Protokoll der Sitzung vom 23.06.2022

Der neue Doppelhaushalt ist zugleich ein Haushalt der Solidarität. Wir treffen finanzielle Vorsorge für die Unterbringung und Integration der Geflüchteten aus der Ukraine, für steigende Energiekosten und für die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie. Wir wissen nicht mit letzter Sicherheit, was uns die gegenwärtigen Herausforderungen kosten werden und was die Zukunft bringt, aber wir beschließen einen Haushalt, der, Stand heute, nach bestem Wissen und Gewissen die dafür notwendigen Rücklagen vorweist, einen Haushalt, der solidarisch und solide zugleich ist.

Solide Haushalts- und Finanzpolitik – damit bin ich bei meiner zweiten Botschaft, die ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte. Wer im Wissen um die Vergangenheit und die Gegenwart behauptet, wir könnten die notwendigen Zukunftsinvestitionen aufbringen, sämtliche Krisenkosten abfedern und die Bürgerinnen und Bürger pauschal entlasten, gleichzeitig die Steuern senken und alsbald zur Schuldenbremse zurückkehren, der hat entweder übernatürliche Kräfte oder spricht schlicht die Unwahrheit,

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Christian Hochgrebe (SPD)]

und nichts schadet der Politik und der Demokratie mehr als die vorsätzliche Lüge.

Es ist deshalb gut, wenn der Bundesfinanzminister neuerdings eindringlich vor den finanziellen Folgen der Rezession warnt, welche sich im nächsten Jahr für die bundesrepublikanische Volkswirtschaft abzeichnet. Es ist richtig, dass der Bundeswirtschaftsminister konstatiert, dass wir alle durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ärmer werden. Und es erscheint plausibel, wenn der Bundesminister für Arbeit und Soziales darlegt, dass es Entlastungsmaßnahmen für finanziell benachteiligte Haushalte geben muss, aber der Staat nicht jeden Gutverdienenden kompensieren kann. Die dreifache Krise und die Rückkehr der Inflation wird weder an den privaten noch an den öffentlichen Haushalten spurlos vorbeigehen. Das offen zu sagen, ist eine Frage der politischen Verantwortung und Ehrlichkeit, und es ist auch eine Frage der Klugheit, denn die Bürgerinnen und Bürger wissen das.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Auch im und für das Land Berlin werden die finanziellen Spielräume infolge der realwirtschaftlichen Entwicklung und der Zinswende aller Voraussicht nach schrumpfen.

[Glocke der Präsidentin]

Es ist richtig, nicht in die Krise hineinzusparen, aber richtig ist auch, dass die perpetuierte Haushaltsnotlage immer die größten sozialen Verheerungen nach sich zieht. Die Berliner Haushaltskonsolidierung der Nachwendezeit und in den Nullerjahren, hat gezeigt, welche gesellschaftlichen Folgeschäden ein strukturelles Finanzierungsdefizit, chronische Überschuldung und echte Budgetkürzungen mit sich bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in der Stadt dergleichen ein zweites Mal erleben will. Meine Rolle als Finanzsenator ist es, sehr geehrte Abgeordnete, Sie daran zu erinnern, wann immer es nottut. Umso dankbarer bin ich dafür, dass Sie in Ihren Haushaltsberatungen politische Akzente gesetzt haben

[Glocke der Präsidentin]

und trotzdem im Rahmen der Steuerschätzung geblieben sind. Dieses Augenmaß wird es auch in Zukunft brauchen.

Am Ende bleibt mir nur noch zu sagen: Der neue Haushaltsplanentwurf ist ein guter Plan. Setzen wir ihn gemeinsam um! Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

(Senator Daniel Wesener)

Vielen Dank! – Die Abstimmungen zu den Einzelplänen finden am Ende der Sitzung statt.

Ich rufe auf

lfd. Nr. d)

Einzelpläne:

05 Inneres, Digitalisierung und Sport

21 Kapitel 2100 – Beauftragte/Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit

21 Kapitel 2102 – Beauftragte/Beauftragter für die Berliner Polizei und Bürgerbeauftragte/ Bürgerbeauftragter

25 Landesweite Maßnahmen des E-Governments

In der Rederunde beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Hochgrebe, bitte schön, Sie haben das Wort!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Berlinerinnen und Berliner! Ich freue mich, dass ich heute die Rederunde zum Doppelhaushalt des Landes Berlin für die Jahre 2022 und 2023 in den Bereichen Inneres, Sport und Digitalisierung eröffnen darf. Wenn ich durch meinen Wahlkreis laufe, wenn ich mit den Nachbarinnen und Nachbarn im Charlottenburger Norden spreche, werde ich immer auf ganz viele verschiedene Themen angesprochen, und ganz oben auf der Liste stehen Fragen von Sicherheit und Sauberkeit im Kiez. Die Koalition hat sich das Thema der Sicherheit ganz oben auf ihre Fahnen geschrieben und zur Chefinnensache gemacht.

[Karsten Woldeit (AfD): Das ist aber neu!]

Für die Koalition geht es dabei um die wesentlichen Fragen für unsere Zukunftshauptstadt Berlin, um die Frage des sicheren und bezahlbaren Wohnens, um die Frage sicherer und fair bezahlter Arbeitsplätze. Sicherheit ist neben der Abwesenheit von Gewalt und Kriminalität auch der Schutz vor sozialem Abstieg, Armut und Ausgrenzung. Aber natürlich geht es auch um all die Themen, die wir als innere Sicherheit bezeichnen, und so reden wir heute über einen Haushalt im Einzelplan 05, der ein Volumen von 3 Milliarden Euro pro Jahr hat; zweimal 3 Milliarden Euro, die Berlin in die Sicherheit der Nachbarinnen und Nachbarn investiert, in unsere Polizei und unsere Feuerwehr, in den Sport und in die Digitalisierung.

Was verbirgt sich hinter diesen 3 Milliarden Euro? – Wir werden die Kieze sicherer machen, indem mehr Kieze wieder ihre eigenen Kontaktbereichsbeamten bekommen, Polizeibeamtinnen und -beamte, die ihre Kieze kennen,

die für sie vor Ort sind und Ansprechpartner und Freund und Helfer sind. Auch die Fahrradstaffeln der Polizei weiten wir massiv aus.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE)]

Wir erhöhen aber nicht nur die Stellen bei der Polizei, sondern wir investieren auch massiv in die Ausbildung unserer Polizeibeamtinnen und -beamten. Damit stellen wir sicher, dass unsere Polizei auch morgen noch attraktiv und funktionsfähig ist. Wir bilden eine diverse, eine weltoffene Polizei aus, die Konfliktmanager und Krisenlöser ist, die unser Berlin repräsentiert und die vor allen Dingen gut ausgebildet ist für den Dienst in der Bundeshauptstadt. All dies erfordert eine moderne Ausstattung. Wir investieren in die Fahrzeugflotte der Polizei und der Feuerwehr, und wir machen diese Schritt für Schritt CO2neutral. Wir statten unsere Sicherheitsbehörden modern und zukunftsfähig aus. Besonders freue ich mich, dass auch die Wasserschutzpolizei mit den neuen Watercrafts die dritte Säule ihrer Fahrzeugflotte erhält.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE) und Sebastian Walter (GRÜNE)]

Wir stärken den Ordnungsämtern, der Polizei und der Feuerwehr den Rücken, genauso wie der Zivilgesellschaft, die für unsere Freiheit und Sicherheit eintritt. So erhalten etwa die freiwilligen Feuerwehren in Wilhelmshagen, Müggelheim und Mahlsdorf die dringend nötigen neuen Feuerwachen. Insgesamt investieren wir

132 Millionen Euro in unsere Wachen und Wehren.

Besonders hervorheben möchte ich zwei Leuchtturmprojekte, die wir mit den erforderlichen finanziellen Mitteln ausgestattet haben: die neue Wache am Kottbusser Tor und das Landeseinbürgerungszentrum.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dr. Turgut Altuğ (GRÜNE)]

Nein, danke, keine Zwischenfragen! – Mit der KottiWache stärken wir ganz konkret den Kiez rund um den Kotti. Sie ist deswegen ein Leuchtturmprojekt, weil vor Ort alle ressortübergreifend und gemeinsam für den Kiez arbeiten: die Gewerbetreibenden, die sozialen Träger, die Anwohnerinnen und Anwohner, das Ordnungsamt, der Bezirk und auch die Polizei vor Ort. So steigern wir ganz konkret die Aufenthalts- und Lebensqualität am Kotti und arbeiten alle gemeinsam Hand in Hand an unserem Ziel, keine kriminalitätsbelasteten Orte mehr in unserer Stadt zu haben.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Claudia Engelmann (LINKE)]

Viele Menschen sind gegenwärtig auf der Flucht und finden in Berlin ihre neue Heimat. Viele Menschen wohnen, leben und arbeiten schon seit Jahren oder Jahrzehnten in Berlin, ohne deutsche Staatsbürger zu sein. All diese wollen wir mit dem Landeseinbürgerungszentrum

noch intensiver unterstützen, damit sie, wenn sie es wollen, die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen und ihre Stadt noch aktiver mitgestalten können.

Aber auch hierüber hinaus stärken wir massiv die Berliner Verwaltung. So investieren wir etwa in unsere Bürgerämter, um zunächst zu gewährleisten, dass jeder innerhalb von zwei Wochen dort einen Termin erhält. Die Koalition wird aber auch darüber hinaus daran arbeiten, unsere Ämter und Behörden zu modernen Dienstleistern weiterzuentwickeln.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Moderne Dienstleister brauchen eine moderne Ausstattung. Die Koalition hat daher das Thema der Digitalisierung ganz nach oben gestellt. Wir führen flächendeckend die E-Akte ein, wir digitalisieren die Aktenbearbeitung in den Behörden und ermöglichen so Schritt für Schritt, dass immer mehr Dinge online von zu Hause aus erledigt werden können. Berlin wird zur Smart City.

Zum Einzelplan 05 und zum Aufgabenbereich der Innensenatorin gehört auch der Sport. Berlin ist gerade jetzt Gastgeber der Special Olympics und wird auch weiterhin Gastgeber vieler sportlicher Großereignisse sein. Nicht nur hierfür ertüchtigen wir unsere Sportstätten, so zum Beispiel auch durch den Neubau des Jahn-Sportparks. Besonders wichtig ist mir die finanzielle Ausstattung des Breitensports, die wir in diesem Haushalt erneut sichergestellt und ausgebaut haben. Wir stärken die Bezirkssportbünde und die Jugendtrainer. Wir stärken die Vereinsstrukturen, weil Sport nicht nur gesund ist, sondern weil er auch den sozialen Zusammenhalt stärkt. Ein wichtiger Bereich sind dabei auch unsere Bäder, deren finanzielle Ausstattung wir nochmals deutlich erhöht haben.

Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik, wie uns die Vorsitzende des Hauptausschusses schon gesagt hat. Mit diesem Haushalt im Einzelplan 05 haben wir knapp 3 Milliarden Euro pro Jahr in ganz konkrete Politik gegossen. – Ich danke herzlich den Partnern aus den Koalitionsfraktionen für die guten und vertrauensvollen Haushaltsberatungen, aber insbesondere Frau Innensenatorin Spranger und dem gesamten Team für ihre immer offenen Ohren und für die weitere Stärkung des Innensektors, die wir heute gemeinsam auf den Weg bringen. – Vielen Dank fürs Zuhören!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Niklas Schrader (LINKE)]

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Balzer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Hochgrebe! Ich glaube, dass Ihre Ausführungen mit der Lebensrealität in unserer Stadt nicht allzu viel zu tun haben. Wir haben ja Berlin in der Welt ungefähr 118-mal. Ich weiß nicht, welche Stadt Sie davon gemeint haben; auf unsere Stadt, glaube ich, kann das gar nicht zutreffen.

[Beifall bei der CDU]

Die Berliner Polizei, die Berliner Feuerwehren, die Ordnungsämter, der Katastrophenschutz sorgen bestmöglich für unsere Sicherheit bei unfassbar schwierigen Rahmenbedingungen. – Danke dafür! – Viele Dienstgebäude sind sanierungsbedürftig. Der Fuhrpark der Polizei ist überaltert. Die Personaldecke ist nicht nur dünn, sondern erwiesenermaßen kurz. Ständig werden Löcher gestopft, indem an anderen Stellen neue Löcher aufgerissen werden. Beispiele gefällig? – Die Polizeipräsidentin hat vor Kurzem bei der GdP-Jahrestagung zugegeben, dass die Hundertschaften kaum noch aus ihren Stiefeln herauskommen, Hunderttausende Überstunden sind die Folge. Die Bildung von Alarmhundertschaften in den Direktionen erfolgt fast wöchentlich und ist damit keine Ausnahme mehr, sondern mittlerweile die Regel. Seit dieser Woche müssen die Direktionen wieder Aufgaben des Zentralen Objektschutzes wahrnehmen, weil es auch dort zu wenig Personal gibt. Die Konsequenz ist, dass in den Abschnitten wieder die Streifentätigkeit in den Kiezen zurückgefahren wurde.

Zahlen lügen nicht, und die Polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt zum x-ten Mal, dass Berlin pro 100 000 Einwohner mit 13 158 Straftaten die höchste Verbrechensquote und mit 45,3 Prozent die niedrigste Aufklärungsquote aller Bundesländer hat. Der geringe Rückgang ist ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen; wer etwas anderes behauptet, hat seinen Realitätssinn verloren.