Protokoll der Sitzung vom 23.06.2022

Die Teilhabe aller Mitglieder unserer diversen Stadtgesellschaft an Kunst und Kultur zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Kulturhaushalt und ist geradezu ein Markenkern unserer rot-grün-roten Kulturpolitik.

Doch wir schauen nicht nur auf die Bühne. Uns interessiert ebenso, wer im Zuschauerraum sitzt und wer eben noch nicht. Von diesem Kurs, der auf mehr Diversität, mehr Gleichberechtigung und mehr Teilhabe setzt, werden wir uns auch in den kommenden Monaten und Jahren nicht verabschieden und nicht abbringen lassen. Darauf können sich die Berlinerinnen und Berliner verlassen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Viel Wert haben wir dabei auf die Förderung der Kinder- und Jugendtheater gelegt, das Kinderopernhaus gefördert und auch die kulturelle Bildung für Kinder und Jugendliche verstetigt.

Mit dem Projekt „Musethica“ wollen wir weiterhin hochwertige Kunst und Kultur in den Strafvollzug und in

Einrichtungen der Eingliederungshilfe bringen, ein ungewöhnliches Projekt an ungewöhnlichen Orten und mit großer Wirkung.

Wichtig in dieser Zeit sind Solidarität und Offenheit. Viele Theater und Opernhäuser haben ihre Probebühnen bereits für die Künstlerinnen und Künstler aus der Ukraine und anderen Staaten, wo sie verfolgt werden, geöffnet. Darüber hinaus wird es weitere Unterstützung geben, ob als Anlaufstelle, Auftritts- oder Begegnungsmöglichkeit.

Doch Berlin ist ein multikultureller Ort, und es leben inzwischen Menschen aus nahezu 200 verschiedenen Ländern in unserer Stadt. Daher werden wir weitere integrative Ansätze fördern, besonders gern im MaximGorki-Theater.

[Beifall bei der LINKEN]

Kunst und Kultur findet zugleich vor Ort in den Bezirken statt. Der „Kultursommer“ und „Draußenstadt“ sind gerade fulminant eröffnet worden. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode eine anspruchsvolle Bibliotheksentwicklungsplanung auf den Weg gebracht, Herr Juhnke, und wir werden diese nun Schritt für Schritt umsetzen und gleichzeitig die Bibliotheken als Dritte Orte entwickeln, in denen noch stärker Begegnung und Beratung stattfinden kann. Na klar, dennoch bleiben große Baustellen, vor allem die Sanierung unserer Kulturstandorte, die Akquise weiterer bezahlbarer Arbeitsräume oder auch der Neubau der ZLB. Aber alles auf einmal ist natürlich nicht zu stemmen. Doch mit weiteren Zuschüssen für das Kulturmodernisierungsprogramm und das Arbeitsraumprogramm geht es in die richtige Richtung.

Sie haben Mut zum Risiko gefordert, Herr Juhnke. Etwas Besonderes starten wir im Personalbereich. Die Aufgaben zur Förderung von Künstlerinnen und Künstlern, Projekten und freien Gruppen sind in den vergangenen Jahren immer umfangreicher und vielfältiger geworden. Dies stellt auch für die Verwaltung eine Herausforderung dar. Es geht hier um Steuerung und Betreuung. Wir werden daher hier etwas Neues wagen und das zuständige Referat künftig mit einer Doppelspitze ausstatten. Damit wollen wir zum einen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gleichzeitig Frauen in Spitzenfunktionen gezielt fördern.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Franziska Becker (SPD)]

Alles in allem: Berlin wird auch weiterhin eine Stadt der Kunst und Kultur bleiben.

Noch ein Wort zu Europa. Für uns ist klar: Wir wollen ein Europa für alle Menschen in Berlin. Deswegen unterstützen wir das zivilgesellschaftliche Europaengagement, werden die Beteiligungsformate der Zukunftskonferenz Europas in Berlin fortsetzen und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft eine europapolitische Strategie erarbeiten, denn Europa ist für alle da, hier in Berlin und auch

darüber hinaus. Ich bin optimistisch, und wir werden machen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Meister das Wort. – Bitte schön!

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon viel Richtiges gesagt worden. Es ist völlig unstrittig: Der Kulturhaushalt ist auf gutem Wege, die Sanierung noch nicht so ganz. Dass wir zumindest die Komische Oper jetzt priorisiert in der Sanierung drin haben, ist richtig und wichtig, allein weil es aufgrund des Brandschutzes sein muss. Für die ZLB ist es wirklich schade. Ich befürchte ein bisschen, dass uns die ZLB in eine komplett ungewisse Zukunft abrutscht und womöglich gar nicht mehr entsteht.

Insgesamt ist auch in diesem Einzelplan viel Geld verteilt worden. Vieles haben wir mitgetragen. Warum gerade bei der Opernstiftung als einer der wenigen Institutionen gekürzt worden ist, bleibt Ihr Geheimnis.

Dass jetzt mit dem „Kultursommer“ die Kultur wieder starten soll und unterstützt wird, ist richtig und gut so. Ich hätte mir hier insgesamt mehr Unterstützung von allen Bezirken gewünscht. Wenn man mal nachguckt: Reinickendorf: keine einzige Veranstaltung –, Spandau: eine Veranstaltung. Es ist ein bisschen schade, dass die Außenbezirke hier wieder außen bleiben.

[Beifall bei der FDP]

Es tut mir ein bisschen leid um Herrn Schneider. Soll ich noch mal unterbrechen?

[Torsten Schneider (SPD): Nein, nein, Sie stören nicht!]

Dann fühle ich mich gut, dann mache ich einfach weiter.

[Paul Fresdorf (FDP): Immer wenn Frauen reden, ist er laut!]

Das ganze Thema Atelierförderung und Arbeitsprogramme – muss ich ganz ehrlich sagen, war eines der spannenden Teile in den ganzen Berichten, die wir lesen durften – hat etwas von ganz vielen Beteiligten, vielen Streitereien, ganz offensichtlich aber auch von ganz vielen persönlichen Befindlichkeiten. Ich halte es für richtig, so heranzugehen, dass wir wirklich Arbeitsräume und Ateliers für alle Sparten brauchen, und es macht Sinn, diese Struktur zentraler aufzustellen. Da wünschen wir Ihnen viel Glück bei der weiteren Zerschlagung dieses Knotens.

Digitalisierung: Hier bin ich ganz bei Herrn Juhnke. Ich hätte mir ein bisschen mehr Anerkennung gewünscht, gerade bei dem, was in Coronazeiten alles ausprobiert worden ist. Ich war ziemlich begeistert von dem, was das HAU gemacht hat. Es wäre ganz schön gewesen, wenn es gelungen wäre, dort ein bisschen zu verteilen und das wertzuschätzen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Anmerkungen machen, weil wir immer wieder darüber gesprochen haben, wie weit eigentlich das Engagement von Privaten geht. Wir haben bei allen Institutionen wirklich bemerkenswerte Fördervereine und Freundeskreise. Ich finde das eine sehr gute Einrichtung und sehr lobenswert, dass wir nach wie vor Bürger und Bürgerinnen haben, die sich hier einbringen, denn im Moment sprudeln die Steuereinnahmen, aber so wird es nicht immer bleiben.

[Beifall bei der FDP]

Wenn wir es jetzt noch schafften, Herr Lederer, die Rieckhallen zu retten, würde mich das sehr freuen. Ich befürchte ein bisschen – – Auch da Ihnen viel Glück, Herr Dr. Lederer! Retten Sie sie ganz schnell, wie häufig bei Vermögensgeschäften, vor allen Dingen vor Ihrer Fraktion, damit es auch wirklich gut geht. – Danke schön!

[Beifall bei der FDP – Torsten Schneider (SPD): Der Lederer hat zweimal genickt!]

Für eine zweite Rederunde gibt es zunächst eine Wortmeldung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Frau Dr. Kahlefeld, bitte schön! Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich möchte nur noch ein paar Worte zu den Bereichen Europa und Religion ergänzen, die auch im Einzelplan 08 etatisiert sind.

Es gibt erfreuliche Aufwüchse für die kirchenmusikalische Ausbildung an der Universität der Künste. Auch die Muslimischen Kulturtage können 2023 etwas größer stattfinden, und Teuerungen sind durch die Erhöhung ebenfalls aufgefangen.

Im Koalitionsvertrag ist die Erarbeitung eines Landeskonzepts für das muslimische Leben in Berlin vereinbart sowie eine unabhängige Koordinierungsstelle für das Islamforum. Beides haben wir jetzt im Haushalt finanziell unterlegt. Für die Koordinierungsstelle haben wir im Abgeordnetenhaus schon für 2022 Mittel eingestellt, denn das ist wichtig, damit das Gremium seine Arbeit schnell aufnehmen kann, und es ist auch wichtig, damit die Erarbeitung des Landeskonzepts, von dem ich gerade ge

(Dr. Manuela Schmidt)

sprochen habe, das im Koalitionsvertrag vereinbart ist, vorbereitet werden kann.

Außerdem: Religiöse Gemeinden, die nicht wie die großen Kirchen von jeher über Gebäude verfügen, haben wie alle in der Stadt zunehmend Probleme, Räume zu finden. Wir haben deswegen im Koalitionsvertrag vereinbart, dass in neuen Quartieren schon bei der Planung Räumlichkeiten vorzusehen sind, die der Gemeinwesenarbeit dienen und baulich so zu gestalten sind, dass sie auch von religiösen Gruppen genutzt werden können.

Unter dem Stichwort Gemeinwesenzentren sind zur Umsetzung dieser Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag in 2022 und 2023 zusammen 350 000 Euro vorgesehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Torsten Schneider (SPD)]

Nicht zuletzt werden die jüdische Kultur, die religionsübergreifende Zusammenarbeit und die Sanierungsarbeiten an der Synagoge Joachimsthaler Straße finanziell erheblich besser ausgestattet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der auch ein Krieg gegen Europa ist, ist für alle Senatsverwaltungen eine Herausforderung, denn, wie schon gesagt wurde, Europapolitik ist eine Querschnittsaufgabe, aber wir haben im Einzelplan 08 die Mittel des Staatssekretärs für Europa veranschlagt, und da möchte ich noch etwas hervorheben, nämlich die Erstellung einer europapolitischen Strategie für Berlin. Das haben wir im Koalitionsantrag vereinbart. Das ist eigentlich der logische Schritt nach der Verankerung des Europabezugs in der Berliner Verfassung. Wir haben außerdem vereinbart, dass wir die Konferenz zur Zukunft Europas hier weitergestalten wollen. Auch dafür sind Mittel eingestellt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Zum Schluss: Der wunderbare Kulturzug Berlin-Breslau ist in diesem Haushalt abgesichert. – Vielen Dank!

Für die AfD-Fraktion hat nun Herr Dr. Bronson das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur der Einzelplan 08 erscheint wie eine ideologiegetriebene Steuergeldverschwendung. So soll zum Beispiel ein nicht weiter spezifizierter Europagedanke finanziell aufgepeppt werden. Ich möchte mich aus Zeitgründen nur auf diesen einen Vorgang beschränken,

[Alexander Kaas Elias (GRÜNE): Ist auch gut so!]

denn er ist symptomatisch. Aus dem Bericht der Senatsverwaltung für Kultur und Europa zitiere ich verkürzt Kapitel 0830, Titel 68535 – mit Erlaubnis der Präsidentin:

Mit 100 000 Euro soll dem Ziel nachgekommen werden, Berlin als Hub einer progressiven Zivilgesellschaft zu stärken und auszubauen. Es sollen Kompetenzen, Mittel und Kontakte gebündelt werden und damit Synergien geschaffen werden, die das Thema EU in der Breite der Berliner Gesellschaft verankern.

Soweit die Phrasendreschmaschine zu einer Verankerung, die nach 29 Jahren EU doch eigentlich selbstverständlich sein sollte. Unsere Stadt soll also der Hub, neudeutsch für Angelpunkt oder Zentrum, einer progressiven Zivilgesellschaft werden. Dieser Begriff wird dem Marxisten Antonio Gramsci zugeschrieben, Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens.