Protocol of the Session on September 2, 2021

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Es gab sofort Anwohnerinnen und Anwohner, die gespendet haben. Die Quartiersräte waren da, alle Unterstützungsstrukturen von BENN bis Cabuwazi waren da. Es gab auch Abgeordnete vor Ort, die sofort helfen wollten, die unterstützt haben.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Dafür auch herzlichen Dank! Dass es nicht alle Abgeordneten waren, haben wir schon gehört, aber ich kann noch sagen, es gibt immer zwei Möglichkeiten: Man schreibt Briefe an die Anwohnerinnen und Anwohner – das haben wir übrigens auch gemacht; wir haben versucht, alle breit zu informieren –, es gibt aber auch Abgeordnete aus Oppositionsparteien, die vorher mal anrufen und fragen: Was macht ihr da eigentlich? – So kann man das auch machen, und ich würde es mir wünschen. Ich glaube, dass wir über diesen Weg, dass wir dagegen hetzen, dass Menschen hierherkommen, auf keinen Fall weiterkommen.

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Jetzt gab es immer: Ja, wir müssen afghanische Ortskräfte unterbringen, aber nicht hier, das ist eine ganz schlechte Unterkunft. – Sehr geehrte Damen und Herren! Ich höre das seit fünf Jahren: Es ist immer ein schlechter Ort, es ist immer eine schlechte Zeit, es ist immer eine schlechte Unterkunft. Kann man so machen, aber wir haben Unterkünfte hochgefahren, die wir vorher freigezogen haben, um Menschenleben zu retten, und wir werden weitere Unterkünfte hochfahren, um Menschenleben zu retten.

Ich will Ihnen jetzt sagen: Wir haben Vorsorge getroffen. Wir wollten aus der Vergangenheit lernen und nicht, indem wir sagen, 2015 darf sich nicht wiederholen. – Ja, bestimmte Sachen von 2015 dürfen sich nicht wiederholen, beispielsweise, dass wir nicht wissen, wie wir Menschen unterbringen sollen. Deshalb haben wir uns im Senat darauf verständigt, dass wir immer eine Unterkunft freigezogen halten und wir nur die Tür aufschließen müssen. Das heißt, das kostet auch Geld. Es gibt immer eine Unterkunft, da ist ein Sicherheitsdienst 365 Tage im Jahr – ob die belegt ist oder nicht. Da werden die Heizungen kontrolliert und die Rohre gespült – was man alles machen muss. Wir haben gesagt, 1 000 freie Plätze haben wir immer in den existierenden Gemeinschaftsunterkünften. Das sind unsere Reserveplätze.

Diese Reserveplätze haben wir im letzten Jahr alle gebraucht. Wir mussten nämlich sehr schnell eine Quarantänestation hochfahren. Das war eine der Reserveplätze, wo wir jetzt Menschen untergebracht haben, die Asyl begehren. Wir mussten eine weitere Unterkunft als nächs

te Reserveunterkunft hochfahren, weil die Anzahl der Menschen, die Asyl beantragten, gestiegen ist. Jetzt haben wir Unterkünfte für die afghanischen Ortskräfte hochgefahren, die gekommen sind, die wir nicht einfach in die bestehenden Unterkünfte bringen können. Wir sind ein Verteilzentrum, diese Menschen werden hier zeitlich befristet sein und werden dann über EASY auf die anderen Bundesländer verteilt – deshalb diese extra Unterkunft.

Ich bin auch froh, dass wir die Ortskräfte, die hierherkommen, alle in einer Unterkunft haben. Diese Menschen sind schwer traumatisiert, wir konnten quasi am Bildschirm, zumindest in Teilen, miterleben, was diese Menschen vor Ort erlebt haben. Wir betreuen sie und an dieser Stelle noch mal einen ganz herzlichen Dank an das internationale Ärzteteam von Albatros, die auch sofort vor Ort waren, um sich um diese Menschen zu kümmern, die jetzt gekommen sind.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]

Wir haben schon länger Ortskräfte aufgenommen – das hat vielleicht niemand so realisiert, oder es hat vielleicht auch niemand so mitbekommen. Es gab nämlich schon Ortskräfte. In dem Moment, als die Bundesregierung gesagt hat: Ihr seid uns sehr willkommen, und wir übernehmen auch gerne Verantwortung für euch, allerdings müsst ihr gucken, wie ihr selbst herkommt –, haben die sich auf den Weg gemacht. Das sind über 130 Personen, die hier angekommen sind, und die hier schon länger leben.

Ich hatte mit diesen Menschen, diesen Ortskräften, letzte Woche einen Termin gemacht. Eigentlich war dieser Termin, um mit ihnen darüber zu reden, welche Probleme sie haben: Klappt das mit den Jobcentern, klappt das mit der Arbeit und der Ausländerbehörde und, und, und? – Als ich den Termin hatte, waren das für sie gar keine Fragen mehr. Ich habe zwei Runden gemacht: einmal mit den Männern bzw. gemischtgeschlechtlich mit Männern und Frauen und eine Runde nur mit den Frauen. Ich kann sagen, ich bin nicht so zartbesaitet, aber das, fand ich, waren ausgesprochen harte Termine. Diese Menschen haben sich das Geld zusammengeliehen, um ihr Leben und das ihrer Familien und ihrer Kinder zu retten. Diese Menschen dachten, wenn ein Staat sagt: Kommt hierher, und wir übernehmen Verantwortung –, dass sie eine Wohnung bekommen. Die dachten nicht, dass sie in einer Unterkunft leben müssen. Diese Menschen dachten, dass sie sehr schnell Arbeit bekommen und Geld verdienen, dass sie ihre Familien nachholen können, dass sie ihre Schulden zurückzahlen können.

Es war dann leider meine Aufgabe, ihnen zu sagen, dass die Lebensrealität leider eine etwas andere ist. Da sind Träume zerplatzt. Diese Menschen haben alle Familien. Die Frauen, die Mütter sind zusammengebrochen. Die hatten Visa und wollten in die Flugzeuge steigen, dann

(Senatorin Elke Breitenbach)

waren die Flugzeuge voll und die Soldaten haben eine Kette gemacht und gesagt: Bis hierhin und nicht weiter, der Rest kommt nicht mit. – Da gibt es eine Frau, die eine 16- und eine 17-jährige Tochter zurücklassen musste. Töchter von Ortskräften – Sie wissen alle, was das heißt. Das ist die Situation der Menschen in Afghanistan, das ist die Situation der Ortskräfte, das ist aber auch die Situation der anderen rund 14 000 – Frau Schubert hat die Zahl genannt –, die alle Familien haben. Darunter sind Menschen, die bedroht sind, weil sie Demokratinnen und Demokraten sind und keine Messerstecher, auf das Sie das immer wieder reduzieren,

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

weil das Menschen sind, die um ihre Freiheit kämpfen, um die Freiheit ihrer Töchter, weil sie wollen, dass ihre Töchter frei leben und Bildung haben. Das sind die Menschen, die hierherkommen, und das sind die Menschen, deren Leben jetzt bedroht ist. Ich finde, für diese Menschen haben wir eine Verantwortung, weil ihr Leben akut bedroht ist.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, wenn wir diesen Konsens haben, dass wir Menschen in Not helfen wollen und dass wir diese Leben der Menschen aus Afghanistan retten wollen, dann heißt das – ich erwähnte es schon –, dass wir weitere Unterkünfte hochfahren werden. Überall dort, wo eine Unterkunft ist, ist ein Wahlkreis, und überall dort, wo ein Wahlkreis ist, gibt es Kandidatinnen und Kandidaten für den Bundestag, für das Abgeordnetenhaus, aber auch für die Bezirke. Nach den Reden, die ich heute gehört habe – Sie nehme ich raus –

[Karsten Woldeit (AfD): Die kandidieren aber auch!]

dass sich alle Kandidierenden in diesem Wahlkampf klar und eindeutig positionieren werden,

[Zuruf von der AfD: Machen wir!]

und zwar insofern, dass dieses Haus für Demokratie, Solidarität, und dass wir Leben retten werden, steht. Davon kann ich dann hoffentlich ausgehen, und wenn es weitere Briefe gibt wie in der Vergangenheit, gehe ich auch davon aus, dass die jeweiligen Fraktionen und Parteien sich dann eindeutig distanzieren werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zur Behandlung des dringlichen Antrags. Zu dem dringlichen Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 18/4099 „Perspektiven für afghanische Wissenschaftler*innen und Studierende in Berlin jetzt schaffen!“ wird

die Überweisung an den Hauptausschuss vorgeschlagen. – Widerspruch höre ich nicht, und dann verfahren wir so. – Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Nun können mündliche Anfragen an den Senat gerichtet werden. Die Fragen müssen ohne Begründung, kurz gefasst und von allgemeinem Interesse sein sowie eine kurze Beantwortung ermöglichen; sie dürfen nicht in Unterfragen gegliedert sein. Sonst müssten diese Fragen zurückgewiesen werden

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in einer Runde nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung. Nach der Beantwortung steht mindestens eine Zusatzfrage dem anfragenden Mitglied zu, eine weitere Zusatzfrage kann auch von einem anderen Mitglied des Hauses gestellt werden. Frage und Nachfragen werden von den Sitzplätzen aus gestellt. – Es beginnt die SPD-Fraktion mit dem Kollegen Zimmermann. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Polizeieinsätze anlässlich der vielen Demonstrationen vom letzten Wochenende auch unter dem Gesichtspunkt der Belastung der Berliner Polizei?

Für den Senat antwortet Herr Senator Geisel. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Zimmermann! Ja, es war am vergangenen Wochenende wieder ein außerordentlich herausforderndes Wochenende für die Berliner Polizei. Es waren insgesamt am Wochenende etwa 120 Versammlungen und Demonstrationen angemeldet – von einer BikerDemonstration, Autokorsos, dem „Zug der Liebe“, einer Afghanistan-Demonstration bis hin zu verschiedenen Demonstrationen von Querdenkern. Die Versammlungsbehörde hatte von diesen 120 angemeldeten Demonstrationen 13 Demonstrationen verboten wegen des vermuteten Verstoßes gegen die Infektionsschutzverordnung und Ignorierens der Hygieneschutzbedingungen. Das Verwaltungsgericht hatte dann fünf dieser Demonstrationsverbote wieder aufgehoben, weil die Anmelder im Vorfeld

(Senatorin Elke Breitenbach)

noch nicht in Erscheinung getreten waren und das Verwaltungsgericht der Vermutung der Versammlungsbehörde, dass es sich um Ersatzdemonstrationen, Ersatzveranstaltungen für verbotene Demonstrationen handeln würde, nicht gefolgt ist. Insgesamt war es eine sehr umfassende Versammlungslage und eine herausfordernde Situation, weil an vielen verschiedenen Orten in der Stadt solche Versammlungen stattfanden.

Die Mobilisierung bei den verbotenen Demonstrationen hat ungeachtet der Verbote trotzdem stattgefunden. Es sind etwas mehr als 5 000 Menschen vor allem aus den südlichen Bundesländern nach Berlin gekommen, um trotz des Verbots hier zu demonstrieren. Personell – weil Sie ja nach der Belastung der Polizei gefragt hatten – hat die Polizei diese Situation bewältigen können, indem alle Alarmhundertschaften, die wir haben, aufgestellt worden sind und Kolleginnen und Kollegen auch aus dem geschützten Frei in den Dienst gerufen werden mussten. Am Samstag waren etwa 2 300 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz, davon 500 Unterstützungskräfte aus den anderen Bundesländern und von der Bundespolizei, und am Sonntag waren es 2 400 Polizistinnen und Polizisten, davon 700 Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern und von der Bundespolizei.

Die Belastung der Polizistinnen und Polizisten, nicht nur auf dieses Wochenende, sondern auf die letzten anderthalb Jahre der Coronapandemie hin gesehen, ist ganz erheblich. Die Zahl der Kontrollen in den öffentlichen Grünanlagen, in den Restaurants, in den Geschäften, auf den öffentlichen Plätzen und bei den jeweiligen Versammlungen lastet im Wesentlichen auf den Schultern der Polizistinnen und Polizisten. Es gibt eine Zusammenarbeit mit den Ordnungsämtern der einzelnen Bezirke, aber die quantitative Hauptlast, so muss man schlicht sagen, liegt bei den Polizistinnen und Polizisten, sodass die Herausforderung in den letzten anderthalb Jahren erheblich war. Auch das führt dann dazu, dass wir eine erhebliche Belastung bei den Polizistinnen und Polizisten haben, die sich auch in den Überstunden ausdrückt. Bei der Polizei haben sich jetzt etwa 2 Millionen Überstunden angesammelt. Das ist eine Größenordnung, die wir überhaupt nicht mehr mit freien Tagen oder Ähnlichem abgelten können, weil die Belastungssituation ja nicht nachlassen wird. Wir werden also über einen finanziellen Ausgleich und Ähnliches mit den Polizistinnen und Polizisten reden müssen, um diese Größenordnung von Überstunden tatsächlich abbauen zu können.

Insgesamt war die Polizei vor allem auch am vergangenen Wochenende taktisch sehr gut aufgestellt, und ich danke allen eingesetzten Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit. Wir hatten leider 17 verletzte Polizistinnen und Polizisten zu beklagen, und diesen Kolleginnen und Kollegen wünsche ich an dieser Stelle gute Besserung. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Beifall von Kurt Wansner (CDU)]

Danke schön! – Herr Zimmermann, wünschen Sie eine Nachfrage zu stellen? – Bitte schön!

Vielen Dank! – Ich frage das, weil es insofern zuletzt Mutmaßungen gegeben hat: Hat es denn zu der Frage der Personalstärke der Polizei bei diesen Einsätzen irgendwelche politischen Vorgaben gegeben, oder folgt dies ausschließlich der polizeilichen Lagebeurteilung?

Bitte schön, Herr Senator!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter! Nein, da gibt es keine politischen Vorgaben. Ich bin kein Polizist und halte mich deshalb aus operativen Beurteilungen oder Bewältigungen solcher Lagen selbstverständlich heraus. Es wird also von der Polizei die Lage eingeschätzt. Es gibt dann eine Dienstbesprechung, eine Lagebesprechung, mehrere sogar vor solchen herausfordernden Wochenenden, und dann stellt sich die Frage: Wie schaffen wir es, die erforderliche Anzahl der Polizistinnen und Polizisten dann tatsächlich in den Dienst zu bringen? – Dies wird aber von der Polizei eingeschätzt. Da gibt es von meiner Seite politische Unterstützung, indem ich jetzt im Vorfeld des Wochenendes mit den verschiedenen Ministerkollegen und -kolleginnen in den anderen Bundesländern Kontakt aufgenommen habe, also mit Sachsen, Thüringen, Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Baden-Württemberg –, damit diese Kolleginnen und Kollegen möglichst Einsatzkräfte nach Berlin schicken und die Berliner Polizei dann in der Lage ist, gemeinsam mit diesen Kräften die Situation zu bewältigen. Die Bundespolizei hatte ich noch vergessen, auch sie ist ein großer Helfer der Berliner Polizei an dieser Stelle.

Ich habe vorhin über die Belastung der Polizei gesprochen, und das gibt mir jetzt Gelegenheit, noch mal zu sagen: Überstunden müssen abgegolten werden, aber natürlich müssen wir auch die Motivation bei den Polizistinnen und Polizisten erhalten. Dazu hat die Koalition in den vergangenen fünf Jahren viel getan, aber am Dienstag ist noch ein ganz wichtiger Beschluss im Senat getroffen worden: Wir haben die Laufbahnverordnung für die Polizei neu erlassen, neu gefasst, und die hauptsächliche Regelung, die dort wichtig ist, besteht darin, dass wir das starre Laufbahnsystem zwischen den einzelnen Laufbahnen aufgehoben haben und somit jetzt auch Beför

(Senator Andreas Geisel)

derungen jenseits von einem Studium, also über den Bewährungsaufstieg bis zur Besoldungsgruppe A 14 möglich sind. Das ist eine Motivation für die Kolleginnen und Kollegen, dass sie also die Möglichkeit haben, innerhalb der Berliner Polizei auch weiter aufzusteigen. Nicht resignieren, sondern Leistung lohnt sich! Dieses Zeichen war auch ganz wichtig. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Senates auch für diese Entscheidung. Ich glaube, dass das noch mal dazu beitragen wird, dass die Motivation der Kolleginnen und Kollegen der Polizei weiter aufrechterhalten bleibt. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Die zweite Nachfrage geht dann an den Kollegen Lux von Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön!