Protocol of the Session on March 21, 2019

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[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an die AfD-Fraktion. Herr Dr. Berg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Senatorin Breitenbach hat erklärt, dass Berliner, die sich gemäß § 68 AufenthG verpflichtet haben, für den Lebensunterhalt von Ausländern zu haften, aus dieser Verpflichtung nicht in Anspruch genommen werden sollen. Ich frage deshalb den Senat: In welchem Umfang wird der Senat künftig mit solchen klientelpopulistischen Maßnahmen auch bei anderen Bürgschaften, zum Beispiel bei Privatkrediten, eintreten und die Bürgen freistellen, die von ihnen übernommenen Verpflichtungen nicht ausfüllen zu müssen?

[Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Herr Senator Geisel, Sie haben das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich kann diesen von Ihnen geschilderten Sachverhalt nicht bestätigen. Die Frage, ob für übernommene Bürgschaften für Flüchtlinge diese Bürgschaft in voller Höhe in Anspruch genommen wird oder nicht, war Gegenstand der Debatte in der letzten Innenministerkonferenz in Magdeburg und ist dort vor allem von Bundesländern forciert worden, die nicht ganz sicher sind, ob die Beratung der Bürgen auch in vollem Umfang rechtlich und rechtmäßig erfolgt ist. Ich will es uns ersparen, hier einzelne Bundesländer zu nennen.

Wir sind in Berlin sicher, dass wir die Übernehmer dieser Bürgschaften richtig beraten haben. Deshalb sind wir in der Arbeitsgruppe, die als Ergebnis der Innenministerkonferenz gegründet worden ist, um diese Problematik rechtlich zu beleuchten, nicht vertreten. Insofern gehe ich davon aus, dass diejenigen, die Bürgschaften übernommen haben, für diese Bürgschaften selbstverständlich auch einstehen müssen.

[Beifall bei der AfD]

Herr Dr. Berg, Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage – bitte!

Vielen Dank, Herr Senator, für die Klarstellung. Dann erlaube ich mir aber die Frage: Ist die Äußerung von Frau

Breitenbach dann offensichtlich von mir falsch verstanden worden, oder liegt die Äußerung von Frau Breitenbach nicht auf der Linie des Senats?

Herr Senator!

[Zurufe]

Frau Senatorin!

Vielen Dank! – Schön, dass ich über meine Äußerung noch selbst reden darf.

[Lachen und vereinzelter Beifall bei der AfD]

Es gibt ein Landesprogramm, das dürfte Ihnen bekannt sein. Menschen, die Bürgschaften unterzeichnen, kommen natürlich auch für diese Bürgschaften auf. Und dann gibt es Ausnahmen, und die gibt es übrigens immer. Es ist ein Grundprinzip dieses Sozialstaates und dieses Rechtsstaates, Menschen, die beispielweise ihre Arbeit verlieren, die krank sind, die nicht mehr aufkommen können für ihr Leben oder für das Leben von anderen, zu helfen. In dem Moment tritt der Staat ein. Dieses Prinzip halte ich für richtig, und ich denke, da wird mir auch der Innensenator nicht widersprechen, denn darauf fußt überhaupt der Aufbau eines solchen Sozialstaatprinzips.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Ronald Gläser (AfD): Dann können sie aber keine Bürgschaft abgeben!]

Die zweite Nachfrage geht an Herrn Abgeordneten Wansner – bitte!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Innensenator, Sie haben ja eben gehört, dass Ihnen vehement widersprochen worden ist. – Sind Sie der Meinung, dass in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland Menschen so weit ausgebildet worden sind oder ein Wissen haben, dass sie wissen, wenn sie eine Bürgschaft unterzeichnen, was sie dort unterzeichnen? Es ist ja fast schon eine Unterstellung, diese Fragestellung ist eine Unterstellung, dass Menschen, die eine Bürgschaft unterschrieben haben, nicht wissen, was sie unterschrieben haben.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Kommen Sie zur Frage, Herr Wansner!]

Deshalb noch einmal meine Äußerung dazu bzw. meine Meinung dazu:

(Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt)

[Katina Schubert (LINKE): Zuhören bildet, Herr Wansner!]

Stehen Sie zu Ihren Äußerungen, Herr Innensenator, oder müssen wir uns hier die fachlich nicht kompetente Äußerung von Frau Breitenbach noch weiter anhören?

[Beifall und Lachen bei der AfD und der FDP – Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Unfassbar! Seien Sie froh, dass Immunität Sie schützt! – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Herr Senator!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Wansner! Ich stelle keine Differenz zwischen den Äußerungen von mir und Frau Breitenbach fest. Klar ist, dass derjenige, der eine Bürgschaft abgibt, sich in vollem Umfang darüber im Klaren sein muss, dass er eine Bürgschaft abgegeben und die entsprechenden Konsequenzen zu tragen hat, und dass eine entsprechende Rechtsberatung erfolgt.

Aber auch diejenigen, die eine Bürgschaft abgegeben haben, können im weiteren Verlauf ihres Lebens in Notlagen geraten. Das hat Frau Breitenbach eben geschildert. Dass dann der Staat selbstverständlich eintritt oder nach einer Lösung gesucht wird, ist auch selbstverständlich. Deswegen besteht da volle Übereinstimmung zwischen den beiden Senatsmitgliedern.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank!

Die nächste Frage geht an die FDP-Fraktion. – Herr Abgeordneter Krestel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal vielen Dank, Herr Senator Geisel, dass Sie das eben noch einmal richtiggestellt haben.

[Sven Kohlmeier (SPD): Sie haben nicht zu kommentieren, sondern zu fragen!]

Ich frage den Senat: Warum verweigern Sie den Geschädigten der Schießstandaffäre jegliche Form von rechtlicher bzw. tatsächlicher Überprüfung der durch die von Ihnen berufene Kommission erteilten Entscheidungsbescheide im Rahmen des Verfahrens? Die bekommen bloß

einen Brief, dass sie sich mehr oder weniger unterworfen haben, und müssen sehen, wie es weitergeht. – Danke!

Herr Senator Geisel – bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Herr Abgeordneter Krestel! Nein, dem ist nicht so. Wir haben eine ausführliche Diskussion im Innenausschuss dazu geführt. Das Land Berlin hat im Vorgriff auf eventuelle rechtliche Entscheidungen, die gegebenenfalls noch anstehen, sich entschieden, Entschädigungen an Betroffene auszureichen. Als Grundlage für diese Entschädigungen gibt es einen Erlass von mir, der das regelt.

Wir wissen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Belastungen aus der Nutzung der Schießstände in der Vergangenheit und heutigen Erkrankungen nur sehr schwer herstellbar ist. Es gibt dafür gesundheitliche Untersuchungen, beispielswiese die von der Innenverwaltung in der letzten Legislaturperiode noch in Auftrag gegebene Charité-Studie, deren Ergebnisse wir im letzten Innenausschuss vorgestellt haben, die diesen Zusammenhang nicht darstellt. Sie stellt aber auch das Gegenteil nicht dar. Weil diese Rechtslage so schwierig ist und weil wir eine Vielzahl von Betroffenen haben, die zum Teil schwer erkrankt sind, und wir auch schon erste Todesfälle zu verzeichnen haben,

[Karsten Woldeit (AfD): 18!]

haben wir entschieden, dass wir mit Entschädigungszahlungen arbeiten, ohne Anerkennung der Rechtslage. Wir tun das, weil das Land Berlin seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gefahrensituationen gebracht hat, in die wir sie heute nicht mehr bringen würden, unabhängig von der Frage, ob das tatsächlich die entsprechenden gesundheitlichen Folgen hatte oder nicht.

Diese Entschädigung ist zum Ende des Jahres 2018, Januar 2019 ausgezahlt worden. Jeder, der eine solche Entschädigung erhalten hat, hat dabei unterzeichnet, dass er diese Entschädigung in Anspruch nimmt und dass die angerechnet wird auf eventuelle spätere Entschädigungen, die durch rechtliche Entscheidungen vor Gericht entstehen würden. Da diese Entschädigung unabhängig von gerichtlichen Entscheidungen und vorliegenden Beweisen für tatsächliche gesundheitliche Folgen erfolgt, ist auch der Widerspruch gegen diese Entschädigungen nicht möglich. Die Betroffenen haben die Möglichkeit, diese Entschädigung nicht anzunehmen, das ist klar. Sie können uns diese Entschädigung zurückgeben, aber Einsprüche gegen diese Entschädigung oder die Höhe dieser Entschädigung sind nicht möglich, waren von vornherein ausgeschlossen.

(Kurt Wansner)

Wir haben, um die Entschädigungshöhe festzulegen, eine Bewertungskommission berufen, die aus renommierten Wissenschaftlern und Juristen bestand – Umweltmediziner, Sozialmediziner und eine ehemalige Richterin beim Oberverwaltungsgericht in Brandenburg, die alle drei über entsprechende Erfahrungen verfügen. Und die haben diese Entschädigungshöhen festgelegt analog üblicher Entschädigungen in solchen Fällen, wenn es Beweise für gesundheitliche Folgen geben würde. Insofern haben wir uns dort rechtmäßig verhalten. Ich habe ausdrücklich noch mal im Innenausschuss gesagt, dass dieser Fonds nicht geschlossen wird, dass also Menschen, die heute noch nicht erkrankt sind und demzufolge einen Ablehnungsbescheid erhalten haben, weil sie nicht krank sind – – Das ist ja eigentlich eine gute Botschaft; das wird jetzt negativ kommentiert, sie haben keine Entschädigung erhalten. Aber die positive Botschaft ist ja, sie sind nicht erkrankt. Es ist gut, dass sie nicht erkrankt sind. Sie haben deshalb keine Entschädigung bekommen. Sollten die in den Folgejahren dann noch erkranken, würden wir diesen Fonds entsprechend fortführen.

Herr Krestel! Sie haben die Möglichkeit der Nachfrage – bitte schön!

Ich möchte Ihnen zugestehen, dass es in der Tat schwierig ist, diese Kausalitäten und Zusammenhänge herzustellen. Aber die doch sehr hochrangig besetzte Kommission hätte in allen Fällen das pflichtgemäße Ermessen richtig ausüben müssen, und der wichtigste Indikator, bevor ich erst mal in die hehre Prüfung der Erkrankung trete, ist ja: Wie lange hat die Person wie intensiv geschossen? Deswegen frage ich: Inwieweit treffen denn Informationen zu, dass mindestens ein Beamter, der in seiner Laufbahn kaum geschossen hat und den Antrag aus Interesse gestellt hat, aufgrund anderweitig begründeter Symptome genauso hoch entschädigt worden ist wie Beamte, die aufgrund jahrzehntelangen ständigen Schusswaffentrainings erkrankt sind?

Herr Senator!

Herr Krestel! Ich kann die Einzelentscheidung der Bewertungskommission jetzt hier nicht kommentieren. Die Vorsitzende der Bewertungskommission war im Innenausschuss und hat sich genau diesen Fragen gestellt. Sie hat sie nach meinem Dafürhalten nach bestem Wissen und Gewissen überzeugend beantwortet. Gegenstand der Entschädigung war hauptsächlich nicht die Dauer der Belastung, der die Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt

waren, sondern die Frage, ob sie erkrankt sind oder nicht und ob die Symptome ihrer Erkrankung mit einer solchen Belastung zusammenpassen oder nicht. Dass dann einzelne Betroffene mit den Entscheidungen nicht einverstanden sind oder sie anders sehen, ist so. Allerdings ist auch oftmals der Ausgang von Rechtsstreitigkeiten so, dass die Unterlegenen mit dem Ergebnis nicht glücklich sind. Das können wir mit Entschädigungszahlungen eben auch nicht bereinigen.