Protokoll der Sitzung vom 20.10.2022

Für die Fraktion Für Die Linke hat Kollege Schulze das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die FDP hier tut, ist natürlich ein bisschen lustig, auf ein bayerisches Gesetz zu verweisen und zu sagen, so etwas brauchen wir hier auch. Ich habe mir das bayerische Gesetz einmal angeschaut, wie es da mit den Rechtsansprüchen aussieht. Das ist ganz interessant. Ich darf mal zitieren, Frau Präsidentin, den Artikel 19, in dem es um die Rechte geht, da steht:

Die Behörden sind verpflichtet, geeignete Verwaltungsverfahren dem Bürger gegenüber digital anzubieten, soweit dies wirtschaftlich und zweckmäßig ist.

Eine richtige Verpflichtung und ein Rechtsanspruch sehen aber anders aus, ehrlich gesagt. Das ist ein bisschen lustig.

[Beifall bei der LINKEN]

Das zieht sich durch das ganze Gesetz. Nun ist Bayern auch ein Flächenland. Die müssen auch mit ihren Landkreisen und Städten klarkommen. Ich sage einmal so: Das bayerische Gesetz ist durchaus modern an vielen Stellen formuliert. Klar einklagbare Rechtsansprüche sind da aber weitgehend nicht enthalten. Das muss man auch mal

sagen. Das ist eine normative Vorgabe für das, wo die Bayern irgendwann einmal hinwollen. Da sind wir, ehrlich gesagt, an vielen Stellen mit dem E-GovernmentGesetz schon weiter. Dinge, die in Bayern erst konzipiert werden, sind hier schon Realität, beispielsweise das Servicekonto. Das steht bei den Bayern im Gesetz, das haben wir aber schon. Die haben das noch nicht.

Ähnlich geht es mit anderen Dingen, wie beispielsweise die Kommunikation. Auch die steht bei uns seit 2016 im E-Government-Gesetz, dass sie digital angeboten werden muss. Auch das haben die Bayern erst jetzt in ihr Gesetz hineingeschrieben, das im Sommer dieses Jahres in Kraft getreten ist. Auch der Artikel 17, Digitale Dienste, in dem Bayerischen Gesetz, ist bei uns schon fast wortgleich im E-Government-Gesetz enthalten. Das ist alles nett. Wir werden uns das für die Novellierung des E-GovernmentGesetzes, die vor uns liegt, auch alles anschauen, weil in der Tat seit den vergangenen Jahren einiges zu modernisieren ist. Wegweisende Gesetze, ich glaube, da sind Sie ein bisschen dem Politikmarketing auf den Leim gegangen, was dort betrieben worden ist.

Vielleicht noch ein Wort zum Onlinezugangsgesetz. Wir haben in der Tat die Vorschrift, dass wir digitalisieren müssen. Das ist schon erwähnt worden. Berlin hat eine Verlängerung an ein paar Stellen beantragt. Man muss aber eines sagen, das Onlinezugangsgesetz schreibt nicht die vollständige Durchdigitalisierung aller Verwaltungsprozesse vor, sondern lediglich die digitale Erreichbarkeit von Verwaltungsprozessen, das, was manchmal etwas hämisch als PDF-Digitalisierung beschrieben wird, das heißt, dass man einen Antrag oder Ähnliches digital erreichen und digital ausfüllen können muss. Das heißt noch lange nicht, dass der ganze Verwaltungsvorgang komplett von vorne bis hinten digitalisiert werden muss. Wir machen das aber in Berlin an vielen Stellen schon, während viele Landkreise, die auf dem Papier in den Rankings und so weiter ganz gut aussehen, nichts weiter anbieten als PDFs für Anträge. Insofern lohnt ein genauer Blick auf Rankings, das wurde schon gesagt. Wir können gern im Ausschuss in die Debatte gehen. Wir werden als Koalition den entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen. Dann können wir über die Modernisierung auch hier reden. Ich glaube allerdings nicht, dass wir bei den strukturellen Problemen, die wir in Berlin haben, wo seit 15 Jahren die Digitalisierung aus nachvollziehbaren Gründen verschlafen worden ist – das waren die SparJahre in Berlin –, dass wir diese damit aufholen, dass sich Bürgerinnen und Bürger irgendwo einklagen können. Das wird nicht funktionieren. Wir brauchen tatsächlich die grundlegende Reform unserer IT-Steuerung und unserer IT-Systeme, die einheitliche Administration unter das ITDZ und ähnliche Prozesse. Darum kommen Sie nicht herum, egal welche Rechtsansprüche Sie irgendwo formulieren. Diese Kärrnerarbeit, das hängt auch immer mit der Frage sicherer Zugangsnetze, Serverinfrastrukturen

(Marc Vallendar)

zusammen, müssen wir schon gemeinsam machen. Da helfen keine fünfzeilige Anträge. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Digitalisierung und Datenschutz. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 32 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 33 war Priorität der Fraktion der SPD unter der Nummer 3.4. Tagesordnungspunkt 34 steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 35 war Priorität der Fraktion Die Linke unter der Nummer 3.1. Tagesordnungspunkt 36 war Priorität der AfD-Fraktion unter der Nummer 3.2.

Damit sind wir bei

lfd. Nr. 37:

Landesaufnahmeprogramme streichen! – Asylunterkünfte sind zu nahezu 100 Prozent ausgelastet

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 19/0582

In der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. Herr Kollege Lindemann – bitte schön!

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Berliner! Dieser rot-grün-rote Senat von Berlin regiert Berlin im Blindflug und führt die Stadt in Zustände nahezu wie 2015. Sozialsenatorin Kipping, die gerade nicht anwesend ist, hat es selbst gesagt: Die Asylunterkünfte in Berlin sind zu 100 Prozent ausgebucht. Was macht man, wenn wir keinen Platz mehr haben? – Dann muss man entweder Platz schaffen, oder man kann keine Gäste mehr einladen.

Allein die Zahlen der Asylbewerber haben sich vom letzten Jahr bis zu diesem Jahr nahezu verdoppelt. Berlin leistet sich dennoch Landesaufnahmeprogramme für Syrer, Iraker, Afghanen und wollte sogar von den griechischen Inseln Asylbewerber nach Berlin einfliegen. Diese Landesaufnahmeprogramme werden mit Millionen Euro Steuergeld von den Berliner Steuerzahlern finanziert,

[Zuruf von Jian Omar (GRÜNE)]

gerade in dieser Krise, wo die Menschen in Berlin nicht einmal mehr wissen, wie sie sich ihre Wohnung, ihre Heizkostenabrechnung oder ihr Essen leisten können.

Wir sagen daher, dass diese Aufnahmeprogramme zu streichen sind, dass das Geld für die Berliner Bevölkerung ausgegeben werden muss und vor allen Dingen auch: Die Berliner finden keinen Wohnraum, die Kita- und Schulplätze in Berlin reichen für die einheimische Bevölkerung bei Weitem nicht aus. Schaffen Sie erst einmal ausreichend Wohnraum, schaffen Sie ausreichend Kita- und Schulplätze! Dann kann man natürlich weiter darüber reden, ob man irgendwelchen Menschen aus anderen Ländern hilft.

Hinzu kommt noch, was Frau Kipping schon im Ausschuss gesagt hat: Im sicheren Polen sind hunderttausend Ukrainer in nicht winterfesten Quartieren untergebracht. Das heißt, Sie wissen schon, dass diese hunderttausend Menschen auch nach Berlin kommen können. Trotzdem haben Sie immer noch Ihre Landesaufnahmeprogramme, und Sie haben in diesem Jahr sogar die Zahlen der Programme erhöht.

Darum, verehrte Kollegen, fordern wir Sie auf: Streichen Sie die Landesaufnahmeprogramme! Unterstützen Sie die Berliner Bevölkerung und stimmen Sie unserem Antrag zu! – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der AfD]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD liegt keine Anmeldung vor. Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Wohlert nun das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen im Berliner Abgeordnetenhaus! Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist, glaube ich, wieder so ein typischer asylpolitischer Antrag der AfD: Er besteht aus einem Satz, hat zwar eine Begründung, die auf den ersten Blick sachlich wirkt, reiht aber eigentlich nur relativ wild Zitate und Fakten aneinander. Mit so einer Art der Auseinandersetzung können wir die vielen Herausforderungen, die wir in der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern haben, nicht meistern. Da brauchen wir auch von Ihnen ganz konkrete Vorschläge.

[Anne Helm (LINKE): Brauchen wir nicht!]

Da wird so salopp gesagt: Wir brauchen stattdessen mehr Geld für die Berliner Bevölkerung –, machen aber eigentlich gar keinen konkreten Vorschlag. Dann fallen wieder so Formulierungen wie „mehr Gäste einladen“ – als wenn Flüchtlinge und Asylbewerber aktiv von jemandem eingeladen werden müssten. Ich glaube, eine Sache muss man an der Stelle, unabhängig davon, wie man zum Thema Landesaufnahmeprogramme steht, sagen – da gibt es natürlich auch Dinge, die man kritisch sehen kann, das haben wir in der letzten Debatte schon ausgeführt, dass es mit Blick auf die Bundeseinheitlichkeit sicherlich nicht

(Tobias Schulze)

sinnvoll ist, wenn es noch einmal extra Landesaufnahmeprogramme gibt –: Den Eindruck zu erwecken, dass hunderttausend Ukrainer in nicht winterfesten Quartieren in Polen mit wenigen Hundert aufzuwiegen sind, die aus Landesaufnahmeprogrammen zu uns kommen werden, das ist schon fast unverschämt und bringt uns in der flüchtlingspolitischen Debatte keinen Schritt voran.

[Beifall bei der CDU und der FDP – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Was brauchen wir für eine bessere Unterbringung und Versorgung? – Wir haben es schon vorhin in der Debatte gesagt: Wir brauchen mehr Anstrengungen beim sozialen Wohnungsbau. Wir müssen auch unabhängig von Landesaufnahmeprogrammen noch einmal überlegen, wo wir weitere Unterkünfte schaffen. Wir müssen dafür sorgen, dass tatsächlich bleibeberechtigte Flüchtlinge hier gut untergebracht, gut versorgt werden. Ein Aspekt, der auch wichtig ist: Wir müssen natürlich auch Ausreisepflichtige konsequenter zurückführen. Ich glaube aber, das Thema Landesaufnahmeprogramme mit wenigen Hundert Menschen ist jetzt nicht die dringendste Frage, die wir in dieser Stadt zu lösen haben. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Omar.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für jedes komplexe Problem gibt es bekanntlich eine einfache Lösung. Oft ist diese einfache Lösung aber eine falsche Lösung, und so zeigt dieser populistische Antrag der AfD, dass diese Partei auf eine komplexe Sachlage keine richtigen Antworten liefern kann.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Zuruf von Tommy Tabor (AfD)]

Der Grund, wieso wir in diesem Jahr mehr Geflüchtete aufnehmen – in Europa, in Deutschland und in Berlin –, ist der Kriegsverbrecher Putin und der Angriffskrieg auf die souveräne Ukraine.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Der russische Krieg in der Ukraine terrorisiert die Zivilbevölkerung in der Ukraine, verwandelt Städte in Trümmerhaufen, sorgt für die Energiekrise hier in Europa und weltweit für Nahrungsmittelkrisen. Putins Taktik ist, die europäischen Demokratien vor die Wahl zu stellen, entweder Kriegsverbrechen in Europa zu akzeptieren und mitzutragen oder zu ihren demokratischen Werten zu stehen und dafür wirtschaftliche Härten in Kauf zu nehmen. Die AfD wiederum setzt fort, was Putin begonnen hat. Putins Kriege in der Ukraine und zuvor in Syrien

zwingen Millionen von Menschen zur Flucht. Diese Geflüchteten werden aus ihren Heimatländern vertrieben. Die AfD betreibt dann Hass und Hetze gegen die ankommenden Geflüchteten, um unsere Gesellschaft zu spalten. Beide, sowohl Putin als auch die AfD, zielen auf unsere humanitären und demokratischen Werte ab.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Ronald Gläser (AfD): Dummes Zeug!]

Sie wollen, dass wir sehenden Auges in Europa Kriegsverbrechen hinnehmen und dann unsere Türen für die Geflüchteten schließen.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Wir wollen Frieden! Alles andere ist keine Lösung!]

Vor einem Monat haben wir genau hier einen fast identischen Antrag der AfD – der Kollege der CDU hat es erwähnt – behandelt. Das zeigt wiederum, dass diese Partei nicht einmal ansatzweise Antworten für die komplexen sozialen Herausforderungen unserer Zeit hat.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Roman-Francesco Rogat (FDP)]

In diesem Copy-and-paste-Antrag der AfD geht es, wie einen Monat zuvor, um ein Landesaufnahmeprogramm für lediglich hundert Menschen pro Jahr. Damit wir das ins Verhältnis setzen können: Seit Beginn des russischen Krieges in der Ukraine sind mehr als 10 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet, davon allein 60 000 hier in Berlin registriert.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Kristin Brinker (AfD): Darum geht es doch gar nicht!]

In ihrem Antrag verliert die AfD aber kein Wort über den Kriegsverbrecher Putin, den Verursacher dieses Krieges. Ganz im Gegenteil!