Protokoll der Sitzung vom 09.06.2022

Die Koalition wird nach der Sommerpause einen Entwurf für ein neues Transparenzgesetz vorlegen, das den Interessen der Verwaltung, der Regierung und auch der Wirtschaft entspricht, aber auch den Interessen der Bevölkerung, der Zivilgesellschaft und der Unternehmen entgegenkommt. Am Ende werden wir über einen Gesetzentwurf diskutieren, der neben den Interessen der Öffentlichkeit auch die Interessen der Verwaltung berücksichtigt. Damit kann das Berliner Transparenzgesetz dann auch wieder Vorbild sein wie damals das IFG 1999. Für mich gilt: Ein demokratischer Staat dient den Bürgerinnen und Bürgern und muss für diese transparent sein. Das wird auch das geplante neue Transparenzgesetz berücksichtigen, unter anderem mit dem Ansatz „open by default“. Das heißt, standardmäßig soll das gesamte Verwaltungshandeln für die Öffentlichkeit transparent gemacht werden.

Dabei werden wir uns mit dem fortschrittlichsten bisherigen Transparenzgesetz aus Hamburg beschäftigen und uns daran orientieren und auf keinen Fall hinter das IFG zurückfallen. Wir orientieren uns auch an der Vorlage des Senats aus der letzten Legislaturperiode, was Herr Rogat zu Recht angesprochen hat, und vielleicht auch ein bisschen am heutigen Vorschlag der FDP – aber wahrscheinlich nicht zu sehr, denn die in dem Entwurf geforderte Transparenz ist an manchen Stellen etwas zu unüberlegt.

Wir werden zum Beispiel über Bereichsausnahmen diskutieren müssen. Das gilt dann zum Beispiel beim Verfassungsschutz. Da wollen die FDP-Kollegen, dass ausgiebig geschwärzt wird. Wenn aber alles geschwärzt wird, dann sehe ich schon die ganzen Seiten mit den Schwärzungen. Da freut sich nur der Tonerhersteller, aber der Bürger hat am Ende gar keine Transparenz mehr.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Werner Graf (GRÜNE) und Anne Helm (LINKE) – Sebastian Czaja (FDP): Das versteht nur Ihre eigene Fraktion!]

Das Transparenzgesetz muss vieles ermöglichen und gleichzeitig schützenswerte Belange berücksichtigen. Vertrauliche Beratungen müssen, solange sie noch geführt werden, vertraulich bleiben. Geschäftsgeheimnisse müssen Geschäftsgeheimnisse bleiben, wenn sie schützenswert sind. Das werden wir beachten. Wir werden den Datenschutz beachten. Wir werden das neue Transparenzgesetz auch im Hinblick auf die Einführung der E-Akte berücksichtigen.

Dem Vorschlag der FDP, die generelle Gebührenfreiheit auch bei Anfragen nach dem neuen Transparenzgesetz einzuführen, kann ich nicht folgen. Besser wird es sein, wenn wir uns hierbei an dem alten IFG orientieren und es etwas abstufen.

Abschließend möchte ich betonen, dass wir als Koalition im Koalitionsvertrag vereinbart haben – Herr Rogat hat es richtig gesehen –, dass das Transparenzgesetz noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht wird. Daran werden wir uns halten. Deshalb ist der Vorgriff der FDP etwas überflüssig.

[Sebastian Czaja (FDP): Herr Lehmann ist halt nicht Herr Kohlmeier!]

Vielleicht sollten Sie, liebe Mitglieder der Opposition, unseren Koalitionsvertrag einmal genauer lesen, damit so etwas nicht passiert. Das würde uns und Ihnen viele unnütze Diskussionen ersparen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank! – Dann hat für die FDP-Fraktion der Kollege Rogat eine Zwischenbemerkung angemeldet.

Kollege Lehmann! Sie machen Ihrem Vorgänger, Herrn Kohlmeier, alle Ehre in der Polemik, die Sie hier an den Tag legen.

[Karsten Woldeit (AfD): Nein, so schlimm ist es nicht!]

Insofern bleibt das zumindest dahingehend konsistent. Ich würde aber schon, wenn Sie uns vorwerfen, wir würden den Koalitionsvertrag nicht studieren – was wir natürlich getan haben –, erwarten, dass Sie unsere Anträge mit derselben Sorgfalt lesen. Uns hier vorzuwerfen, wir würden Anträge mit „copy and paste“ noch einmal einreichen, ohne dabei alle Anhörungen ausgewertet zu haben, ohne die Expertenmeinung aus Hamburg einzubauen, ohne das Wissen, das wir in der letzten Legislatur akkumuliert haben, einfließen zu lassen, empfinde ich als eine gewisse Unverfrorenheit.

[Beifall bei der FDP]

In Ihrem Koalitionsvertrag steht „bis 2022“. Wir haben 2022. Wir stehen vor der Sommerpause. Dann bitte ich auch darum, dass Sie ausführen, wann Sie liefern.

[Beifall bei der FDP – Zuruf von rechts: Am Sankt-Nimmerleins-Tag!]

Wenn Sie uns auch noch vorwerfen, wir hätten Ausnahmen formuliert, dann antworte ich: Ja, das ist wahr. Wir wollen Ausnahmen, und ich bin der Meinung, beim

Verfassungsschutz ist es ganz okay, wenn man Dokumente schwärzt, um niemanden im wahrsten Sinne des Wortes ans Messer zu liefern. Da kann man Ausnahmen machen. Wo man keine Ausnahmen machen kann – da ist es so, wie es der Senat damals vorgelegt hatte –, ist bei Bildung, Wissenschaft und Forschung. Da bin ich schon der Meinung, das sind relevante Punkte, die die Berlinerinnen und Berliner interessieren. Und vielleicht wollen sie auch einfach mal reinschauen, wie Vorkaufsrechtsverträge abgelaufen sind, wie Milieuschutzgebiete zustande kommen und sich darüber informieren. Ich bin der Meinung, sie haben ein Recht darauf, und man sollte nicht nur eine Umfrage über intransparente und unwegsame Wege machen. Der Senat sollte offen und ehrlich liefern.

Dazu zählt für mich auch, dass wir keine Gebühren erheben. Denn nur das ist niedrigschwellig. Das ist etwas, das jeder Berliner und jede Berlinerin in Anspruch nehmen kann. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Da ein Preisschild von 5 Euro pro Auskunft dranzumachen, ist kein transparenter Staat.

[Beifall bei der FDP]

Dafür geben wir uns nicht her.

Ich würde Sie wirklich bitten, die Punkte alle einzupflegen. Es liegt jetzt ein Entwurf vor. Den kann man nutzen und verbessern. Damit haben wir kein Problem. Aber bewegen Sie sich gefälligst bei dem Thema, denn so, wie es jetzt war, kann es nicht bleiben. Wir werden Sie daran messen, ob Sie in diesem Jahr damit fertig werden.

[Beifall bei der FDP]

Vielen Dank! – Zur Erwiderung hat der Kollege Lehmann das Wort.

[Paul Fresdorf (FDP): Jetzt kommt eine Entschuldigung!]

Vielen Dank, Herr Rogat, dass ich hier noch einmal antreten darf! – Als erstes ist mir aufgefallen, ich werde dem Kollegen Kohlmeier schöne Grüße ausrichten, dass Sie ihn noch alle lieben.

[Karsten Woldeit (AfD): Nicht so ganz!]

Das ist sehr nett. Vielen Dank!

Wir werden die Fachgespräche – ich habe es in meiner Rede angekündigt – im Ausschuss, wie sich das gehört, führen. Dann werden wir auch den Entwurf der FDPFraktion – das habe ich auch erwähnt – berücksichtigen, zur Kenntnis nehmen, einbauen, wo es sinnvoll ist. Vielleicht sind auch Teile übernehmbar. Also, gerne mitarbei

ten! Gerne dabei sein! Das klappt im Ausschuss schon wunderbar.

Wann wir liefern? – Das steht, wie gesagt, alles im Koalitionsvertrag. Wir liefern. In diesem Jahr werden wir das auf den Weg bringen. Wir haben vor, es nach der Sommerpause einzubringen. Wir arbeiten die ganze Zeit daran. Was denken Sie, was wir in der Freizeit machen?

[Zuruf von der AfD: Nichts!]

Letzter Satz zu Ihren Vorkaufsrechten, dass man das mal rauskriegt: Dafür gab es bisher das IFG, und damit funktionierte Berlin bisher auch ganz gut. Aber wir sehen Verbesserungsbedarf und machen uns jetzt an die Arbeit für ein neues Transparenzgesetz in Berlin. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die CDU-Fraktion hat der Kollege Förster jetzt das Wort.

[Paul Fresdorf (FDP): Der lichtet jetzt mal den Wald!]

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rogat hat es schon gesagt: Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf wird vielen nicht ganz unbekannt sein. In der letzten Legislaturperiode hat die FDP hier einen entsprechenden Aufschlag gemacht. Die damalige Koalition, Rot-Rot-Grün, hat allerdings in den Debatten stets auf einen eigenen Gesetzentwurf gesetzt, hat immer wieder erzählt: Wir machen etwas anderes; wir können es besser –, hat vollmundige Versprechungen gemacht, und das führte sogar dazu, dass der damalige Abgeordnete Dr. Michael Efler für die Linksfraktion in seinen Schlussworten hier im Haus Folgendes sagte – ich darf zitieren –: Ganz sicher ist, am Ende dieser Wahlperiode wird Berlin ein besseres Informationsfreiheitsgesetz oder ein Transparenzgesetz haben. – Ich stelle fest: versprochen, gebrochen! – Das ist die Art, wie Sie hier Politik machen.

[Beifall bei der CDU, der AfD und der FDP]

Das, was Sie den Berlinerinnen und Berlinern versprechen, ist ein Paradebeispiel dafür, was Sie mit einem Transparenzgesetz damals vorgeführt haben. Sie können viel erzählen. Und ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich fühle mich ein bisschen an die Zeit vor drei Wochen zurückerinnert, als wir über die U 7 geredet haben, und dann immer die Argumente gekommen sind: Im Koalitionsvertrag steht das ja drin, und wir machen das. – Wir wissen ja: Sie können viel reinschreiben.

[Paul Fresdorf (FDP): Papier ist geduldig!]

(Roman-Francesco Rogat)

Am Ende wird es nicht kommen, weil Sie sich uneinig sind, weil Sie sich wegen Kleinigkeiten zerstreiten und weil wichtige Gesetzesinitiativen, die diese Stadt braucht, dem am Ende zum Opfer fallen. Das ist dieser Stadt nicht würdig. Das haben die Menschen, die hier leben, nicht verdient. Sie müssen besser regiert werden. Rot-Grün-Rot sollte möglichst schnell aus dem Haus gefegt werden.

Ich möchte kurz in die Gegenwart kommen und einfach schauen, was Sie in den aktuellen Koalitionsvertrag geschrieben haben. Herr Lehmann hat es gerade angesprochen. Sie haben sich dort wieder festgelegt, dass es ein Transparenzgesetz nach dem Hamburger Vorbild geben soll. Sie haben sich sogar eine sehr mutige Frist gesetzt, und zwar wollen Sie das noch in diesem Jahr verabschieden. Sie wollen es nicht nur einbringen, sondern Sie wollen es verabschieden. Herr Lehmann, ich finde es interessant, dass Sie sagen, Sie tun scheinbar jetzt das ganze Jahr nichts anderes, als an einem Transparenzgesetz zu arbeiten. Das glaube ich Ihnen nicht so ganz. Ich bin sogar der Meinung, Sie können der FDP dankbar dafür sein. Sie können den FDP-Kollegen dankbar dafür sein, dass sie hier heute wieder einen Gesetzestext vorlegen, damit Sie sich nämlich gerne noch mit Ihren Anregungen und Ideen einbringen können, um dann einfach auch die Frist, die Sie in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, einhalten zu können, sonst wären wir wieder bei dem Thema: versprochen, gebrochen. Ich habe ganz starke Zweifel daran, dass Sie das sonst halten würden.

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lux?

Danke, nein! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer Zeit, in der Verschwörungsglaube und gezielte Falschinformationen Hochkonjunktur haben. Das hat uns Corona nicht zuletzt allen gezeigt. Viele Menschen leben leider in einer Parallelwelt und können Lebensrealitäten nicht mehr ganz abchecken. Sie wissen nicht mehr, was ist Fakt, was ist Wahrheit und grenzen sich daher ab bzw. bleiben auf der Strecke. Daher ist es wichtig, dass der Staat so transparent wie möglich arbeitet. Der Souverän hat ein Recht auf Transparenz. Wir werden damit nicht allen Verschwörungstheoretikern Abhilfe leisten können, aber es ist ein Versuch. Ich bin daher der festen Überzeugung, dass wir hier schnell nachjustieren müssen, dass es ein solches Transparenzgesetz gibt, und wir gern in die Fachdebatte in den Ausschüssen gehen und dann auch über Feindetails diskutieren können, an welchen Stellen wir vielleicht anderer Meinung sind, wo wir Fristen anders regeln wollen etc. Aber dass Sie, Herr Lehmann, sich jetzt wieder hier hinstellen und

sagen: Es ist ja nett, dass ihr Kollegen von der FDP wieder das gleiche Gesetz hervorholt, aber wir können es besser –, das finde ich an der Stelle, ehrlich gesagt, ziemlich frech. Das finde ich sehr anmaßend. Wir werden sehen, was Sie uns später wieder vorlegen werden.

[Beifall bei der CDU]

Ich glaube, dass ein Transparenzgesetz auch wichtig ist, um politische Entscheidungen zukünftig besser nachzuvollziehen, vor allem im Land Berlin, wo wir die Landesebene und die bezirklichen Ebenen haben und nicht jeder weiß, wer wofür zuständig ist. Beispielhaft möchte ich da die Schulpolitik anführen. Für die inneren Schulangelegenheit ist das Land Berlin zuständig, für die äußeren Schulangelegenheiten sind die Bezirke zuständig. Ein Mehr an Transparenz kann hier für eine Nachvollziehbarkeit von Verwaltungshandeln in dieser Stadt sorgen. Dafür brauchen wir dieses Transparenzgesetz.

Ich muss Ihnen allerdings, liebe Kollegen von der FDP, auch sagen, dass wir einige Punkte in dem Entwurf haben, über die wir definitiv mit Ihnen sprechen müssen. Herr Lehmann hat es schon gesagt. Es gibt grundsätzlich Fragen, wo Informationen auch geschützt werden müssen, was wir alles veröffentlichen können. Es gibt immer gute Gründe, auch in Einzelfällen Dinge nicht zu veröffentlichen, nicht in dieses Transparenzregister, wie Sie es fordern, aufzunehmen. Dafür sollten wir uns auch die Zeit nehmen und das Ganze im Ausschuss besprechen.