Protocol of the Session on March 21, 2019

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[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

und das ist auch ein Dankeschön an die vielen Menschen, die unsere Gesellschaft hier ehrenamtlich mitgestalten.

(Senatorin Sandra Scheeres)

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Freymark?

Nein, danke!

[Paul Fresdorf (FDP): Ach, schade!]

Die Jugendförderpläne werden in den Bezirken aufgestellt, auch im Land aufgestellt. Uns ist es wichtig, dieses partizipativ zu tun, dass hier auch junge Menschen sagen, die Angebote, die vor Ort sind, ob sie ihnen gefallen oder ob sie die Notwendigkeit der Veränderung sehen, uns ist wichtig, dass wir hier keine starre Angebotsvielfalt in dem Sinne haben, sondern hier geht es eben auch um Veränderung, dass klar ist, wo Geld in welche Bereiche hineinfließen wird. Das ist auch nicht auf freiwilliger Basis, junge Menschen zu befragen, das sprechen wir in diesem Gesetz verbindlich aus.

Das ist heute ein ganz besonderer Tag. Ich freue mich, diesen Gesetzentwurf mit Ihnen allen auch im Ausschuss zu diskutieren. Das ist ein ganz klares Zeichen an Kinder und Jugendliche in unserer Stadt: Wir wollen euch hören. Wir wollen, dass ihr mitmacht. Ihr seid uns viel wert. Es wird im Bereich der Jugendarbeit nicht mehr gekürzt. Bringt euch ein! – Ich würde mich freuen, wenn wir hier in diesem Parlament genauso wie im Bereich des Kinderschutzes eine breite Mehrheit der demokratischen Fraktionen hinbekommen, dass wir uns für die Zukunft und die Gestaltung der jungen Menschen in dieser Stadt einsetzen und dass wir dazu stehen. Das ist ein historischer Tag, dass dieses Gesetz in diesem Parlament diskutiert wird, und ich hoffe, dass uns viele andere Bundesländer folgen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Vielen Dank, Frau Senatorin! – In der Beratung steht den Fraktionen nach einvernehmlicher Verständigung jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke und hier die Kollegin Seidel. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Etwas richtig Gutes ist hier auf dem Weg, und ich kann die Freude von Sandra Scheeres nur teilen. Wir haben lange für ein solches Gesetz gekämpft, dass wir das hier im Land Berlin bekommen. Meine Fraktion hat es in der letzten Legislaturperiode schon beantragt. Da sind parallel viele Prozesse gelaufen. Wir haben uns gemeinsam als Koalition auf den Weg gemacht, das

hier tatsächlich umzusetzen. Heute liegt der Entwurf da. Ich bin wirklich glücklich, das ist ein guter Tag.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erfüllt die Koalition ein wichtiges Versprechen an die Jugend in dieser Stadt. Mit diesem Gesetz werden verbindliche Standards festgelegt, auf deren Grundlage dann auch die Finanzierung der Leistungen nach § 11 SGB VIII zur allgemeinen Kinder- und Jugendförderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes hier im Land erfolgen wird. Das sind Kinder- und Jugendfreizeitorte, Bildungsfahrten, Reisen, internationaler Austausch und Begegnung, komplett inhaltlich noch offene, mobile oder gruppenbezogene Jugendarbeit und zudem alles, was an die Interessen junger Menschen anknüpft und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet wird, Angebote, die sich an alle Kinder und Jugendlichen richten. So steht es im SGB VIII geschrieben.

Ich wurde dieser Tage viel gefragt, warum wir denn ein eigenes Landesgesetz brauchen, wenn es im Bundesgesetz schon steht, dass man das so machen muss – weil es nach allgemeiner bundesdeutscher Lesart keinen individuellen Rechtsanspruch gibt. Die allgemeine Kinder- und Jugendförderung wird als sogenannte freiwillige Leistung betrachtet. Sie wird bei uns in den Bezirken umgesetzt, und die Bezirke haben viel umzusetzen, in der Kindertagesbetreuung, bei den Hilfen zur Erziehung, im Kinderschutz. Das bedeutet, dass die Angebote der Kinder- und Jugendarbeit davon finanziert werden, was im Haushalt der Bezirke nach Abzug anderer einklagbarer Leistungen übrig bleibt. In die Kosten- und Leistungsrechnung der Bezirksfinanzierung übersetzt bedeutet das: Viele Mengen zu möglichst geringen Kosten, dann ist der Bezirk eher auf der Gewinnerseite. Es verlieren die Bezirke, die politisch nachhaltige Prioritäten setzen, bedarfsgerecht Angebote bereitstellen, die auf die Qualität achten, zum Beispiel auch Tarifanpassung und Erhöhungen an die freien Träger weitergeben, sodass dann die Angebotsstunde mehr kostet. Dieser Kreislauf wird nun durchbrochen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Und es wurde bei diesem Kreislauf auch immer außer Acht gelassen, dass bei der Konkurrenz um den Budgetierungsgewinn am Ende alle verloren haben. Betrugen die Ausgaben der Bezirke für die Angebote nach § 11 im Jahr 2010 noch 86,5 Millionen Euro, waren es 2015 noch ca. 79,5 Millionen Euro. Hier zeigt sich die Abwärtsspirale in Zahlen. Dazu kam noch, dass die Bezirke bis 2017 nicht einmal mehr das in dem Bereich eingesetzt haben, was ihnen in der Globalsumme für Kinder- und Jugendarbeit zugewiesen wurde. Klar, die Angebote wurden ja auch immer mehr zurückgefahren und immer weniger, damit der Weg in die Sackgasse immer enger. Es bestand und besteht also akuter Handlungsbedarf, und die Koalition hat gehandelt.

Es wurde erstens quasi per Notbremse diese Abwärtsspirale aufgehalten und mit Beginn dieser Legislaturperiode dafür gesorgt, dass der Plafond um 4,9 Millionen Euro erhöht und seither auch nicht abgesenkt wurde, es wurde also der Status quo zunächst einmal erhalten. Zweitens wurde gemäß Koalitionsvertrag von den Koalitionsfraktionen sofort am Beginn der Legislaturperiode ein Antrag initiiert, der den Auftrag erteilte, unverzüglich ein Jugendfördergesetz auf den Weg zu bringen. Es musste auch schnell gehen, denn die Herausforderungen sind enorm. Die Kürzungen der vergangenen Jahre haben die Infrastruktur erheblich ausgedünnt und zu einer heftigen Ungleichentwicklung in der ganzen Stadt geführt. Es ist, nur nebenbei, der einzige Bereich in der Jugendhilfe, in dem es in den letzten Jahren keinerlei Personalaufwuchs gegeben hat, obwohl die Stadt wächst und die Anforderungen an die Kinder- und Jugendarbeit wachsen, beispielsweise bei Inklusion, Integration und Digitalisierung, und obwohl Kinder und Jugendliche ihre Rechte einfordern. Sie wollen und müssen stärker in die Entscheidungen einbezogen werden, die ihr Leben direkt betreffen.

Mit diesem Gesetzentwurf liegt uns das Ergebnis einer langen und intensiven Arbeit vor. Dieser Prozess, Senatorin Scheeres hat es schon beschrieben, beinhaltete in der ersten Phase die Befragung von rund 10 000 Kindern und Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren, die von dem Senat gefragt wurden, was sie im Kinder- und Jugendfreizeitbereich eigentlich brauchen. Das hat es so auch noch nicht gegeben. Daran wird deutlich: Auch der Prozess ist von Anfang an ein neuer. Es gab durchgehend einen breiten Beteiligungsprozess, der es möglich gemacht hat, rechtzeitig viele Meinungen, Forderungen und Positionen zu berücksichtigen. Ein herzlicher Dank gilt an dieser Stelle all denen, die nie lockergelassen haben: den Kindern und Jugendlichen, die sich eingemischt haben, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen und bei den Trägern auf Landes- und bezirklicher Ebene, den Bezirken und hier insbesondere dem Rat der Bürgermeister, der, was übrigens nicht unbedingt zu seiner Tradition gehört, dem Gesetzentwurf sehr schnell seine Zustimmung gegeben hat.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Herzlichen Dank auch den engagierten Damen und Herren, die den Prozess moderiert haben, besonders auch der Senatsjugendverwaltung und den beteiligten Häusern, die hervorragend ressortübergreifend zusammengearbeitet haben.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Ich bin sicher, und viele Reaktionen zeigen das auch, dass wir heute ein bisschen Geschichte schreiben, auch wenn das noch nicht überall so angekommen ist, liebe Bezirksverordnete.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Oh!]

Was ist neu, und was wird bald anders? – Mit dem Gesetz erfolgt ein Leistungsversprechen. Im Land Berlin wird es künftig einen Rechtsanspruch auf definierte Leistungen geben. Diese sind auch in Umfang und Qualität festgelegt und ein verbindlicher Standard, der stadtweit gilt. Diese Angebote orientieren sich nicht mehr an dem, was im Bezirkshaushalt übrig ist, sondern an der Zahl der Kinder und Jugendlichen, die im Bezirk leben. Danach erfolgt die Zuweisung. Diese ist nur für den Zweck bestimmt, für den sie ausgewiesen ist. Keiner verliert mehr, alle gewinnen, im Gesetz steht, dass kein Bezirk schlechter dastehen darf als bisher. Die Finanzierung ist neu, und es ist bemerkenswert, dass die 25 Millionen Euro schon per Vorfestlegung eingestellt wurden. Herzlichen Dank an all diejenigen, die das möglich gemacht haben!

Dieser Betrag schafft Spielräume, um die erforderlichen Strukturen in den Bezirken erst einmal zu schaffen. Im Übrigen haben es die Bezirke selbst in der Hand: Die Bebuchung der neuen Produkte, der neu entwickelten Produkte und derjenigen, die längst nicht mehr in Anspruch genommen wurden, weil sie verschwunden waren, hat in den Bezirken bereits im Januar 2019 begonnen. Es wird zukünftig wieder Angebote geben, die weggespart wurden, wie zum Beispiel Reisen oder internationale Begegnungen, und es wird neue Angebote geben, die sich erst entwickeln werden wie neue Beteiligungsformate, je nachdem, welche Strukturen schon in den Sozialräumen vorhanden sind und welche nicht. – Ich habe tatsächlich zehn Minuten überzogen? – Das kann ja wohl nicht wahr sein!

[Heiterkeit bei der LINKEN]

Zuletzt noch das Wichtigste: Es heißt nicht umsonst Beteiligungsgesetz. Dieses Gesetz funktioniert nur mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Ihre Meinung muss verbindlich eingeholt werden. Sie müssen bei der Ausgestaltung der Angebote einbezogen werden. Kinder- und Jugendbeteiligung, demokratische Willensbildung und Entscheidungen erhalten so einen völlig neuen Stellenwert. Das ist der wesentliche Gewinn dieses Gesetzes. Ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen, die jetzt mit Ihnen beginnen, und hoffe auch auf einen guten Start dieses Gesetzes, wenn es dann fertig ist.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Simon das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! – Frau Scheeres! Wenn man Ihnen zugehört hat, hätte man glauben können, jetzt sei schon alles in trockenen Tüchern. Ich finde, man darf aber

(Katrin Seidel)

schon darauf hinweisen, dass wir heute über die erste Lesung eines Gesetzes debattieren, auf dessen Grundlage, wenn es verabschiedet ist, noch zwei Fachstandards zu entwickeln sind – ich wollte es nur ergänzen – und dass noch ein Haushaltsplan zu verabschieden ist, so wie er von der Koalition hier ins Auge gefasst wurde.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Natürlich ist das ein positives Signal, auch von der heutigen Debatte. Ich will nur, dass auch klar ist, worüber wir debattieren. Wir debattieren über eine Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, das sogenannte Jugendförder- und Beteiligungsgesetz. Frau Seidel hat darauf hingewiesen, dass wir schon im ersten Quartal 2017 einen Antrag der Koalition hatten. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass Koalitionsverträge durch eine Regierung auch umgesetzt werden können und sollten, ohne dass das Parlament sie explizit dazu auffordert.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Aber gut, so sei es. Wir haben seinerzeit über den Antrag debattiert, und Frau Seidel hat richtigerweise darauf hingewiesen: Er hat eine Mehrheit gefunden, der Senat hat gehandelt, und der Koalitionsvertrag wird nun umgesetzt. Wunderbar!

Was aber steht im Koalitionsvertrag genau? – Da steht unter anderem, und ich zitiere mit der Erlaubnis der Präsidentin:

Die Koalition wird unverzüglich ein Jugendfördergesetz auf den Weg bringen, das bis Ende 2018 in Kraft tritt.

Nun liegt der Gesetzentwurf vor, und was lesen wir in diesem? – Ich zitiere noch einmal, mit Erlaubnis der Präsidentin: „Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.“

Rot-Rot-Grün wollte also, so haben Sie es politisch im Koalitionsvertrag verabredet, ein Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2018.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wie beim BER!]

Nun planen Sie ein Inkrafttreten im Jahr 2020. Ich finde das zumindest bemerkenswert.

[Torsten Schneider (SPD): Meine Güte!]

Da gehen Anspruch und Wirklichkeit auseinander.

[Beifall bei der CDU – Frank-Christian Hansel (AfD): Zwei Jahre!]

Auch wenn Sie mit dem Kopf schütteln, Frau Kühnemann: Die Opposition darf auf wunde Punkte hinweisen,

[Melanie Kühnemann-Grunow (SPD): Immer! – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

und da muss eine Regierungsfraktion eben mal mit dem Kopf schütteln, das ist dann so.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrager der Kollegin Seidel?