Frank Zimmermann

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Last Statements

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Polizeieinsätze anlässlich der vielen Demonstrationen vom letzten Wochenende auch unter dem Gesichtspunkt der Belastung der Berliner Polizei?
Vielen Dank! – Ich frage das, weil es insofern zuletzt Mutmaßungen gegeben hat: Hat es denn zu der Frage der Personalstärke der Polizei bei diesen Einsätzen irgendwelche politischen Vorgaben gegeben, oder folgt dies ausschließlich der polizeilichen Lagebeurteilung?
Frau Präsidentin, vielen Dank für die Geduld! – Meine Damen und Herren! Ein halbes Jahr nach Einsetzungsbeschluss können wir Ihnen heute den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses DIESE eG vorlegen. Wir mussten schnell sein, und wir waren schnell. Wir mussten enge Fristen setzen. Wir mussten uns kurz fassen, aber natürlich sorgfältig alle relevanten Aspekte beleuchten. Das Ergebnis sehen Sie hier auf 160 Seiten netto, auf 350 Seiten brutto detailliert dargestellt.
Natürlich war der Gegenstand im Vergleich zu anderen Ausschüssen relativ überschaubar, was geholfen hat, rechtzeitig fertig zu werden. Es wäre aber nicht gelungen, wenn nicht zwei Umstände hinzugekommen wären, und das sind die: Wir haben gemeinsam einen äußerst straffen Zeitplan entwickelt und ihn auch eingehalten. Ich will deshalb allen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für die intensive und konzentrierte Mitwirkung an dieser Aufgabe danken. Es war mir eine Freude, diesem Ausschuss vorsitzen zu dürfen.
Und trotzdem hätten wir es auch dann nicht geschafft, wenn wir nicht ein so hervorragendes Ausschussbüro gehabt hätten. Ich möchte im Namen des Ausschusses
(Stefan Förster)
und auch ganz persönlich Frau Hensel, Frau Ülke, Frau O’Mahony und dem Stenografischen Dienst für ihre Professionalität und ihre exzellente Arbeit herzlich danken. – Es war wirklich eine große Leistung von Ihnen allen!
War das Agieren des Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrats nur eine Panne,
ein Eklat,
eine Affäre,
ein Missstand
oder gar ein Skandal?
Alles wurde schon – je nach politischem Standpunkt – vertreten,
und die kurze Antwort meinerseits und unsererseits lautet: Es gab eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen, einen Missstand oder einen Skandal ergeben diese nicht.
Wir waren uns dabei einig, dass es nicht noch einmal so laufen soll wie bisher in diesen Fällen. Es gab Verfahrensmängel, es gab das Ankaufen ohne vorherige Zustimmung des Hauptausschusses, es gab andere Defizite. Alle Versäumnisse sind im Bericht aufgeführt. Die Sprecher werden das im Einzelnen noch bewerten, dem will ich jetzt hier nicht vorgreifen.
Bei unseren Untersuchungen haben einige Rechtsfragen eine Rolle gespielt, die wir natürlich nicht abschließend klären können, denn wir sind kein Verwaltungsgericht. Das betrifft zum Beispiel die Frage des In-der-Lage-Seins einer Genossenschaft nach Baugesetzbuch, eine solche Aufgabe zu übernehmen, und wie die Anforderungen des Baugesetzbuchs genau auszulegen sind, oder das betrifft die Möglichkeiten des Widerrufs – auch eine Diskussion – und schließlich auch die Fragen der Rückwirkung. Für die Gesamtbewertung dieses ganzen Komplexes kommt es auf all diese Fragen jedoch nicht entscheidend an. Ich will kurz die beiden entscheidenden Erkenntnisse unseres Ausschusses hervorheben.
Erstens: Das finanzielle Risiko für das Land Berlin geht gegen null. Der Rechnungshof hatte ja Risiken von bis zu 27 Millionen Euro befürchtet. Diese können wir nicht bestätigen. Der Rechnungshof hatte kritisiert, dass im Falle von Leistungsstörungen oder gar Insolvenz der Genossenschaft das Land gesamtschuldnerisch hafte und kein werthaltiges Äquivalent gegenüber dieser gesamtschuldnerischen Haftung in der Hand halte.
Wir haben als Land aber eben nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch, sondern nach Erlass des Förderbescheids eine Absicherung im Grundbuch, ein dingliches Recht: Wir sind im Grundbuch abgesichert, nach den Banken, so wie sich das gehört. Das ist eine hinreichende Sicherung – grundbuchlich –, und deswegen ist nach Einschätzung aller anderen Zeugen als des Rechnungshofs das Risiko gleich null.
Herr Krestel, bitte schön!
Herr Kollege! Ihre Ausgangsthese ist falsch.
Die Banken sind üblicherweise an Rang eins und wir wollen natürlich, dass bei der Regulierung in erster Linie die Banken in Anspruch genommen werden. Wir haben auf dem zweiten Rang die hinreichende Absicherung. Eine Zahl darüber ist die Frage, wie werthaltig die Grundstücke nachher tatsächlich sind und was am Markt zu realisieren ist. Das ist nicht genau zu prognostizieren, es wird aber in jedem Fall nicht geringer sein als der Wert, den die Grundstücke jetzt haben.
Entgegen mancher Behauptung – das ist die zweite wichtigste Erkenntnis – sind die Förderrichtlinien des Landes
weder verletzt noch missachtet noch passend gemacht worden. Was im Prüfverfahren im Bewilligungsausschuss lediglich neu bewertet wurde, waren die Faktoren der Wirtschaftlichkeitsberechnung, um realistische Zahlen etwa für die Instandhaltungskosten oder für die Zinsbelastung der Genossenschaft zugrunde zu legen. Dies haben alle Beteiligten einschließlich der IBB als ein legitimes und vertretbares Verfahren bezeichnet. Sie finden das im Bericht eingehend erläutert. Ich empfehle Ihnen dazu die Lektüre der Seiten 83 bis 98, da ist dezidiert dargestellt, wie das vonstattengegangen ist.
Weitere Ergebnisse werden die Kollegen vortragen. Lassen Sie mich deshalb nur kurz skizzieren, was künftig bei der Ausübung von Vorkaufsrechten zugunsten Dritter zu beachten ist. Auch ein hoher Zeitdruck, der wegen der damals geltenden Zweimonatsfrist unzweifelhaft bestand, darf nicht zur Umgehung des Hauptausschusses führen. Deshalb: Immer schön vorher den Hauptausschuss fragen, bevor solche Geschäfte gemacht werden, sonst wird es in Zukunft ganz schwer. Das ist die erste Lehre, die wir ziehen müssen.
Zweitens: Politische Absichtserklärungen sind jedenfalls dann keine verbindliche Zusage, wenn es um die Begründung einer Haftung des Landes geht. Auch dazu haben wir Klarheit hergestellt, das ist auch allseits eingeräumt worden. Dass etwas politisch gewollt wird, kann noch nicht als eine verbindliche Zusage einer Finanzierung verstanden werden. Die Verfahrensmängel im Bezirk haben die Bezirksämter eingeräumt, die haben sie auch selber schon gegenüber dem Rechnungshof angekündigt zu beheben. Entsprechende Beschlüsse sind gefasst, deswegen, glaube ich, sind da die nötigen Schritte unternommen. Weitere Empfehlungen finden Sie im Bericht, etwa zur Optimierung der Prozesse und zur Verbesserung der Kommunikation.
Eine Frage muss aber offen bleiben: Soll das Vorkaufsrecht künftig lieber zugunsten von Wohnungsbaugesellschaften oder gleichermaßen auch zugunsten von Genossenschaften ausgeübt werden? – Dies kann der Untersuchungsausschuss naturgemäß nicht beantworten. Es ist nämlich tatsächlich eine politische Frage, die die Stadtentwickler, die Baupolitiker und auch die Haushälter in Kenntnis dieser ganzen Entwicklung – auch in Kenntnis unserer Erkenntnisse hoffentlich – entscheiden müssen.
Der Hauptausschuss und der Rechnungshof haben in Ausübung ihrer Kontrollfunktion die Klärung des gesamten Vorgangs DIESE eG angestoßen. Wir als Untersuchungsausschuss konnten diese Klärung nun abschließen, und ich freue mich, dass wir das – wie schon eingangs gesagt – in dieser sehr konstruktiven und kollegialen Atmosphäre auch geschafft haben. Die demokratische Kontrolle im Land Berlin funktioniert, und auch die justizielle Aufarbeitung im Land Berlin funktioniert.
Alle strafrechtlichen Vorwürfe, die durch eine Anzeigenserie einer Rechtsanwältin erhoben wurden, haben sich als substanzlos erwiesen.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen in diesem Zusammenhang – soweit sie überhaupt einen Anfangsverdacht angenommen hatte – alle eingestellt.
Insbesondere der Senat ist durch die Staatsanwaltschaft und durch den Untersuchungsausschuss komplett entlastet.
Wenn sich jetzt schon wieder – aktuell, heute Morgen – ein Rechtsanwalt, dieses Mal aus 800 Kilometer Entfernung, mit einer Rechtsmeinung äußert, kann ich hier keine neuen Fakten erkennen, sondern nur die Interessen seines Auftraggebers, das ist nämlich der Verein zur Förderung des Wohneigentums in Berlin. Wir vertrauen da lieber unseren staatlichen Instanzen zur Kontrolle. Ich freue mich auf die eingehende Debatte. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, der Untersuchungsausschuss „Terroranschlag Breitscheidplatz“ war auch aus unserer Sicht ein erfolgreicher Untersuchungsausschuss. Man sieht es am Bericht, man sieht es auch an der Darstellung des Vorsitzenden. Wir haben gut gearbeitet. Wir haben keine voreiligen Schlüsse gezogen. Wir sind an vielen Stellen ins Detail gegangen und haben versucht, das ganze Bild zu zeichnen.
Wir können Ihnen nun einen Bericht vorlegen, der präzise und schonungslos die Schwachstellen der Sicherheitsarchitektur von Bund und Ländern zum Zeitpunkt des Anschlags darstellt. Aufbauend auf den Erkenntnissen des damaligen Sonderermittlers Bruno Jost, aber auch auf der eigenen kritischen Analyse der Berliner Polizei konnten wir zahlreiche Feststellungen treffen, die für die Debatte hier im Hause tatsächlich hilfreich sein können.
Die erste Feststellung – das hat der Vorsitzende ausgeführt – ist: Es gibt nicht den einen einzigen Schuldigen, es gibt nicht das eine ursächliche Fehlverhalten und auch nicht die eine verantwortliche Behörde. Vielmehr fanden wir eine Reihe von objektiven Problemen an den Schnittstellen innerhalb der Sicherheitsbehörden, zwischen den vielen beteiligten Behörden und auch im Zusammenwirken von Bund und Ländern. Darüber hinaus haben die Defizite bei der Recherche, bei der Analyse und der Kommunikation zu der fatalen Fehleinschätzung des Amri bei vielen handelnden Personen geführt. Alle Probleme zusammen haben dazu beigetragen, dass der Anschlag am Ende möglich wurde.
Ich will kurz fünf Problemkreise skizzieren, die hier ins Auge fallen. Der erste Kreis: Der Datenaustausch zwischen den Behörden im Land, unter den Ländern und auch mit dem Bund war unzureichend. Zweitens: Innerhalb der Behörden – etwa auch innerhalb des Berliner
(Stephan Lenz)
LKA – gab es organisatorische Mängel und Defizite. Drittens: Der Polizeiliche Staatsschutz war personell deutlich unterbesetzt – extrem unterbesetzt, kann man sagen. Viertens: Wir haben eine mangelhafte Kenntnis der Psychogramme islamistischer Terroristen im Allgemeinen festgestellt und damit einhergehend die Falschbeurteilung der Gefährlichkeit des Amri auch aufgrund von Analysedefiziten im Besonderen. Und fünftens schließlich fehlte es an der Verbindlichkeit der Absprachen in dem Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum zwischen Bund und Ländern. Dort war zu viel besprochen worden und zu wenig an Maßnahmen daraus gefolgt.
Lassen Sie mich einige der Erkenntnisse kurz noch einmal im Detail beleuchten. Dabei ist mir eines festzuhalten sehr wichtig: Wir dürfen bei der Betrachtung nicht im Jahr 2016 stehenbleiben, sondern müssen die Entwicklung bis heute einbeziehen, denn seitdem ist tatsächlich – Herr Lenz hat darauf hingewiesen – sehr viel geschehen. Es ist sehr viel verbessert und verändert worden.
Im Einzelnen: Der Datenfluss unter den Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern war 2016 viel zu schwerfällig. Der Zugriff auf die gefährderrelevanten Daten und auch die Auswertung von Daten waren zu langsam. Seither arbeiten die Innenbehörden mit Hochdruck an einer Synchronisierung im Bereich der IT und anderen Maßnahmen. So ist im Bereich der Ausländer- und Einwanderungsbehörden die Synchronisierung tatsächlich bereits gelungen. In anderen Bereichen ist noch einiges zu tun.
Der Bericht stellt weiter Defizite im Erkennen und Bewerten konkreter Gefährdungen fest. Neben den Irrtümern über die Salafisten – ein Drogenhändler könne kein Terrorist sein – waren natürlich auch die Analysen ungenügend. Das war damals. Heute arbeiten die Landeskriminalämter alle mit einer neuen Recherche- und Analysesoftware, genannt RADAR-iTE, die gezielt auf derartige Gefahren zugeschnitten ist.
Es gab weiterhin wegen unterschiedlicher Zuständigkeiten keine Bündelung der Verfahren für Gefährder etwa bei Drogendelikten, Körperverletzung und Ähnlichem. Die Folge war, dass die Möglichkeiten, den Amri per Haftbefehl von der Straße zu holen, tatsächlich nicht ausgeschöpft wurden. Das würde jetzt nicht mehr passieren. Wir haben jetzt die Einhandbearbeitung der Gefährder. Die Zuständigkeiten sind bundesweit und auch bei uns in Staatsschutzabteilungen der Staatsanwaltschaften zusammengefasst.
Nächster Punkt: Die Organisation von Ermittlungskommissariaten und Auswerteeinheiten im LKA Berlin war suboptimal. Jetzt sind wir in Berlin weit vorangeschritten mit der Neustrukturierung und Reorganisation der Terrorabwehr einschließlich operativer Kräfte im neuen Antiterrorzentrum in der Ringbahnstraße. Fertigstellung: nächstes Jahr, davon gehen wir aus.
Weitere Feststellung: Die Personalengpässe zwangen zur Priorisierung. Es standen unter anderem nicht genügend Observationskräfte zur Verfügung. Heute – der Vorsitzende hat es genannt – haben wir doppelt so viele Beamtinnen und Beamte für die Terrorismusbekämpfung beim LKA. Es sind genau 587 neue Stellen seit 2016.
Sehr deutlich ist auch geworden, dass das GTAZ, das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern, klarere Absprachen und mehr Verbindlichkeit braucht; daran fehlte es damals. Dieser Fehler ist auch abgestellt. Insbesondere gibt es jetzt eine einheitliche Gefährdereinschätzung der beteiligten Behörden. Ich hoffe, dass, wenn Nordrhein-Westfalen und Berlin oder der Bund und wer auch immer eine unterschiedliche Ausgangsbetrachtung haben, sie sich dann einigen und alle von einem gemeinsamen Gefährderbegriff ausgehen und die Leute alle gleich einschätzen.
Die Frist des Abschiebungsgewahrsams bei nicht vorliegenden Passersatzpapieren war im Bundesrecht, im Aufenthaltsrecht zu kurz. Sie wissen: Tunesien hatte erst kurz nach dem Anschlag die Ersatzpapiere ausgestellt. Jetzt können zur Sicherung der Abschiebung und zur Gefahrenabwehr die Gefährder länger in Gewahrsam genommen werden, wenn das nötig ist. Diese Frist ist auf die Gefährder nicht mehr anwendbar – eine Reaktion im Bundesrecht auf dieses Thema.
Ich kann aus Zeitgründen tatsächlich nicht alle Punkte aus dem Bericht abarbeiten, das ist klar. Ich will nur festhalten: Gerade auch in Berlin haben wir dank der Initiative des Innensenators Andreas Geisel und des gesamten Senats wie auch der Berliner Polizei selbst erhebliche Verbesserungen bei der Terrorabwehr im Vergleich zu 2016 festzustellen, und das sollten wir hier auch würdigen.
Wir haben auch beim Opferschutz Schritte unternommen. Anlässlich und in der Folge des Anschlags hatten wir diesbezüglich durchaus Defizite festzustellen. Dort ist einiges geschehen, im Bund wie auch im Land. Die Tatsache, dass wir hier heute voraussichtlich auch noch das sogenannte Psychosoziale Notfallversorgungsgesetz beschließen werden – davon gehe ich aus –, zeigt, dass wir auch auf gesetzlicher Grundlage etwas tun, um den Opferschutz tatsächlich zu verbessern. Möge es nicht notwendig werden, möge ein solcher Anschlag künftig verhindert werden können.
Ich möchte gerne zum Schluss kurz einige Themen ansprechen, die sicher in der Debatte eine Rolle spielen werden, und bei denen wir, glaube ich, eine klare, nüchterne Draufsicht brauchen. Einmal die Frage: War es ein Einzeltäter, oder war es doch ein Netzwerk, hat er Hilfe gehabt? Wir haben in der Berichterstattung immer mal
wieder Anhaltspunkte gehört: Oha, da sei doch noch was gewesen. Was war da in dem Führerhaus? – usw. Wir haben in der Untersuchung keine belastbaren Erkenntnisse dafür gefunden, dass es eine Tatbeteiligung, eine gemeinschaftliche Tatbegehung oder auch eine Beihilfehandlung von einem anderen gegeben hat. Der Amri war in einem Geflecht von Salafisten. Er war in den Moscheen. Es waren Habib Selim und Bilel Ben Ammar und andere um ihn herum, und die haben sich radikalisiert. Er hatte auch einen Mentor. Aber ein konkreter Tatbeitrag an dem Anschlag durch eine zweite Person war nicht feststellbar. Wenn man das jetzt weiter behaupten sollte, was sein kann, dann wäre das aus meiner Sicht bestenfalls anekdotische Evidenz, aber für Mutmaßungen braucht man keine Untersuchungsausschüsse.
Zweiter Punkt: Die These, dass wegen der übertriebenen Beachtung des Linksextremismus in Berlin der Amri nicht überwacht werden konnte, haben wir tatsächlich auch untersucht. Es ist tatsächlich festgestellt worden, dass der Amri selbst auf der Seite der islamistischen Gefährder noch nicht mal in die Ausscheidung mit Links gekommen ist. Der ist vorher schon ausgeschieden aufgrund der fatalen Fehleinschätzung, die wir festgestellt haben, aber es gab nicht die Gegenüberstellung: Haben wir jetzt noch Kapazitäten, die bei Links gebunden sind, die wir für die Islamisten nutzen können?
Also die Behauptung, wegen Links sei die Beobachtung des Amri zu kurz gekommen, ist aus unserer Sicht, aus meiner Sicht schlicht falsch. Es gibt keine Hinweise darauf. Man sollte hier nicht weiter mutmaßen.
Dritter und letzter Punkt zum Verfahren: Ich kann festhalten, dass wir die Akten, die wir brauchten – das hat der Kollege Lenz ausgeführt –, tatsächlich bekommen haben. Wenn wir bestimmte Dinge vom Verfassungsschutz nicht bekommen haben, die wir vielleicht gerne hätten sehen wollen, dann muss man Verständnis dafür haben, dass wegen des Methodenschutzes und Quellenschutzes bestimmte Dinge nicht herausgehen können. Das ist jetzt zu akzeptieren und nicht ein Mangel in der Kooperation o. Ä. Das haben wir aus meiner Sicht zu akzeptieren. Insofern kann ich sagen, die Kooperation war wirklich gut, und wir haben Unterstützung von der Innenverwaltung, der Polizei und vom Verfassungsschutz erhalten und deswegen diesen umfassenden Bericht so vorlegen können. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass Sie sich, Herr Wansner, für Ihre Generalabrechnung mit dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg das Abgeordnetenhaus ausgesucht haben, das ertragen wir noch, aber dass Sie zu dem Thema nichts Wesentliches beigetragen haben, müssen wir hier wirklich mal zur Kenntnis nehmen. Das war äußerst dürftig, Herr Kollege!
Dass Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, offensichtlich an einer ernsthaften Erörterung dieses Themas kein Interesse haben, sondern sich Herrn Wansner hier austoben lassen, ist in der Tat auch bemerkenswert. Ich würde schon sagen, es wird Zeit, dass wir zur Sache kommen. Das, was Sie hier mit Ihrem Antrag und mit großer Geste einfordern, ist bereits vor drei Monaten geschehen.
Am 9. März hat der Senat das Bezirksamt FriedrichshainKreuzberg angewiesen, im Rahmen und in Ausübung seiner Bezirksaufsicht, eine voll umfassende Brandschutzprüfung durchzuführen, die Eigentümer zu beteiligen und eine entsprechende Duldungsanordnung an die Bewohnerinnen und Bewohner in der Rigaer Straße zu erlassen. Sie kommen also mit Ihrem aufrüttelnden Beitrag, Herr Kollege Wansner, mindestens drei Monate zu spät.
Nun könnte man einräumen, dass der Antrag bereits im September letzten Jahres geschrieben wurde. – Ja, aber mal ehrlich: Der adäquate Umgang mit diesem Antrag wäre es, ihn für erledigt zu erklären, statt uns hier diesen kalten Kaffee zu servieren.
(Kurt Wansner)
Der Senat hat also entsprechend seiner Zuständigkeit als Bezirksaufsicht gehandelt. In der Folge hat auch das Bezirksamt ebenfalls gehandelt und die Brandschutzprüfung angeordnet, also die sogenannte Duldungsanordnung, dass ein Vertreter des Eigentümers und ein von ihm beauftragter Sachverständiger den Brandschutz im ganzen Haus überprüfen kann, erlassen. Es wird jetzt nach der Planung, wie sie jetzt vorliegt, am 17. Juni eine Begehung geben. Und ich warne alle Neugierigen: Niemandem ist geholfen, wenn hier Konflikte weiter befeuert werden!
Herr Fresdorf, bitte schön!
Der Senat hat die Ausübung der Bezirksaufsicht, wie es sich gehört, wahrgenommen. Es ist nicht so, dass der Senat die Brandschutz- und die bauaufsichtlichen Maßnahmen zu verantworten hat. Das ist Sache des Bezirksamts. Der Senat muss auch nicht jede Woche oder jeden Monat gucken, ob der Bezirk seinen Pflichten nachkommt – das ist nicht Sache der Bezirksaufsicht –, sondern er muss irgendwann, wenn es tatsächlich geboten ist, mit diesem Instrument eingreifen, und das hat er getan.
Also: Der Appell muss von dieser Seite an die Bewohnerinnen und Bewohner gehen, etwa notwendige Maßnahmen zum Brandschutz zu ermöglichen. Es geht auch um ihren Schutz und nicht um Repressionen; vor allen Dingen geht es nicht um Räumung. Es geht auch um die
Pflichten des Eigentümers, die Sicherungs- und Instandhaltungsmaßnahmen durchzuführen. Und der Eigentümer ist dazu bereit.
Ich appelliere aber auch an die Oppositionsfraktionen, sich in der Wortwahl zu mäßigen, Herr Kollege Wansner. Es gibt Leute, das sind vielleicht nicht unbedingt Sie, die von der Eskalation einen politischen Vorteil erwarten. Deswegen warne ich vor verbaler Eskalation.
Es ist schwer zu glauben, aber trotzdem wahr: nicht nur in der Physik, gerade auch in der Politik verändert sich das Objekt durch die Art und Weise der Betrachtung – Heisenbergsche Unschärferelation. Die politische Erörterung des Objekts Rigaer Straße 94 und seiner Bewohner beeinflusst selbstverständlich alle Beteiligten. Deshalb rate ich dringend zu einer nachhaltigen Deeskalation.
Nicht zuletzt ist es wichtig, die Polizei zu unterstützen – auch durch dieses Haus. Die Polizei ist dazu da, die behördlichen und gerichtlich bestätigten Maßnahmen zu sichern und dafür gebührt ihr Respekt und die Rückendeckung, die sie für diese schwierige Aufgabe braucht.
Wir wünschen jedenfalls gutes Gelingen, und ich hoffe, dass wir in einer vernünftigen Brandschutzbegehung endlich die Erkenntnisse gewinnen, die nötig sind. Dann wird entschieden werden müssen, was im Haus konkret zu geschehen hat und was nicht. Das werden wir dann sehen. – Herzlichen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das größte nationale Interesse Deutschlands ist Europa. – Dieser Satz aus der letzten europapolitischen Debatte des Bundestags zeigt die essenzielle Bedeutung der europäischen Integration für die Bundesrepublik Deutschland seit 1949 und für das vereinte Deutschland seit 1990. Nachdem das Grundgesetz und die 14 anderen Landesverfassungen ein ausdrückliches Bekenntnis zu Europa enthalten, ist es an der Zeit – man könnte auch sagen höchste Zeit –, dass auch die Hauptstadt dem folgt. Genau das ist erkennbar der Inhalt dieses Antrags der fünf europafreundlichen Fraktionen.
Es folgt aus der Geschichte dieser Stadt, dass die Einbettung Deutschlands in die europäische Staatengemeinschaft auch für Berlin von fundamentaler Bedeutung ist. Die Beseitigung der Kriegsfolgen und der Wiederaufbau, die Überwindung der Blockade West-Berlins, die Friedenssicherung im Kalten Krieg, das Viermächteabkommen und die Wiedervereinigung mit dem Zwei-plus-VierVertrag – alle diese Meilensteine der jüngeren Berliner Geschichte wären ohne das Bekenntnis zu Europa und ohne die europäische Solidarität undenkbar gewesen. Es ist die logische Konsequenz aus unserer Geschichte, diese europäische Dimension nun in den Verfassungsrang zu heben.
Seit Jahrhunderten hat die Entwicklung Berlins immer auch eine europäische Komponente, wenn man etwa an die französischen Hugenotten zur Zeit des Großen Kurfürsten denkt, als nahezu ein Viertel der Berliner Bevölkerung französisch war oder an die polnischen und russischen Einwanderer im 19. und 20. Jahrhundert. Die Zuwanderung nach Berlin aus Europa und darüber hinaus ist geradezu ein Wesensmerkmal dieser Stadt, die darüber einen Teil ihrer Kreativität und Zukunftsgewandtheit bezieht.
(Burkard Dregger)
Bis heute machen Offenheit und Internationalität die Stadt so attraktiv, und auch deshalb soll sich künftig der übernationale und zwischenstaatliche Aspekt in der Verfassung wiederfinden.
Es ist eine der wichtigsten Lehren aus der deutschen Geschichte, dass die internationale Zusammenarbeit und der Multilateralismus die Grundausrichtung deutscher Politik sein müssen. Dies war die Tradition der Bundesrepublik von Anfang an. Es muss hier nicht über den Irrweg und den Irrsinn nationalistischer Überheblichkeit ausgeführt werden, um mit dem großen französischen Präsidenten François Mitterrand festzustellen: Nationalismus bedeutet Krieg. – Die deutsche Hauptstadt legt mit dem Bekenntnis zum demokratischen Europa in der Verfassung – wie die Bundesrepublik insgesamt – auch ein Bekenntnis gegen Nationalismus und gegen nationales Sendungsbewusstsein ab. Das ist vielleicht doch etwas mehr als reine Symbolik, die in dieser Verfassungsänderung steckt.
Selbstverständlich sind die verfassungsrechtlichen
Grundlagen dafür längst im Grundgesetz verankert. Als Konsequenz aus der Wiedervereinigung hat Deutschland mit dem Europaartikel 23 die europäische Integration zum Verfassungsauftrag gemacht, nachdem das europäische Recht bereits Jahrzehnte vorher als zwischenstaatliches Recht die deutsche Verfassungswirklichkeit maßgeblich mitgeprägt hatte. Seit Adenauer und de Gaulle war die Einbettung Deutschlands in die Europäische Gemeinschaft Staatsräson. Seit 1992 gilt diese Staatsräson ausformuliert in einem langen Verfassungsartikel, und an diesem Artikel haben wir uns mit unserem Antrag angelehnt.
Wir dürfen das getrost als Auftrag verstehen, bei politischen Entscheidungen die europäische Dimension immer mitzudenken, wo dies erforderlich ist. Auch insofern ist es durchaus etwas mehr als reine Symbolwirkung. Praktisch und konkret wird das ja z. B. bei der Mitwirkung Berlins im Ausschuss der Regionen der EU und im Regionalkongress des Europarats. Für uns ist es seit Langem verfolgtes politisches Ziel, gemeinsam mit anderen Regionen und Ballungsräumen Europas die europäische Integration zu vertiefen und dabei die Interessen Berlins einzubringen, etwa über das europäische Städtenetzwerk oder die EU-Städteagenda.
Die Europäische Union ist nicht identisch mit Europa.
Klatschen Sie nicht zu früh! – Deshalb bekennen wir uns ausdrücklich in Satz 2 zu einem geeinten Europa, das sowohl das in der EU vereinte meint als auch ein etwa erweitertes Europa.
Was allerdings nicht geht, ist, die EU als völkerrechtliches Subjekt der europäischen Einigung infrage zu stellen. Die EU-Gegner fordern ja neuerdings den Austritt Deutschlands aus der EU und wollen das Land in ein gefährliches Abenteuer stürzen. Diese Reaktionäre handeln gegen die nationalen Interessen Deutschlands und keineswegs dafür, wie sie immer behaupten.
Das vereinte Europa zeigt sich aber auch in einer weiteren internationalen Organisation, die älter und größer ist als die EU. Im Europarat sind nämlich außer Weißrussland alle vereint und haben sich nach dem Zweiten Weltkrieg auf einige Grundprinzipien verständigt. Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und demokratische Standards sind Völkervertragsrecht in ganz Europa, und die gelten auch für Russland, Aserbaidschan oder die Türkei. Der Europarat ist die Organisation, die über die EU hinaus den ganzen Kontinent umfasst und für Demokratie und Menschenrechte eintritt. Auch hier ist es wichtig, dass wir uns aktiv daran beteiligen.
Die europäische Zusammengehörigkeit war in der Vergangenheit, ist in der Gegenwart und wird auch in Zukunft für Berlin extrem wichtig sein. Dabei geht es um existenzielle Zukunftsfragen wie den Klimaschutz – der wurde schon angesprochen –, Regeln für die digitalisierte Wirtschaft, die gemeinsame Sicherheit in Europa und weitere zentrale Fragen, die alle nicht allein national zu regeln sind. – Der Kollege Dregger hat das ausgeführt. Dem kann ich mich nur anschließen. – Deshalb ist diese neue Europaklausel in der Berliner Verfassung eine zukunftsweisende Ergänzung, die wir hier heute beschließen wollen. Deswegen, glaube ich, haben wir hier eine sehr sinnvolle Erweiterung der Verfassung vor uns. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Welche Bilanz zieht der Senat aus den diesjährigen Demonstrationen zum 1. Mai, und wie bewertet er diese?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ASOG und unsere Novelle dazu bringt eine Reihe von Verbesserungen im Polizeirecht, die wir heute, nach sorgfältiger Beratung verabschieden werden. Eine wichtige Novellierung, die an entscheidenden Stellen die Polizei stärkt und mehr Sicherheit in Berlin ermöglicht.
Es ist oft für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer nur sehr schwer verständlich, wie die Auffassungen zu ein und demselben Gegenstand so dermaßen auseinandergehen können, wie wir es auch heute in der Debatte sicher wieder erleben werden. Ich will deshalb die Gelegenheit nutzen, die Neuerungen im Gesetz nur ganz sachlich zu erläutern, und am Ende mag sich jeder und jede sein und ihr Bild machen.
Wir haben drei wesentliche Motive mit unserer Gesetzesnovelle verfolgt, und ich will sie kurz zusammenfassen: Das erste Motiv war, neue Befugnisse und Zuständigkeiten zu schaffen, die für eine effektivere Arbeit der Berliner Polizei nötig sind. Ich nenne die Eingriffsbefugnis zur telefonischen Kommunikationsüberwachung, die wir zur Gefahrenabwehr neu einführen. Das ist eine ausführliche Vorschrift, die glasklare Eingriffsgrundlagen für die Polizei schafft. Sie enthält ebenfalls eine Definition terroristischer Straftaten, sie ist auch möglich zur Abwehr anderer schwerster Kapitalverbrechen, und damit ist sie eine Ergänzung im Instrumentenkasten der Berliner SPD – der Berliner Polizei, die gebraucht wird.
Die SPD hat das tatsächlich verfolgt.
Wir haben zweitens die Standortermittlung geregelt. Das bedeutet, dass es technische Mittel zur Ermittlung von Handydaten geben darf, die eingesetzt werden können, und dass wir dann auch die Standortermittlung durchführen können, wenn die Diensteanbieter, die Telekommunikationsunternehmen dazu ihren Beitrag leisten können. Sie sind verpflichtet, dies zu tun, und auch das haben wir im Gesetz geregelt.
Wir haben drittens eine Rechtsgrundlage für die Bodycams für die Polizei, die Rettungskräfte und die Feuerwehr geschaffen. Das ist unbedingt erforderlich, weil wir leider eine Tendenz zu zunehmender Aggression und Angriffen auf Polizei und Rettungsdienste erleben müssen. Wir schaffen zur Eigensicherung unserer Vollzugskräfte diese Rechtsgrundlage; das ist eine dezidierte Eingriffsbefugnis, um die Daten von Bürgern tatsächlich auswerten zu können und den Schutz zu erhöhen.
Wir schaffen – um der Vollständigkeit halber die neuen Befugnisse zu umreißen – eine zusätzliche Eingriffsnorm
für die Umsetzung von Fahrzeugen und Schiffswracks. Das haben wir in der Anhörung in der Ausschussberatung noch hinzugefügt. Es war vorgebracht worden, dass es natürlich auch eine Möglichkeit geben muss, stillliegende Schwimmkörper, die vor sich hingammeln, beseitigen zu können. Das ist eine Kleinigkeit, aber nicht ganz unwichtig.
Und schließlich haben wir – das will ich erwähnen, weil das immer wieder vergessen wird – eine Eilzuständigkeit für den Zoll reingeschrieben. Das entlastet die Berliner Polizei, und das schafft auch die Möglichkeit für die Zollbehörde, etwa bei grenzüberschreitender organisierter Kriminalität bei Gefahr im Verzug zuzugreifen.
Das zweite Motiv sind die Standardbefugnisse im Gesetz, die wir ergänzt haben. Dies sind keine zusätzlichen Eingriffsbefugnisse, sondern es ist die Kodifizierung von polizeilichen Maßnahmen, die bisher schon von der Generalklausel abgedeckt waren und sind. Ich nenne da die Meldeauflagen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten, die Gefährderansprache gegenüber potenziell gefährlichen Personen nach dem Motto: Wir haben dich im Blick, pass auf, was du machst! – Wir führen eine Kodifikation des Sicherheitsgesprächs mit potenziell gefährdeten Opfern ein, wenn Erkenntnisse vorliegen, damit ihnen ein gefahrenangepasstes Verhalten ermöglicht wird. Und schließlich regeln wir den operativen Opferschutz: die Möglichkeit, eine veränderte Identität anzunehmen, um gegebenenfalls tatsächlich die Gefahren durch eine solche Maßnahme zu mindern.
Der dritte Komplex – der wird sicherlich auch noch eine Rolle spielen in der Debatte – ist, dass wir einige Eingriffsgrundlagen präzisieren, die bisher entweder zu unscharf oder zu unbestimmt oder bereits durch die Rechtsprechung eingeschränkt worden sind. Wir holen nach, was uns durch Rechtsprechung tatsächlich verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Ich nenne zum Beispiel § 21 Abs. 2 des ASOG. Dort streichen wir einen Tatbestand, mit dem der mutmaßliche Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften bisher mit gefährlichen bzw. kriminalitätsbelasteten Orten gleichgestellt wird. Die verdachtsunabhängige Kontrolle von Ausländern, um eventuell jemanden zu finden, der gegen das Aufenthaltsrecht verstoßen hat, ist tatsächlich umstritten und auch ein Problem. Es ist wenig effizient und wohl auch wenig verhältnismäßig.
Allen Kritikern dieser Streichung, Herr Kollege, sage ich aber jetzt schon: Vorsicht! Es gilt das Aufenthaltsgesetz, wonach die Polizei bundesrechtlich selbstverständlich die Befugnis hat, die Identität von Ausländern festzustellen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu treffen, und das nicht nur an bestimmten Orten, sondern dort, wo das tatsächlich erforderlich ist; § 49 und § 71 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes.
(Präsident Ralf Wieland)
Nächstes Stichwort: die Prostitution, auch in § 21 als Tatbestand geregelt. Wir haben es, weil dies alleine bekanntermaßen kein Eingriffsgrund ist, gestrichen. Aber: Weil es hier um die Begleitkriminalität geht und den Schutz von Opfern möglicher Begleitkriminalität, haben wir eine gezielte Eingriffsbefugnis reingeschrieben, die zum Schutz der Opfer etwa von Menschenhandel, Zwangsprostitution oder Zuhälterei tatsächlich erforderlich ist. Wir danken dem BDK an dieser Stelle auch für die luziden Vorschläge, die von dort gekommen sind. Hier ist es eine Entkriminalisierung einerseits, andererseits eine gezielte Grundlage zum Kampf gegen organisiertes Verbrechen, die wir ins Gesetz schreiben.
Nächstes Stichwort: Wohnung und Lärm. Wir haben die Rechtsprechung der Gerichte nachvollzogen, dass bei Lärmbelästigung der Zutritt zu Wohnungen tatsächlich nur dann erlaubt ist, wenn mit der Lärmbelästigung eine Gesundheitsgefährdung verbunden ist. Das ist nicht immer so einfach festzustellen, das ist klar, aber im Ergebnis vollziehen wir nach, was die verfassungskonforme Auslegung schon dieser bisherigen Eingriffsbefugnis verlangt, nämlich: Die Polizei darf selbstverständlich gerufen werden und sollte es auch, wenn es Lärmbelästigungen gibt, die nicht anders abzustellen sind, aber das Betreten der Wohnung ist an besondere verfassungsrechtliche Voraussetzungen geknüpft, die wir im Gesetz jetzt nachvollziehen.
Ein letztes wesentliches Stichwort ist der Schutz der Berufsgeheimnisträger. Das ist eine längere Forderung des Deutschen Anwaltvereins, die wir hiermit erfüllen; wir regeln nämlich erstmals im Berliner Polizeirecht einen umfassenden Schutz von Berufsgeheimnisträgern – nicht nur Anwälte, auch alle anderen, die dort zu schützen sind. Hier ist zu bemerken, dass wir uns an andere Bundesländer anlehnen, die auch eine Abwägung getroffen haben – sie müssen geschützt werden, es muss aber eine Möglichkeit bestehen, dass bei Gefahr von schweren Straftaten gegen Leib, Leben oder Freiheit von Personen natürlich auch eine Abwägung stattfinden kann, ob nicht auch Berufsgeheimnisträger mit Aussagen oder Maßnahmen in Anspruch genommen werden können. Deswegen haben wir eine sehr ausführliche Formulierung ins Gesetz geschrieben, um den Schutz zu gewährleisten, aber bei solchen schweren Gefahren tatsächlich auch noch eine Abwägung zu ermöglichen und gegebenenfalls einen Eingriff. Das, finden wir, ist eine sehr ausgewogene und ausgefeilte Regelung, die wir dort gefunden haben. Auch da danken wir für die Anregungen und Stellungnahmen, die in der Anhörung an diesem Punkt gekommen sind.
Wir haben mit der Novellierung des ASOG tatsächlich eine qualitative Verbesserung im Rechtsrahmen für die Berliner Polizei, und ich bin froh, dass wir nach sorgfältiger, ausführlicher Beratung jetzt dieses Ergebnis erzielt
haben. – Ich bitte um Ihre Zustimmung und danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es geahnt. Deswegen hatte ich vorhin versucht, wirklich staubtrocken die einzelnen Elemente des Gesetzes zu erläutern. Sie hingegen kommen mit allgemeinen, haltlosen Vorwürfen und werden der Sache damit überhaupt gar nicht mehr gerecht.
Aber Sie ergehen sich ja gerne in diesen allgemeinen Attacken, die für sich sprechen, Herr Kollege Dregger.
Der Vorwurf des Rassismus ist viel zu gefährlich, um so damit umzugehen, wie Sie das hier tun. Was der Senator in differenzierter Weise getan hat, ist, auf Fragen in einer Diskussion, auf dieses schwierige Problem einzugehen. Das jetzt so zu instrumentalisieren ist nicht ganz redlich, aber es liegt auch völlig neben der Sache. Ich will zu zwei Punkten etwas sagen, bei denen Sie mich angesprochen haben. Erstens – zum Görli –: Das ASOG – so, wie wir es novellieren – enthält die gleichen Rechtsgrundlagen zu Eingriffen an einem kriminalitätsbelasteten Ort wie dem Görlitzer Park, der als solcher eingestuft ist. Wir ändern daran nicht ein Jota. Ich frage mich, wie Sie zu der Bewertung kommen, dass sich hier irgendetwas ändert. Ich kann feststellen: Die Beobachtung, die Kontrollen und die Maßnahmen im Görlitzer Park sind weiterhin möglich und werden weiterhin konsequent durchgeführt.
Das zweite Thema ist die Frage der Durchsetzung der Ausreisepflicht. Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, dass plötzlich mit unserem Gesetzentwurf die Durchsetzung der Ausreisepflicht nicht mehr möglich sein soll. Dies ist, wie Sie sehr genau wissen, Sache des Aufenthaltsgesetzes des Bundes. Das enthält dezidierte Rechtsgrundlagen zur Feststellung, zu Maßnahmen gegen illegale Einreise, zur Durchsetzung der Ausreisepflicht, zur
(Burkard Dregger)
Abschiebung und Ähnlichem. Dafür sind zuständig die Ausländerbehörden und ausdrücklich zu weiteren Maßnahmen in § 71 und anderen des Aufenthaltsgesetzes die Vollzugspolizei. Wir haben also eine Zuständigkeitszuweisung und Befugnisnormen im Aufenthaltsgesetz des Bundes, die genau diesem Ziel dienen. Diese Maßnahmen aufgrund von Bundesrecht werden von uns gar nicht angefasst, sondern wir regeln hier nur landesrechtliche Normen. – Die beiden Behauptungen, Herr Kollege, im Görli sei nichts mehr möglich und wir könnten die Ausreisepflicht nicht mehr durchsetzen, sind haltlos. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe das Gesetz vorsorglich mitgebracht,
weil ich zwar vieles davon im Kopf habe, aber das ein oder andere wahrscheinlich doch noch genauer erläutern muss.
Ich will die Gelegenheit nutzen, einige wenige Aspekte dieses Gesetzes – die, die Sie angesprochen haben, und darüber hinaus –, wenn es geht, sachlich erläutern und ein bisschen zur Aufklärung beitragen, denn so richtig zur Aufklärung haben Sie, Herr Dregger, ja nicht beigetragen. Es war doch relativ viel an der Oberfläche gekratzt und nicht im Detail.
Der Kollege Schlüsselburg hat die wesentlichen Linien des Gesetzes erläutert. Das will ich nicht wiederholen, sondern auf die konkreten Punkte eingehen.
Zunächst einmal: Wir haben im Gesetz tatsächlich den Begriff der öffentlichen Ordnung gestrichen.
Wir wissen, dass andere Länder – wie etwa SachsenAnhalt – gerade überlegen, diesen wieder im Versammlungsrecht einzuführen. Wir halten das für überflüssig, denn wir haben in einer dezidierten Kasuistik auf der Grundlage des Bundesverfassungsgerichts und der Erkenntnisse der letzten Jahre in unserem § 14 eine genaue Anleitung dessen reingeschrieben, wogegen vorgegangen werden muss und kann. Wir geben der Polizei alle nötigen Instrumente an die Hand, um gegen Gewalt und ähnliche Dinge bei Demonstrationen vorzugehen.
Dazu gehört selbstverständlich, dass wir nicht nur die Punkte, die der Kollege Schlüsselburg – was Nazis, Hetze und Ähnliches betrifft – aufgezählt hat, angucken und dagegen konsequent vorgehen, sondern jegliche Gewalt und Bedrohung – sei es von rechts oder von wo auch immer – wird mit diesem Gesetz ermöglicht zu bekämpfen.
Ich verweise auf den § 14 Abs. 2 Satz 2. Da heißt es nämlich genau: Es gelten die Möglichkeiten des Verbots, der Beschränkung, der Auflagen, der Auflösung und Ähnliches für alle diese Fälle, in denen eine
Versammlung aufgrund ihrer konkreten Art und Weise … und in ihrem Gesamtgepräge... einschüchternd wirkt oder in erheblicher Weise gegen das sittliche Empfinden der Bürgerinnen und Bürger und grundlegende soziale oder ethische Anschauungen verstößt.
Das sind Elemente aus der öffentlichen Ordnung, die wir so praktikabel ins Gesetz reingeschrieben haben, damit dort Anwendbarkeit gewährleistet ist – aber nicht in einem schwammigen Begriff, der sowieso schwer justiziabel ist. Wir sind hier damit sehr modern. Das war der erste Punkt, den wir hier gemacht haben.
Zweiter Punkt: die Anwendbarkeit des Polizeirechts. Das haben Sie gar nicht erwähnt, das will ich aber erwähnen: Es ist damit sonnenklar festgelegt, dass wenn von Teilnehmern einer Versammlung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, selbstverständlich das Polizeirecht anwendbar ist und die Polizei zu den entsprechenden Maßnahmen greifen kann.
Dritter Punkt: die Anwesenheit der Polizei – ist im Vorfeld diskutiert worden –, wo wir eine klare Regelung haben, eine Transparenzregelung: Die Polizei hat sich grundsätzlich zu erkennen zu geben, und das ist auch richtig so. Das heißt aber nicht, dass etwa Tatbeobachter nach StPO untätig bleiben müssen. Selbstverständlich ist das, was nach StPO möglich ist, auch nach neuem geltenden Recht in Berlin weiterhin möglich. Das berühren wir gar nicht. Selbstverständlich können und müssen extremistische Bestrebungen auch auf Versammlungen durch den Verfassungsschutz notfalls mit geeigneten Mitteln beobachtet und aufgeklärt werden. Das ist alles völlig unberührt, das wird weiterhin möglich sein.
Vierter Punkt: Wir haben Identitätskontrollen und Durchsuchungen weiter ermöglicht. Wenn Anhaltspunkte für Gefahren aus Versammlungen heraus da sind, dann kann natürlich die Polizei auch die nötigen Kontrollen durchführen, in den nötigen eingegrenzten Tatbestandsvoraussetzungen, wie wir sie reingeschrieben haben; nicht uferlos, aber wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, ist das möglich.
Nächster Punkt: Spontandemos. Es ist sehr richtig, dass wir ermöglichen, was das Verfassungsrecht sowieso vorgibt: dass bestimmte Spontandemos stattfinden können müssen. Gleichzeitig ist aber auch klar: Das Regelwerk etwa zum Schutz vor Gefahren im Straßenverkehr gilt unverändert. Es kann also nicht sein, dass eine Straßenkreuzung spontan besetzt wird und die Straßenverkehrsordnung außer Kraft gesetzt wird. Das ist nicht der Fall, sondern es wird weiterhin die Möglichkeiten geben, wenn – sei es durch Extinction Rebellion oder andere
Flashmobs – Gefahren entstehen sollten, dort entsprechend zu reagieren.
Herr Kollege Schlüsselburg, bitte schön!
Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Schlüsselburg, dass die Bemerkungen von Herrn Dregger zum Waffenverbot und zum Vermummungsverbot tatsächlich nicht den Regeln des Gesetzes entsprechen. Dazu komme ich noch und werde sofort erläutern, dass Sie, Herr Kollege Dregger, da nicht ganz richtig liegen.
Zu Hör- und Sichtweite – Herr Schlüsselburg hat darauf hingewiesen –: Wir wollen ermöglichen, dass Gegendemos tatsächlich in der Nähe stattfinden können.
Aber durch das kleine Wörtchen „soll“ – Sie sehen im Gesetz das kleine Wörtchen „soll“ – ist gewährleistet, dass selbstverständlich die Polizei bei drohenden schweren Rechts-links-Versammlungslagen einen angemessenen Sicherheitsabstand wird aufrechterhalten können und müssen. Das ist durch die Gesetzesformulierung gewährleistet, Sie können auch in die Begründung gucken. Das ist ein wichtiger Punkt, aber es bleibt bei dem Grundsatz, Hör- und Sichtweite, wenn es möglich ist, zu organisieren.
Das Vermummungsverbot, Herr Kollege, ist erhalten geblieben, aber entsprechend unserer Praxis. Das, was die Polizei am 1. Mai seit Längerem praktiziert, haben wir
auf eine gesicherte gesetzliche Grundlage gestellt, nämlich: Der Einsatzleiter kann entscheiden, ob es richtig ist, jetzt oder später gegen Gefahren, die durch vermummte Gruppen ausgehen, vorzugehen. Er entscheidet, ob das Ding zu einem Straftatbestand wird oder noch nicht und ob er einschreiten muss oder nicht. Das ist das flexible, sinnvolle und intelligente Vorgehen, das wir geübt haben in Berlin. Wir knüpfen an die erfolgreiche Praxis der Berliner Polizei an und schreiben das ins Gesetz rein. Das ist sehr praxisnah.
Vorletzter Punkt – 60 Sekunden noch! – ist das Waffenverbot. Es ist nicht richtig, Herr Kollege Dregger, dass wir das Waffenverbot irgendwie relativieren. Das Waffenverbot gilt qua Grundgesetz per se. Das Waffenverbot gilt auch nach dem neuen Berliner Versammlungsrecht per se und vollständig. Es geht um die ähnlichen Gegenstände, die identifiziert werden müssen, wo wir ein besonderes Verfahren eingeführt haben, was sinnvoll ist. Das Waffenverbot bleibt selbstverständlich erhalten und der Verstoß sanktionierbar.
Letzter Punkt: die Bannmeile. Man kann darüber nachdenken, ob, wenn man das Recht der Bannmeile ein Stück liberalisiert, man nicht deswegen aus der Zeit gefallen sei, weil wir am Reichstag und am Kapitol diese problematischen Bilder gesehen haben und ob man nicht viel härter darauf hätte reagieren müssen. Ich kann Ihnen sagen: Selbst mit dem geltenden Recht des Bundestages und der Bannmeile dort konnte die Reichstagserstürmung nicht verhindert werden.
Wir haben uns daran orientiert, dass wir das geltende Recht des Bundestages mit den Tatbestandsmerkmalen auch in unser Gesetz reinschreiben. Wir haben die gleichen Tatbestandsmerkmale zum Schutz des Parlaments, nämlich: wenn der Parlamentsbetrieb gestört zu werden droht oder wenn der freie Zugang gestört werden sollte. – Der Unterschied ist: Im Bund ist es eine gebundene Entscheidung – „sind zuzulassen“, wenn nicht solche Störungen zu besorgen sind. Hier haben wir eine Flexibilität eingebaut, der Präsident kann verbieten, einschränken, wenn das droht. Er entscheidet nicht alleine, er wird nicht allein gelassen, sondern die Versammlungsbehörde soll natürlich – das haben wir reingeschrieben – die Erkenntnisse, die da sind, dem Präsidenten mitteilen, und dann wird entschieden, ob etwas zu besorgen ist oder nicht, und dann kann er die Verfügung erlassen.
Ich meine, wir haben damit insgesamt alle nötigen Eingriffsbefugnisse, die erforderlich sind, um Gefahren abzuwehren, ins Gesetz geschrieben. Es ist mitnichten so, dass wir der Polizei das Leben schwer machen, sondern wir schaffen Rechtssicherheit für alle Seiten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst mal, Herr Goiny, haben Sie ja sehr charmant das Thema ein bisschen ausgeweitet über das Freienvertretungsthema hinaus auf den Rundfunkrat und dessen Zusammensetzung. Das ist auch ein Thema, das wir im Ausschuss konstruktiv begleiten werden. Aber ansonsten will ich doch tatsächlich zu diesem Thema hier jetzt etwas sagen, aber trotzdem nicht vergessen, wie Sie auch, zu würdigen, dass die jetzige Intendanz in ihrer Amtszeit schon sehr viel für die Freien getan hat. Die Freienvertretung war ein Schritt hin zu mehr Repräsentanz der festen Freien im Sender. Nicht nur die Fortschritte bei der Programmgestaltung, sondern auch bei der inneren Kommunikation im Sender, da, kann man sagen, hat die jetzige Intendantin einiges erreicht – und dazu unseren Glückwunsch von hier aus!
Das hat sie nicht allein erreicht. Die Erfolge des RBB, die wir auch in der Begründung würdigen, der RBB genießt über Berlin-Brandenburg hinaus einen guten Ruf, hat sie mit zu verantworten, aber eben auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Senders und eben auch die festen Freien und alle Freien. Auch da sind wir uns einig, dass wir dort die Situation verbessern können, verbessern müssen. Wir haben deswegen den Antrag eingebracht, um jetzt bei den Verhandlungen des Staatsvertrages den nächsten Schritt zu gehen.
Da, Kollegin Bluhm hat es ausgeführt, halten wir es für eine richtige Maßnahme, wie auch im Bund bei der Frage des Bundespersonalvertretungsgesetzes diskutiert wird,
(Christian Goiny)
dass man hier zu einer Repräsentanz im Personalrat kommt. Wichtig ist, dass sich dadurch der Status der festen Freien in keiner Weise ändert, sondern es ist die Möglichkeit, in dem dafür vorgesehenen Gremium, der Interessenvertretung, eine Gruppe zu bilden, Sitze zu bekommen und damit ihre Position ein Stück zu stärken, aber der Status wird sich nicht verändern. Ich glaube, da sind sich auch alle einig, sie werden dadurch nicht zu Arbeitnehmern im Sinne der fest Angestellten.
Es ist aber entscheidend, dass wir uns das bei den Beratungen zum Staatsvertrag frühzeitig im Medienausschuss angucken. Da haben wir jetzt vereinbart, dass, bevor die Vorlage – zur Kenntnisnahme – kommt, wir vorher demnächst einen Bericht über den Sachstand der Verhandlungen bekommen. Und dann wird genau auch das ein Thema sein, das wir hier behandeln werden. Dann müssen wir auch die Stellungnahmen, die kommen, angucken und würdigen und dann eine Bewertung vornehmen.
Ich will auf ein Thema hinweisen. Das wird diskutiert, und das können wir nicht ausblenden. Das ist die Frage: Wie verhält sich unser Recht, das wir hier schaffen, zum Bundespersonalvertretungsrecht in der Fassung der Deutschen Welle und der Frage, welche Rechte dort tatsächlich im Rundfunkrat eingeräumt werden? Sie wissen, dass es in dieser Fassung Deutsche Welle die Möglichkeit der Mitbestimmung auch bei außerordentlicher Kündigung gibt. Hier brauchen wir die Expertise und die Stellungnahme auch des Hauses, wie weit die Möglichkeiten der Mitbestimmung dann im Personalrat für feste Freie tatsächlich gehen. Ich fürchte, es gibt auch Abgrenzungsprobleme. Das müssen wir tatsächlich bei der Bewertung betrachten und bei der Entscheidung würdigen, denn wir müssen es auch handhabbar machen und die Abgrenzungsfragen klar regeln. Darauf möchte ich nur hinweisen. Das wird eine Rolle bei den Beratungen spielen.
Wir wollen Bewegung hineinbringen. Wir werden dies im Staatsvertrag verhandeln und hoffen, dass wir dann für alle Seiten, sowohl für die festen Freien als auch für die Intendanz und die Geschäftsleitung, eine akzeptable Lösung finden werden. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben angesichts dieser Ausnahmesituation eine Reihe von Entscheidungen zu treffen, die teilweise noch in Vorbereitung sind: zum Beispiel das Wahlgesetz, in dem wir uns auf das Versammlungsprinzip konzentrieren, wo wir möglicherweise eine Regelung treffen müssen, wir haben das Gesetz zur Parlamentsbeteiligung, und schließlich müssen wir uns auch um die Arbeitsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen kümmern. Das
(Dr. Manuela Schmidt)
tun wir mit dieser Vorlage, die wohl eine breite, um nicht zu sagen, einstimmige Zustimmung erhalten wird. Darüber freuen wir uns!
Die Vorzüge dieser Vorlage haben meine Kollegen Schmidt und Schmidt schon erläutert, das will ich gar nicht wiederholen. Die Videokonferenz stellt die Arbeitsfähigkeit der BVV sicher. Die anderen Regelungen, die wir in dem Zusammenhang treffen, sind flankierend, um die so rechtssicher zu machen, dass alle nötigen sonstigen Vorschriften eingehalten werden. Deswegen ist das, was meine Kollegen vorgetragen haben, richtig. Das muss ich nicht wiederholen.
Ich will nur betonen, dass wir mit dieser Vorlage nicht leichtfertig Grundsätze über Bord werfen, sondern tatsächlich eine Abwägung getroffen haben, um die geltenden Regeln der BVVen an die Ausnahmesituationen anzupassen, die Arbeitsfähigkeit so gut es geht sicherzustellen und nicht etwa alles Mögliche im Zuge dessen über Bord zu werfen, sondern das ist maßvoll und auf diese Ausnahmesituation zugeschnitten.
Ich will nur hinzufügen, dass wir im Zuge dessen nicht etwa andere Dinge lösen wollen und können – das ist auch niemals diskutiert worden –, etwa dass üblichen Gesundheitsgefahren begegnet werden kann, die durch den Ausnahmefall gar nicht begründet sind. Die sind mit diesem Gesetz überhaupt nicht adressiert. Oder etwa: Es muss klar sein, dass wir hiermit keine Abhilfe für das übliche Risiko schaffen, dass sich das politische Kräfteverhältnis durch eine krankheitsbedingte Abwesenheit einzelner Bezirksverordneter verschieben kann. Diese Dinge sind überhaupt nicht verändert und hiermit nicht geregelt, sondern es geht tatsächlich um diese Ausnahmesituation. Das muss allen klar sein.
Wichtig ist, dass wir mit der noch zuletzt erarbeiteten Änderung – dafür bin ich sehr dankbar – eine Klarheit für die Rechtssetzungsakte der BVVen geschaffen haben. Wenn Bebauungspläne beschlossen werden sollen, dann kann das natürlich nicht auf Zuruf geschehen, sondern muss in einem nachvollziehbaren, vernünftigen – und zwar schriftlichen – Verfahren geschehen. Die Kollegen haben darauf hingewiesen: Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren sichert die notwendigen Kautelen bei der Frage, wie eine BVV die nach Baugesetzbuch geregelten Bebauungspläne in Kraft setzt. Das haben wir mit dieser Änderung in Artikel 1 sichergestellt, und darüber freue ich mich.
Wir stimmen hier, glaube ich, gemeinsam alle dieser Verbesserung der Arbeitsfähigkeit in der Ausnahmesituation für die Bezirksverordnetenversammlung zu. – Ich danke Ihnen herzlich für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Meine geehrten Damen und Herren! Herr Kollege! Im Erfinden von verschiedenen Überschriften für ein und dieselbe Sache sind Sie und Ihre Fraktion wirklich unschlagbar.
Mal sind es die Terroristen, mal sind es die abgelehnten Asylbewerber, mal sind es wieder alle Ausreisepflichtigen, und diesmal sind es die Syrer. Aber immer geht es nur um das Eine: das Platzieren Ihrer Falschbehauptungen, wir würden nicht abschieben und das Gesetz missachten. Jedes Mal werden Sie durch die Tatsachen widerlegt, die ich Ihnen heute erneut vortragen muss.
Berlin betreibt durchgängig ein Rückführungs- und Abschiebungsmanagement und koordiniert diese Bemühungen senatsseitig durch eine eigens dafür geschaffene Arbeitsgruppe. Über die freiwilligen Rückführungen hinaus hat Berlin im Jahr 2019 1 003 Personen abgeschoben und im Jahr 2020 bis Ende September 719. Anders, als Sie uns hier weismachen wollen, schieben wir auch konsequent Straftäter ab, wenn das rechtlich und tatsächlich möglich ist. 2019 waren es 207 und im laufenden Jahr bis Ende September 104 Straftäter. Dort jedoch, wo es rechtlich nicht möglich ist, abzuschieben, schiebt Berlin auch nicht ab, denn der Senat hält sich an geltendes Recht, und dieses zu missachten, kann dieses Haus schlechterdings nicht verlangen, auch nicht beschließen, und Sie verlangen das ja auch gar nicht.
Im deutschen Recht ist das Völkerrecht Teil unserer Rechtsordnung, weshalb das Aufenthaltsgesetz § 60 Absatz 5 auf die Europäische Menschenrechtskonvention verweist. Aufgrund dieser Rechtslage stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in ständiger Entscheidungspraxis ein Abschiebeverbot bei syrischen Staatsangehörigen fest. Dieses Abschiebeverbot entfällt auch bei Straftätern nicht. Ich nehme an, die Europäische Menschenrechtskonvention wollen Sie nicht ändern. Jedenfalls haben Sie das in Ihren Anträgen auch nicht angesprochen, auch nicht mündlich. Aufgrund also dieser auch von Ihnen unbestrittenen Rechtslage hat die Innenministerkonferenz vor Jahren gemeinsam mit dem Bundesinnenminister den Abschiebestopp für Syrer beschlossen, weil aufgrund der Lageberichte des Auswärtigen Amts die Lage in Syrien nach wie vor bedrohlich bis katastrophal ist.
Und wenn die Bundespolizei nicht nach Syrien fliegt, können auch wir nicht dahin abschieben, und jetzt kommt die entscheidende Frage: Muss der Abschiebestopp im
mer wieder verlängert werden, oder kann er in absehbarer Zeit ganz oder teilweise aufgehoben werden, und was muss geschehen, damit dies möglich wird? – Die Antwort darauf gibt der Bundesminister des Innern, Horst Seehofer, der in der Bundespressekonferenz am 23. Oktober dieses Jahres durch seinen Sprecher erklären ließ – ich zitiere mit Erlaubnis, Frau Präsidentin –,
dass es aus Sicht des Bundesinnenministeriums grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn Straftäter und auch Gefährder abgeschoben werden können, dass dies aber natürlich nur dann geschehen kann, wenn sie nicht mit Gefahr für Leib und Leben bedroht sind.
Diese Aussage ist doch nicht deshalb falsch, weil Seehofer sie gemacht hat. Sie entspricht exakt der Rechtslage, an die sich selbstverständlich auch die Bundesregierung hält.
Es kommt also darauf an. Es kommt tatsächlich auf die Lage in Syrien an, wie die Verhältnisse dort sind, und damit auf die Lageberichte des Auswärtigen Amts und darauf, ob und wie weit dort eine Bedrohungslage fortbesteht oder ob etwa befriedete Zonen oder Sicherheitszonen festgestellt werden können, die gegebenenfalls eine Abschiebung rechtlich ermöglichen. Das ist die entscheidende Frage. Das muss aufgrund der Lageberichte beurteilt werden. Das macht das Bundesministerium des Innern, das machen die Innenminister der Länder, und dann wird eine Entscheidung getroffen. Bis jetzt ist keine Veränderung in dieser Lageeinschätzung vorgekommen, und deswegen ist es bis jetzt gültig.
Dies, was Sie hier anstreben, ist aber etwas, was wir hier weder im Abgeordnetenhaus beschließen können, noch der Senat anordnen kann, noch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verfügen kann. Dies ist Sache der Innenministerkonferenz einschließlich des Bundesministers des Innern, nämlich regelmäßig verantwortlich zu prüfen, welche Veränderungen sich im Herkunftsland ergeben und welche Konsequenzen daraus für die Abschiebepraxis zu ziehen sind. Wie auch immer sich die Situation entwickelt, Berlin hält sich an die Beschlusslage aller deutschen Innenminister und wird sich auch künftig daran halten. Wir handeln im Einklang mit dem Bund und den anderen Ländern, und wir machen hier keine Alleingänge, auch wenn Sie das hier beantragen. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Kollege! Ich kann es kurz machen. Es ist richtig, dass sich jede Pauschalbetrachtung verbietet, es sehr auf die tatsächliche Lage ankommt, diese Lage durchaus dynamisch sein kann, sich verändern kann und es deswegen entscheidend auf die nüchterne Betrachtung der Verhältnisse dort ankommt.
Zweitens gehe ich davon aus, dass die Innenministerkonferenz sich diese Analysen verantwortlich anguckt und dann eine Entscheidung trifft, nicht schematisch oder irgendwie reflexartig vorgeht, sondern ganz an der Sache und den tatsächlichen Verhältnissen orientiert, und natürlich dann versucht, die Ziele, die im Aufenthaltsrecht des Bundes angelegt sind, auch zu verwirklichen, nämlich dann, wenn das rechtlich und tatsächlich möglich ist, auch Straftäter und Gefährder abschieben zu können. Dieses Ziel ist das Ziel der Gesetzeslage.
Für die Koalition hier im Haus kann ich sagen, dass die Regeln, die das Völkerrecht zum Schutz von Humanität und Menschenleben aufstellt, vollständig beachtet werden und es dahinter kein Zurück gibt. Das werden wir auch künftig in der Praxis beachten, auch wenn Sie da noch so sehr drängen. Ich will Ihnen jetzt keine besondere Polemik vorwerfen. Das haben Sie hier nicht gemacht. Wir sollten als Haus das Signal aussenden, dass wir verantwortlich handeln. Und so wird der Senator garantiert in die nächsten Beratungen der Innenministerkonferenz eintreten und sich dort an der Analyse beteiligen. Alles vorwegzunehmen, was dort möglicherweise entschieden werden kann, macht keinen Sinn, weil man sich die Punkte erst angucken muss. – Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man könnte über die Auslassungen dieses magischen Denkers Herrn Gläser getrost hinweggehen,
wenn man nicht doch von diesem Pult aus feststellen müsste, dass das einzig und allein darauf ausgerichtet ist, durch Verfälschungen und Verdrehungen Misstrauen und Zwietracht unter den Leuten zu säen, und das muss einfach zurückgewiesen werden.
[Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Quatsch, er hat konkrete Beispiele genannt! Hören Sie zu! Pure Machtarroganz! – Weitere Zurufe von der AfD]
Anders als mein Vorredner will ich einige Vorzüge unseres Systems, über das und über dessen Finanzierung wir hier heute beraten, hervorheben. Es ist nämlich so – ganz im Unterschied zu dem, was Sie hier erzählen –, dass uns viele Länder in der Welt um unsere duale Medienordnung beneiden, deren konstitutiver Bestandteil das öffentlichrechtliche System ist. Ergänzt durch den privaten Teil bietet das eine Vielfalt und eine Qualität, nach denen sich andere Länder sehnen, und das ist erst mal eine Errungenschaft, die sich über die Jahrzehnte entwickelt hat und auf die man stolz sein kann, wie ich finde.
Wir haben aber auch festzuhalten: Qualitätsjournalismus ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie, und dieser Qualitätsjournalismus wird durch dieses System maßgeblich mitgeleistet, und das ist existenziell. Wir haben die Notwendigkeit, eine seriöse und kuratierte Berichterstattung zu haben. In einer zunehmend individualisierten Medienlandschaft wird dies
(Ronald Gläser)
immer wichtiger, und auch das ist ein Ergebnis, was der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet, und das müssen wir würdigen.
Schließlich müssen wir feststellen, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk, das gesamte System, im letzten halben bis dreiviertel Jahr, in der Krise, einen spürbaren Akzeptanzgewinn erfahren hat, und das ist messbar, wir können es darstellen, dass die Leute darauf Wert legen, diese Informationen zu bekommen, eine seriöse Berichterstattung, anstatt alle möglichen Fake-News zu hören.
[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der LINKEN und den GRÜNEN – Franz Kerker (AfD): Das hat man gestern bei der Demo gesehen! – Gunnar Lindemann (AfD): Warum sprechen Sie dann noch von Fake-News?]
Zum Glück haben wir in diesem Haus eine große Übereinstimmung über die Frage der Bedeutung dieses Systems und auch über die Verantwortung, die wir dafür tragen.
Deshalb will ich das hier nicht allzu sehr verlängern. Die Erhöhung des Rundfunkbeitrags ist äußerst maßvoll. Es sind 1,2 Prozent pro Jahr. Das ist angesichts der Aufgaben und der Kostenentwicklung eine sehr vorsichtige, maßvolle Erhöhung, und ich darf daran erinnern, dass die Bedarfsermittlung durch die KEF ohne medienpolitische Einflussnahme stattfindet. Das gebietet nämlich das Prinzip der Staatsferne.
Deswegen ist es nur höchst ausnahmsweise zulässig, dass wir hier etwa aus zwingenden wirtschaftlichen Gründen von dieser KEF-Empfehlung abweichen. Das tun wir nicht, weil solche auch gar nicht vorgetragen wurden. Sie haben sie auch nicht vorgetragen, und sie sind auch weit und breit nicht erkennbar. Deswegen werden wir dieser Vorlage selbstverständlich zustimmen.
Wenn wir hier in diesem Haus einen breiten Konsens haben, dann erübrigt sich tatsächlich eine ausführliche Debatte über die Finanzierungsgrundlagen. Das steht ja auch alles im Vertrag drin. Ich hoffe, dass SachsenAnhalt als Land Nr. 16 doch noch zustimmen kann, denn sonst würde wegen des Funktionsauftrags, den wir im Medienstaatsvertrag haben, das Bundesverfassungsgericht ohnehin gezwungen sein, diese Erhöhung als Gerichtsentscheidung zu beschließen. Ich hoffe, dass Sachsen-Anhalt doch noch mitmacht. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich am Beginn klarzustellen, Herr Kollege: Falls Sie die angebliche Kooperation der Senats mit fundamentalistischen Verbänden so gemeint haben sollten, dass Sie dem Senat eine Komplizenschaft mit Mord und Terror vorwerfen, dann muss ich das entschieden zurückweisen. Das ist eine Fundamentalopposition, die nicht angebracht ist.
Ich nehme aber an, Herr Kollege, Sie haben das vielleicht so nicht gemeint. Aber Sie haben vielleicht versucht zu stimulieren, dass in den sozialen Medien oder sonst wo diese These kolportiert wird, und deswegen ist es wichtig zu betonen, dass ein solcher Vorwurf absurd und in keiner Weise begründbar ist.
Die jüngsten furchtbaren Anschläge von Paris bis Wien lösen zuallererst Trauer und Mitgefühl aus. Wir trauern um die Opfer, und wir fühlen mit den Angehörigen. Wir sollten auch hier im Hause – der Präsident hat es schon getan – gemeinsam zum Ausdruck bringen, dass wir in Berlin an diesen schweren Tagen solidarisch an der Seite unserer europäischen Freunde stehen.
Danach stellt sich aber sofort Entsetzen ein über die Kaltblütigkeit, die Menschenverachtung, die Brutalität dieser Täter und die bittere Erkenntnis, dass es immer wieder junge Männer gibt, die mit ihren religiösen Wahnvorstellungen und ihrem Hass zu eiskalten Killern werden. Auch wenn sie möglicherweise allein handeln und der IS die Tat hinterher nur für sich reklamiert, ist die salafistische Bedrohung mitten in Europa nach wie vor erheblich, und wenn die Debatte hier heute einen Sinn machen soll, dann sollten wir ernsthaft über die Gegenstrategien reden – nicht mit Verunsicherung, sondern ausgerichtet an vernünftigen Strategien politischer wie polizeilicher Art.
Nein, Herr Kollege! Ich möchte hier im Zusammenhang ausführen, weil das zu wichtig ist. – Nach unserer Überzeugung ist nämlich bei diesen Strategien ein dreifacher Ansatz zu verfolgen. Als erstes ist es unverzichtbar, die Täterprofile genau zu untersuchen. Dabei will ich mich nicht lange mit der Persönlichkeitsstruktur dieser Leute aufhalten: vielfach unterentwickelte soziale Bindungen, mangelnder Kontakt zu Frauen, Abwertung, vielfach Verachtung von Frauen, hohes Aggressionspotenzial und hohe Bereitschaft zur gewalttätigen Lösung von Konflikten.
Wichtiger ist hier die Betrachtung der religiösen Radikalisierungsprozesse. Wie werden gläubige Moslems zu Dschihadisten, die hoffen, als Märtyrer ins Paradies zu kommen? – Der Wiener Imam, der zu Dialog und Verständigung aufruft, warnt davor, dass die Gefängnisse in ganz Europa Brutstätten der Radikalisierung seien. Ich fürchte, das ist ernst zu nehmen. Der Wiener Attentäter, den alle Gutachter und Bewährungshelfer falsch eingeschätzt haben, wollte zwar vorher ins IS-Kampfgebiet ausreisen, dürfte sich aber im Gefängnis in Richtung auf die Terrortat weiter radikalisiert haben. Auch in islamistischen Moscheevereinen hier bei uns sind teilweise solche Prozesse zu beobachten, wie z. B. in der FussiletMoschee in Moabit. Wir haben sie geschlossen, aber damit ist natürlich das Problem noch nicht beseitigt. Jedenfalls ist klar: Das Wissen über die Profile der Täter und der Austausch der europäischen Sicherheitsbehörden über die Radikalisierungskarrieren müssen intensiviert werden. Da hat die „FAZ“ von gestern vollkommen recht.
Wir werden – zweitens – mit Abwehrmaßnahmen keinen Erfolg haben, wenn wir die Strategie des IS nicht kennen. Da lohnt es sich, die IS-eigene Propaganda anzugucken. Ziel der IS-Aktivisten in Europa ist die Grauzone. 2015, nach der Errichtung des Kalifats, haben sie die „extinction of the greyzone“ gefordert; es sei die Zeit gekommen, noch mehr Zerwürfnis in die Welt zu bringen und allerorten die Grauzone zu zerstören. Damit meinen sie die Indifferenz der Ungläubigen, also all die aus ihrer Sicht vergnügungssüchtigen, dekadenten Hedonisten, die weder beim Kreuzzug der vermeintlich christlich geführten Strategie mitmachen noch sich dem Dschihad anschließen, die also weder das eine noch das andere machen. Damit meinen sie vor allem aber auch alle, die sich in Europa einem friedlichen, reformatorischen, europäischen Islam zuordnen lassen. Sie bekämpfen alle Heuchler, die den Kampf gegen die Ungläubigen nicht unterstützen, also Millionen von muslimischen Bürgerinnen und Bürgern. Diese Strategie, die der IS seit 2015 verfolgt, ist also auf die völlig terroruninteressierten Muslime im Westen ausgerichtet und auf die erwünschte Gegenreaktion von Muslimgegnern, um noch mehr Spaltung und Zerwürfnis in die Gesellschaft zu tragen.
Hier zeigt sich, dass die Polemik gegen den Islam als Ganzes und die von manchen betriebene Radikalisierung in der Mitte der Gesellschaft voll nach hinten losgeht, weil sie – ohne dass sie das wollen, quasi aus Versehen – die Logik des islamischen Staates bestätigen.
Wenn wir eine wirksame Gegenstrategie aufbauen wollen, dann geht das nur mit den muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland und nicht gegen sie. Ihre Widerstandskraft gilt es zu stärken gegen die Gewaltprediger des fanatischen Islamismus. Ihnen muss die Botschaft gelten. Die fundamentalistische Religion hat jede Daseinssicherheit in Tradition, Sitte und Kultur verloren. Islamismus ist, wie Navid Kermani feststellt, Islam ohne islamische Kultur.
Bei diesem Dialog über den gegenseitigen Respekt und die Achtung der Lebensentwürfe und des Glaubens oder Nichtglaubens des jeweils anderen kommt den Verbänden des friedlichen Islam eine wichtige Rolle zu. Wenn wir gemeinsam Hass und Gewalt eindämmen wollen, müssen muslimische Jugendliche lernen, dass wir in einem säkularen Rechtsstaat leben, dass Frauen und Männer die gleichen Rechte haben und dass Homosexuelle heiraten können.
Das dritte Handlungsfeld ist natürlich die Sicherheitspolitik, von der Prävention bis zur Strafverfolgung. Hier führen manche Formulierungen zu der Frage: Befinden wir uns eigentlich im Krieg? Nach den Anschlägen in Paris 2015 befand zum Beispiel Herfried Münkler: Wir leben weder im Krieg noch im Frieden. – In Syrien und im Irak ist inzwischen die Staatenbildung des IS durch Militär unterbunden worden. Sind wir im Krieg? – Ich meine, wir sollten den IS in Europa nicht zur Kriegspartei erklären, denn es geht um Verbrechensbekämpfung, die Instrumente von Polizei und Nachrichtendiensten und die Resilienz der Gesellschaft. Das sind die Themen, die uns beschäftigen müssen. Ich warne in diesem Zusammenhang vor einer allzu martialischen Rhetorik.
Der Fall Amri hat sehr deutlich gemacht, wo bei uns in Bund und Ländern Schwachstellen bei der Terrorbekämpfung lagen. Ich betone „lagen“, denn seither, seit 2016, hat sich in Deutschland im Bund und in den Ländern einiges getan.
Informationen zu beschaffen, sie richtig auszuwerten und die Erkenntnisse unmittelbar und zügig an die relevanten
Sicherheitsbehörden zu steuern, um erkennbare Gefahren abzuwehren, das ist die entscheidende Voraussetzung, um – wenn man so will – vor die Lage zu kommen, um die Gefahren abwenden zu können.
Aus Österreich hörten wir gestern, dass es wohl der Vorgänger des Innenministers, ein Innenminister der FPÖ – Ihrer Freunde, nehme ich an – war, der den Verfassungsschutz in Österreich dermaßen geschwächt hat, weil er irgendwelche Vorwürfe gegen die hatte, dass sie nicht dazu gekommen sind, ihre Erkenntnisse, die sie über den Attentäter von Wien aus der Slowakei hatten, an die Polizei weiterzureichen.
Ich sage nur: Wir müssen darauf achten, dass alle ihre Funktion erfüllen können. Ihre Freunde in Österreich haben nicht dazu beigetragen. Leider!
Wir handeln in Berlin und im Bund. Wir haben zum Beispiel, wie in anderen Bundesländern auch, ein neues Analysetool zur besseren Einschätzung von Gefährdern eingerichtet. Damit haben wir die Auswertung von vornherein verbessert und die Chance erhöht, tatsächlich die Gefahrenlagen zu erkennen. Wir haben die Polizei erheblich gestärkt mit dem Ausbau personeller Kapazitäten zur Verbrechensbekämpfung im Bereich Islamismus. Wir haben das verdoppelt seit 2016.
Und wir haben im Gemeinsamen Abwehrzentrum des Bundes und der Länder zur Abwehr von Terrorismus eine verstärkte und verbesserte Kooperation vereinbart. Das wird sich auszahlen.
Wir werden in Berlin alles tun, um ein Höchstmaß an Sicherheit vor terroristischen Anschlägen zu gewährleisten. Das ist unser Ziel, das ist unser Bestreben, und wir haben bis jetzt auch schon durch konkrete Maßnahmen gezeigt, dass wir dies voranbringen.
Ihr Vorschlag ist: Alles zumachen und alle abschieben,
egal ob es eine geklärte Staatsangehörigkeit gibt, ja oder nein, egal ob die Staaten im Nahen Osten sie annehmen oder nicht.
Sollen wir die über dem Gebiet abwerfen, oder was? – Das ist die Frage, die im Konkreten beantwortet werden muss, aber niemals in dieser pauschalen Weise, wie Sie das tun.
Wir werden das im Detail und verantwortlich beantworten, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege! Zunächst einmal danke ich Ihnen für die Klarstellung zu Beginn Ihres Beitrags, denn es ist klar, dass Sie damit den Rahmen der Debatte an dem Punkt nicht gesprengt haben, und Sie haben einen Vorwurf, der sich möglicherweise irgendwo verbreiten könnte, zurückgenommen, gar nicht erst erhoben oder widerlegt. Das ist sehr gut für die Debatte an diesem wichtigen Punkt, das möchte ich festhalten.
Das Zweite ist, dass wir selbstverständlich bei allen Diskussionen über die nötigen Maßnahmen über den Tellerrand hinausgucken müssen. Wir können nicht nur bei uns gucken, was wir machen, ohne die anderen zu betrachten. Wir müssen gerade anhand dieses Falls in Wien schauen: Wie sind dort die Abläufe gewesen? Gab es einen hinreichenden und rechtzeitigen Austausch über die Erkenntnisse? – Es gab ihn nicht.
Ich möchte festhalten, dass immer gerne von Parteien Ihrer Couleur am Ende gesagt wird – auch jetzt wieder: Ihr seid nicht in der Lage, die Sicherheit zu gewährleisten. Ihr baut das alles ab.
Es gibt andere Beispiele, die zeigen, dass Sie an dem Punkt nicht die richtigen Berater für eine Erhöhung der Sicherheit sind, sondern dass andere dies tun.
Jetzt aber noch einmal zu dem Thema Kooperation: Es gilt der Grundsatz, dass wir jeden Gesprächspartner, der uns helfen kann bei Deradikalisierung,