Protocol of the Session on May 9, 2019

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Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1816

Hierzu als Tischvorlage verteilt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU, Drucksache 18/1816-1, und

b) Erhöhung der Vergütung von

Tagespflegepersonen

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/1817

In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke. Es hat das Wort Frau Abgeordnete Seidel. – Bitte schön!

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Die Koalition will die Angebote der Kindertagespflege und der ergänzenden Kinderbetreuung attraktiver machen. Wir haben unverändert einen hohen Bedarf an Kitaplätzen und Plätzen in der Kindertagespflege. Die Kindertagespflege ist entsprechend dem Sozialgesetzbuch VIII ein der Betreuung in der Kita gleichwertiges Angebot der frühkindlichen Förderung. In Berlin werden derzeit rund 6 200 Kinder von rund 1 600 Tagespflegepersonen auf diese Art betreut. Nach unserem Berliner Kitagesetz ist die Kindertagespflege eine besonders familiennahe und flexible Angebotsform, die besonders für die Kleinsten und für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gut geeignet ist.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Bisher steht bei den Diskussionen um die Lösung der Versorgungsengpässe bei der Kindertagesbetreuung die Kindertagespflege – obwohl sie anerkannt, beliebt und begehrt ist – nicht im gebührenden Fokus. Das wollen wir ändern: Land und Bezirke sind gefordert, bei der Schließung von Lücken in der Versorgung mit Angeboten der Frühförderung auch die Kindertagespflege mit all ihren Angebotsformen stärker als bisher zu beachten. Bisher ist es nicht gelungen, den Anteil der Kindertagespflegeplätze an der Gesamtzahl der stetig wachsenden Platzangebote in der Kita mitwachsen zu lassen. Der prozentuale Anteil der Tagespflege an den Angeboten insgesamt sinkt; dabei steigt die absolute Zahl der zu betreuenden Kinder leicht an.

Diese Stabilisierung mit dem Trend zum Wachsen ist nicht gering zu schätzen, aber auch in der Kindertagespflege ist ein Generationenwechsel zu verzeichnen, und bisher ist es immerhin gelungen, Schließungen – oft aus Altersgründen – mit neuen Angeboten zu kompensieren – aber mehr nicht. Das reicht nicht; wir brauchen Aufwüchse.

Was ist zu tun? – In diversen Gesprächen, exemplarisch am offenen Tag in der Kindertagespflege und an einem Fachtag, wurde uns in einem sehr interessanten Austausch mit Tagesmüttern und Tagesvätern verdeutlicht, dass sich erstens viele Menschen für diese Tätigkeit interessieren, darunter erfreulicherweise auch immer mehr Männer. Mindestens 200 Menschen mehr als bisher, könnten sofort die Arbeit aufnehmen, wenn die Rahmenbedingungen, insbesondere die räumlichen, besser wären. Das sind Ressourcen, auf die wir nicht verzichten können.

Wir beobachten zweitens einen Trend zur Professionalisierung der Angebote. Traditionell sind es Mütter oder Väter, die die Tätigkeit vorübergehend ausüben: Sie

(Benedikt Lux)

betreuen quasi in ihrer Privatwohnung neben dem eigenen Kind noch ein bis zwei andere Kinder mit. Ist das Kind dann aus dem Gröbsten heraus, wird wieder eine andere berufliche Tätigkeit gewählt. Professionalisierung heißt an dieser Stelle nun, dass immer mehr gelernte Pädagoginnen ganz bewusst in die Tagespflege gehen, um ihre eigenen pädagogisch-konzeptionellen Vorstellungen von Frühförderung auf der Grundlage des Berliner Bildungsprogramms zu verwirklichen, das seit der letzten Novellierung auch für die Tagespflege gilt.

Gebraucht werden – ich habe es schon erwähnt – vor allem Räume. Die geäußerten Vorschläge haben wir in unserem Antrag aufgegriffen; sie können auch noch ergänzt werden. Da müssen wir sehr viel innovativer werden und dürfen die Tagespflegeeltern nicht allein lassen. Es gilt, bei unseren landeseigenen Wohnungsunternehmen als auch bei privaten Investoren dafür zu werben, dass Kindertagespflegestellen im Wohnumfeld für Familien attraktiv sind und keine Lärmbelästigung.

[Beifall bei der LINKEN, der CDU und der FDP]

Räume zu finden und auszustatten, kostet natürlich Geld. Starthilfe und Mietzuschüsse sollen deshalb künftig unbürokratisch und regelhaft ermöglicht werden.

Die Arbeit mit Kindern ist anspruchsvoll, gerade weil man nicht im Team arbeitet, sondern alleine. Daher brauchen Tagespflegeeltern regelhaft Angebote der Beratung, Vernetzung, Fort- und Weiterbildung; ein engeres Zusammenwirken mit den bezirklichen Jugendämtern, bessere Beratung und Unterstützung sind notwendig. Eine Vernetzung auch mit den Angeboten in den benachbarten Kitas ist wichtig für fachlichen Austausch und Vertretung bei Krankheit, Urlaub und Fortbildung.

Fortbildungsangebote sind überhaupt sehr wichtig. Sie sollen künftig für Tagespflegepersonen regelhaft besser nutzbar gemacht werden.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Zur Verbesserung der Attraktivität der Arbeit in den verschiedenen Angebotsformen der Kindertagespflege ist natürlich auch eine bessere Bezahlung nötig. Mindestlohn ist das Mindeste, und das ist es, was wir in allen Angebotsformen wenigstens wollen: Es kann nicht sein, dass gerade in den atypischen Beschäftigungszeiten von 21 Uhr bis 5 Uhr – auch solche Betreuungsformate gibt es – nur der halbe Mindestlohn gezahlt wird. Das wollen wir ändern.

Natürlich kostet das alles auch etwas. Da fordern wir die Verwaltung auf, nicht nur das Bundesprogramm zur Förderung der Tagespflege zu nutzen, sondern auch Mittel, die Berlin aus dem Gute-Kita-Gesetz bekommt. Die CDU, das habe ich schon im Änderungsantrag gesehen, möchte das nicht. – Das werden Sie uns sicherlich gleich erklären, Herr Simon, was an einer Änderung der Aus

führungsvorschrift besser ist, als die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz zu nutzen.

Wir hoffen, dass es uns gelingt, gemeinsam mit den Bezirken und den Tagespflegepersonen und ihren Interessensvertretungen die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern, um noch mehr Menschen diese schöne, aber auch anspruchsvolle Tätigkeit zu ermöglichen. Das betrifft ausdrücklich auch Menschen, die zu uns zugewandert oder geflüchtet sind. Hier wollen wir ein Modellprojekt initiieren, um auch diese Potenziale zur Arbeitsintegration zu nutzen. – Sie werden uns, Herr Simon, bestimmt auch erklären, warum Sie so ein Modellprojekt ablehnen.

Wir wollen insgesamt mehr Aufmerksamkeit für diesen noch kleinen Bereich. Übermorgen, am 11. Mai., ist übrigens der Tag der offenen Tür in der Kindertagespflege. Unter www.guck-an-kindertagespflege.de können Sie nachschauen, welche offenen Türen das wo sind. Nehmen Sie das Angebot in Anspruch! Wir wünschen allen Beteiligten viel Spaß, und ich sage: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Simon. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! – Frau Seidel! Es war wohltuend, den allermeisten Ihrer Worte zu lauschen. Die Fragen nehme ich jetzt nicht als wohltuend wahr, aber es ist schön, dass die Koalition erkannt hat, dass auf dem Gebiet wesentlich mehr getan werden muss.

Wir beraten heute den Antrag „Kindertagespflege fördern und ausbauen: Mehr Plätze schaffen und Rahmenbedingungen verbessern“ und den Antrag „Erhöhung der Vergütung von Tagespflegepersonen“. Die CDU-Fraktion begrüßt, dass nun auch Rot-Rot-Grün Tagesmütter und Tagesväter in den Blick nimmt. Wir bedauern, dass das angesichts von Tausenden Eltern, die ohne Betreuungsmöglichkeit für ihre kleinen Kinder dastehen und von Ihrer rot-rot-grünen Koalition im Regen stehen gelassen werden, erst jetzt der Fall ist.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, dass die CDU in der Drucksache 18/1066 des Berliner Abgeordnetenhaus im Rahmen des dort vorgeschlagenen Maßnahmenpakets für mehr Betreuungsplätze schon konkrete Vorschläge zur Schaffung von mehr Plätzen in der Kindertagespflege

(Katrin Seidel)

unterbreitet hat. Aber ich finde, wir können das ganz unter dem Motto sehen: besser spät als gar nicht.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Ich finde das, was Frau Seidel zu dem Komplex der Bedeutung der Kindertagespflege insgesamt gesagt hat, völlig richtig. Ich möchte aber auch noch etwas sagen, um das zu unterstreichen: Die Betreuung der Kinder bei Tagesmüttern und Tagesvätern ist für viele Familien erste Wahl. Aber während in den letzten Jahren – Frau Seidel hat darauf hingewiesen – viele zehntausend neue Plätze in Berliner Kindergärten geschaffen worden sind, stagniert die Anzahl der Plätze in der Tagespflege. Die Anzahl der Tagespflegestellen hat sogar von 1 700 auf nun 1 600, also um hundert, abgenommen. Ich rufe der Koalition und dieser Landesregierung zu: Sorgen Sie dafür, dass wieder mehr Plätze in der Tagespflege entstehen!

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos]

Dem Berliner Abgeordnetenhaus liegt heute auch ein Änderungsantrag der CDU-Fraktion zum Antrag „Kindertagespflege fördern und ausbauen: Mehr Plätze schaffen und Rahmenbedingungen verbessern“ vor. Er betrifft drei Punkte. Das wird aus dem Antrag nicht ganz deutlich, aber deshalb bin ich dankbar, dass ich hier die Gelegenheit habe, das ganz kurz zu erläutern: Zum einen sind wir der Ansicht, dass der Punkt 2 Ihres Antrags nicht in ausreichender Weise berücksichtigt, dass Tagespflegepersonen wie Erzieherinnen und Erzieher in Kitas auch nach dem Berliner Bildungsprogramm und mit dem Sprachlerntagebuch arbeiten. Es ist genau das Gleiche, ob die Kinder in Kitas betreut werden oder bei Tagespflegepersonen: Dort wird gearbeitet nach dem Berliner Bildungsprogramm, und das Sprachlerntagebuch wird geführt. Voraussetzung für diese beiden Dinge sind aus unserer Sicht aber gute sprachliche Fähigkeiten. Deshalb meinen wir, dass dieses Modellprojekt nicht zielführend ist.

Zum anderen haben wir eine andere Auffassung dazu, wie die Gelder aus dem Gute-Kita-Gesetz verwendet werden sollten. Das haben wir auch schon vor vielen Monaten, im Mai 2018, deutlich gemacht, denn wir meinen, dass mit diesen Geldern eine Ausbildungsvergütung für angehende Erzieherinnen und Erzieher finanziert werden sollte. Damit soll ein wesentlicher Anreiz zum Erlernen und Ergreifen des Erzieherberufs geschaffen werden. Mit einer solchen Vergütung könnte bereits in den Jahren der Ausbildung verdeutlicht werden, dass man die Arbeit der künftigen Erzieherinnen und Erzieher von Anfang an wertschätzt. Wir haben es auch in dem Maßnahmenpaket für mehr Plätze, das ich vorhin – auch mit Drucksachennummer erwähnt hatte –, deutlich gemacht, dass wir das gerne mit diesen Geldern finanzieren würden.

Hinsichtlich des dritten Punktes haben Sie recht; das wird sprachlich auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz deut

lich. Wir meinen aber, dass er an dieser Stelle eher passt als an den anderen Stellen des Antrags. Der dritte Punkt, der in dem Antrag nicht behandelt wird, betrifft die geltende Ausführungsvorschrift zur Kindertagespflege. Wir meinen, dass durch eine Änderung dieser Vorschrift die Betreuung in Kleingruppen erleichtert werden könnte. Frau Seidel hat richtigerweise auf die Raumsituation in Berlin aufmerksam gemacht, denn bei der Kindertagespflege haben wir ein Raumproblem, wie wir es in anderen Bereichen in der Stadt auch haben. Wenn es potenziellen Tagesmüttern und -vätern erleichtert werden würde, in eigenen Räumlichkeiten eine Betreuung von Kindern anzubieten, wäre das überaus positiv; deshalb schlagen wir das vor.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Katrin Seidel (LINKE)]

In Bezug auf den Antrag „Erhöhung der Vergütung von Tagespflegepersonen“ frage ich, ob Sie die Formulierung so verstanden wissen wollen, dass auch die Vergütung für das Vertretungspersonal erhöht und dynamisiert werden soll. – Ich freue mich, wenn die nachfolgenden Redner der SPD und der Grünen hierzu noch kurz Stellung nehmen würden. Denn die Erhöhung der Vergütung für das Vertretungspersonal muss aus unserer Sicht erfolgen, um wieder mehr Menschen zu finden, die bereit sind, Krankheits- und sonstige Abwesenheitsvertretung zu übernehmen.

Insgesamt hofft die CDU-Fraktion, dass auch diese beiden Anträge dazu beitragen, dass Rot-Rot-Grün die Tagespflege nach vielen Jahren endlich nicht mehr vernachlässigt. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Für die SPD-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Kühnemann-Grunow das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den beiden vorliegenden Anträgen nimmt sich Rot-Rot-Grün gleich zwei wichtiger Themen an, und zeigt einmal mehr, dass wir nicht nur die Situation der Eltern im Blick haben, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind suchen, sondern dass wir auch für gute Arbeit in der Stadt sorgen wollen.

Mit der letzten Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes haben wir zahlreiche Verbesserungen in den Berliner Kitas zum Wohle der Kinder, Eltern und Beschäftigten auf den Weg gebracht. Heute geht es uns – Frau Seidel hat es bereits ausgeführt – darum, die Angebote der Kindertagespflege zu stärken und – ja, Herr Simon – auch auszubauen. Die Angebote der Kindertagespflege sind

(Roman Simon)

neben der Kita vor allem – da muss man ehrlich sein – für jüngere Kinder und für Familien mit besonderen Bedarfen geeignet, und werden von den Genannten auch besonders nachgefragt. Wir alle wissen von Wartelisten, von besonders begehrten, beliebten Tagesmüttern. Angesichts des wachsenden Bedarfs an Angeboten der frühkindlichen Förderung wollen wir, dass neben Kita die Kindertagespflege quantitativ wie auch qualitativ mitwachsen kann.

Wir wissen um die hohe Akzeptanz der Kita und des Berliner Bildungsprogramms, und wollen auch nicht, dass das unterlaufen wird. Die Tagespflege ist hier eine sinnvolle Ergänzung. In Berlin sind wir in der glücklichen Lage, viele qualifizierte Menschen zu haben, die sich in der Tagespflege engagieren; Herr Simon hat schon etwas zum Berliner Bildungsprogramm und zum Sprachlerntagebuch gesagt, das auch dort gepflegt wird.