Susanna Kahlefeld
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorgestern hat in Berlin der zweite Demokratietag stattgefunden, und um eine Frage von Demokratie geht es im Kern in dem vorliegenden Antrag der AfD. Wieder einmal tritt diese einzelne Partei so auf, als ob sie für alle Berlinerinnen und Berliner sprechen könnte, also auch für die Menschen, die die Vertreterinnen und Vertreter der Grünen, der Linken oder der SPD in diesem Haus gewählt haben. Die Berliner Bevölkerung nicht überfordern, heißt es im Titel. Die Bevölkerung hat aber 2016, also ein Jahr nach der angeblichen Überforderung durch die Menschen, die aus Syrien kamen, einer politischen Konstellation die Mehrheit gegeben, die Berlin zur Solidarity City erklärt hat. Michael Müller hat den Beitritt Berlins zum Solidarity Network am 10. Januar 2019 mit dieser Mehrheit im Rücken bekannt gegeben. Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich einen Satz des Regierenden Bürgermeisters aus seiner damaligen Presseerklärung zitieren:
Unsere Stadt ist eine weltoffene Metropole, in der die Grundsätze der „Solidarity Cities“ seit jeher praktiziert werden. … Auch in Zukunft wird Berlin Schutzort und Lebensmöglichkeit für Geflüchtete sein. Wir begrüßen das Engagement aller Städte und ihrer Menschen, die sich dieser humanitären Aufgaben stellen, und als Ausdruck dieser Haltung zum Netzwerk der „Solidarity Cities“ gehören.
Zu der Bevölkerung oder den großen Teilen der Bevölkerung, von der die AfD im Antrag behauptet, dass sie überfordert seien, gehören außerdem nicht die Tausenden Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Seebrücken-Demo am 22. August dieses Jahres. Dazu gehört auch nicht der Deutsche Städtetag, der anlässlich dieser Demonstratio
nen, die zeitgleich an vielen Orten stattfanden, Bund und Länder aufforderte, rasch konkrete und verlässliche Angaben über die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge aus Afghanistan zu machen, denn – Zitat –: „wir wollen helfen, das ist unsere Verpflichtung.“ Dazu brauchen wir konkrete Angaben.
Es gehören auch nicht die vielen Kirchengemeinden und Organisationen dazu, die sich für Geflüchtete einsetzen, so wie sie es auch schon 2015 getan haben. Um es abzukürzen: Fast zwei Drittel der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger sind nach einer Onlineumfrage dafür, jetzt bedrohten Menschen aus Afghanistan Schutz in Deutschland zu gewähren.
Wenn Sie also einen Antrag stellen, mit dem Sie fordern wollen, dass Berlin keine Geflüchteten und keine Menschen aus Afghanistan aufnehmen soll,
dann können Sie das selbstverständlich in Ihrem eigenen Namen tun. Dafür wurden Sie von ihren Wählerinnen und Wählern gewählt. Es ist aber nicht legitim, hier immer und immer wieder Anträge zu stellen und Reden zu halten, in denen Sie behaupten, im Namen der Berlinerinnen und Berliner zu sprechen. Sie sprechen genau für die 14 Prozent, die Sie gewählt haben, mehr nicht.
Sie stellen sich wiederholt und systematisch gegen unsere Demokratie und ihre Regeln.
Ich muss Ihnen sagen: Wir Grünen und die Parteien der Koalition lassen das nicht zu. Wir stehen für eine demokratische Debattenkultur auf der Grundlage von Fakten und Wissenschaft.
Wir wollen das Beste für unsere Stadt und die Menschen, und zwar für alle Menschen, unabhängig davon, woher sie kommen, wie sie aussehen, welchen Bildungsstand sie haben oder welcher Religion sie angehören. Wir wollen gute Politik für alle Berlinerinnen und Berliner.
2015 gab es am LAGeSo, geführt durch einen Senator der CDU, mit der Sie ja neuerdings Ihre Anträge abzustimmen scheinen, ein absolutes politisches Versagen. Wenn die Berlinerinnen und Berliner damals nicht angepackt und sich monatelang um die Geflüchteten gekümmert hätten, wäre das Elend noch sehr viel schlimmer gewesen.
(Holger Krestel)
Nein! – Mittlerweile ist das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten gut aufgestellt und umstrukturiert, Unterkünfte stehen bereit, die psychosoziale Versorgung ist aufgestockt. Die Kollegin Katina Schubert hat einiges dazu gesagt, und auf die Aufnahmebereitschaft vieler Berlinerinnen und Berliner können wir uns verlassen.
Wir setzen Ihrer Angst und Ihrem Hass
unseren Mut, den Optimismus und die Hoffnung entgegen, mit der man große menschliche Aufgaben lösen kann.
Wir wollen unseren humanitären Verpflichtungen nachkommen, wie es sich für aktive Bürgerinnen und Bürger im Herzen Europas gehört.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Die CDU legt einen Antrag zum Neutralitätsgesetz vor und hofft, mit diesem überaus pfiffigen Vorgehen, der Koalition internen Ärger zu bereiten.
Das kann man natürlich machen, es ist aber strategisch eher simpel und vor allem dem Ernst der Entscheidung, um die es hier geht, nicht angemessen.
Zunächst: Es ist natürlich nicht, wie im Antrag formuliert, das Neutralitätsgesetz, das dafür sorgt, dass die Vertreterinnen und Vertreter des Rechtsstaates gemäß Recht und Gesetz entscheiden, wobei Lehrerinnen und Lehrer ja nicht entscheiden, wie es im Antrag heißt, sondern unterrichten; das ist etwas anderes. Dafür, dass es nach Recht und Gesetz zugeht – in diesem Fall nach dem Schulgesetz und den gesammelten Vorgaben für Lehrerinnen und Lehrer –, sorgen Recht und Gesetz sowie diese Schulanweisungen von alleine, die waren nämlich auch schon vor dem Neutralitätsgesetz gültig. Weil das so ist, unterliegt jede Lehrerin und jeder Lehrer denselben Regeln und Vorgaben, vom Lehrplan über Benotungskategorien bis hin zu den Verhaltensregeln im Schulalltag wie Pausen etc., und zwar egal, was er oder sie anzieht.
Wir haben als Koalition die Verpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer zur Neutralität – oder sagen wir: zur Gerechtigkeit gegenüber den einzelnen Kindern – verschärft, und zwar durch das Landesantidiskriminierungsgesetz, denn Kinder werden an unseren Schulen leider viel zu oft aufgrund ihrer vermuteten oder tatsächlichen Herkunft, ihrer Familiensprache, ihrer Religion oder ihres Aussehens von Lehrerinnen und Lehrern eben nicht neutral, sondern diskriminierend behandelt. Die fehlende Empfehlung für eine weiterführende Schule oder dass man ihnen die Bildungsambition abspricht usw. – das kommt in Berliner Schulen in erheblichem Ausmaß vor.
Meine Fraktion vertritt die Auffassung, dass das Karlsruher Gerichtsurteil von 2015 in Berlin endlich umgesetzt werden muss.
Karlsruhe hat nämlich genau das festgestellt, dass man von der Kleidung eines Menschen nicht auf eine Verletzung von Dienstpflichten – und in diesem Fall bedeutet das die gebotene Neutralität – schließen kann. Wir folgen dieser Argumentation, denn es ist evident, dass Lehrerinnen und Lehrer, egal, was sie anziehen, schon jetzt nicht neutral sind. Die Beschwerdestelle, an die sich Kinder und Eltern wenden können, wenn Neutralität im Sinne der Diskriminierungsfreiheit nicht gegeben ist, hätten wir als Grüne in dieser Legislatur gerne verstärkt.
Ja, es gibt Bedenken bei Kolleginnen und Kollegen in unserer Koalition. Sie befürchten, dass die Erlaubnis für Lehrerinnen, ein Kopftuch zu tragen, diese Gemengelage nicht verbessert. Möglicherweise würden die Lehrerinnen mit Kopftuch im Klassenzimmer oder von Eltern angefeindet. Wir alle aber stehen auf dem Boden der Verfassung, und deswegen müssen und werden wir einen Weg finden, das Urteil unseres obersten Gerichts sowie die Urteile der Arbeitsgerichte umzusetzen. Es kann kein Dauerzustand sein, dass Berlin immer wieder die Prozesskosten tragen muss und Entschädigungen zahlt, weil es immer und immer wieder verliert, verliert, verliert.
Dazu brauchen wir keinen Antrag der CDU. Das Manöver ist peinlich und nicht angemessen. Wir werden nicht zustimmen.
Vielen Dank! – Ich frage den Senat: Auf welcher Berechnungsgrundlage – UNHCR, auswärtiges Amt, Bundesinnenministerium und andere – sind die Kürzungen von Mitteln für die Unterbringung von Geflüchteten vorgenommen worden? Ich denke da vor allen Dingen an den enormen Stellenabbau, der geplant ist. Obwohl ein Aufwuchs beantragt war, wurden Stellen abgebaut.
Auf welcher Berechnungsgrundlage werden die Mittel für Geflüchtete im zuständigen Landesamt gekürzt? Wie bewerten Sie diese Kürzungen angesichts der neuesten Entwicklungen besonders in Afghanistan? Lässt sich da noch etwas korrigieren?
Vielen Dank! – Beweist denn nicht die Situation in Afghanistan, dass es für Berlin auf jeden Fall besser wäre, nachhaltig und langfristig Aufnahmestrukturen bereitzuhalten, sowohl personell als auch, was die Unterbringungen angeht? Es ist doch absehbar, dass wir angesichts der Klimaveränderungen immer wieder aus verschiedenen Gründen mit der Ankunft von vielen Geflüchteten zu rechnen haben.
Dieses ständige Auf- und Abbauen von Kapazitäten ist nicht gut für Berlin, ist teurer und hilft auch denen nicht, die hier herkommen. Ist es nicht langfristig besser, endlich von diesem ständigen Auf- und Abbauen wegzukommen?
Liebe Frau Senatorin! Ich teile die Analyse, die Sie gerade noch einmal dargestellt haben. Sie wissen das, denn wir sind darüber im Gespräch. Ich hatte aber gezielt nach dem Vorschlag des Personalabbaus im LAF angesichts der jetzigen Situation gefragt. Den finde ich vor dem Hintergrund dessen, was Sie dargestellt haben, nicht plausibel. Natürlich werden wir uns bemühen, das zu ändern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Inhalt des Antrags ist von den Kolleginnen und Kollegen der Koalition schon alles Wichtige gesagt worden. Vielen Dank für die Klarheit!
Ich möchte über dieses Inhaltliche hinaus sagen: Wirklich alarmierend finde ich, dass wir nicht nur den AfD-Antrag vorliegen haben, sondern einen fast gleichlautenden von der CDU Berlin und
dass die CDU-Fraktion hier den AfD-Antrag so verteidigt hat, als wenn es ihr eigener gewesen wäre.
Die Forderungen der AfD sind dieselben wie die einer CDU, die im Bund dafür verantwortlich ist, dass die Menschen in Afghanistan, die den deutschen Soldatinnen und Soldaten, egal, wie man zu diesem Einsatz steht,
(Katina Schubert)
geholfen haben, ihren Job zu machen, jetzt in einer Todesfalle sitzen.
Ich rede zu einem AfD-Antrag, der in seinen Forderungen identisch ist mit dem der CDU, einer CDU, deren „C“ im Namen bloßer Etikettenschwindel ist,
denn wenn das Gerede von den sogenannten europäischen Werten nicht leeres Geschwätz wäre, dann hätte man Übersetzerinnen und Übersetzer, Fahrerinnen und Fahrer, das ganze Personal zugleich mit den Ankündigungen des Rückzugs nach Deutschland in Sicherheit gebracht,
weil man sich auf das sogenannte christliche Abendland sollte verlassen können, oder? Wegen den Werten.
Nein! – Vielleicht sollte man sich auf die christlichen Werte, jedenfalls der CDU, besser nicht verlassen, wenn sich der Innen- und Heimatminister der CDU/CSU zu seinem 76. Geburtstag freut, dass 76 Menschen nach Afghanistan abgeschoben wurden.
Ich finde, das ist zum Schämen. Ich verstehe nicht, warum Sie sich nicht schämen, und ich verstehe nicht, warum Sie schon wieder einen solchen Antrag einbringen.
Es gibt, da muss ich gerecht sein, einen Unterschied zwischen dem CDU- und dem AfD-Antrag, und das ist die Überschrift. Bei der CDU heißt es am Anfang „Schutzbedürftige schützen“, wieder ein Etikettenschwindel, denn Schutzbedürftige kommen weder in den Forderungen noch in der Begründung vor – doch, im allerletzten Satz.
Aber es steht nicht der Antrag der CDU zur Debatte, sondern der Antrag der AfD, der derselbe ist, wie der der CDU. Also spreche ich noch kurz zur AfD.
Natürlich haben Sie den Bericht von Amnesty International zu Moldau nicht gelesen, und es weiß eigentlich auch noch niemand, wie sich der Anstieg der Zahlen der Asylsuchenden aus der Republik Moldau in Berlin im Moment erklärt. Wir haben die Zuständigkeit für Geflüchtete aus Moldau. Es kann sein, dass das unter anderem damit zusammenhängt. Es sollen zum Teil Frauen und Mädchen allein angekommen sein, deren Pässe, wie sie angaben, beim Fahrer liegen. So etwas deutet auf Menschenhandel hin – Sie wollen, dass nur Frauen und Mädchen kommen, ich weiß nicht, ob Ihnen dieses Verfahren gefällt –, und es ist jetzt die Aufgabe der Polizei zu ermitteln, wer diese Menschen aus Moldawien holt und wer den Nutzen davon hat. Möglicherweise landen die ausgezahlten Gelder nicht bei den Asylsuchenden, sondern bei diesen Leuten, und darum ging es in dem Brief. Das war kein Brandbrief, weil zu viele Menschen kommen. Es war ein Brandbrief, weil man mit dieser ungeklärten Situation nicht klargekommen ist, und es war ein interner Brief, der an die Presse durchgestochen worden ist. Der war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Ich sage das mit der Öffentlichkeit deswegen, weil es mir wichtig ist, dass sich dieser angebliche Brandbrief nicht gegen die Senatorin gerichtet hat, sondern weil man sich auf den Weg machen wollte, diese Probleme zu lösen.
Menschenhandel ist ein Delikt von besonderer Grausamkeit, in der Prostitution, aber auch in der Arbeitsausbeutung. Wir wissen, dass viele Menschen aus Südosteuropa auf unseren Baustellen arbeiten, ohne Lohn und ohne Unterkunft. Vielleicht haben falsche Informationen dazu geführt, dass sich jetzt so viele Menschen nach Berlin aufmachen. Das weiß man nicht, das muss man klären. Aber statt es zu klären, verbreiten AfD und CDU in trauter Einigkeit Hetze. Dass Sachleistungen viel zu aufwendig sind, dass die Menschen keine Konten haben, um ihnen monatliche Raten zu überweisen, dass man Familien auch dann nicht auf der Straße schlafen lassen kann, wenn sie wahrscheinlich keinen Asylanspruch haben, diese rationalen, menschlichen, humanen Überlegungen zählen nicht, wenn man die Stimmung anheizen kann. Deswegen habe ich so lange über Afghanistan gesprochen, weil das die gleiche Haltung ist.
Auf die sprachlichen Entgleisungen des AfD-Antrags gehe ich nicht ein, weil ich sie dann wiederholen müsste. Wir werden selbstverständlich den Antrag der AfD und auch der CDU nach den Beratungen im Ausschuss ablehnen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Wahrscheinlich ist es noch nie so schnell von einer zivilgesellschaftlichen Initiative bis zu einer Verfassungsänderung gegangen wie in diesem Fall. Wir werden heute in die Berliner Verfassung ein Bekenntnis zum geeinten, demokratischen, rechtsstaatlichen und sozialen Europa schreiben. Das ist ein großer Erfolg und freut mich außerordentlich.
Die Verfassungsänderung ist ein Erfolg, es freut mich aber auch, dass die Initiative dazu von einem zivilgesellschaftlichen Bündnis kam. Die Kampagne „Europa in bester Verfassung“, organisiert von der Europa-Union Berlin, hat gezeigt, dass Europa in Berlin keine abstrakte Idee, sondern bürgerschaftlich verwurzelt und getragen ist.
(Dr. Hugh Bronson)
Mein Dank geht an die Europa-Union und das Bündnis, das die Kampagne geführt hat. Einen besseren Einstieg in die Konferenz zur Zukunft Europas, die am 9. Mai gestartet wird, hätte es in Berlin nicht geben können.
Mit dieser Verfassungsänderung ist natürlich ein Auftrag verbunden, den wir, das kann ich für meine Fraktion sagen, gerne annehmen. Er lautet, Europa von Berlin aus mitzugestalten.
Dafür muss zuerst das Sterben, Töten und Sterbenlassen an den europäischen Außengrenzen beendet werden.
Die Folterlager in Libyen, die Pushbacks der Frontex, das Elend in Lipa, Bosnien, sind eine Schande und eine weitere historische Schuld Europas. Sie stehen in der europäischen Tradition von Sklavenhandel, Kolonialismus, Rassentheorie und Beutekunst. Wir müssen uns auch hier in Berlin als Menschen, die Europapolitik gestalten wollen, klarmachen, dass uns Menschen außerhalb Europas durch die Geschichte hindurch als inhuman und verlogen wahrnehmen. Die sogenannten europäischen Werte sind insofern wirklich nur europäisch, als sie nur für weiße Europäer zu gelten scheinen. Denn selbst, wenn sie ihre kulturellen Wurzeln in Europa hätten – und das ist in dieser Exklusivität falsch –, so wären sie doch zutiefst diskreditiert, weil sie von Europa und den Europäerinnen und Europäern nicht auf alle Menschen angewendet wurden und werden. Dass sie außer Acht lassen, dass Menschenrechte in vielen anderen Kulturen ebenfalls tief verwurzelt sind, wenn auch anders begründet als auf unserem Kontinent, wird zudem als ein Akt des ignoranten Hochmuts angesehen.
Europa von Berlin aus zu gestalten, muss heißen, dass Berlin als Mitglied des Solidarity City Network versucht, Solidarität mit Geflüchteten in einem Netzwerk europäischer Städte zu organisieren. Das könnte ein erster Schritt zu einem offenen Europa sein, einem, das sich nicht gegen den Rest der Welt, sondern in ihr verortet; das Verantwortung für die Krisen und Kriege übernimmt, statt von den dadurch fallenden Rohstoffpreisen zu profitieren; das nicht nur Rohstoffe und Produkte über seine Grenzen lässt, sondern auch Menschen, die hier Schutz suchen, studieren und arbeiten wollen, die hier Familie haben.
Es ist ausgesprochen schade, dass die Berliner Aufnahmeprogramme in dieser Legislaturperiode wahrscheinlich nicht mehr realisiert werden. Wir können wahrscheinlich weder Menschen aus Syrien und sicher keine Menschen aus den furchtbaren Lagern in Bosnien aufnehmen.
Europa, wie es heute politisch verfasst ist, hat vielen Ländern des Kontinents eine lange Phase des Friedens und der zunehmenden Kooperation beschert.
Diese Idee des Zusammenwachsens, der Grenzöffnungen und der Solidarität hat ihren Ursprung in der Katastrophe des deutschen Faschismus und des Zweiten Weltkriegs. Es ist ein Raum der relativen Sicherheit und der gemeinsamen Entwicklung entstanden, nicht zuletzt durch intensive Friedens- und Versöhnungsarbeit, vorbildhaft zwischen Deutschland und Frankreich.
Wir haben hier in Berlin aber auch, nicht weit von hier in der Wilhelmstraße, den Ort, an dem die Afrika-Konferenz stattfand. Dort hat 1884 Bismarck den afrikanischen Kontinent zwischen den großen europäischen Mächten aufgeteilt.
[Georg Pazderski (AfD): Gucken Sie doch mal ins Geschichtsbuch! Dann würden Sie nicht so einen Unsinn erzählen! – Zurufe von Burkard Dregger (CDU), Holger Krestel (FDP) und Paul Fresdorf (FDP)]
In diesem barbarischen Akt waren sich die Europäer in ihrem Agieren nach außen völlig einig – um dann 1871, 1918 und 1933 wieder übereinander herzufallen, mit unendlich vielen Toten. Diese Einigkeit nach innen, die von gemeinsamen Geschäftsinteressen bestimmt ist, ist etwas ganz anderes als die vielbeschworene und gefeierte europäische Idee. Hüten wir uns, das zu verwechseln oder – noch schlimmer – in eins zu setzen!
Die Europa-Union hat uns in der Ausschusssitzung am 21. April einen Änderungsvorschlag für die Formulierung der Verfassungsänderung vorgelegt, dem ich sehr viel abgewinnen kann. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:
Berlin wirkt darauf hin, die Eigenständigkeit und Zusammenarbeit der Städte und Regionen zu wahren und zu fördern, deren Mitwirkung an europäischen Entscheidungen zu sichern und
das ist jetzt das Neue –
Trennendes in Europa und der Welt zu überwinden.
Trennendes in Europa und der Welt zu verbinden, das sollte das Ziel der Berliner Europapolitik sein. Nur so macht diese Verfassungsänderung wirklich Sinn. Als eine Stadt, die ihre Wiedervereinigung auch dem Zusammenwirken europäischer Politik verdankt, sind wir in der Pflicht, davon etwas weiterzugeben.
Als Stadt, die relativ weit östlich in Europa liegt, sind wir aber auch nahe dran an den Nachbarn, die die sogenannten europäischen Werte ablehnen und verächtlich machen. Polen versteht sich als Hort des christlichen Abendlandes und verbietet den Frauen mit dem Verbot von Abtreibungen, über ihren eigenen Körper zu entscheiden.
Offensichtlich ergeben sich Frauenrechte nicht automatisch und urwüchsig aus der europäischen Kultur. Sie sind hart erkämpft und werden im Nachbarland gerade kassiert. In Berlin gab es natürlich viele Solidaritätsaktionen mit den polnischen Frauen. – Gleiches gilt für die Rechte queerer Menschen. Auch diese sind so wenig automatisch europäisch, dass Ungarn seine europäische Identität geradezu dadurch definiert, sie abzulehnen. Diskriminierung, Verachtung, Ausgrenzungen werden mit der vorgeblich eigenen Kultur begründet. Auch hier hat Berlin, die Regenbogenhauptstadt, die Aufgabe, laut zu werden, einzufordern, zu protestieren, wo immer das auf der europäischen Ebene möglich ist.
Die Koalition ist in dieser Legislaturperiode von Berlin aus im Bund vorangegangen, um die europäische Säule sozialer Rechte zu stärken und Europa Schritt für Schritt auch zu einer Sozialunion machen zu können. Da würde noch viel mehr gehen, wenn das auch auf der Bundesebene Konsens wäre. – Wir bekämpfen die Arbeitsausbeutung in der Stadt, die mit der europäischen Freizügigkeit einhergeht und von der besonders die größte europäische Minderheit, die Roma, betroffen ist. – Wir haben ein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet, weil die europäischen Werte hier wirklich für alle gelten sollen. Nun sind sie auch einklagbar.
Wir müssen zukünftig noch mehr die EU-Städteagenda nutzen, um noch stärker den Austausch und die Kooperation, besonders im Bereich des Klimaschutzes, der Kreislaufwirtschaft und der Energiewende, zu suchen. Der Klimawandel bringt uns die Folgen unserer europäischen Lebensweise und unseres europäischen Wirtschaftens direkt vor die eigene Haustür: Hitze, Trockenheit, die Coronapandemie. Wir können ihn daher auch von Berlin aus nur europäisch bekämpfen. Die Änderung der Verfassung ist der Auftrag, dass sich Berlin auf allen möglichen Wegen gestaltend in ein Europa einbringt, das gut für seine Bürger und Bürgerinnen ist, unabhängig davon, wo sie herkommen, und gut auch für die anderen Kontinente. Die für Europa engagierten zivilgesellschaftlichen Organisationen verlangen das von uns in der Politik. Ich bin sicher, dass auch die Forderungen der Zukunft der Konferenz Europa, mehr Klimaschutz, mehr globale Gerechtigkeit und ein Umsteuern nach der Coronapandemie sein
werden. Wir nehmen den Auftrag, den die Verfassungsänderung bedeutet, gerne an und stimmen ihr zu.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es war ein gutes Stück Arbeit, um bis hierher zu kommen, bis zur Einbringung der überarbeiteten Fassung des Partizipations- und Migrationsgesetzes für Berlin, und es hat sich gelohnt. Zuerst einmal war es wichtig, die Zivilgesellschaft und die Fachleute einzubeziehen, also einen Prozess zu organisieren, in dem wir gemeinsam das alte Gesetz ansehen und die Veränderungsbedarfe feststellen konnten. Darauf hat die Senatorin hingewiesen. Ich danke meinem Kollegen Hakan Taş und meiner Kollegin Nicola Böcker-Giannini, dass wir das gemeinsam organisiert und gestaltet haben neben dem Evaluationsprozess, den es selbstverständlich offiziell von der Verwaltung aus auch gegeben hat.
Nicht nur in der Überarbeitung dieses Gesetzes, sondern auch an vielen anderen Stellen, aber ganz besonders hier ist klargeworden: Politik wird besser durch Partizipation. Die migrationspolitischen Debatten, die Forschungen und die Selbstdefinition der Migrationsgesellschaft passieren nicht hier in diesem Haus, sondern in den NGOs mit den Fachleuten, an Universitäten, in der gesamten Zivilgesellschaft, auch in der Wirtschaft, muss man an diesem Punkt mal sagen. Wir haben also etliche Runden organisiert, zu denen breit eingeladen war. Die Tagesordnung konnte von Treffen zu Treffen von den Beteiligten selbst bestimmt werden, Fachleute wie Daniel Gyamerah von Citizens for Europe, Tatjana Forner und Safter Çinar waren eingeladen, Protokolle wurden abgestimmt und versendet, um allen die Beteiligung zu ermöglichen. Die Forderungen, sowohl was die Quotierungen im öffentlichen Dienst als auch was die Beteiligungsinstrumente und die Begrifflichkeiten anging, waren radikal und gut durchdacht.
Es mag hier in der Abgeordnetenhaus-Bubble so erscheinen, als habe die Verwaltung von Elke Breitenbach einen Entwurf vorgelegt, an dem man sich jetzt parteilich abarbeiten kann. Technisch hat sie das getan mit ihrer guten Verwaltung, der ich an dieser Stelle auch danken möchte, im Sinne der juristischen Formulierung; aber fast alle der
(Hanno Bachmann)
Forderungen beruhen auf Forderungen, die außerhalb der Parlamentsblase aufgestellt worden sind. Ich betone das so, weil es mir wichtig ist: Was hier heute vorliegt, geht die Menschen in Berlin etwas an, und sehr viele haben mitgearbeitet – viele mit Migrationsgeschichte und viele ohne, die bewusst die Migrationsgesellschaft mitgestalten. Mit ihnen müssen sich die Kritikerinnen des Gesetzes in die Auseinandersetzung begeben. Falls Sie das nicht tun, befinden Sie sich in einem Paralleluniversum. Man kann ignorieren, in einer selbstbewussten Migrationsgesellschaft zu leben, aber das ist die pure Realitätsverweigerung.
Es war weiterhin ein gutes Stück Arbeit, die Forderungen der NGOs in das Gesetz einzubringen. Dabei hat natürlich die Hauptarbeit die Fachverwaltung gemacht, aber auch das haben wir politisch begleitet und in die kompetente Zivilgesellschaft zurückgekoppelt. Ein wichtiger Punkt – das ist schon mehrfach angesprochen worden – ist die neue Begrifflichkeit: Der Wunsch der migrantischen NGOs war es, endlich den Begriff Integration zu streichen. Eine veränderte Begrifflichkeit ist Ausdruck einer veränderten Wahrnehmung und Definition der Stadtgesellschaft.
Kinder und Enkel von Menschen, die nach Berlin eingewandert sind, haben keine Lust mehr, über Integration zu reden. Wohin soll man sich denn integrieren, wenn schon die Eltern und Großeltern hier geboren wurden? – Integration war mal ein guter Begriff, als die Politik vor etlichen Jahren endlich anerkannt hat, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist.
Er war der Ausdruck dafür, dass es aktiver Maßnahmen bedarf, um Menschen hereinzuholen. Sprachkurse, Beratungsangebote, Weiterbildung – das alles gab es für die Menschen, die zum Beispiel als sogenannte Gastarbeiter geholt wurden, im Osten und im Westen nicht. Diskriminierung in der Schule, auf dem Arbeitsmarkt und bei der Wohnungssuche allerdings lassen sich mit dem Integrationsdiskurs nicht thematisieren.
Auch die diversitätsorientierte Organisationsentwicklung in der Verwaltung hat nichts mit der Integrationsdebatte zu tun. Wer hier sein Studium abgeschlossen oder eine Ausbildung absolviert hat, braucht keine Integrationsmaßnahme, sondern Gleichbehandlung. Es ist schlicht rational, hier die Begrifflichkeit aufzuräumen und auf den Stand zu bringen.
Von den NGOs kam auch die Kritik an der statistischen Kategorie Migrationshintergrund. Klar, für die Statistik ist so eine Kategorie sinnvoll; aber für die Person selbst, die ein Elternteil oder Eltern aus dem Ausland hat, ist
dieser Begriff fremd und sagt gar nichts. Wer schwarze Großeltern, Großgroßeltern oder Eltern hat, wird noch Probleme in diesem Land haben, wenn die statistische Kategorie schon lange nicht mehr zutrifft. Wir als Gesellschaft sind in dieser Vielfalt und Unterschiedlichkeit eine Einwanderungsgesellschaft.
Will heißen: Bei uns kommt es einfach vor, dass jemand eine arabische Großmutter hat und deren Namen trägt, und es ist dann auch normal und gewollt und gut so, dass diese Person, wenn sie die entsprechenden Zeugnisse hat, in den höheren Dienst kommt. Sich über die Begrifflichkeit zu verständigen, ist immer auch eine Verständigung in der Sache. Sie zeigt, wer wo steht. Wir wissen und haben hier wieder gehört, wer auf den Begriff Integration besteht und ihn drin haben will; die Zivilgesellschaft weiß das auch. Die politischen Unterschiede sind klar geworden. Es soll keiner sagen, wir Politikerinnen sind alle gleich.
Noch ein Blick von außen auf das Gesetz: In vielen Betrieben, gerade den großen, ist eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung doch schon seit vielen Jahren etabliert, weil es einfach fatal ist, aufgrund von Vorurteilsstrukturen gutes Personal gar nicht erst zu bekommen, und noch übler, es aufgrund von Diskriminierung wieder zu verlieren. Eine solche Firmenpolitik ist also längst nicht so abseitig, wie sie einigen Kolleginnen der Opposition hier erscheint. Denn natürlich will zum Beispiel die Berliner Industrie- und Handelskammer nicht – ich hätte auch nicht gedacht, dass ich die hier mal zitiere, aber für dieses Gesetz tue ich es –,
dass ihr Mitglied, ein Unternehmer mit türkisch klingendem Nachnamen, von der Verwaltung im Infinitivsprech begrüßt wird, weil man dort sonst nur in der Putzkolonne Kolleginnen mit Migrationsgeschichte trifft. Das geht einfach nicht, das ist schlechte Arbeit.
Deswegen ist es so, dass in der Industrie die Diversitätsentwicklung, das Konzept Diversity schon vor 20 Jahren als Instrument der Qualitätsentwicklung konzipiert worden ist. Diese Qualitätsentwicklung werden wir jetzt auch für den öffentlichen Dienst in Berlin bekommen.
Ich begrüße außerdem sehr die vorgesehene personelle Verstärkung in den Senatsverwaltungen, bei der Fachstelle des PartMigG und in den Bezirken zur Umsetzung des Gesetzes. Die Dokumentation der Auswahlverfahren, die AGG-Beschwerdestellen, Datenerhebungen und Berichtswesen erfordern eine personelle Verstärkung. Was einem etwas wert ist, hat auch einen Preis, und dieses Gesetz ist kein Lippenbekenntnis.
Für die Bezirke erhoffe ich mir dadurch eine deutliche strukturelle und finanzielle Verbesserung. Die Aufgaben der bezirklichen Beauftragten sind jetzt klar definiert, und es ist vorgesehen, sie für die Erfüllung dieser Aufgaben auch auszustatten. Ich hoffe, dass dann auch in meinem Bezirk Neukölln die Beauftragte nicht wieder Wahllisten zum Beirat vorlegt, die viele Jahre alt sind und auf denen Personen verzeichnet sind, die längst nicht mehr aktiv oder sogar gestorben sind. Vielleicht erfährt man anhand der nun klar definierten Aufgaben auch einmal, was sie überhaupt macht. Ich finde nämlich, dass alle Bezirke gute, sichtbare Beauftragte verdienen, die sich um die Kooperation mit der migrantischen Zivilgesellschaft, um die Geflüchteten und um die migrationsgesellschaftliche Weiterbildung der Verwaltung kümmert. – Vorbild für diese Formulierungen im Gesetz waren übrigens die Bezirke, die das bisher schon gut gemacht haben. – Ich wünsche dem Gesetz jetzt einen guten Gang durch die Beratungen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kollege Carsten Schatz hat im vergangenen Jahr oder vielleicht sogar etwas länger seine Reden regelmäßig mit dem Satz beendet:
Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass die Fraktion hier rechts außen zur Erhellung der dunklen Finanzquellen ihrer Partei beitragen sollte.
Das hat er nicht nur für sich gesagt, und nicht nur ich habe das immer gern gehört, sondern ich glaube, da kann ich für die Koalition sprechen.
Und nun haben Sie endlich die Möglichkeit für eine Retourkutsche gefunden. Es passt Ihnen einfach politisch nicht, dass ein Projekt, das zur Unterstützung von Geflüchteten und ihren Helferinnen aufgebaut wurde, öffentliche Förderung bekommt. Das steht klar so in der Begründung des Antrages. Die Senatsverwaltung habe – ich zitiere – „rein integrationspolitisch“ argumentiert. Und ja, integrationspolitisch argumentiere ich jetzt für meine Fraktion auch.
Die Informations- und Unterstützungsplattformen, die aus dem Engagement von Bürgerinnen und Bürgern für geflüchtete Menschen entstanden sind, leisten einen wichtigen Dienst, um die Aufgabe der Integration zu bewältigen. Als vor dem LAGeSo die Menschen tagelang unversorgt Schlange standen und die Akten in Kisten auf dem Flur abgelegt waren, als dort Menschen umgefallen sind, und in dem ganzen Chaos ein Kind entführt wurde, ein Kind, dass doch hier in Sicherheit sein sollte, da haben eben diese ehrenamtlichen Helferinnen die Folgen des erbärmlichen Scheiterns des damaligen Senats für die Menschen zumindest abgemildert.
Richtig ist aber auch, öffentliche Fördermittel zu verausgaben und abzurechnen, ist eine hohe Kunst, um nicht zu sagen, es ist kompliziert, bürokratisch und oft unlogisch. Dass Ehrenamtliche Kostenangebote einholen müssen, das sie korrekte Rechnungen schreiben müssen und Verträge machen, ist oft eine Überforderung. In dieser Situation ist es natürlich viel besser, bei den Formalia zu helfen, und da habe ich jetzt leider Kritik, als die Gelder anzuweisen. Aber lassen wir doch in Ruhe die Staatsanwaltschaft klären, ob hier wirklich schuldhaftes Verhalten vorlag.
Und wieder bläst die CDU mit der AfD ins selbe Horn.
(Paul Fresdorf)
Sie behauptet einfach, was juristisch noch gar nicht geklärt ist. Sie setzen sogar noch eins drauf, indem Sie behaupten, dass der Haushaltsgesetzgeber – ich zitiere wieder – „bewusst und vorsätzlich“ umgangen worden sei. Was braucht man eine Staatsanwaltschaft, wenn man die CDU im Haus hat.
Interessant finde ich an Ihrer Missbilligung außerdem, dass Sie ein Vorgehen, das wir in Berlin bewusst zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements praktizieren, zack, zack für illegal erklären, dass nämlich Stadtteilzentren und Nachbarschaftsheime Fördermittel für kleinere Akteure verwalten können. Ich freue mich schon auf Ihren nächsten Antrag zur unbürokratischen Engagementförderung.
Die Missbilligungen von AfD und CDU beruhen beide auf Annahmen, die noch gar nicht bewiesen worden sind, und sie greifen selbstbewusst der Staatsanwaltschaft vor. Dass nämlich der Präsident des LAF gegen die Auszahlung der Mittel remonstriert hat, ist kein Beweis für die Unrechtmäßigkeit. So, wie ich das aus der Presse verstanden habe – und das ist die Quelle der meisten, die hier sitzen –, handelt es sich um Formfehler. Es muss nun geklärt werden, ob es wirklich nur das ist. Ich muss sagen, ich hätte mir gewünscht dass man diese Formfehler behoben hätte, damit die Gelder dann gesichert und unangreifbar hätten weiter fließen können. Der Anspruch an Transparenz und Gleichbehandlung, vor der Bürokratie sind alle gleich, ist absolut richtig.
Ich habe in der letzten Legislaturperiode hier auch einige Male gestanden und das eingefordert. Es ist allemal besser für eine korrekte Fördermittelverwendung und Abrechnung, die Unterstützung zu verbessern, als den Rechtspopulisten eine Angriffsfläche zu bieten. Die Missbilligungsanträge lehnen wir selbstverständlich ab.
Liebe Frau Seibeld!
Vielen Dank! – Liebe Frau Seibeld! Wir stimmen ganz selten überein, aber in diesem Punkt absolut. Das ist auch genau das, was ich gesagt habe. Sie instrumentalisieren politisch einen Umstand, der noch nicht aufgeklärt ist, um die Integrationspolitik der Senatorin und dieses Senats zu
diskreditieren. Sie machen genau das, was Sie mir gerade vorgeworfen haben.
Wir sind uns absolut einig, aber es ist umgekehrt richtig.
Das ist unanständig.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die CDU hat uns einen unglaublich schnoddrigen, vergrätzt formulierten Antrag vorgelegt,
krude, verwirrt, braucht kein Mensch, und die Rede war noch schlechter. Sie haben auch noch Spaß dabei, hier so eine unterirdische Diskussion zu führen.
In der Koalition ist es auch nicht ganz rund gelaufen. Erst arbeitet die SPD über Monate an dem Gesetz mit, lässt den Referentenentwurf passieren, und in der Mitzeichnung geht der Senator plötzlich zur Presse und erzählt etwas von einer 37-Prozent-Quote für Menschen mit Migrationshintergrund, die er nicht will.
Das ist ärgerlich. Das Gute daran ist aber – und da sind wir uns dann wieder einig in der Koalition –: Die Presse berichtet erstmals breit über die Unterrepräsentanz von Menschen mit Migrationsgeschichte in der Berliner Verwaltung.
Und wir haben noch nie so ausführlich, emotional und engagiert über diversitätsorientierte Organisationsentwicklung diskutiert wie derzeit.
Ich mache das wie in der Schule, ich rede einfach immer weiter.
In den sozialen Medien streiten die Koalitionsparteien, dies ist ein edler Wettstreit, darüber, wer auch als Partei am besten aufgestellt sei in Sachen innerer Diversität. Damit wirkt das Gesetz auch jetzt schon positiv im Sinn der Sache.
Zur Quote: Die Forderung nach einer harten Quote für Menschen mit Migrationshintergrund kam zu Beginn des Novellierungsprozesses aus der Zivilgesellschaft. Citizens for Europe hatte 2018 festgestellt, dass nur 3 Prozent der Befragten in den Führungsetagen der Berliner Verwaltung People of Color oder schwarze Menschen sind. Der Türkische Bund, der Migrationsrat Berlin-Brandenburg mit 50 Mitgliedsorganisationen, DeutschPlus, sie alle sind bei dieser Forderung dabei. Wer die Forderung dieser Organisationen nach einer harten Quote zurückweist,
möge sich bitte die Mühe machen, direkt in die Auseinandersetzung zu gehen. Wir haben das in den vielen, vielen Arbeitsstunden zur Neufassung getan
und haben schließlich eine rechtssichere Lösung für eine veränderte Einstellungspraxis gefunden. Ich weiß, wovon ich rede, weil ich das Gesetz vorliegen habe, während Sie es nur aus der Zeitung kennen und über ein Phantom diskutieren.
Nein! Ich will keine Zwischenfragen. –
(Holger Krestel)
Ich finde, dass es schon genug Platz gab für krause Thesen.
Sie haben das Gesetz alle nicht vorliegen. Worüber reden Sie eigentlich?
Es geht um die von Personalern so genannte Kompetenzvermutung. Diese fehlt, wenn in der Verwaltung eine Bewerbung mit arabischklingendem Namen auf den Tisch kommt, und das ist das, was sich ändern muss. Das ist eine Gerechtigkeitsfrage. Wer gut ist, muss die Chance auf Einstellung bekommen.
Das wäre wahre Bestenauslese. Die haben wir im Moment nicht.
Eine 2012 beim Institut zur Zukunft der Arbeit – – Jetzt seien Sie doch einmal leise, das ist ja furchtbar.
Wollen Sie diskutieren oder wollen Sie hier nur rumpöbeln?
Ich bekomme mein Geld nicht dafür, dass ich mich von Ihnen anpöbeln lasse!
Es ist schon albern genug, da in diese Richtung gucken zu müssen, wo Sie alle sitzen wie die Pinguine und gleich aussehen und keine Frau dazwischen ist!
Und dann benehmen Sie sich auch noch so!
[Paul Fresdorf (FDP): Aber „Pinguin“ ist nicht parlamentarisch! – Holger Krestel (FDP): Unverschämtheit! – Zuruf von der AfD: Ich bin kein Pinguin! – Weitere Zurufe von der CDU, der AfD und der FDP – Unruhe]
Zurück zur Sache: Eine 2012 beim Institut zur Zukunft der Arbeit erschienene Studie belegt, dass allein die Angabe eines türkischen Namens ausreicht, um die Chance auf ein Vorstellungsgespräch um 17 Prozent zu senken. 2010 hatte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein großes Modellprojekt mit der Telekom, L’Oréal, dem Bundesfamilienministerium, der Deutschen Post, um für die Einstellung von mehr Menschen mit Migrationshintergrund zu sorgen und Wege zu suchen, wie das möglich ist, und zwar deswegen, weil sie zum einen gemeinsam gegen Diskriminierung arbeiten wollten und zum anderen, weil sie schlichtweg gutes Personal brauchen. Und in dieser Situation sind wir hier in Berlin auch. Was unsere gute, alte, preußische Verwaltung dafür braucht, um Diskriminierung abzubauen und gutes Personal zu bekommen, sind die Dinge, die im Gesetz wirklich stehen: Zielvereinbarungen, Berichtspflichten, regelmäßige Datenerhebungen und es ist möglich, dass jede Abteilung diese Zielvereinbarungen selbst ausfüllt, so, wie es angemessen ist.
Jetzt sehen wir mal, was in dem Gesetz wirklich drin steht – es liegt mir, wie gesagt, vor.
Nein!
In § 7 Abs. 1 steht: Der Senat soll sicherstellen, dass Menschen mit Migrationshintergrund ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechend auch beim Land eingestellt werden. Das kann man Quote nennen, muss man aber nicht.
Wie man das nennt, darüber werden wir uns einigen. Wie soll der Senat das tun? – § 7 Abs. 2 regelt: Er soll aktiv darauf hinwirken, und das kann jede Abteilung so tun, wie sie das für sinnvoll hält. Und damit sind wir dann wieder bei Celle, bei L‘Oréal und bei der Post. Was die können, sollten wir hier in Berlin auch hinbekommen. Oder man guckt, was die Berliner Polizei gemacht hat,
die steht nämlich auch – das wurde schon gesagt – relativ gut da.
Und wir schaffen jetzt in Berlin eine rechtliche Grundlage dafür, dass wir sowohl Diskriminierung abbauen als auch den öffentlichen Dienst vielfältiger machen und dass es zu einer wirklichen Bestenauslese kommt.
Frau Jasper-Winter! Ich entschuldige mich, dass ich mit Ihnen jetzt hier nicht ins Gespräch komme. Ich glaube, das können wir im Ausschuss machen. Es ist hier einfach zu laut. Das hat überhaupt keinen Sinn.
Vielen Dank! – Der Türkische Bund gibt in seinem Schreiben genau die Diskussion wieder, die wir über die Novellierung des Gesetzes geführt haben:
Eine Quote wäre wünschenswert, ist aber in Deutschland aufgrund des Grundgesetzes nicht möglich, und deswegen, wie der TBB schreibt, müssen aus pragmatischen Gründen andere Wege gefunden werden, um das gleiche Ziel zu erreichen,
nämlich die Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund und – wenn Sie das Gesetz schon kennen würden, wüssten Sie – auch mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst zu erheben.
Genau das hat der Türkische Bund geschrieben und genau darin ist sich die Koalition mit dem Türkischen Bund und übrigens auch mit den anderen einig: Es besteht die Forderung nach einer Quote. Die ist aber grundgesetzlich, verfassungsmäßig in Deutschland so einfach wie in den USA nicht umzusetzen.
Deswegen haben wir in dem Gesetz gangbare Wege gefunden, und deswegen führen Sie hier eine Phantomdiskussion.
Ich würde gern zu zwei Punkten noch einmal etwas sagen, zum einen zu den elendiglichen Sprachkenntnissen und zum angeblichen Bildungsdefizit. Ich kann das einfach nicht mehr hören.
Es geht in diesem Gesetz um Leute, die die gleiche Qualifikation schon nachgewiesen haben. Darüber reden wir hier. Wir reden nicht über Leute, die Deutsch lernen müssen. Ich empfinde es als Hetze, in dem Augenblick, in dem wir über Menschen mit Migrationshintergrund im öffentlichen Dienst sprechen, zu unterstellen, dass es dort Defizite in der Bildung und bei den Sprachkenntnissen gibt. Was glauben Sie denn, wie sie in den öffentlichen Dienst gekommen sind?
In der Studie von 2012, die ich genannt habe, immerhin vom Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit, haben sich zwei junge Männer mit wechselnden Fotos, einer mit einem türkischen, einer mit einem deutschen Namen, mit ganz ähnlichen Schulabschlüssen bei etlichen großen Firmen in ganz Deutschland beworben. Die Zahl, die ich Ihnen vorhin genannt habe, nämlich dass der türkische Name dazu führt, dass der Mensch mit dem gleichen Foto, aber mit türkischem Namen 14 Prozent weniger Vorstellungsgespräche bekommen hat – diese Personen hatten die gleiche Qualifikation; die Studie beruht auf Menschen mit gleicher Qualifikation und Fotos, die man austauschen kann –, zeigt: Allein der Name ist das Entscheidende. 14 Prozent weniger Einladungen zu Vorstellungsgesprächen – darüber reden wir hier.
Ich verstehe gar nicht, wenn das Bildungssystem so schwierig ist, wie Sie sagen, und es zum Teil versagt, warum Sie dann den Menschen, die die gleiche Qualifikation geschafft haben und sich bewerben können, eine Förderung verweigern. Das erschließt sich mir überhaupt nicht.
Nein. Ich finde es so anstrengend, von hier vorne in diesen lauten Raum zu reden, dass ich keine Zwischenfragen haben möchte; das können wir alles im Ausschuss machen.
(Holger Krestel)
Das Zweite ist: Ich würde gerne noch einmal erklären, was eine harte Quote wirklich ist. Wir bei den Grünen haben eine harte Quote für Frauen.
Das heißt, 50 Prozent von allen Ämtern, Mandaten usw. gehen an Frauen.
Eine harte Quote bedeutet: Wenn keine Frau da ist, kann nicht gewählt oder die Stelle nicht besetzt werden. Das führt dazu, dass wir, bevor wir Wahllisten aufstellen oder Ämter zu vergeben haben, suchen, wo wir gute Frauen finden. Ich finde, wir sind in den letzten 20 Jahren damit verdammt gut gefahren.
Eine solche harte Quote ist tatsächlich verfassungsrechtlich nicht möglich für Menschen mit Migrationshintergrund.
Deswegen steht sie in dem Gesetz so nicht drin.
Was bedeutet aber die Frauenquote für uns als Frauen, die wir bei den Grünen auf Listenplätze kommen und dann hier sitzen?
Es bedeutet nicht, dass ich das Gefühl habe, wegen einer Quote hier zu sitzen. Es ist doch umgekehrt so, dass alle Männer, die in Parteien und Organisationen tätig sind, bei denen es keine Frauenquote gibt, einfach unter der patriarchalen Überschrift laufen: Die Jungs werden es schon machen! – Das sind doch die Quotenmänner.
Das ist die implizite Quote, die alle im Kopf haben, dass sie denken, die Männer machen es eigentlich besser. Und
keiner der Männer, die hier sitzen, schämt sich dafür, dass er auf diesem Vorurteil Karriere macht.
Es sind genau diese Quotenmänner, die auch Probleme damit haben, dass Menschen mit Migrationshintergrund und nichtweiße Menschen jetzt mit gleicher Qualifikation die gleichen Jobs bekommen.
Da schließt sich für mich der Kreis. Deswegen ist mir auch klar, warum es auf dieser Seite immer so laut ist, wenn wir über dieses Thema reden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass wir der von der CDU vorgelegten Verfassungsänderung nicht zustimmen können, ist, denke ich, klar geworden aus dem, was schon die Vorredner gesagt haben. Einige Gründe, die auch für uns gelten, hat der Kollege Efler schon dargelegt.
Der Antrag ist für uns so nicht zustimmungsfähig. Er bedeutet nämlich keinen Fortschritt für die direkte Demokratie. Er macht stattdessen deutlich, wie die Berliner CDU zur direkten Demokratie steht. Sehen wir uns die Begründung an – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin einen Satz –:
Das Ziel dieser Verfassungsänderung ist eine Stärkung der direkten Demokratie dahingehend, dass der Legislative die Möglichkeit gegeben wird …
Man stärkt die direkte Demokratie nicht dadurch, dass man der Legislative Möglichkeiten gibt.
Das Abgeordnetenhaus soll entscheiden können, ob es eine Befragung gibt, und das mit einfacher Mehrheit. Das Vertrauen der CDU in das Ergebnis der Befragung ist dann aber derart begrenzt, dass das Ergebnis nur empfehlenden Charakter haben soll.
Wozu also das ganze Theater einer Verfassungsänderung? – Auch das steht in der Begründung. Es wird ganz
(Bernd Schlömer)
richtig festgestellt, dass Volksgesetze, also Gesetze, die durch einen Volksentscheid zustande gekommen sind, natürlich, wie jedes andere Gesetz auch, durch das Berliner Abgeordnetenhaus mit einfacher Mehrheit geändert werden können. Das hat die Koalition in der letzten Legislatur auch getan: Das Tempelhofer-Feld-Gesetz wurde von ihr geändert, um Container und eine 3 Millionen Euro teure Traglufthalle aufzustellen, die dann nie benutzt wurde.
Meine Fraktion hat das damals aus demokratietheoretischer Sicht kritisiert, denn es gibt eine enorme Asymmetrie zwischen dem Aufwand, den es erfordert, als Initiative ein Gesetz zu schreiben – hier im Haus lässt man sich das von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern machen –, die Stadtgesellschaft über die eigenen Anliegen dann zu informieren, sie davon zu überzeugen, dass der eigene Gesetzentwurf gut ist, die Unterschriften zu sammeln, den Kampf mit den Verwaltungen zu führen, Geld für die Kampagne aufzutreiben usw. Diese enorme Asymmetrie, die natürlich nur bei einem echten Volksbegehren vorhanden ist, und nicht bei den Kampagnen ehemaliger Politiker und Oppositionsparteien, verlangt von der Legislative Respekt vor dem Ergebnis eines Volksbegehrens – den Respekt nicht nur vor der Willensäußerung, die ein Volksbegehren ausdrückt, sondern vor allem auch vor der ernsthaften argumentativen Arbeit, die nötig ist, um es zu einem Erfolg zu führen.
Dieser Respekt fehlt in diesem Antrag. Es sollen einfach nur gesellschaftliche Verwerfungen vermieden werden, das heißt: politischer Ärger. Das Ergebnis der Volksbefragung, das die Legislative mit einer Mehrheit initiieren kann, soll dann konsequenterweise nur empfehlend sein. Wenn wir in Berlin wirklich für die Ergebnisse direkter Demokratie einen gewissen Schutz einführen wollten, sollten wir eine Regelung schaffen, wie sie in Hamburg besteht. Dazu wurde schon einiges gesagt. In Hamburg geht die Initiative von den Bürgerinnen und Bürgern aus; diese werden aktiv, wenn sie das durch eine Initiative zustande gekommene Gesetz unverändert lassen wollen, oder Zweifel an der Änderung durch das Parlament haben.
Der demokratiebelebende Vorteil echter Volksbegehren liegt in der Notwendigkeit zu kommunizieren und zu argumentieren. Eine Initiative hat nicht von sich aus schon Aufmerksamkeit und Unterstützung. Die argumentative Arbeit, die sie aufwenden muss, um beides zu erlangen, unterscheidet sie von der hier vorgeschlagenen Placebo-Einbeziehung, die darin besteht, bequem, mit einfacher Mehrheit einen Beschluss zu fassen, aus öffentlichen Mitteln Abstimmungszettel zu drucken, zu einem beliebigen Termin über einen klug, im eigenen Interesse formulierten Vorschlag abstimmen zu lassen und am Ende das Ergebnis als Vorschlag zu behandeln.
Wir Grünen gehen in unserem Programm noch einen Schritt weiter als die Hamburger und fordern eine verfassungsmäßige Verankerung des Einspruchsreferendums.
Ein Einspruchsreferendum würde bedeuten, dass Gesetze und Beschlüsse des Abgeordnetenhauses grundsätzlich durch ein Referendum vom Volk ausgehend aufgehoben werden könnten. In diesem Fall müsste dann abgewartet werden, bis das Ergebnis des Einspruchsreferendums vorliegt. Kommt das Referendum nicht zustande, kann das Gesetz in Kraft treten; kommt es aber zustande, muss innerhalb einer bestimmten Frist eine Referendumsabstimmung eingeführt werden. Mit diesem Verfahren könnten die Bürgerinnen und Bürger in das Gesetzgebungsverfahren wirklich aktiv eingreifen. Die Hürden und die Fristen müssten natürlich so gestaltet werden, dass dieser direktdemokratische Eingriff gut begründet und breit getragen sein muss.
Aber abgesehen von dem, was noch alles möglich und wünschenswert wäre, um die direkte Demokratie in Berlin weiterzuentwickeln: Die Koalition hat in dieser Legislaturperiode die direkte Demokratie wirklich gestärkt – durch Fristen, Kostentransparenz und Berechenbarkeit der Verfahren. Das alles sind gute, gemeinsame Fortschritte, die auf einem gemeinsamen Verständnis von Demokratie und Beteiligung beruhen. Von diesem Verständnis ist der Antrag der CDU leider weit entfernt.
Vielen Dank! – Ich frage den Senat: Trifft es zu, dass nach der Räumung der Kiezkneipe „Syndikat“ in einer der darüberliegenden Wohnungen durch die Berliner Polizei ein Sicherheitsdienst zur Kontrolle des Hauses untergebracht wurde?
Ja, ich frage nach, ob die Wohnung für den Sicherheitsdienst angemietet worden ist und ob es eine Kooperation
zwischen dem dort installierten Sicherheitsdienst und der Berliner Polizei gab.
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich freue mich sehr über die gemeinsame Weiterentwicklung des Abstimmungsgesetzes. Damit stärken wir unsere Demokratie, denn Demokratie ist mehr, als alle vier bis sechs Jahre zur Wahl zu gehen.
Ich sage das in dem schmerzlichen Bewusstsein, dass es anderenorts immer noch Menschen gibt, die im Kampf für dieses Recht, durch Wahlen die Politik ihres Landes bestimmen zu können, ihr Leben riskieren, dafür sterben oder ihre Heimat verlassen müssen.
(Frank Zimmermann)
Wir haben dieses Recht, und wir können es ausüben. Wir haben als Koalition nun die demokratische Mitbestimmung über das Wählen hinaus gestärkt. Dabei geht es aber nicht darum, einfach zu behaupten, im Namen eines fiktiven Volkes zu sprechen, wie es die Vertreterinnen und Vertreter der Rechten regelmäßig tun – so zum Beispiel gestern im Ausschuss für Europafragen. Berlin ist seit 2019 Solidarity City, weil es dafür eine demokratische Mehrheit gibt wie in vielen anderen europäischen Städten auch. Die Berlinerinnen und Berliner sind bereit zur Aufnahme von Geflüchteten aus Moria. Die Abgeordneten der Koalition wurden für diese Haltung gewählt,
und darauf kann sich der Senat legitimerweise stützen. Darauf konnte sich Bürgermeister Müller stützen, als er 2015 den Berliner Beitritt zum Netzwerk bekannt gegeben hat.
Direkte Demokratie bedeutet Verfahren zur direkten Entscheidung und direkten politischen Forderungen, nicht die Behauptung, was die Leute angeblich wollen. Das Gerede von angeblichen, womöglich auch noch schweigenden Mehrheiten, die sich de facto nirgendwo abbilden, ist Populismus und zerstört unsere Demokratie.
Die Verfahren zu direkter Demokratie haben wir mit dem vorliegenden Gesetz verbessert, dazu haben die Kollegen schon einiges gesagt. Volksbegehren, Volksinitiativen und -entscheide sind durch Fristen künftig besser planbar und hinsichtlich der Finanzen auch transparenter für die Bürgerinnen und Bürger, die entscheiden können, ob sie unterschreiben wollen. Stehen hinter einer Initiative Bürgerinnen und Bürger oder ein Tross von ehemaligen Politikern, die mit ihren Sponsoren noch einmal Politik machen wollen? Formal ausschließen kann man Letzteres natürlich nicht – auch Investoren und Parteimitglieder sind Bürgerinnen und Bürger –,
aber das muss transparent sein.
Wichtig finde ich auch die bessere Verschränkung von direkter Demokratie und parlamentarischer Diskussion. Im neuen § 17a ist die Behandlung des Antrages im Abgeordnetenhaus geregelt. Das stärkt das Verfahren, das schon beim Mobilitätsgesetz zu einem guten Ergebnis geführt hat: dass man nämlich nach der Zulässigkeitsprüfung versucht, zu einer Einigung zwischen Initiatorinnen, Initiatoren und Abgeordnetenhaus zu kommen. – Wenn ich das bei dieser Gelegenheit sagen darf: Wir finden, dass wir dringend das Gespräch mit den Initiatorinnen
und Initiatoren von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ suchen sollten, um die nächsten vier Monate zu nutzen, um gemeinsam zu einer Vergesellschaftungsregelung zu kommen.
Meine Fraktion will weitere Schritte gehen: elektronische Abstimmungen, wenn sie ergänzend sind – denn digitale Verfahren sind immer auch exkludierend, das merken wir gerade alle: Wer keinen Computer und kein Netz hat, ist abgehängt –, Abstimmungsberechtigung auch für Berlinerinnen und Berliner ohne deutschen Pass usw. Wir werden uns für diese weiteren Schritte einsetzen. Die vorgelegte Novellierung ist aber schon einmal ein guter Schritt in die richtige Richtung, und weitere werden folgen, wenn es nach meiner Fraktion geht. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die beiden Vorredner von der Koalition haben schon viel zu den einzelnen Regelungen gesagt,
und statt das zu wiederholen, möchte ich mich hier für das kollegiale Beraten dieses Gesetzestextes bedanken. Es gab, als der Text dann endlich vorlag – es würde jetzt keinen Sinn machen, wenn ich taktvoll verschweigen würde, dass das eine ganze Weile gedauert hat –,
eine gute fachliche Zusammenarbeit.
Unsere Gesetzesänderungen lassen sich allesamt auf konkrete Probleme mit Volksbegehren der letzten Jahre beziehen, sind also Lernerfolge im Sinne einer Stärkung der direkten Demokratie in Berlin.
Die festen Fristen für die Kosten- und Zulässigkeitsprüfungen machen die Verfahren für die Initiativen planbarer, was umso wichtiger ist, als auf Wunsch der Initiativen der Termin für die Abstimmung auf einen Wahltermin gelegt werden muss. Die bloße Behauptung, viele der
(Martin Trefzer)
ausgezählten Unterschriften seien ungültig, muss zukünftig von der Trägerin des Volksentscheides nicht mehr hingenommen werden. Sie hat zukünftig ein Recht, die Gründe für die Ungültigkeit erläutert zu bekommen. Das ist eine wichtige Verbesserung, um Volksbegehren davor zu schützen, dass das Verfahren an sich diskreditiert wird, wie das beim Tempelhof-Volksentscheid geschehen ist.
Zum Punkt Kostentransparenz hat der Kollege Efler schon Wichtiges gesagt. Es ist wichtig, dass es Kostentransparenz gibt, denn auch Parteien und Lobbyisten nutzen immer wieder das Mittel des Volksbegehrens. Mit „Neue Wege für Berlin“ haben wir nach Tegel und der Forderung nach Überwachungskameras im öffentlichen Raum eine weitere Initiative von Politikern auf dem Tisch, die mangels Mehrheiten, teils auch in der eigenen Partei, Volk spielen. – Außer den Spenden Dritter müssen künftig auch Eigenmittel offengelegt werden. Die Bürgerinnen und Bürger erfahren – –
Ach, jetzt haben Sie es verstanden. Das hat ja eine Weile gedauert.
Die Bürgerinnen und Bürger sollen zukünftig erfahren, woher die Mittel für Kampagne, Werbung und bezahlte Unterschriftensammlerinnen und -sammler kommen.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verbinden wir Parlament und Volksbegehren. Wir stärken das deliberative Moment im direktdemokratischen Verfahren. Eine Schwächung von Aushandlung und Argumentation hätte es demgegenüber bedeutet, die Volksbefragung von oben, das Referendum, einzuführen. Abgesehen davon, dass es dafür einer Verfassungsänderung und somit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament bedurft hätte, lehnen wir das auch aus inhaltlichen Gründen ab. Der Brexit hat gezeigt, wie gefährlich es ist, wenn sich Regierung und Parlament vor Verantwortung drücken und Entscheidungen als Ja/Nein-Fragen zur Abstimmung stellen. Wir hatten in der letzten Legislaturperiode eine solche Konstellation, als es um die Beinahe-Abstimmung über Olympia ging. Für eine finanziell kaum kalkulierbare Entscheidung ein emotionales Votum einzuholen, das wird auch künftig nicht möglich sein.
Volksabstimmungen sind ein Instrument, das nicht vom Parlament oder Senat genutzt werden sollte, sondern von Initiativen, Bottom-up statt Top-down. Ich sehe in unseren Änderungen eine Bereicherung der parlamentarischen Verfahren durch direktdemokratische Initiativen. Wir freuen uns auf die Diskussion im Ausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In einem politischen, wenn auch nicht in einem juristischen Zusammenhang mit diesem Antrag steht die alte grüne Forderung, das Wahlalter in Berlin auf 16 Jahre abzusenken. Wir wollen, dass Menschen ab 16 Jahren an den Wahlen zum Abgeordnetenhaus teilnehmen können.
Die Brandenburgerinnen und Brandenburger, die Bremerinnen und Bremer, Hamburgerin und Hamburger und die Einwohnerinnen und Einwohner Schleswig-Holsteins haben den 16-Jährigen in ihren Ländern dieses Recht schon gegeben.
Ich verstehe nicht, warum in Berlin dieses Misstrauen bisher in der Politik überwiegt, dass man mit 16 nicht über die Zusammensetzung dieses Hauses mitbestimmen könnte.
Politik entscheidet ganz wesentlich mit über die Zukunft dieser Stadt, und junge Menschen sind ganz und gar auf die Zukunft ausgerichtet. Ihren klaren Blick und eine Vertretung ihrer Interessen brauchen wir, um eine gute Politik machen zu können. An den Zukunftsfragen unserer Bezirke, unseres Landes und unseres Globus sollen und müssen junge Menschen beteiligt werden. Fridays for Future führt uns das Freitag für Freitag immer wieder mit