Protokoll der Sitzung vom 23.06.2022

Kommen wir zum zweiten Punkt – inhaltliche Defizite, die es nach wie vor gibt! Sie haben es schon angesprochen, Frau Kühnemann-Grunow, das Thema Ateliers, Arbeitsräume, Proberäume. Es gibt mittlerweile keine großen Ergebnisse, aber es gibt nach wie vor Querelen um dieses Arbeitsraumprogramm. Es dauert alles viel zu lange. Die Zeit ist dort verloren. Auch das Thema Digitalisierung hinkt hinterher. Es ist erkannt, aber dort sind sicherlich noch viele Defizite. Das Zukunftsthema Nachhaltigkeit finde ich gar nicht im Haushalt. Wir haben nachgefragt; was uns dazu berichtet wurde, ist vergleichsweise rudimentär.

In der Pandemie gab es Licht und Schatten. Wir hatten die Draußenstadt, wo selbst der Senator zugibt, da wäre noch Luft nach oben gewesen. Jetzt haben wir das Feuerwerk des Kultursommers, das wir abbrennen, ein Spektakel – schön, aber die Frage ist doch: Wir müssen strukturell überlegen, was diese Veranstalter eigentlich wollen.

Die Clubcommission hat zum Beispiel schon vor Jahren ein Modal-Space-Programm vorgeschlagen, wo die Frage der Genehmigung und andere Fragen, One-Stop-Agency, fokussiert werden. Das sind die Themen, mit denen wir uns inhaltlich weiter auseinandersetzen müssten. Stattdessen werden neue ideologische Spielwiesen aufgemacht: LADG, LGG, Kolonialismus, Dekolonialisierung usw. Ein weiteres Museum soll her, ein Migrationsmuseum. Ich würde Ihnen empfehlen, erst mal die alten Dinge richtig zu machen, statt neue zu starten.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der AfD]

Kommen wir zur kulturpolitischen Strategie! Natürlich sind für jemanden wie den Senator, der Demokratie und Sozialismus für vereinbar hält, private Akteure sicherlich die unbeliebteren Partner. Daher kommt dieser fatale Hang zur Zentralisierung, der Staat soll alles machen, der Staat soll alles vorgeben. Das Arbeitsraumprogramm ist schon genannt worden. Auch bei der Alten Münze könnten wir deutlich weiter sein, wenn man sich auf innovative Dinge einlassen würde. Wohingegen der Staat mal gefragt wäre, da tut dieser Senat nichts. Ich denke da zum Beispiel an den Flughafen Tempelhof, den wir mehr oder weniger systematisch verfallen lassen. Es gibt kein Commitment, keine Erklärung, kein Bekenntnis des Senats dazu. Herr Kultursenator! Natürlich ist das nicht primär die Aufgabe Ihres Hauses, aber Sie müssten als jemand, der diesen Standort als kulturellen Standort nutzen könnte, in die Vorlage gehen und gemeinsam mit dem Senat irgendeine Idee produzieren, damit wir das ganze Thema irgendwann mal angehen. Stattdessen macht der Senat in seiner Gesamtzuständigkeit oder Unzuständigkeit eine Kunsthalle Berlin, symptomatisch für dieses Gewurstel nebeneinander, Nichtzuständigkeitsbeteuerung usw.

Kommen wir zum vierten Punkt – Stellenwert der Kulturpolitik! Wir haben seit Beginn dieser Legislaturperiode einen Ausschuss für Kultur und Europa, das heißt, beide Themen werden dort verhandelt, beide Themen sind wichtig, das bedeutet aber für die Kulturpolitik weniger Zeit, weniger Möglichkeit, sich darüber zu unterhalten. Das ist natürlich für den Senator einfacher, es gibt nur noch einen Ausschuss. Es ist auch schwierig zu lösen, ich rege das hier nur mal an, dass wir uns in einiger Zeit noch einmal darüber Gedanken machen, ob das die richtige Priorisierung ist, die wir hier vornehmen, wenn es um die Kulturpolitik geht.

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege!

Ich habe eine Minute länger gehabt, wir haben auch keine zweite Rederunde. Ich komme auch zum Schluss, Frau Präsidentin!

Die haben Sie schon gehabt.

Unsere Aufgabe ist, die Freiheit der Kultur zu verteidigen, und da ist das, was der Senat macht, ein schlechtes Signal, Mittelvergabe nach Identität statt nach Exzellenz, Bevorzugung von Lieblingen und Genehmen, unterschiedliche Behandlung – wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe, wir denken da an Klaus Dörsch, Shermin Langhoff oder die Enthebung von Hubertus Knabe, alles Dinge, die keine gute Signalwirkung in die Szene haben! Kultur braucht nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch Luft zum Atmen, um nicht zu Tode umarmt zu werden. Bei dem Senator sehe ich zu viel patriarchalisches Vorgehen und Staatsgläubigkeit.

Die vereinbarte Redezeit von vier Minuten ist um.

Haben Sie einfach mehr Vertrauen in die Kulturschaffenden in dieser Stadt! Die wissen auch ganz gut alleine, was zu tun ist. Wagen Sie etwas mehr Freiheit, wagen Sie mehr Kunstfreiheit! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Billig das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Wir sind mit dem Einzelplan 08 schon ganz gut gestartet, mit einem Entwurf, der schon viele Pläne und Strategien aus den Koalitionsverhandlungen berücksichtigt hatte. Da reicht die Zeit heute nicht, das zu vertiefen. Schauen Sie einfach mal in den Koalitionsvertrag! Die Lektüre empfehle ich, da steht nämlich alles drin. Unter anderem steht da das Kulturfördergesetz drin. Da hat jetzt Herr Juhnke sehr viel herumgekrittelt und unterstellt. Auch dazu reicht die Zeit nicht, auf jeden Punkt einzugehen, aber den einen will ich mir herauspicken: Wir sind am Anfang der Wahlperiode. Ein Gesetz ist noch nicht fertig. Sie wissen selbst, wie lange es braucht, ein Gesetz zu erstellen. Wir werden in anderthalb Jahren über den nächsten Haushalt sprechen. Das heißt, das Kulturfördergesetz wird sich im Zweifelsfall dann widerspiegeln; heute wäre es viel zu früh. Das Geld

können wir jetzt wirklich sehr viel gewinnbringender ausgeben.

Ich möchte gern mit dem Dank beginnen, damit ich wirklich noch dazu komme. Ich möchte gern der Senatsverwaltung für Kultur und Europa für die sehr ruhigen Verhandlungen und den ganz respektvollen Umgang miteinander danken, ebenso den Kolleginnen. Ich denke, das waren sehr ruhige und erfolgreiche Verhandlungen.

Wir haben aber trotzdem noch eine ganze Menge verändert und in unseren Aufstockungen vor allem Wert darauf gelegt, dass die kleinen und mittleren Kulturinstitutionen eine größere Unterstützung oder überhaupt eine Unterstützung bekommen. Das sichert in diesen unruhigen Zeiten oft das Überleben. Ich erspare mir die lange Liste mit vielen Zahlen. Es geht dabei immer um fünfstellige oder niedrige sechsstellige Summen. Das ist eigentlich gar nicht viel Geld, aber die Vielfalt in der Kulturlandschaft sichert das oft ganz nachhaltig, weil die Institutionen es für konkrete, alltägliche, aber eben notwendige Kosten brauchen.

Die Zeit rast. Deswegen kann ich mir jetzt wirklich nur ein paar ganz kleine Beispiele herauspicken. Das Kulturkataster haben wir vorgezogen und die Mittel erhöht. Die Räume zum Arbeiten oder für Veranstaltungen für die Berliner Kunst-, Kultur- und Kreativszene, das ist inzwischen zur Grundsatzfrage geworden. Das Arbeitsprogramm wurde genannt, das kann ich mir sparen. Das „RambaZamba“ braucht Technikerinnen; ohne sie läuft der Betrieb auf der Bühne einfach nicht. Wir haben den Runden Tisch Tanz, der wertvolle Hinweise für Maßnahmen gegeben hat. Jetzt müssen wir die Maßnahmen umsetzen. Dafür brauchen wir Geld. „Berlin Mondiale“ und „PANDA platforma“ wurden genannt. Der Kultursommer Ukraine ist ein ganz aktuelles Thema, denn wo kann die ukrainische Kultur Aufnahme finden, wenn nicht in Berlin? – Berlin ist ein Ort der Zuflucht für alle Schutzsuchenden, auch und gerade für Künstlerinnen und Kulturschaffende.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Als Kulturpolitikerinnen besprechen wir heute an dieser Stelle auch das Kapitel 2101 des Landesbeauftragten für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie kennen alle die historischen Orte, die wir als Koalition weiterentwickeln wollen, sicherlich mit Unterstützung des gesamten Parlaments. Das Polizeigefängnis Keibelstraße und den Campus für Demokratie in Lichtenberg, diese beiden Orte möchte ich dem Kultursenator noch mal ganz warm ans Herz legen, dass wir uns hier noch mehr engagieren. Ein guter Anfang ist gemacht, aber da geht noch etwas. Außerdem möchte ich an der Stelle dem Landesbeauftragten Tom Sello für seine wirklich wichtige Arbeit danken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Auch wenn ich in der kurzen Zeit nur einen Bruchteil dessen erwähnen konnte, was ich eigentlich auf dem Zettel hatte, ist ganz klar geworden, dass Kultur eine Querschnittsaufgabe ist. Die Kultur in Berlin ist unglaublich vielfältig. Edelsteine gibt es hier auf jeder Ebene, in jeder Sparte und in jeder Größe. Berlin hat zwar keine Bodenschätze, aber Berlin hat die Kultur. Das sind unsere Kostbarkeiten, und die werden wir bewahren. – Danke schön!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Für die AfD-Fraktion hat nun der Kollege Brousek das Wort.

Werte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Bei „Emilia Galotti“ fragt der Herzog den Hofmaler Conti: „Was macht die Kunst?“ – Und der sagt: „… die Kunst geht nach dem Brot.“ – Genauso verhält es sich mit dem Einzelplan 08. Der Souverän ist diesmal nicht der Herzog, der Souverän ist der Senat oder die Koalition. Also wir sind es auf jeden Fall nicht, denn es steht hier ohnehin fest, was geschieht. Da könnte man ja sagen, was man will, das ist im gewissen Sinne überflüssig.

Trotzdem möchte ich betonen, dass ich mich, wenn ich mir den Einzelplan 08 anschaue, immer frage als AfDVertreter, denn die AfD ist die Partei auch der deutschen Arbeiterklasse,

[Lachen bei der SPD]

also der Leute, die Sie, Sie und Sie vergessen haben – – Das Proletariat und das Prekariat, die wählen uns, nicht Sie.

[Tobias Schulze (LINKE): Die Arbeiterklasse interessiert Sie nicht! – Zuruf von Silke Gebel (GRÜNE)]

Sie werden gewählt von Leuten, die bei mir in Friedenau wohnen und Wohnungen für 800 000 Euro und einen SUV haben; die wählen alle Grün. Ich frage mich als AfD-Kulturpolitiker: Warum sollte ein Handwerker aus Köpenick, warum sollte eine Verkäuferin aus Spandau diese Kultur, die dort niedergelegt ist, finanzieren? – Denn, wenn ich mir das genau anschaue, handelt es sich um ein Versorgungswerk für Seilschaften von Linkskulturschaffenden.

[Beifall bei der AfD]

„Ein Versorgungswerk“ und „Seilschaften“ deswegen, weil wir einen Kultursenator haben, der stolz erzählt, dass ihn die Künstler mit „Mensch, Klaus!“ ansprechen. Ich

glaube, es ist nicht die richtige Grundlage, Geld zu verteilen, wenn man das Geld ausschließlich nach Ideologie verteilt, und Ihre Ideologie habe ich immer wieder angeprangert – zum Beispiel die migrantische und postmigrantische Perspektive im „Maxim Gorki“. Wir haben nichts gegen das Maxim-Gorki-Theater, aber diese Perspektive unter dieser Leiterin, die unter anderen Umständen längst rausgeflogen wäre, ist 16 Millionen Euro im Jahr wert.

[Anne Helm (LINKE): Wenn Sie übernehmen, dann werden die alle rausgeschmissen, die Kulturschaffenden!]

Diversity Arts Culture: 1,6 Millionen Euro. Ich weiß gar nicht genau, was das ist. Der Hauptstadtkulturfonds – 10 Millionen Euro. Noch mal – man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen –: „Tuntenhaus Forellenhof 1990 – Der kurze Sommer des schwulen Kommunismus“.

[Beifall von Carsten Schatz (LINKE)]

„Kurzer Sommer“, ja, da ist man ganz froh, dass die Freunde des Schwulen Museums und die Diversitätsoffensive nur 500 000 Euro bekommen. Da ist man froh, aber was wir uns fragen mit Ihrer Vielfalt: Wo im Einzelplan 08 ist denn rechtskonservative Kultur? – Die gibt es bei Ihrer Vielfalt gar nicht.

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Halali! – Anne Helm (LINKE): Machen Sie doch mal was für Kultur! – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Ich wusste, dass Sie diese unintelligenten Entgegnungen machen würden, aber wissen Sie, haben Sie mal was von Uwe Tellkamp, Botho Strauß oder Monika Maron gehört? – Diese Sachen werden aus ideologischen Gründen nicht finanziert, und ich finde das ungeheuerlich, ich finde das wirklich nicht in Ordnung.

Damit möchte ich nur ganz kurz zum Abschluss als Bonmot sagen: Es wundert mich nicht, dass die „FAZ“ im Februar unseren Kultursenator Dr. Lederer als „Kulturverhinderungssenator“ bezeichnet hat.

[Beifall bei der AfD – Torsten Schneider (SPD): Halali!]

Sie wissen ja: FAZ – „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf.“ – Vielen Dank!

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Melanie Kühnemann-Grunow (SPD) – Torsten Schneider (SPD): Ich kann „Hoch auf dem gelben Wagen“! Soll ich mal?]

(Daniela Billig)

Jetzt hat für die Fraktion Die Linke Frau Dr. Schmidt das Wort. – Bitte schön, Frau Dr. Schmidt!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Brousek! Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Bleiben Sie bei Ihrer Jagdkultur! Davon verstehen Sie vielleicht ein bisschen etwas; alles andere sollten Sie sein lassen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Aber zunächst möchte ich mich dem Dank, den meine beiden Fraktionskolleginnen schon ausgesprochen haben, sehr gern anschließen. Sehen Sie es mir nach, vor allem möchte ich auch unserem Kultursenator Danke sagen; der hat uns nämlich eine gute Vorlage für die Beratungen auf den Tisch gelegt. Das hat, glaube ich, die ganzen Beratungen sehr viel einfacher gemacht, insbesondere vor dem Hintergrund, dass unsere Stadt nach wie vor mit drei großen Krisen gleichzeitig konfrontiert ist, deren Bewältigung auch im Kulturbereich Ressourcen verlangt. Vor diesem Hintergrund wachsen natürlich die Bäume auch im Kulturbereich nicht unbegrenzt in den Himmel. Aber, Herr Juhnke, wir halten Kurs.

Unsere großen Kulturinstitutionen wie Opern, Theater, Museen und Gedenkstätten haben Planungssicherheit und müssen Tarifaufwüchse nicht mit Kunst bezahlen. Gute Arbeit ist uns nach wie vor viel wert. Berlins freie Szene wächst weiterhin. Es wird in einigen Bereichen neue und zusätzliche Mittel für Förderprogramme und Projekte geben.

Die Teilhabe aller Mitglieder unserer diversen Stadtgesellschaft an Kunst und Kultur zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Kulturhaushalt und ist geradezu ein Markenkern unserer rot-grün-roten Kulturpolitik.