Protocol of the Session on March 11, 2021

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Ist so! –

Eine Rede für die Mülltonne, hat der Kollege gesagt! –

Dann aber bitte

wenigstens für die Biotonne!]

Für die FDP-Fraktion folgt dann Frau Dr. Jasper-Winter. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass die Coronapandemie Auswirkungen auf Frauen hatte und hat. Die Taten häuslicher Gewalt sind gestiegen, Frauen haben überproportional die Sorgearbeit für Familie übernommen, und durchschnittlich arbeiten Frauen bezahlt sechs Stunden, mit Kinder sogar elf Stunden, pro Woche weniger als Männer. Aber zur Wahrheit gehört natürlich dazu, dass auch viele Männer in dieser Krise Care-Arbeit übernommen und sich auch beteiligt haben. Aber es sind im Endeffekt immer noch mehr Frauen.

In der Forschung wurde festgestellt, dass die Veröffentlichungen von Frauen rückgängig waren und für die Gründerinnen hat sich der Zugang zu Kapitalgebern weiter verschlechtert, das sagt der neueste Female Founders Monitor. Zu all diesen Fakten empfehle ich der AfD einen Faktencheck. Das ist nicht Ihre Sache, ich weiß, aber Sie sollten sich die Zahlen dazu vielleicht einmal durchlesen.

[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN]

Aber seien wir ehrlich: Corona hat nicht dafür gesorgt, dass es einen Gender-Care-Gap gibt, Corona hat nicht dafür gesorgt, dass es einen Gender-Pay-Gap gibt,

[Marc Vallendar (AfD): Es gibt keinen Gender-Pay-Gap!] ]

und Corona hat auch nicht dafür gesorgt, dass Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden. Corona hat die gesellschaftlichen Probleme bei der Gleichberechtigung verstärkt, und das an vielen Stellen zulasten der Frauen.

[Zuruf von der LINKEN: Richtig!]

Dazu, muss ich sagen, kommt herzlich wenig vom Senat, aber, liebe SPD, auch herzlich wenig von Ihrer Bundesfamilien- und Frauenministerin.

[Beifall bei der FDP – Torsten Schneider (SPD): Ja, natürlich, natürlich!]

Ich höre von Frau Giffey viele warme Worte, ich sehe auf Instagram schöne Bilder, aber viel gebracht hat es für die Frauen, auch in Berlin, ehrlich gesagt, nicht.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Während 75 Prozent der systemrelevanten Berufe von Frauen ausgeübt werden, die dann auch die gesundheitlichen Risiken tragen, Frauen im Durchschnitt weniger verdienen, von Kurzarbeit beeinträchtigt sind und die Doppel- und Dreifachbelastungen etwa durch Kinderbetreuung gestiegen sind, war Frau Giffey im Mai letzten Jahres vor allem deshalb verärgert, weil das mit der Frauenquote in Führungspositionen nicht so richtig vorankam.

[Zuruf von Lars Düsterhöft (SPD)]

Liebe SPD! Kommen Sie doch mal vom Elfenbeinturm herunter und raus auf den Boden der Tatsachen, was in dieser Stadt wirklich notwendig ist, für Frauen, für Alleinerziehende und für Familien.

[Beifall bei der FDP]

Auch der Senat hat mehr Entschlossenheit, zusammen mit Ihnen, mit den Regierungsfraktionen, gezeigt bei der Einführung eines neuen Feiertages, anstatt hier die Probleme vor Ort anzugehen.

[Zuruf von Franziska Leschewitz (LINKE)]

Das letzte Mal als wir uns hier über die Coronapandemie und die Auswirkungen auf die Frauen unterhalten haben, da war es eigentlich Ihr Stand und Ihr Antrag, dass wir erst mal eine Studie brauchten, um die Auswirkungen zu untersuchen. Ich bin ja schon etwas verwundert – da haben Sie ja auch die Studie beschlossen, an der wird gearbeitet –, dass wir hier zu dem Thema sprechen, ohne dass Ihre Studie vorliegt.

[Beifall bei der FDP]

Ich habe das ja bezweifelt, dass wir diese Studie brauchen, aber entweder sagen Sie jetzt, Ihre Studie ist unnütz, oder wir diskutieren hier im luftleeren Raum. Das ist widersinnig und heute wieder einmal Symbolpolitik.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Burkard Dregger (CDU) – Zurufe von Franziska Leschewitz (LINKE) und Ines Schmidt (LINKE)]

Aber, wir wollen ja pragmatisch sein und uns darüber unterhalten und auch wissen und diskutieren, wo der Schuh drückt und wo der Senat jetzt handeln muss. Wenn ich von Frau Çağlar von der SPD am Ende ihrer Rede höre, sie will nicht mehr, dass sie den Kuchen allein backen muss, müssen wir dazu auch einmal ganz klar sagen: Was ist die Aufgabe von Politik? Was ist aber auch

(Bettina Jarasch)

nicht Aufgabe von Politik? – Zur Wahrheit der Gleichberechtigung gehört auch dazu – das will ich voranstellen –, dass ein Teil der Gleichberechtigung sich nicht durch den Staat regeln lässt. Alle Reden, die ich gehört habe, bis auf diejenige von Frau Seibeld,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Und unsere!]

haben sich ausschließlich an den Staat gerichtet. Viel ist doch auch eine Vereinbarung in den Familien für mehr Gleichberechtigung.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Da brauchen wir auch mehr Eigenverantwortung.

Jetzt zu dem, was der Staat leisten muss und was der Senat leisten muss: Das sind die Kernaufgaben, die erledigt werden müssen. Erster Punkt: Der größte Anteil der systemrelevanten Berufe wird durch Frauen ausgeübt: Krankenpflegerinnen, Ärztinnen, Kassiererinnen, Erzieherinnen usw. Denen ist nicht geholfen, nicht nur geholfen mit einer 28-seitigen Liste aller systemrelevanten Berufe. Wir brauchen mehr Kitaplätze und vor allem Kitaplätze in Randzeiten, 24-Stunden-Kitas und mehr Betreuungsmöglichkeiten der Kinder zu Hause. Das wäre etwas, womit wirklich geholfen wäre.

[Beifall bei der FDP – Beifall von Mario Czaja (CDU) und Cornelia Seibeld (CDU)]

Da höre ich von der Linken, wir müssen jetzt alle Minijobs abschaffen.

[Beifall von Anne Helm (LINKE)]

Ich frage mich, wo Sie leben. Wenn wir die Minijobs abschaffen, dann haben noch weniger Familien die Möglichkeit, zusätzlich Entlastung zu bekommen. Da geht hier noch mehr wertvolle Arbeit in die Schwarzarbeit und in den illegalen Bereich ohne Sozialsicherungssysteme. Das ist völlig weltfremd, was Sie hier vorschlagen.

[Beifall bei der FDP und der CDU]

Zweiter Punkt: Frau Seibeld, Sie haben es gesagt: Schulen und Kitas müssen in Zeiten einer Pandemie funktionieren, und der Senat hat im vergangenen Jahr, das muss man wirklich sagen, verkannt, dass das die wesentliche Bedeutung für Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Deswegen muss dieser Teil in der Gesellschaft, diese Infrastruktur, funktionieren. Ich frage: Wo sind sie, die Schnelltests für die Kinder? – Die waren angekündigt. Österreich macht es vor, wie Schule funktionieren kann. Da sind die Frauen und Männer, Familien mit Kindern dankbar, dass das relativ gut organisiert funktioniert. Das können wir doch auch! Aber wo sind sie?

[Beifall bei der FDP]

Ich habe sie noch nicht bekommen für meine Kinder.

Dritter Punkt: Familien, finde ich und finden wir als FDP- Fraktion, wurden vom Senat im Stich gelassen. Sie

haben eigentlich angekündigt, Sie wollen ein unbürokratisches, schnelles Coronaelterngeld hier auf den Weg bringen. Dann wurde das Ganze wieder über den Haufen geworfen, vorgeschobene Kompetenzprobleme. Wir haben Ihnen einen Antrag auf den Tisch gelegt, wie man das lösen könnte. Paul Fresdorf hat für uns diesen Antrag hier eingebracht. Wir wollen ein Elterngeld für Coronaeltern, wie sie sich so schön nennen. Da nützen auch, Frau Schmidt, die paar Kinderkrankentage nichts, die werden uns in den nächsten Wochen und Monaten nicht helfen. Wir brauchen hier nach wie vor eine Lösung. Greifen Sie unseren Vorschlag auf!

[Beifall bei der FDP – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Der ist konstruktiv und tut damit etwas für Frauen, aber auch für die Männer, für die Väter in dieser Stadt.

Finanzielle Sorgen und finanzielle Einschränkungen sind für mehr Frauen in Berlin zum Alltag geworden. Damit komme ich zu einem wirklich sehr schwerwiegenden Thema: 60 Prozent der Frauen geben jetzt an, dass sie das Thema Altersarmut stark beschäftigt. 14 Prozent Frauen gegenüber 4 Prozent Männern planen sogar, ihre Altersvorsorge zu kürzen. Die Coronapandemie wird dieses Problem – da stimme ich Ihnen zu, Frau Schmidt –, noch verschärfen und uns schwerer belasten.

Aber es müssen eben auch Antworten her. Auf Bundesebene sagen wir zum Beispiel: Wir müssen das Rentensplitting zugänglicher und stärker bekannt machen. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Menschen, die in einer Partnerschaft Care-Arbeit unbezahlt übernehmen, auch in dieser Zeit von Rentenpunkten profitieren. Es kann nicht sein, dass diejenigen mit leeren Händen dastehen, die diese wertvolle, aber unbezahlte Arbeit übernehmen.

[Beifall bei der FDP]

Jetzt noch ein Punkt: Es wurde viel gesprochen über Berufe, die Frauen ergreifen, die nicht gleichwertig bezahlt sind, im Vergleich zu den Berufen, die überwiegend die Männer ergreifen. Ich vermisse hier in Berlin eine nachhaltige, durchgängige MINT-Strategie. Denn zur Wahrheit gehört doch auch dazu, dass wir anmahnen, dass es zu wenig Frauen und Mädchen in den MINTBerufen gibt – übrigens auch im digitalen Bereich, wir haben ein Digital-Gap –, aber letztlich hier in Berlin wenig läuft. Wir haben Einzelevents, Girls’ Day, wir haben Einzelprojekte, die sehr gut sind, Haus der kleinen Forscher, ich hoffe auch Forscherinnen, aber wir haben für die Schulen und auch für die Kitas – ich meine, das beginnt schon vorher –, keine gute MINT-Strategie, wie wir Jungen, aber eben vor allem auch Mädchen hier stärker fördern können. Die Mädchen sind genauso schlau, wie die Jungs, aber sie bekommen das eben nicht so selbstverständlich vorgelebt. Da müssen wir in Schulen und Kitas ran.