[Heiterkeit und Beifall von Andreas Wild (fraktionslos) – Beifall von Herbert Mohr (AfD) – Zuruf von der LINKEN: Ach Gott!]
Dr. Berg! Ich bin davon ausgegangen, dass sich der geprüfte Rechtskandidat Schlüsselburg durchaus mit Kollegen austauscht und daher diese Kenntnis haben kann.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Fresdorf! Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie der Wahrheit hier Geltung verschafft haben, und möchte Sie fragen, ob Sie mit mir darin übereinstimmen, dass das Land Berlin insbesondere im Bereich der Strafverfolgungsbehörden – konkret der Staatsanwaltschaft – nicht die Kapazitäten hat, um Staatsanwälte als Aufpasser neben in Ausbildung befindliche Staatsanwälte bzw. Rechtsreferendare zu setzen? Teilen Sie mit mir den Eindruck, dass es besser wäre, wenn die ausgebildeten Staatsanwälte Strafverfolgung betreiben, anstatt Kindergärtneraufgaben wahrzunehmen?
[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der AfD – Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]
Als jugendpolitischer Sprecher, Herr Kollege Rissmann, muss ich sagen, dass Kindergärtnerarbeiten sehr wichtig sind – aber sicherlich nicht in der Justiz.
Da haben Sie vollkommen recht: In der Justiz haben diese keinen Platz. Wir wissen alle, wie dünn die Personaldecke bei der Staatsanwaltschaft ist.
[Torsten Schneider (SPD): Das sind erwachsene Frauen! Jetzt macht mal einen Punkt, ihr Machos! – Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]
Dann ist es natürlich ein großes Problem, wenn Kapazitäten abgezogen werden, um direkt im Prozess daneben zu sitzen, was gar nicht üblich ist – das habe ich eingangs dargestellt. Es ist wirklich erschreckend, wie damit umgegangen wird.
Aber wie mit dem Foulspiel umgegangen wird, darüber muss die SPD entscheiden. Es ist schon interessant, wie kraftstrotzend und selbstbewusst sich die Grünen in dieser Koalition zeigen. Sie sind ja immer Umfrageweltmeister – bei den Wahlen sieht es meist anders aus. Momentan ist es aber so, dass man vor Kraft kaum gehen kann. Das scheint auch auf den Senator ein bisschen abzufärben. Bei uns ist es genau andersrum: Wir sind in Umfragen meist nicht so gut, dafür aber am Wahltermin. Ich kenne mich da aus, machen Sie sich keine Sorgen!
Man kann nur sagen, dass wir das Thema staatliche Neutralität für ein sehr hohes Gut halten und dass dieses Handeln des Justizsenators große Fragen aufwirft. – Ich finde es brandgefährlich, Herr Behrendt, was für Entscheidungen Sie da getroffen haben. Die staatliche Neutralität muss immer gewahrt werden, gerade in der Justiz, und was Sie dort machen, ist das Unterhöhlen eines Rechtsstaatssystems, was einem Justizsenator einfach nicht zusteht.
Da ich noch zwei Minuten Redezeit habe, können wir noch ganz kurz über Rechtsstaatsverständnis und Demokratie sprechen: Wir hatten gestern im Rechtsausschuss – machen wir einen kleinen Ausflug; das beschreibt vielleicht auch den Zustand der Koalition ganz gut – unseren Erweiterungsantrag zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss 2, und dort gab es den Antrag seitens der Linken, die sagten: Wir hatten keine Zeit, den Antrag, der seit Mai dieses Jahres vorliegt, rechtlich zu prüfen.
Wir würden dann vielleicht in der nächsten Sitzung ein WPD-Gutachten beauftragen, und so lange vertagen wir
das, obwohl es bei Untersuchungsausschüssen ein Beschleunigungsgebot gibt. – Den Hinweise habe ich Ihnen gestern auch gegeben, er drang leider nicht so richtig durch. Zur Ehrenrettung der SPD muss ich sagen: Ich habe gesehen, wie schwer es für Sie war, die Hand zu heben. Nachher hat es dann einer für alle getan, weil die anderen sich für das Verhalten Ihrer Koalitionspartner geschämt haben.
[Antje Kapek (GRÜNE): Wenn es um Zustände geht, muss sich die FDP nicht aus dem Fenster lehnen! Da herrschen noch ganz andere Zustände!]
Demokratie ist, mit Mehrheit zu entscheiden, Rechtsstaat ist, sich an Gesetze zu halten. Wir werden schauen, dass wir dem Recht Geltung verschaffen. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir die Vorbemerkung, dass die CDU ganz offensichtlich das Gesetz – das haben wir gerade schon festgestellt –, das sie hier so eindringlich zu verteidigen versucht, überhaupt nicht gelesen hat! Anders ist der vorliegende Antrag nicht zu erklären, und das ist an erster Stelle vor allem eines, nämlich in höchstem Maße peinlich.
[Heiko Melzer (CDU): Ist Frau Scheeres auch peinlich, wenn sie das Gesetz richtigerweise verteidigt?]
Um sich der Faktenlage zuzuwenden – der Kollege Schlüsselburg hat sie schon vorgestellt, und ich würde das bekräftigen wollen: Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar dieses Jahres dürfen Rechtsreferendarinnen und -referendare durchaus und ausdrücklich auch die Sitzungsleitung oder die staatsanwaltliche Sitzungsvertretung mit sichtbar religiösen Kleidungsstücken wie beispielsweise dem Kopftuch oder der Kippa ausüben.
Dies entsprach und entspricht im Übrigen – und da müssen Sie sich noch einmal festhalten, weil es auch falsch ist, was Sie gesagt haben – auch dem Berliner Neutralitätsgesetz, denn § 4 des Neutralitätsgesetzes, der über § 10 Abs. 3 des Juristenausbildungsgesetzes Anwendung findet für Berliner Rechtsreferendarinnen und -referendare, für Beamtinnen und Beamte im Vorbereitungsdienst und andere in der Ausbildung befindliche Personen, lässt
Ausnahmen von dem in § 1 Neutralitätsgesetz geregelten Verbot des Tragens sichtbarer religiöser und weltanschaulicher Symbole bei hoheitlicher Tätigkeit innerhalb des Dienstes dezidiert zu. Unter welchen Umständen diese Ausnahmen gelten, obliegt gemäß § 4 Neutralitätsgesetz dem Ermessen der zuständigen Personalstelle. Das war in diesem Fall nicht der Senator – insofern geht auch dieser peinliche Vorwurf ins Leere –, sondern der Präsident des gemeinsamen juristischen Prüfungsamts gemeinsam mit dem für die Ausbildung der Referendarinnen und Referendare zuständigen Präsidenten des Kammergerichts.
Diese Regelung – das kann man nur bekräftigen; da haben Sie auch nicht richtig hingeguckt – gilt für Referendarinnen und Referendare, die im Kammergericht ihre Ausbildung beginnen, bereits seit dem 1. August.
Diese Ausnahme bei Referendarinnen und Referendaren ist nicht neu – das haben wir auch schon gehört –, sondern sie kommt in Berlin schon länger zur Anwendung, und sie wurde in der Tat von der Bildungsverwaltung im September 2017 in einem Rundschreiben an alle öffentlichen Schulen bekräftigt. Ich zitiere:
Für Lehramtsanwärterinnen und Lehramtsanwärter werden gemäß § 4 Neutralitätsgesetz Ausnahmen vom Verbot nach § 1 gemacht. Der Staat besitzt hier ein Ausbildungsmonopol,
grundsätzlich ein Anspruch auf Teilhabe an der staatlichen Ausbildung ergibt, sofern die regulären Ausbildungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Das ist der Text der Bildungsverwaltung. Dem stimmen wir ausdrücklich zu, und nach dem wurde auch gehandelt.
Es ist darüber hinaus noch festzustellen, dass GJPA und Kammergericht mit der vorgeschriebenen Aufsichtspflicht sogar restriktiver agieren als die Bildungsverwaltung für den Schuldienst. Um es kurz zu machen: Diese Angriffe der CDU in dem Antrag sind substanzlos und in der Sache falsch, und es wirklich schade um die vertane Zeit. Diesen möchte ich abschließend nutzen, um festzuhalten, dass es aus antidiskriminierungspolitischer Perspektive nicht nur richtig, sondern sehr zu begrüßen ist, wenn Auszubildende, welche die Diversität unserer Stadtgesellschaft abbilden, auch in Kern- und Schlüsselbereichen unseres Staates und unserer Verwaltung gleichberechtigt Zugang finden.
Da der Senat – es wurde jetzt über den Senator im gestrigen Rechtsausschuss gesprochen – auch heute in der Fragestunde ganz offensichtlich nicht mit einer Stimme gesprochen hat, sondern – ich habe das jetzt gehört – die „persönliche Agenda“, dann in dem Fall der Bildungssenatorin, vorgetragen worden ist,
möchte ich für uns festhalten und ergänzen, dass wir ausdrücklich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zum Neutralitätsgesetz begrüßen. Ich wünsche der Bildungssenatorin viel Glück vor dem Bundesverfassungsgericht, wie sie angekündigt hat. Vielleicht sollte sie sich noch einmal informieren, wie das funktionieren könnte.
Die notwendigen Konsequenzen für eine Gesetzesnovellierung werden wir prüfen. Es kann aus unserer Sicht nicht sein, dass Berlin fortlaufend gegen das Antidiskriminierungsgesetz des Bundes, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, verstößt und damit Diskriminierung im eigenen Namen akzeptiert. Das muss sich endlich ändern. – Ich danke Ihnen!
[Beifall bei den GRÜNEN – Sven Kohlmeier (SPD): Brauchst du noch Paartherapie? – Zuruf von der SPD: Mediation!]
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Fraktion der CDU beantragt die sofortige Abstimmung über ihren Antrag. Die Koalitionsfraktionen beantragen dagegen die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung. Gemäß § 68 der Geschäftsordnung lasse ich zuerst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer der Überweisung des Antrags an den Rechtsausschuss zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenstimmen? – Das sind die Oppositionsfraktionen und die drei anwesenden fraktionslosen Abgeordneten Nerstheimer, Wild und Bießmann.