Protocol of the Session on October 1, 2020

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(Sven Kohlmeier)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Das ist ein wichtiges Thema, das wir heute besprechen.

[Zuruf von Stefanie Remlinger (GRÜNE) – Zuruf von der SPD]

Herr Kohlmeier! Es ist mitunter unerträglich, dass Sie aus fast jedem Sachantrag, egal mit welchem Sachbezug, eine ideologische, eine missbilligende, eine aus dem Zusammenhang gezogene und eine beleidigende Rede machen, ohne überhaupt auf den Antrag einzugehen.

[Zuruf von Tommy Tabor (AfD)]

Herr Kohlmeier! Das ist kein guter parlamentarischer Stil, das sage ich Ihnen ganz deutlich.

[Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD, der CDU und der FDP]

Herr Kohlmeier! Ich weiß gar nicht, ob Sie Kinder haben.

[Zuruf von der AfD]

Ich sage Ihnen jetzt was: Ich habe drei Kinder aus erster Ehe. Die sind acht, zehn und 20 Jahre alt. Ich habe glücklicherweise eine Exfrau, mit der ich im Rahmen der Partnerschaft und der Trennung reden konnte, was, glauben Sie mir, unglaublich schwer war. Wir haben es in dieser Phase gar nicht geschafft, eine Regelung zu finden. Das sage ich jetzt mal ganz persönlich, weil ich nämlich nicht rede wie ein Blinder von der Farbe, sondern weiß, was es bedeutet, Sorgerechtsverfahren zu führen und das Beste für die Kinder rauszukriegen, in dem Augenblick, wo man gemeinsam Verantwortung trägt. Ich glaube, das sind Dinge, von denen Sie gar keine Ahnung haben. Sie reden hier ideologisch und diskreditierend.

[Beifall bei der AfD]

Gerade in Trennungssituationen gilt es, dass man die Paarebene von der Elternebene trennt. Das gelingt nicht jedem. Ich habe es erlebt, dass ich mit Verbänden gesprochen habe, die mir erzählt haben, die Väter müssen unter Polizeischutz die Kinder abholen. Das sind traumatische Erlebnisse für Kinder.

Herr Kohlmeier! Wenn wir einen solchen Antrag einbringen, der helfen kann, Kindeswohl zu schützen, zu erhalten und zu bewahren, dann bitte ich um ein Mindestmaß von parlamentarischen Gepflogenheiten und nicht um plumpe Beleidigungen und Reden wie von einem Blinden, der von der Farbe redet.

[Anne Helm (LINKE): Ach Quatsch, darum geht es Ihnen doch gar nicht!]

Das ist der falsche Weg, Herr Kohlmeier, und dafür sollten Sie sich eigentlich schämen. Das sage ich ganz deutlich.

[Beifall bei der AfD – Christian Buchholz (AfD): Bravo!]

Herr Kohlmeier! Sie haben die Möglichkeit der Erwiderung. – Bitte schön!

[Zuruf von der LINKEN – Weitere Zurufe – Carsten Ubbelohde (AfD): Kinderschänderpartei!]

Solche Äußerungen weise ich in diesem Haus zurück, und zwar deutlich!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Christian Buchholz (AfD)]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

[Zuruf von Tommy Tabor (AfD)]

Im Rahmen des Möglichen, Herr Woldeit, denn wir haben deutlich unterschiedliche Auffassungen, und Sie kennen meine Auffassung zur AfD und zur Politik, die Sie machen, habe ich Sie jedenfalls in der Auseinandersetzung bisher immer geschätzt, aber wie peinlich ist es denn, dass Sie es nicht aushalten, dass ich hier eine andere Auffassung habe? Und Sie stellen sich hier vorne hin

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie reden doch nur über Höcke und diffamieren uns!]

wie so ein kleiner Junge und machen hier die Heulsuse, weil Sie nicht mal fünf Minuten aushalten, dass ich Ihnen die Wahrheit sage.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Sie halten es doch gerade schon wieder nicht aus, dass ich Ihnen die Wahrheit sage. Hören Sie doch mal zu! Genau so ist ihre Diskussionskultur im Parlament. Danke schön!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Sie werfen mir hier ideologische Diskussionen vor und dass ich nicht weiß, wie die parlamentarischen Gepflogenheiten sind. Ich weiß nicht, ob das frech ist oder ob Sie heute am frühen Nachmittag einfach schon zu viel getrunken haben.

[Zuruf von der AfD: Keine Kinderstube!]

Die ideologischen Diskussionen führen Sie doch hier seit vier Jahren in diesem Haus. Wenn es geht, schreiben Sie in jeden Antrag: Flüchtlinge übervölkern unser Land. – Das ist doch der Einführungssatz in jedem Antrag.

[Zurufe von der AfD]

Sie sind doch die ideologischen Demagogen in diesem Haus,

[Beifall bei der SPD]

die letztendlich nichts anderes können, als Ideologien und Demagogie zu verbreiten.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Sie sind doch Opfer Ihrer eigenen Propaganda!]

Und Sie können es schon wieder nicht, weil Sie nicht den Mund halten können. Ihr General ist ja nicht da, um Sie zurückzupfeifen. Schade eigentlich!

[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Herr Woldeit! Sie haben ja gerade den wahren Grund für diesen Antrag hier vorgetragen. Der wahre Grund ist ja nicht, dass es Ihnen um die Väter geht, und der wahre Grund ist auch nicht, dass manche Sorgerechtstreitigkeiten tatsächlich schwierig sind und juristisch schwierig sind. Der wahre Grund ist doch offenbar, dass Sie eine ganz persönliche Betroffenheit haben, die Sie ja gerade dargelegt haben und dass Sie aufgrund einer persönlichen Betroffenheit hier versuchen, mit parlamentarischen Mitteln irgendwas wiedergutzumachen, ihre Paarebene zu regeln, ihre Elternebene zu regeln – das, Herr Woldeit, wird überhaupt nicht funktionieren. Und die traumatischen Erlebnisse für die Kinder, die Sie angesprochen haben, haben Sie mir noch nicht in Ihrer Zwischenfrage beantwortet.

Zu Ihrer Intervention: Und zwar habe ich darauf hingewiesen, dass es bei der automatischen Übertragung des Sorgerechts Situationen geben kann, wo das Kindeswohl für das Kind gefährdet ist. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Ich möchte nicht, dass Väter automatisch das Sorgerecht für ein Kind bekommen, wenn es zum Beispiel aufgrund einer Vergewaltigung entstanden ist, aber genau das fordern Sie mit Ihrem Antrag. Da ist bei mir und meiner Fraktion jedenfalls eine deutliche Grenze erreicht. Da wird es kein automatisches Sorgerecht geben. Die jetzigen Regelungen im Familienrecht sind richtig. Es geht immer um das Kindeswohl, und das ist im Zweifel im Rechtsstaat vor einem Gericht auszufechten, ob es Ihnen gefällt, Herr Woldeit, oder nicht. – Herzlichen Dank!

Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort Herr Abgeordneter Simon.

Meine sehr verehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute diskutieren wir den Antrag „Eltern sind zur Sorge verpflichtet: Automatisches Sorgerecht für Mütter und Väter – Väter in die Pflicht nehmen und Mütter entlasten“.

Ja, es gibt in diesem Land viele Menschen, die möchten – und ich meine: zurecht möchten –, dass Väter in die Pflicht genommen werden, die nicht möchten, dass Erziehung und das sich Kümmern um Kinder allein Frauen

sache ist, alleine Muttersache ist, die möchten, dass sich beide Eltern – auch die Väter – aktiv einbringen, die möchten, dass Partnermonate gleich genommen werden, die möchten, dass im Falle einer Trennung vielleicht sogar das paritätische Wechselmodell vereinbart wird oder sogar eine andere gesetzliche Regelung als die heutige gesetzliche Regelung gilt, die möchten, dass Kindesunterhalt gezahlt wird und sich darauf verlassen werden kann, dass Kindesunterhalt gezahlt wird, die möchten, dass auch unverheiratete Eltern unkompliziert das gemeinsame Sorgerecht erhalten.

Wie ist zur Zeit die Rechtslage? – In Ihrem Antrag steht der richtige Paragraph: § 1626a BGB. Sind sich die unverheirateten Eltern einig, heiraten sie aber nicht, müssen sie zwei formalisierte Schritte unternehmen, um die gemeinsame elterliche Sorge zu erlangen – also deutlich anders als der Fall, der hier eben geschildert worden ist, da waren ja bei einem meiner Vorredner die Eltern zum Zeitpunkt der Elternschaft miteinander verheiratet –: die Anerkennung der Vaterschaft und die Sorgeerklärung, also zwei Schritte. Möglich ist daher auch der Fall, dass die Anerkennung der Vaterschaft erfolgt, aber die Sorgeerklärung unterbleibt, obwohl eine gemeinsame Sorge für das Kind gelebt werden soll und vielleicht sogar auch ein paar Jahre gelebt wird. Und was passiert dann? So ist jetzt die geltende Rechtslage. Die soll verändert werden. So der erklärte Wille eines Bundesministeriums.

Kurios finde ich aber, dass Ihr Antrag gar nicht an der geltenden Rechtslage anknüpft, sondern an einem von Ihnen vermuteten Gesetzentwurf, also an einem vermuteten Bundesrecht, das noch gar nicht existiert. Es geht Ihnen um einen Referentenentwurf eines Ministeriums, der zu einem Gesetz zur Änderung des Abstammungs-, Kindschafts- und Kindesunterhaltsrechts erfolgt ist. Ich weiß nicht, ob Sie den Referentenentwurf gelesen haben. Der ist ja auch recht lang, 91 Seiten.

[Paul Fresdorf (FDP): Darin steht was anderes als im Antrag!]

Da steht auf Seite 11 tatsächlich etwas ganz bemerkenswertes, Herr Kollege Fresdorf. Selbst wenn es aber nicht um einen Referentenentwurf gehen würde, sondern um einen Gesetzentwurf der gesamten Bundesregierung – selbst ein solcher ist ja noch lange nicht Bundesrecht geworden – haben wir im Bundestag und mit dem Bundestag einen sehr selbstbewussten Gesetzgeber, einen, von dem man sagt: Kein Gesetz wird so beschlossen, wie es als Gesetzentwurf in den Bundestag reingeht. Erst wenn es einen Beschluss des Bundestages gibt, dann ist die Sache beim Bundesrat, und dann ist aus unserer Sicht der richtige Zeitpunkt gekommen, zu schauen: Ist denn das in Ordnung, was nun der Bundestag da gemacht hat, oder wollen wir da vielleicht als Land Berlin etwas anders haben als der Bundestag das gemacht hat. Das finden wir kurios, das finde ich kurios.

(Sven Kohlmeier)

Und was ist jetzt der Inhalt Ihres Antrages? – Sie beantragen, dass auch unverheiratete Väter automatisch gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht erhalten sollen, sofern die Vaterschaft anerkannt ist – so der Wortlaut. Und was enthält der Referentenentwurf? – Ich sprach ja schon von der Seite 11. Domradio.de berichtete am 5. August 2020, dass die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz gesagt habe – und ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin: