Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

Hinzu kommt noch, dass wir gerade mit der ersten ASOG-Novelle wichtige Maßnahmen ergriffen haben, um die Arbeitsmöglichkeiten und die inhaltliche Durchsetzungskraft der Berliner Polizei zu verbessern. Das ist ein erster Schritt, und wir werden noch weitere Schritte gehen und das ASOG weiter ertüchtigen. Sicherlich werden wir dabei auch noch einmal das Thema Schleierfahndung in den Blick nehmen und gegebenenfalls auch noch einmal diskutieren.

[Zuruf von der AfD: Frage!]

Aus gutem Grund wird daher Ihr Antrag auch in den Innenausschuss überwiesen.

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich bringe hier jetzt zu Ende. – Da besteht dann auch die Möglichkeit der Polizei, ihre fachliche Expertise zu der generellen Frage darzulegen, ob und in welchem Umfang die Wiedereinführung der Schleierfahndung in Berlin zu einem besseren Ergebnis bei der Verbrechensbekämpfung führen kann. Aus diesem Grund sind wir auf die Diskussion im Innenausschuss bereits jetzt sehr gespannt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Franco jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Woldeit! Wieder einmal spielen Sie innenpolitisches Bullshit-Bingo, denn die AfD hat den nächsten Law-and-Order-Klassiker aus der Mottenkiste geholt und fordert jetzt die Einführung der Schleierfahndung in Berlin.

[Karsten Woldeit (AfD): Gut, oder?]

Da werden Sie mir jetzt entgegnen: Das hält ja selbst das Bundesverfassungsgericht für zulässig. – Was Sie aber verschweigen, ist, welche Voraussetzungen das Bundesverfassungsgericht vorgibt. Es muss einen expliziten Grenzbezug geben. Ich übersetze das mal für Sie, da Sie

(Stefan Häntsch)

es anscheinend nicht verstanden haben: Zulässig ist die Schleierfahndung innerhalb von 30 Kilometern zu einer internationalen Grenze.

[Sebastian Schlüsselburg (LINKE): Hört, hört!]

Jetzt weiß ich nicht, welche Karten die AfD benutzt. Auf der Deutschlandkarte, die ich kenne, habe ich keine solche gefunden.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Die Zeit, in der es in Berlin Grenzen und Mauern gab, ist zum Glück vorbei.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Woldeit?

Nein, das brauchen wir hier nicht im Plenum. – Zweite Ausnahme: auf internationalen Verkehrswegen. Das ist aber in dem Gesetzantrag, den Sie vorgelegt haben, natürlich nicht formuliert. Das, was Sie wollen, sind willkürliche und anlasslose Kontrollen im gesamten öffentlichen Verkehrsraum ohne den erforderlichen Grenzbezug. Und auch, wenn die alten weißen Männer von rechts außen das nie verstehen und erst recht nicht selbst nachvollziehen werden, ist genau das ein Einfallstor für RacialProfiling. Sich in seiner Begründung des Antrags mit Verfassungskonformität zu rühmen, aber Bundesverfassungsgerichtsrechtsprechung zu ignorieren, das nennt die AfD in diesem Haus parlamentarische Arbeit, und damit ist eigentlich auch alles gesagt.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es ist auch kein Geheimnis, dass es Ihnen auch nicht um die Gefahrenabwehr geht. Sie wollen Menschen, die nicht in Ihr Weltbild passen, in diesem Land kontrollieren, kriminalisieren und am Schluss deportieren. Wir brauchen keine verfassungswidrige Grenzpolizei, nur weil Sie und Ihre rechten Freunde in ganz Europa die Grenzzäune wieder hochziehen wollen. Dazu werden Sie zumindest in Berlin keine Chance bekommen. Wir werden mit Sicherheit dafür einstehen, dass es Ihnen auch weiterhin nicht gelingt. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Matz jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die sogenannte Schleierfahndung findet in Berlin keine rechtliche

Regelung im ASOG mehr, und so soll es aus unserer Sicht auch bleiben. Denn anders, als die AfD-Fraktion in ihrem Antrag behauptet, ist dieses Instrument für Berlin kein effektives, verhältnismäßiges oder effizientes Mittel zur Bekämpfung von Kriminalität. Bei der Schleierfahndung handelt es sich in einem Stadtstaat wie Berlin ohne eine unmittelbare Außengrenznähe oder klassische Transitstrecken um eine sicherheitspolitisch aufwändige, aber gleichzeitig sehr ineffiziente Maßnahme. Mehr noch: Die Schleierfahndung ist in einem Metropolenraum sicherheitspolitisch eher kontraproduktiv. Alles in allem ist sie rechtstaatlich falsch.

Es fehlen klare Belege dafür, dass mithilfe von Schleierfahndung tatsächlich schwere Straftaten in Berlin verhindert werden könnten. Dieses Instrument war zwischen 1999 und 2002 schon einmal im ASOG enthalten. Es wurde ganze acht Mal eingesetzt und führte überwiegend zur Ermittlung von Delikten wie „Trunkenheit im Verkehr“ und „Fahren ohne Führerschein“, aber nicht zu dem, was man sich eigentlich im Kriminalitätsbekämpfungssinne davon erhofft hatte, sodass die Regelung 2004 wieder aufgehoben wurde. In Hessen wurden zwischen 2001 und 2015 im Rahmen von Schleierfahndungen insgesamt 1,6 Millionen Fahrzeuge und 3,2 Millionen Personen kontrolliert. Allerdings hat das nur in 0,9 Prozent der Fälle zu irgendetwas geführt.

Doch es geht hier nicht nur um die Frage der Effektivität. Anlasslose polizeiliche Personenkontrollen im gesamten Stadtgebiet stellen einen Grundrechtseingriff dar und müssen deswegen auch besonders gut begründet werden. Solche Eingriffe, also dass die Personenkontrollen ohne Anlass durchgeführt werden können, haben wir an kriminalitätsbelasteten Orten. Das hätten wir theoretisch auch in Waffenverbotszonen. Da kann ich mir das vorstellen, aber nicht einschränkungslos in der ganzen Stadt. Natürlich muss man es schon auch in einem Zusammenhang sehen mit einem Thema wie angeblichem, also behauptetem oder tatsächlichem Racial-Profiling.

Wir sollten jedenfalls den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber nicht den Eindruck erwecken, dass diese Ausweitung von Befugnissen der Polizei die Sicherheit erhöht, sondern wir sollten das ASOG lieber nur für die Instrumente ändern, von denen wir uns tatsächlich etwas versprechen, die uns also in der Kriminalitätsbekämpfung wirklich auch faktisch weiterbringen, und da dann aber auch mit Tatkraft und Entschlossenheit rangehen. Das ist das, was diese Koalition schon getan hat und was sie in den folgenden Jahren auch noch weiter tun wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

(Vasili Franco)

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Linke hat der Kollege Schrader jetzt das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist korrekt, Herr Matz hat es gesagt: Die Schleierfahndung wurde von Rot-Rot im Jahr 2004 – habe ich recherchiert – abgeschafft, und zwar zu Recht. Und dass die AfD gerne mal rückwärts schaut und sich bei ihren Anträgen an vergangenen Zeiten orientiert, ist ja nun nicht das erste Mal, also keine Überraschung. Aber man kann das ja schon noch mal rekapitulieren, wie das war. Wir Linken haben gemeinsam mit den Grünen, auch gemeinsam mit Bürgerrechtsorganisationen, damals in den 1990er-Jahren gegen die Einführung dieser Schleierfahndung gekämpft, und als die politische Mehrheit dann gemeinsam mit der SPD da war – also zumindest Linke, damals PDS, und SPD –, da wurde sie auch mit unseren Stimmen wieder abgeschafft.

[Beifall bei der LINKEN]

Ja, war damals mit der SPD auch mal möglich, so was zu machen! – Dafür waren zwei Gründe maßgeblich. Der erste war einfach: Es wurde festgestellt, das war nutzlos, und da will ich hier mal jemanden ins Feld führen, der, glaube ich, des Linksextremismus unverdächtig ist, nämlich den damaligen Innensenator Ehrhart Körting, SPD. Der hat gesagt – ich zitiere mal aus der Zeitung „Die Welt“ von März 2004 –: Für Berlin hat sich das Instrument der Schleierfahndung als praktisch bedeutungslos erwiesen –; sagte Herr Körting.

[Beifall von Anne Helm (LINKE), Martin Matz (SPD) und Vasili Franco (GRÜNE)]

Von 1999 bis 2002 habe man lediglich achtmal Kontrollen veranlasst, die nicht in einem einzigen Fall zum Erfolg geführt hätten. Daher sei das Instrument auch verzichtbar. – Ich glaube, viel mehr muss man dazu nicht sagen.

Und zweitens: Die Diskussion, die wir auch heute Morgen in der Aktuellen Stunde hatten, hatten wir damals auch schon. Anlasslose Kontrollen sind in der Tat ein Einfallstor für Racial-Profiling. Es spricht schon Bände, dass die AfD das von sich aus hier mit ihrem Antrag in Verbindung bringt, denn wenn es keinen Grund für eine Polizeikontrolle geben muss, dann kommen eben bei der Auswahl der Personen in der Gesellschaft verbreitete Stereotype zum Tragen. Und wer behauptet: RacialProfiling gibt es nicht, denn es ist ja verboten –, dem sei hier mal die wissenschaftliche Untersuchung des Sachverständigenrats für Integration und Migration aus dem letzten Jahr vorgehalten. Die haben das nämlich untersucht, und die kommen ganz klar zu dem Ergebnis: Personen, die aufgrund von äußerlichen Merkmalen als ausländisch wahrgenommen werden, werden doppelt so

häufig von der Polizei kontrolliert wie Personen, deren Erscheinungsbild der standarddeutschen weißen Norm entspricht.

So, das ist Fakt, und das ist auch kein juristisches Argument, jedenfalls nicht nur, sondern ein praktisches Argument. Das ist übrigens auch das, was mit struktureller, institutioneller Diskriminierung gemeint ist; denn ich glaube, heute Morgen in der Aktuellen Stunde, insbesondere bei der CDU, wurde nicht verstanden, was das überhaupt bedeutet.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Deshalb: Soll die Polizei ihre Arbeit machen; ja, sie soll Leute kontrollieren, wenn sie denn einen Anlass dafür hat, aber anlasslose Kontrollen brauchen wir nicht mehr, sondern weniger. Deshalb sagen wir: In einer freiheitlichen Demokratie ist es nötig, dass man polizeiliche Befugnisse auch kritisch hinterfragt. Die Schleierfahndung ist ein gutes Beispiel dafür, dass es sinnvoll ist, so eine Befugnis, die dann bürgerrechtlich bedenklich und nutzlos ist, auch wieder abzuschaffen. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Martin Matz (SPD)]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung. – Widerspruch hierzu höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Tagesordnungspunkt 16 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 17:

Viertes Gesetz zur Änderung des Berliner Architekten- und Baukammergesetzes

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 19/1512

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Vorgeschlagen wird die Überweisung der Gesetzesvorlage an den Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen. – Widerspruch dazu höre ich nicht, dann können wir so verfahren.

Ich rufe auf