Teil dieser Novelle sind die wichtigen Verlängerungen der Bearbeitungsdauer für Prüfungen und der Regelungen für Prüfungsversuche. Wenn wir dem jetzt nicht zustimmen, schicken wir Tausende von Studierende in Ungewissheit und Existenzängste.
Aber kommen wir zum Knackpunkt, wegen dem die Opposition gegen die Novellierung ist. Es geht um Arbeitsbedingungen; es geht um faire Arbeitsbedingungen. Als rot-grün-rote Koalition haben wir uns einer sozialen Politik verpflichtet. Dazu gehört selbstverständlich, dass wir für faire Arbeitsbedingungen kämpfen. Zwar mag der Wissenschaftssektor nicht das erste Arbeitsumfeld sein, das einem beim Streit um faire Arbeitsbedingungen in den Sinn kommt, die Realität ist aber, dass unterhalb der professoralen Ebene die meisten in prekären Verhältnissen arbeiten.
Der zentrale Grund für dieses Unding sind Dauerbefristungen von top ausgebildeten Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern in unserer Stadt. Dieses Problem gehen wir mit der Änderung von § 110 an. Promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erhalten zukünftig ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, wenn Sie die im Arbeitsvertrag geregelten Qualifizierungen erreicht haben. Damit gehen wir einen ersten Schritt in die richtige Richtung.
Noch in der letzten Legislaturperiode hat die Koalition den Grundstein für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter gelegt. Darauf bauen wir nun mit mehr Verlässlichkeit für alle Betroffenen auf, also auch für die Beschäftigten und die Hochschulen. Noch einmal – denn es ist mir wichtig, das zu betonen –: Wir wollen mit allen Beteiligten gemeinsam das Fundament erneuern, auf dem der europäische Wissenschaftsstandort Berlin steht. Es ist eine absolute Unverschämtheit zu behaupten, dass unsichere Arbeitsverhältnisse die Innovationskraft der Wissenschaft stärken würden.
Wer arbeitet denn besser, wenn er nicht weiß, ob er morgen noch einen Job hat? Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit für befristete Qualifizierungsphasen erhalten.
Abschließend will ich noch einmal feststellen: Betroffene von „Ich bin Hanna“, der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages und die rot-grün-rote Koalition stimmen überein, dass wir eine leistungsfähige Wissenschaft nicht durch Ausbeutung und verzweifelte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erreichen. Eine leistungsfähige und vor allem freie forschende Wissenschaft erreichen wir durch Verlässlichkeit und Sicherheit für Beschäftigte. Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Gesetz zu für Berlins Studierende, die in der Pandemie schon genug gelitten haben! Stimmen Sie zu für die vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ihren bahnbrechenden Forschungen Berlin als Wissenschaftsstandort und als Wirtschaftsstandort stärken!
Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Schneider! Sie forderten leichte Sprache ein. Dazu kann ich für Sie zusammengefasst sagen: Der Gesetzentwurf folgt dem Motto „knapp daneben ist auch vorbei“. Das ist die Zusammenfassung. Man kann also auch in leichter Sprache erklären, warum das Ding Murks ist. Damit habe ich kein Problem.
Weil wir das Thema „Wasser und Glas“ strapaziert haben, könnte man auch sagen: Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht. – Auch das ist eine altbekannte Politik dieses rot-grün-roten Senats,
immer Gesetzentwürfe vorzulegen, die am Ende haarscharf an der Verfassungswidrigkeit vorbeischrammen. Damit haben Sie Erfahrung. Auch beim Mietendeckel sind Sie so vorgegangen und krachend gescheitert. Das werden Sie auch hier wieder erleben.
[Beifall bei der FDP – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Torsten Schneider (SPD): Super Rede! Sehr substanziell!]
Vielen Dank, Kollege Förster, dass Sie die Zwischenfrage zulassen! Sie haben gerade die Verfassungswidrigkeit dieses Gesetzes angesprochen. Können Sie uns kurz darstellen, wo diese im Kern liegt?
Vielen Dank, Kollege Fresdorf! Das scheint ja auch dringend nötig zu sein, weil der Kollege Schneider gerade sagte: Substanzielle Rede! – Bei ihm ist immer schon nach 30 Sekunden Schluss mit der Substanz. Ich fange gerade erst an. Das ist der Unterschied. Insofern bin ich dankbar für die Gelegenheit, entsprechend antworten zu können.
Ich will gern darauf hinweisen, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz auf Bundesebene abschließend die Arbeitsbedingungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler regelt und dass es keine Gesetzgebungskompetenz der Länder in dieser Frage gibt. Dieser Auffassung war im Übrigen auch die Wissenschaftsverwaltung, als sie noch SPD-geführt war, Michael Müller noch Senator war und Steffen Krach Staatssekretär. Der hat ausdrücklich davor gewarnt, das Gesetz anzufassen. Er hat gesagt: Die vorherige Fassung ist vollkommen praxistauglich und arbeitsfähig. Wir müssen daran gar nicht herumdoktern. – Hätten Sie mal auf Herrn Krach gehört, dann wäre Ihnen heute viel Krach erspart geblieben. Das muss man an der Stelle ganz klar so sagen.
Wenn Begriffe wie Unverschämtheit fallen und der Hinweis, wir müssten das mitmachen, kommt – das Einzige, was wirklich unverschämt ist, ist, von der Opposition, die
hier im Haus die eigentliche Kontrollinstanz ist, zu verlangen, dass sie offensichtlich verfassungswidrige Gesetze im Schweinsgalopp mitbeschließt und damit letztlich die Kontrollfunktion ausgehebelt wird, und das nur, weil Sie uns hier Murks vorlegen, der nicht verfassungsfest ist. Das ist doch Ihr Problem und nicht unseres.
Wenn wir schon zu Coronabedingungen und Prüfungsbedingungen kommen, die noch verbessert werden müssten – das hätte man – erstens – aus dem Gesetz auskoppeln können.
Die Opposition weist seit Langem darauf hin, was strittig und was nicht strittig ist. Sie hätten ein anderes Gesetz vorlegen und den strittigen Teil ausklammern können. Zweitens kann man sowas auch per Verordnung regeln. Der Senat hat Hunderte Coronaverordnungen vorgelegt, um diese Ausnahmetatbestände zu regeln. Jetzt beim 102. Mal zu sagen, wir bräuchten ein Gesetz, ist doch wirklich albern, liebe Koalition.
Deswegen bleibt es am Ende auch dabei: Die Arbeitsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die, wie Frau Neugebauer sagte, alle top ausgebildet seien, zu verbessern, ist immer gut. Aber ich sage an der Stelle auch: Die Leute, die top ausgebildet sind, finden in dieser Stadt einen Arbeitsplatz. Die Informatiker, Betriebswirte und Ähnliche sind in der freien Wirtschaft gefragt.
Ich habe gestern wieder mit dem Präsidenten einer Fachhochschule sehr lange gesprochen, der sagte, bei ihnen sei die Vermittlungsquote bei 100 Prozent.
Wenn Sie aber Theaterwissenschaften im 37. Semester studieren, dann noch promovieren und dann soll Ihnen der Staat lebenslang eine Stelle verschaffen, kann das auch nicht der richtige Weg sein. Das muss man an der Stelle auch mal so deutlich sagen.
Schließlich, zum Schluss, weil die Kollegin Dr. Czyborra sagte, sie hätte Hunderte, ja Tausende Anrufe von aufgeregten Unipräsidenten – wahrscheinlich sogar Millionen –, Studierenden und Ähnlichen bekommen, die darauf hingewiesen hätten, wie dringend die Gesetzesverabschiedung sei. Da kann ich nur sagen, dass mich kein Einziger angerufen hat, weil ja die Notwendigkeit bestanden hätte, gerade die Opposition zu überzeugen. So wichtig kann es nicht sein. Meine Handynummer ist seit 22 Jahren dieselbe. Die Frage, wie viele Anrufe wirklich bei der SPD eingegangen sind, kann man an der Stelle einmal prüfen.
Wir sagen ganz klar: Verfassungswidrige Gesetze machen wir nicht mit. Wir werden das gerichtlich überprüfen lassen. Insofern begeben Sie sich aufs Glatteis, die Opposition wird das nicht tun. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linksfraktion hat der Kollege Schulze das Wort. – Bitte schön! – Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, hätte der Kollege Schulze das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Dass man nicht die FDP anruft, wenn man ein Gesetz in Berlin beeinflussen will, überrascht, glaube ich, ehrlich gesagt niemanden.
Mich hat am Montag nach der Ausschusssitzung ein Wissenschaftler von der FU Berlin angerufen. Der hat gesagt: Was? Ihr habt gar keine Regelung für die jetzt bestehenden Postdoc-Verträge im Gesetz? Mir reicht es jetzt. Ich gehe ins Ausland. Ich bin mit dem deutschen Wissenschaftssystem durch. Ich bin auf der sechsten Kettenbefristung, und ich werde in die Niederlande gehen, weil ich dort sofort einen unbefristeten Vertrag bekomme. – Wir haben in diesem Gesetz den Hochschulen und den Universitäten ein Jahr Zeit gegeben, um die entsprechenden Personalstrukturen vorzubereiten. Das machen die Hochschulen. An den Hochschulen, an den Universitäten wird dieses Gesetz übrigens nicht annähernd so aufgeregt diskutiert wie von Ihnen hier. Die haben Arbeitsgruppen eingerichtet, um das umzusetzen, um die entsprechenden Personalstrukturen zu schaffen und die Stellen einzurichten, auf die die habilitierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eingestellt werden, wenn sie die entsprechende unbefristete Arbeitsmöglichkeit bei uns bekommen.
Ich will noch einmal sagen, worum es hier eigentlich geht: In Berlin haben wir etwa fünf- bis sechsmal so viele wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie Professuren – fünf- bis sechsmal so viele. Die machen also die Hauptlast der wissenschaftlichen Arbeit in unserer Stadt. 90 Prozent dieser wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind befristet beschäftigt, in der Regel auf Kettenbefristungen – 90 Prozent. Der Weg eines jungen Wissenschaftlers, einer jungen Wissenschaftlerin, führt über die Promotion, ein Teil verabschiedet sich danach aus der Wissenschaft, geht in die Wirtschaft, geht in andere Bereiche. Ein Teil ist so gut, dass er
weitergeht, sich habilitiert, eine Nachwuchsgruppenleitung antritt oder eine ähnliche Qualifikationsstufe macht. Der ist in der Regel schon Mitte/Ende 30 und seit 10 oder 15 Jahren im Wissenschaftsbetrieb. Er hat sich dort bewährt und hat dort das höchste Niveau an Ausbildung in der Wissenschaft erreicht. Diesen Leuten sagen wir, dass wir euch nicht mehr auf die Straße setzen wie bisher, sondern wenn ihr die Habilitation habt, wenn ihr eine ähnliche Qualifikation habt, dann sagen wir den Unis, ihr müsst diesen Menschen einen Anschlussvertrag bieten, weil das die Besten sind, die wir haben. Die lassen wir nicht gehen. – Das ist der Mechanismus des Gesetzes.
Da kann man auch nicht sagen: Die Universitäten müssen auch für die außeruniversitären Bereiche qualifizieren! – Nein! Wer 15 Jahre wissenschaftlich in der Universität gearbeitet hat, wer mehrere Qualifikationsstufen durchlaufen hat, Mitte 40 – wohin soll der denn hingehen? – Der ist für die Wissenschaft qualifiziert, aber wir haben derzeit ein System, das für diese Leute keine Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Das macht uns übrigens im internationalen Vergleich sehr unattraktiv. Nach Deutschland kommt niemand aus dieser Kategorie, weil die hier keine Arbeitsmöglichkeiten finden, sondern wir berufen ältere Professorinnen und Professoren teuer aus dem Ausland zurück, die uns irgendwann einmal verlassen haben. Das ist absurd!