Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die CDU legt einen Antrag zum Neutralitätsgesetz vor und hofft, mit diesem überaus pfiffigen Vorgehen, der Koalition internen Ärger zu bereiten.
Das kann man natürlich machen, es ist aber strategisch eher simpel und vor allem dem Ernst der Entscheidung, um die es hier geht, nicht angemessen.
Zunächst: Es ist natürlich nicht, wie im Antrag formuliert, das Neutralitätsgesetz, das dafür sorgt, dass die Vertreterinnen und Vertreter des Rechtsstaates gemäß Recht und Gesetz entscheiden, wobei Lehrerinnen und Lehrer ja nicht entscheiden, wie es im Antrag heißt, sondern unterrichten; das ist etwas anderes. Dafür, dass es nach Recht und Gesetz zugeht – in diesem Fall nach dem Schulgesetz und den gesammelten Vorgaben für Lehrerinnen und Lehrer –, sorgen Recht und Gesetz sowie diese Schulanweisungen von alleine, die waren nämlich auch schon vor dem Neutralitätsgesetz gültig. Weil das so ist, unterliegt jede Lehrerin und jeder Lehrer denselben Regeln und Vorgaben, vom Lehrplan über Benotungskategorien bis hin zu den Verhaltensregeln im Schulalltag wie Pausen etc., und zwar egal, was er oder sie anzieht.
Wir haben als Koalition die Verpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer zur Neutralität – oder sagen wir: zur Gerechtigkeit gegenüber den einzelnen Kindern – verschärft, und zwar durch das Landesantidiskriminierungsgesetz, denn Kinder werden an unseren Schulen leider viel zu oft aufgrund ihrer vermuteten oder tatsächlichen Herkunft, ihrer Familiensprache, ihrer Religion oder ihres Aussehens von Lehrerinnen und Lehrern eben nicht neutral, sondern diskriminierend behandelt. Die fehlende Empfehlung für eine weiterführende Schule oder dass man ihnen die Bildungsambition abspricht usw. – das kommt in Berliner Schulen in erheblichem Ausmaß vor.
Meine Fraktion vertritt die Auffassung, dass das Karlsruher Gerichtsurteil von 2015 in Berlin endlich umgesetzt werden muss.
Karlsruhe hat nämlich genau das festgestellt, dass man von der Kleidung eines Menschen nicht auf eine Verletzung von Dienstpflichten – und in diesem Fall bedeutet das die gebotene Neutralität – schließen kann. Wir folgen dieser Argumentation, denn es ist evident, dass Lehrerinnen und Lehrer, egal, was sie anziehen, schon jetzt nicht neutral sind. Die Beschwerdestelle, an die sich Kinder und Eltern wenden können, wenn Neutralität im Sinne der Diskriminierungsfreiheit nicht gegeben ist, hätten wir als Grüne in dieser Legislatur gerne verstärkt.
Ja, es gibt Bedenken bei Kolleginnen und Kollegen in unserer Koalition. Sie befürchten, dass die Erlaubnis für Lehrerinnen, ein Kopftuch zu tragen, diese Gemengelage nicht verbessert. Möglicherweise würden die Lehrerinnen mit Kopftuch im Klassenzimmer oder von Eltern angefeindet. Wir alle aber stehen auf dem Boden der Verfassung, und deswegen müssen und werden wir einen Weg finden, das Urteil unseres obersten Gerichts sowie die Urteile der Arbeitsgerichte umzusetzen. Es kann kein Dauerzustand sein, dass Berlin immer wieder die Prozesskosten tragen muss und Entschädigungen zahlt, weil es immer und immer wieder verliert, verliert, verliert.
Dazu brauchen wir keinen Antrag der CDU. Das Manöver ist peinlich und nicht angemessen. Wir werden nicht zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, und wir kommen zur Abstimmung. Es erfolgt eine Abstimmung über den Ihnen vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion
der CDU auf Drucksache 18/0154-1. Dieser Antrag ist gerichtet auf eine vollständige Ersetzung und Neufassung des ursprünglichen Antrags der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/0154. Die Fraktion der CDU hat eine namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte deshalb den Saaldienst, die vorgesehenen Tische aufzustellen. Ich bitte die Beisitzerinnen und Beisitzer unter Wahrung des erforderlichen Abstandes nach vorne.
Eine namentliche Abstimmung ist mit Namensaufruf durchzuführen. Ich bitte ein Mitglied des Präsidiums, die Namen der Abgeordneten aufzurufen. Die Stimmkarten werden Ihnen durch ein Präsidiumsmitglied ausgegeben. Ich weise darauf hin, dass die tatsächliche Stimmabgabe erst nach Namensaufruf möglich ist. Nur so ist eine reibungslose und geordnete Abstimmung möglich. Sie finden die Urnen vor, die eindeutig gekennzeichnet sind: eine Urne für die Ja-Stimmen, eine Urne für die NeinStimmen, eine Urne für Enthaltungen sowie für die nicht benötigten restlichen Karten und Umschläge.
Ich bitte darauf zu achten – es wäre schön, wenn noch einmal Ruhe einkehren würde! –, dass sich neben den Präsidiumsmitgliedern unter Wahrung des erforderlichen Abstandes nur jeweils drei Abgeordnete hier vorne zur Abstimmung aufhalten. Die übrigen Abgeordneten sitzen auf ihren Plätzen im Plenarsaal oder halten sich außerhalb des Plenarsaales auf.
Ich eröffne die Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU mit dem Betreff „Berlin steht zum Neutralitätsgebot – Keine religiösen und weltanschaulichen Symbole in den öffentlichen Schulen“ in der Ihnen vorliegenden Fassung Drucksache 18/0154-1. – Ich bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen und weise noch einmal darauf hin: Hier stehen nur die Kolleginnen und Kollegen maximal zu dritt und sofern sie aufgerufen sind! Ich sehe schon Leute herumspazieren, die noch nicht aufgerufen wurden. Ich bitte Sie eindringlich, Ihre Plätze wieder einzunehmen! – Bitte schön, es kann beginnen. Etwas langsamer, damit nie mehr als drei Leute da sind!
Hatten alle anwesenden Mitglieder des Hauses die Möglichkeit, abzustimmen? – Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Präsidiumsmitglieder, die Auszählung vorzunehmen.
Während der Unterbrechung, während der Auszählung machen wir gleichzeitig die Lüftungspause. Das heißt, die Sitzung wird um 17.50 Uhr fortgesetzt. Bis dahin wäre es gut, wenn Sie den Saal verlassen, damit vernünftig durchgelüftet werden kann.
Meine Damen und Herren! Es ist 17.51 Uhr, und wir können die Sitzung fortsetzen. Ergebnis der namentlichen Abstimmung „Berlin steht zum Neutralitätsgebot – Keine religiösen und weltanschaulichen Symbole in den öffentlichen Schulen“, Drucksache 18/0154-1. Abgegebene Stimmen insgesamt: 145, Ja-Stimmen: 55, Nein
Stimmen: 88, 2 Enthaltungen. Damit ist der Antrag 18/0154-1 abgelehnt. Der ursprüngliche Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 18/0154 und die hierzu ergangene Beschlussempfehlung des Ausschusses für Integration, Arbeit und Soziales auf Drucksache 18/4021 haben sich damit erledigt.
Gesetz zur Anpassung straßenrechtlicher Bestimmungen insbesondere im Hinblick auf das gewerbliche Anbieten von Mietfahrzeugen
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Verkehr, Klimaschutz vom 26. August 2021 Drucksache 18/4088
Ich eröffne die zweite Lesung der Gesetzesvorlage. Ich rufe auf die Überschrift, die Einleitung, die Artikel 1 bis 6 der Gesetzesvorlage und schlage vor, die Beratung der Einzelbestimmungen miteinander zu verbinden. – Widerspruch höre ich dazu nicht. In der Beratung beginnt die Fraktion Die Linke und hier jetzt wirklich der Kollege Ronneburg. – Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute beschließen wir die Änderung des Straßengesetzes, eine Änderung, die wegweisend sein wird für ein neues Miteinander auf unseren Straßen. Denn es geht um nicht weniger als erste, aus meiner Sicht noch zaghafte – darauf gehe ich aber später noch mal detaillierter ein – Schritte zur Regulierung von Sharingangeboten in Berlin. Dazu zählen die wachsenden Anbieter im Bereich der Mikromobilität, denken Sie an E-Scooter, Roller und Ähnliches, aber auch die Anbieter im Bereich der
Mieträder oder auch das Carsharing. Mit diesem Gesetz schaffen wir die rechtlichen Grundlagen dafür, dass die Fahrzeuge, die frei abgestellt werden, die sogenannten Free Floater, nicht mehr einfach auf Grundlage des Gemeingebrauchs von den Anbietern abgestellt werden können, sondern dass das Abstellen erlaubnispflichtig wird. Denn viel zu lange haben wir als Land Berlin dabei zugesehen, wie unsere Straßen, Wege und Plätze zugestellt wurden und durch schiere Quantität und einen Überbietungswettbewerb der Sharinganbieter der Konflikt um den öffentlichen Raum in einigen Teilen Berlins wirklich auf die Spitze getrieben worden ist. Mit Beginn der Einführung der Mieträder und spätestens mit den EScootern hat diese steigende Zahl von Fahrzeugen eine Dynamik entwickelt, der wir als Gesetzgeber begegnen müssen.
Es geht hier aus meiner Sicht um drei Dinge. Erstens: Grundsätzlich geht es um die Klarstellung darüber, wer über den öffentlichen Raum bestimmt, wer kontrolliert: kommerzielle Anbieter von Fahrzeugen oder die Kommune. Wir sind der Meinung, Letzteres sollte der Fall sein.
Zweitens geht es um den Schutz der schwächsten Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer. Drittens geht es darum, die Sharingangebote sinnvoll in Mobilitätsketten einzufügen, damit sie eine Alternative zum Auto werden, Autofahrten reduzieren und letztlich mehr Mobilitätsalternativen in Berlin zur Verfügung stehen.
Es war daher ein sehr wichtiges politisches Anliegen der Linksfraktion, dass diese Zustände endlich beendet werden. Nach langem Ringen haben wir als Koalition gemeinsam eine Lösung gefunden. Deswegen liegt dieses Gesetz so vor. Wir werden damit das Anbieten von Mietfahrzeugen als gewerblich definieren, so wie es viele Kommunen ja bereits machen. Mit diesem Gesetz schaffen wir letztendlich die rechtliche Grundlage für die Sondernutzung. Wir vollziehen damit also etwas nach, was eigentlich teilweise schon praktiziert wird. Schauen Sie sich auch das Beispiel aus Bremen an. Wir machen hier in Berlin allerdings etwas Anderes. Wir nehmen eine Gesetzesanpassung vor, um den sogenannten Tatbestand der Sondernutzung ganz klar rechtlich klarzustellen.
Natürlich schauen jetzt alle nach Berlin, und natürlich versuchen auch alle, aufgrund auch der Kritik an diesem Gesetz, zu sagen, das wäre der Mietendeckel 2.0. All jenen, insbesondere den Vertretern der CDU, die uns dafür kritisieren, kann ich nur sagen: Wenn Ihre Bundesregierung mal gehandelt hätte und die Kommunen und die Bundesländer nicht alleine gelassen hätte, sondern ihnen selbst Regulierungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt hätte, dann wären wir erst überhaupt nicht in diese Lage gekommen.
Stattdessen setzen sich Verkehrsminister wie Andreas Scheuer dafür ein, dass Fahrzeuge wie E-Scooter möglichst schnell zugelassen werden. Kein Gedanke wurde darauf verschwendet, wie man den Städten hilft, die sich damit innerhalb kürzester Zeit sinnvoll auseinandersetzen und Regeln finden müssen. Wir haben das ja versucht. Wir haben freiwillige Vereinbarungen gehabt, sehen allerdings, dass das kein erfolgsversprechender Weg ist, allein schon aus dem Grunde, dass wir uns im dynamischsten Markt in Deutschland bewegen. Wir sind attraktiv für viele Anbieter. Insofern müssen wir natürlich ganz klare Regeln festhalten, denn diese Verabredungen, die getroffen worden sind, sind am Ende nicht nachhaltig, wenn wir nicht die Möglichkeit haben, auch Sanktionen zu erteilen.
Ich darf noch einmal feststellen: Wir werden sicherlich auch um Ausnahmen nicht herumkommen. Ich will an dieser Stelle noch mal ein ganz klares und deutliches Wort an die Carsharinganbieter richten, denn von ihnen haben wir sehr viel Kritik erfahren. Das kann ich auch zum Teil nachvollziehen. Allerdings sind wir der Meinung, dass wir hier rechtlich tatsächlich einen guten Weg gehen. Was wir hier gerade immer wieder gehört haben, ist die Frage: Wollt ihr das Carsharing abwürgen? – Nein, das wollen wir nicht, denn wir wollen uns das vor allem genau anschauen, auch gemeinsam mit den Anbietern, wenn es darum geht, wenn die Sondernutzung eingeführt wird, dass wir überlegen, wie wir mit den Parkgebühren umgehen. Denn im Unterschied zu den Mikromobilitätsanbietern zahlen die Carsharinganbieter schon sehr fleißig in die Kasse ein. Sie zahlen Parkgebühren, wir haben die Parkraumbewirtschaftung. Aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion sollte es kein Nebeneinander von Sondernutzung und Parkgebühren geben. Wir müssen ganz klar die Carsharinganbieter entlasten.