Protocol of the Session on June 3, 2021

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[Beifall bei der LINKEN]

Für die AfD-Fraktion folgt dann Herr Hansel.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Berliner! Die Metropole Tel Aviv baut die zweisitzige solarbetriebene Hightech-Magnetschwebebahn SkyTran des amerikanischen Luft-und Raumfahrtingenieurs Douglas Malewicki, die per Smartphone geordert werden kann. Die 3-Millionen-Einwohner-Stadt Dubai avanciert zur Teststrecke für eine Mobilität der Zukunft in großem Stil. Hier entsteht 140 Kilometer lange Strecke der überdimensionierten Rohrpost Hyperloop – das haben Sie vielleicht schon einmal gehört – für den Personenverkehr von Dubai nach Abu Dhabi. Man will den Stadtverkehr mit dem Schwebebahnsystem SkyWay des russischen Erfinders Anatoli Unitsky revolutionieren und mit autonom fliegenden Lufttaxis, sogenannten Taxidrohnen, den Verkehrsmix ergänzen. Das Lufttaxi des deutschen Start-ups Volocopter absolvierte 2017 bereits seinen Jungfernflug über Dubai. Warum eigentlich nicht über den Dächern von Berlin?

In Nordrhein-Westfalen hat man große Pläne mit dem Unternehmen Lilium aus Oberbayern, das einen senkrecht startenden und landenden Elektrojet entwickelt hat. Zusammen mit den Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn will Lilium ein Flugtaxinetzwerk aufbauen.

Der Berliner Senat dagegen schließt erst den Flughafen Tempelhof, ohne das Potenzial nachhaltig zu nutzen, und hat nun auch Tegel dichtgemacht. Jetzt planen Sie, aus dem Gebäude des Flughafens Tempelhof ein Kunst-,

Kultur- und Kreativquartier zu machen. Wir schätzen Kunst und Kultur, diese Berliner Mischung, doch sind wir der Meinung, dass sie anders als andere Unternehmen die Infrastruktur Tempelhofs nicht unbedingt dringend zur Entfaltung benötigen – die Potse schon mal gar nicht.

Ob Sensortechnik für Lufttaxis, die Entwicklung von Flugzeugtreibstoff aus CO2 und Zitronensäure, innovative Antriebstechniken für Passagierflugzeuge, senkrecht startende Flugzeuge wie der leise Starling Jet des britischen Start-ups Samad Aerospace oder das in Braunschweig erfundene Gefährt Carplane, das genauso wie das in den Niederlanden erfundene PAL-V sowohl Auto als auch Flugzeug ist – all das sollte künftig in einem Kompetenzzentrum Luft- und Raumfahrt sowie alternative Mobilität in dem Gebäude Tempelhof entwickelt werden.

[Beifall bei der AfD]

Das passt auch zum Alliiertenmuseum und zum Technikmuseum mit der Flugzeugsammlung. Insofern gehen wir sehr gut mit den Freien Demokraten mit, aber der Antrag geht uns natürlich nicht weit genug. Er bleibt wieder im Klein-Klein stecken und gibt kein wirkliches Ziel für den Standort Tempelhof an.

Ich schließe an Herrn Schneider an, dass man sich bei einem Großprojekt in der Tat committen muss, aber das muss der Staat auch nicht alleine machen. Auch da kann man die Privaten miteinbeziehen. Mitten in der City bietet es mit einer Größe von 450 Fußballplätzen ausreichend Büroräume und Testgelände für die Ideenschmiede von morgen – auch Verwaltung. Es ist groß genug, aber dieses Kompetenzzentrum für die Luft- und Raumfahrt hat hier seinen Platz, denn selbst Airbus sollte sein Lufttaxi nicht auf dem Testflughafen im bayerischen Manching erproben, sondern in der Hauptstadt.

Ob Branchenschwergewichte wie Airbus und Boeing oder Start-ups – viele sehen in Flugtaxis eine Milliardenindustrie. Berlin muss hier an vorderster Front mitspielen und dem Operettenlied „Das ist die Berliner Luft“ eine ganz neue Bedeutung verleihen.

[Beifall bei der AfD]

Das Hochgeschwindigkeitssystem Hyperloop von Elon Musk, bei dem eine Kapsel, in der mehrere Menschen Platz haben, in einer fast luftleeren Unterdruckröhre mit 700 Kilometern pro Stunde – und damit schneller als ein Flugzeug mit 600 Kilometern pro Stunde – davonschwebt, könnte in Berlin weiterentwickelt werden.

Im Bereich der Luft- und Raumfahrt kann Berlin bisher mit Unternehmen aufwarten, die Kleinsatelliten herstellen. Der Fokus der Berliner Luftfahrtbranche liegt auf der Entwicklung von Softwarelösungen, elektroakustischen Komponenten und der Nutzung erneuerbarer Energien. Triebsentwicklung und -fertigung, Drohnentechnologie

(Katalin Gennburg)

sowie Leichtflugzeugbau befinden sich vor allem in Brandenburg.

Ein Kompetenzzentrum der Luft und Raumfahrt in Tempelhof wäre daher eine ideale Branchenerweiterung und Ergänzung für Berlin an diesem Standort. Mit Corona ist die Fliegerei keinesfalls am Ende. Die Entwicklung zeigt vielmehr in Richtung neuer Flugzeugtypen oder kleiner, mehrstöckiger Flughäfen für senkrecht startende Verkehrsflugzeuge. Sie müssen in naher Zukunft in Tempelhof „made in Berlin“ werden – und damit im Sinne des vom britischen Architekten Norman Foster geprägten Claim, und das ist ganz wichtig, denn das knüpft an die große Historie Berlins und diesem Flughafen an: Er nannte ihn „the mother of all airports“.

[Beifall bei der AfD]

Mit einem Satz – und das steht auch alles in unserem „Blue Deal 2030“ für Berlin –: Der ehemalige Flughafen Tempelhof muss mit einem Kompetenzzentrum für Luft- und Raumfahrt sowie alternative Mobilität zu einem technologieoffenen Zukunftsort werden, wo Lufttaxis, Flugzeugkomponenten, innovative Antriebstechniken, Komponenten für die Raumfahrt oder neuartige Verkehrsmittel von Unternehmen der Branche entwickelt und hergestellt werden.

Mit dieser Zielstellung gehen wir in die Debatte in den Ausschüssen. Ich habe es heute Morgen schon gesagt: Wir wollen in und mit Berlin mehr. Wir wollen mit Berlin weiter, auch in Tempelhof. – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Es folgten für die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen Frau Billig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was sich auf den ersten Blick gar nicht so gut anhört, ist es dann auch nicht, und mir scheint, die FDP hat ein Herz für Flughäfen. Da jetzt Tegel nicht mehr als Thema für den Wahlkampf taugt, hat sich die FDP den nächsten Ex-Flughafen ausgesucht. Das ist auch gar nicht schlimm. Wir haben auch ein Herz für Ex-Flughäfen, und wir diskutieren das auch sehr gerne mit Ihnen, aber ich schlage vor, dass Sie sich wenigstens ein bisschen an der Realität orientieren. Stattdessen sehe ich hier in dem Antrag ein Wolkenkuckucksheim.

Vor einem Monat war im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien der Umzug der DFFB zum Tempelhofer Flughafen das Thema. Dazu haben sich alle bekannt, und das ist in Arbeit. Es wurde aber auch klar gesagt, wo die Probleme liegen und in welchen desaströsen Zustand das ehemalige Flughafengebäude

Tempelhof ist. Es ist die größte Schrottimmobilie der Welt, und das ist unglücklicherweise keine Übertreibung.

[Zuruf von Sibylle Meister (FDP)]

Daran wird der Antrag definitiv nichts ändern, im Gegenteil: Die Forderungen sind unrealistisch, sie lassen die wesentlichen Fragen unbeantwortet oder ignorieren sie sogar. Würden wir dem folgen, so wie es da steht, würde alles nur schlimmer werden.

Die Auflösung der Tempelhof Projekt ist zum Beispiel einfach falsch. Die haben einen guten Job gemacht, so gut wie das unter den gegebenen Umständen eben ging. Ich weiß auch nicht, wie Sie darauf kommen, dass gerade die Tempelhof Projekt hier gebremst hätte. Wenn Sie sich das Gebäude, die Bauweise, den aktuellen Zustand anschauen, dann ist es schon ein Erfolg, dass da noch nichts zusammengefallen ist, denn es gibt zigtausende Havarien in jedem Jahr, und wir sollten honorieren, dass da überhaupt noch Nutzungen stattfinden können.

Wer sollte es denn dann beim Senat oder bei der BIM übernehmen? Wo kommt das zusätzliche Personal für dieses Riesenprojekt einfach mal so plötzlich her? Dazu steht da nichts drin. Dazu kommen in dem Antrag keine Antworten.

In der Tempelhof Projekt ist die Expertise. Die kennen sich da aus. Die wissen, was wann wo zu tun ist. Die Tempelhof Projekt jetzt aufzulösen, würde uns um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zurückwerfen. Und wenn Sie in letzter Zeit irgendwann mal dort gewesen sind, hätten Sie bemerkt, dass da gerade einiges an Planung, Bau, Sanierung, wie zum Beispiel im Kopfbau West, im Tower stattfindet.

Auch das Dach steht als nächstes auf der Agenda. Das ist ein Punkt, den Sie da besonders hervorgehoben haben. Das hat mich ein bisschen gewundert, denn ich persönlich finde eine Heizung oder Wasserleitung oder Fenster für ein funktionierendes Gebäude auch nicht ganz unwichtig.

Sie verlangen außerdem ausdrücklich den Hangar 6 für die Flugzeugsammlung des Technikmuseums, und Sie erwähnen den Hangar 7 für das Alliiertenmuseum nur am Rande bzw. in der Begründung. Das hatten Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag auch schon mal abgefragt, und sie hatten eine vernichtende Antwort zum Zustand des Hangars bekommen. Das können Sie aber auch getrost auf den Hangar 6 übertragen. Mit Öffentlichkeit geht da noch lange gar nichts. Da müssen erst mal Heizung, Wasserleitung, Toiletten rein bzw. das, was da ist, ist oft nicht oder nur wenig funktionstüchtig, abgesehen davon, dass es sogar stellenweise Zweifel an der Statik gibt.

Die Stränge für Wasser und Heizung laufen übrigens durch das gesamte Gebäude. Es funktioniert nicht, nur einen Hangar zu sanieren, am besten gleich noch mit

(Frank-Christian Hansel)

tendrin. Sie machen doch auch keine Strangsanierungen nur im drittens Stock eines siebenstöckigen Gebäudes und lassen oben und unten für später.

Sie fordern, die Haupthalle soll für verschiedenste größere Veranstaltungen nutzbar werden: Messen, Kongresse, kulturelle und sportliche Events für einen wechselnden Nutzerkreis. Ja, das wünschen wir uns auch, und eines Tages wird das auch so sein, und zwar mehr Kultur als Messen. Wir haben uns auf ein Kunst-, Kultur- und Kreativzentrum geeinigt, und das wird eines Tages kommen, aber gerade in dieser Haupthalle, über die Sie sprechen, gibt es immense Kriegsschäden. Die wurden damals nur notdürftig geflickt. Große Veranstaltungen vor einer wirklich grundlegenden Sanierung wären nicht nur unschlau, sondern sogar statisch gefährlich

Wir machen den Flughafen Tempelhof zu einem Zentrum für Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft. Wir brauchen dazu ein gutes, schlüssiges Konzept von Nutzungen aus diesem Bereich. Da gibt es wirklich genug. Die müssen aber zusammenpassen, und wir können nicht allen Begehrlichkeiten nachgeben, um dort nachher ein konzeptloses Chaos zu haben.

Es wäre schön, wenn das schneller gehen würde. Es ist uns bewusst, dass das krass viel kostet. Dafür werden noch diverse mehrstellige Millionenbeträge zur Verfügung gestellt werden müssen, aber dazu stehen wir – und meinetwegen auch gleich. Es liegt nicht am fehlenden Willen der Koalition oder der Tempelhof Projekt GmbH, es liegt einfach am Zustand des Gebäudes. Lassen Sie uns das aber diesmal gründlich machen, damit wir nicht den nächsten Pannenflughafen schaffen! – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katalin Gennburg (LINKE), Bettina Domer (SPD) und Frank Zimmermann (SPD)]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Hauptausschuss und mitberatend für den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, den Ausschuss für kulturelle Angelegenheiten, den Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf – wie eingangs beschlossen vorgezogen –

lfd. Nr. 17:

Kurswechsel bei den Coronaeindämmungsmaßnahmen – Außengastronomie öffnen!

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie, Betriebe vom 17. Mai 2021 Drucksache 18/3738

zum Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 18/3604

in Verbindung mit

lfd. Nr. 19:

Anpassungen aus der Coronakrise – bürokratische Hürden für die Infrastruktur abbauen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 17. Mai 2021 Drucksache 18/3740

zum Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 18/2638