, aber zweifeln Sie nicht an der Evangelischen Kirche, die uns allen mitgeteilt hat, dass es eine Liste des Berliner Senats gibt, auf der von vergesellschaftungsreifen Wohnungsunternehmen gesprochen wird. Was Sie dort umdeklarieren, heißt am Ende des Tages Enteignung, und darüber reden wir heute im Jahr 2019 in Berlin.

[Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Kurt Wansner (CDU): Die Linkspartei hat doch Übung mit Enteignung!]

Und wer überhaupt noch das eine Beispiel gesucht hat, nach welcher Grundlage und nach welcher Ausrichtung, mit welchen Maßstäben hier Politik gemacht wird, der hat den Beweis mit dem Schreiben der Evangelischen Kirche auf dem Tisch liegen. Es gibt keinerlei Maßstab. Es wird vor niemandem Halt gemacht werden, sondern es ist der Anfang einer groß angelegten Debatte, die Sie mittragen.