Protocol of the Session on November 19, 2020

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Tagesordnungspunkt 30 war die Priorität der FDPFraktion unter der laufenden Nummer 3.5.

Tagesordnungspunkt 31 steht wiederum auf der Konsensliste.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 32:

Aufnahme von Straßenbahntrassen in den Flächennutzungsplan

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 18/3066

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Kollegin Billig hat das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, die hoffentlich noch sehr zahlreich im Livestream sind! Die Straßenbahn hat in Berlin eine über hundertjährige Tradition und außerdem das drittgrößte Schienennetz der Welt – noch. Die gute Nachricht ist: Wir bauen und vergrößern das Schienennetz. In den Sechzigern gab es allerdings die unsägliche Idee der autogerechten Stadt, die dann fleißig umgesetzt wurde. So wurden die Tramlinien im damaligen West-Berlin abgebaut und durch Buslinien ersetzt.

[Beifall von Heiko Melzer (CDU), Franz Kerker (AfD), Gunnar Lindemann (AfD) und Florian Kluckert (FDP)]

Das war jetzt kein Klatschsatz. – Jahrzehntelang war die Tram dann das Stiefkind der Verkehrsplanung und folgerichtig auch nicht im FNP vorgemerkt. Das ist der Punkt, den wir ganz dringend ändern wollen. Wir bekennen uns klar zur Tram als Baustein zur Verkehrswende.

[Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN]

Das war der Klatschsatz – danke! – Das hatten wir schon im Koalitionsvertrag vereinbart. Dann haben wir als nächsten großen Schritt für die Verkehrswende das deutschlandweit erste Mobilitätsgesetz verabschiedet. Auch darin steht der Ausbau des Berliner Straßenbahnnetzes an ganz prominenter Stelle, und damit wird die Tram zu einem noch wichtigeren Element des Umweltverbundes.

Die Tram hat nämlich eine ganze Menge Vorteile: Sie ist schneller und kostengünstiger zu bauen als die U-Bahn. Sie ist umweltfreundlicher und transportiert mehr Fahrgäste als Busse, und außerdem lieben wir Berlinerinnen und Berliner unsere Tram.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD) – Frank-Christian Hansel (AfD): Wir nicht!]

Allem voran sollen die neuen Stadtquartiere gut in das ÖPNV-Netz eingebunden werden. In Adlershof ist – wie wir letzte Woche hören konnten – die Verlängerung der M 17 in Bau und wird im kommenden Sommer in Betrieb gehen.

Eine zweite Sparte ist der Ersatz von stark nachgefragten Buslinien durch die Tram. Alle kennen das: Der Bus kommt endlich, und dann ist er auch noch gerappelt voll. Überfüllte Busse machen den ÖPNV unattraktiv, aber das schaffen wir damit einfach ab.

Im Moment sind 20 neue Strecken in Planung, die in den nächsten zehn Jahren fertig werden. Das klingt erst mal nach einer langen Zeit, aber Planung, Beteiligung und

(Präsident Ralf Wieland)

Bau von gleichzeitig 20 Linien in gerade mal 15 Jahren – das können andere kleinreden, in Wahrheit ist das eine echte Erfolgsgeschichte.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Das wird doch nichts!]

Schauen wir mal! Abgerechnet wird zum Schluss! – Ja, es kommt tatsächlich immer wieder mal zu Verzögerungen in der Planung von einzelnen Strecken. Das liegt in den meisten Fällen daran, dass wir die Bürgerbeteiligung ernst nehmen. Die Einwände werden nicht einfach weggewischt, sondern die Verwaltung beschäftigt sich damit und sucht nach Lösungen für die dort genannten Probleme. Noch schöner wäre es, wenn die Planung schneller geht, aber das darf auf gar keinen Fall auf Kosten der Beteiligung gehen.

Frau Kollegin, bitte warten Sie einen kleinen Moment! – Liebe Kolleginnen und Kollegen. Es ist zu laut! Wer hier Gespräche führen möchte, der muss gegebenenfalls nach draußen gehen. Ansonsten bitte ich, die Lautstärke zu mindern, damit wir alle auch den Ausführungen folgen können. Danke schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Bedeutung der Tram für Berlin ist groß, und das soll sich endlich auch in der vorbereitenden Bauleitplanung niederschlagen. Die Trassenfreihaltung und die Planung, um die es geht, sind im StEP Mobilität und Verkehr, im Zielnetz und im Nahverkehrsplan zu finden. Der FNP ist aber die Grundlage und die Übersicht aller Planungen in Berlin, und da sollte eigentlich die Trassenplanung auch am Anfang stehen.

In dem Augenblick, in dem wir das endlich in den FNP hineinschreiben, bekommen wir Klarheit über Nutzungen und Nutzungskonflikte. Es gibt schon eine Abwägung verschiedener Interessen. Wir beugen Missverständnissen in der Planung vor, und damit gewinnen wir noch mal Zeit. Aber allem voran: Der FNP wird im Parlament verabschiedet – in den meisten Fällen zumindest. In diesen Zeiten, in denen wir völlig richtig mehr parlamentarische Beteiligung einfordern, finde ich, ist das das gewichtigste Argument. Da kann hier im Hause niemand dagegen sein. Deswegen freue ich mich auf die Zustimmung zu diesem Antrag. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Daniel Buchholz (SPD)]

Es folgt der Kollege Friederici von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst auch mal der herzliche Dank an das Personal des Hauses für diese Reinigung, die Sie hier nach jeder Rede vollziehen.

[Allgemeiner Beifall]

Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich erwähne das immer wieder gerne. Mir ist das sehr unangenehm, dass man mir nach- oder vorräumt. Ich sage das ganz deutlich. Das ist übrigens wichtiger als so manches, was heute hier frauenpolitisch auf der Agenda stand und ideologisch vorgetragen wurde.

Ideologie ist aber die große Stärke dieser Koalition und vor allem auch der Grünen. Frau Billig hat genau in diese Kerbe geschlagen. Ich glaube, Sie haben das ein bisschen mit dem Parteitag der Grünen verwechselt, wo Sie noch mal ein Statement abgegeben haben, dass die Tram das Wichtigste in Berlin ist. Ich will Ihnen mal etwas sagen; ich will es Ihnen zugutehalten: Sie machen nicht in originärer Art und Weise Verkehrspolitik. Das wesentliche Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs ist die Berliner S-Bahn, dann kommt die U-Bahn, dann der Bus und an vierter Stelle die Tram. Wenn Sie sagen, die Tram steht für Berlin –: sicherlich für einen Teil Berlins, auch für die, die der gestrigen Zeit bis 1990 nachtrauern. Aber in weiten Teilen Berlins ist es nicht so.

[Lachen bei der AfD – Beifall bei der AfD]

Die Leute wollen unabhängig vom Wetter sein, sie wollen schnell in einem großen Massenverkehrsmittel – der Berliner S-Bahn und der U-Bahn, aber nicht der Tram – fahren. Da muss ich Ihnen sagen, dass zwei Drittel der Menschen das so sehen. Wenn Ihre Grünenwähler das anders sehen – na ja, Sie müssen denen einen Gefallen tun; das ist klar.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der FNP wird alle 20 Jahre geändert, das ist ein starres Mittel der Verkehrsplanung. Da ist es eben richtig, dass große Trassen der Berliner Verkehrspolitik wie die UBahn und die S-Bahn im Flächennutzungsplan stehen, aber bei Weitem nicht die Straßenbahn.

Das hat auch nichts mit dem Schlagwort der autogerechten Stadt zu tun. In den 60er-Jahren hatten wir noch gar keinen Flächennutzungsplan, und da standen solche Dinge noch gar nicht drin. Hören Sie auf, von der autogerechten Stadt zu sprechen! Wenn Sie eine autogerechte Stadt suchen, dann fahren Sie nach Singapur, dann fahren Sie vielleicht nach München, aber mit Sicherheit nicht nach Berlin! Das, was Sie hier im Berliner Straßenverkehr für den Lieferverkehr, für die Rettungsdienste, für die Polizei, für den allgemeinen Verkehr, auch für den

(Daniela Billig)

BVG-Busverkehr blockieren, ist nicht die autogerechte Stadt, das ist Blockade.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Zu diesem Mittel gehört auch Ihre Straßenbahn!

Einen kleinen Moment, Herr Friederici! – Auch hier gilt es, den Gesprächspegel herunterzufahren. – Frau Bangert, wenn Sie mit Ihrem Herrn Wesener reden wollen, dann gehen Sie bitte raus und stören uns nicht!

Ich fühle mich übrigens – und das geht auch an die rege Opposition –, wenn das niveauvolle Zwischenrufe sind, geradezu emotional herausgefordert, darauf zu antworten, aber wenn nichts kommt, dann kommt eben nichts.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Gunnar Lindemann (AfD) – Zuruf]

Es ist mir klar, dass Sie vor den Wahlen groß erklären wollen, was Sie bei der Straßenbahn vorhaben, aber da rufe ich meine Erinnerung auf: Diese Koalition regiert 47 Monate. Sie haben bis zum heutigen Zeitpunkt nicht einen einzigen Kilometer der Berliner Straßenbahn eröffnet.

[Ronald Gläser (AfD): Besser so!]

Sie haben eine einzige Straßenbahntrasse neu begonnen, nämlich die besagte M 17 in Adlershof. Da sag ich Ihnen mal ganz deutlich: Wir Christdemokraten hätten da schon mehr zustande gebracht.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Es ist wirklich so: Wenn man nicht an den Themen dranbleibt, dann passiert auch nichts. Wenn Sie so lange an diesem ideologischen Projekt der Straßenbahnverlängerung vom Alexanderplatz über die Leipziger Straße, den Leipziger Platz und die Potsdamer Straße bis nach Steglitz festhängen, das schon an der Gertraudenbrücke scheitert, weil Sie die zu klein geplant haben, und der Bezirk Mitte – rot-grün dominiert – Ihnen das jetzt auch verhagelt, dann kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie im öffentlichen Nahverkehr bei neuen Strecken Ressourcen verplempern, dann kümmern Sie sich lieber darum, dass die parallel verlaufende S 1 endlich im Fünf-MinutenTakt fährt!

[Beifall bei der CDU und der FDP – Beifall von Andreas Wild (fraktionslos)]

Sorgen Sie dort dafür, dass die Menschen auf einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr umsteigen, anstatt immer wieder neue Nebelkerzen zu werfen mit einem FNP, den Sie mit Sicherheit in den nächsten elf Monaten für die Straßenbahn nicht ändern werden – bei der Zer

strittenheit dieser Koalition, wo es darum geht, vielleicht mal den einen oder anderen widerrechtlichen Pop-upRadweg zu markieren. Aber ansonsten haben Sie weder einen Bus mehr eingesetzt noch einen Straßenbahnkilometer fertiggestellt, weder eine Linie bei der BVG neu eröffnet noch irgendwie nennenswert Bustakte oder Straßenbahntakte erweitert. Beim S-Bahn-Ausschreibungsverfahren, Teilnetz 2 und 3, haben Sie sich drei Jahre gestritten.