Protokoll der Sitzung vom 21.03.2024

[Katrin Schmidberger (GRÜNE): Wir sind das nicht gewohnt, Herr Gräff!]

Zweitens will ich ganz klar sagen, wo die Grenze ist und wo unsere Unterschiede liegen. Wenn sich am Ende des Tages eines Wohnungsbaugenossenschaft findet, mit der im Land Berlin bekannten Wohnungsbauförderung, Genossenschaftsförderung, die wir selbstverständlich auch unterstützen, und sich diese Wohnungsbaugenossenschaft zutraut, das Projekt zu übernehmen, das Haus zu übernehmen und auch zu sanieren, sodass man dort gut drin leben und wohnen kann, dann sind wir selbstverständlich auch dafür und werden das unterstützen. Das kann ich jedenfalls für unsere Fraktion sagen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Drittens möchte ich festhalten – und das ist, glaube ich, der einzige Unterschied, den möchte ich heute aber gar nicht festschreiben, weil ich ihn nicht genau kenne, da wir im Moment nur den Kaufpreis kennen, aber eben nicht den Preis, den die Sanierung kosten wird; den können wir nur schätzen –: Was es mit uns als CDU-Fraktion nicht geben wird, das will ich nur deutlich machen, ist, dass wir sagen: Wir geben möglicherweise für den Kauf und die Sanierung dieses Hauses einfach mal ein paar Millionen – sind ja jetzt nicht so viele – aus dem Landeshaushalt, und dann gucken wir mal, was am Ende dabei rauskommt.

Denn dann müssten wir an anderer Stelle auch die Frage von Menschen beantworten, die von Verkäufen

auch von Immobilienspekulation, die wir in Berlin nach wie vor haben – betroffen sind, warum wir dieses oder jenes Objekt nicht kaufen. 10, 50 oder 100 Millionen Euro: Das scheint ja auf den ersten Blick nicht so viel zu sein. Warum kaufen wir diese Immobilien nicht und werfen dem einen oder anderen Spekulanten noch Geld in den Rachen, was ich eben falsch finden würde, und sagen: Wir kaufen auch diese Immobilie, sanieren sie und vermieten sie –und jetzt übertreibe ich bewusst – für 1,30 Euro Mietpreis. Das wird es mit uns nicht geben. Es muss sich an klaren, nachvollziehbaren, messbaren Kriterien des Landeshaushaltes messen lassen, so, wie wir es an jeder anderen Stelle auch prüfen würden.

Selbstverständlich werden wir als CDU-Fraktion dann auch die Übertragung an eine Genossenschaft unterstüt

zen. Was wir nicht machen werden: Millionen Euro – egal, ob bei diesem oder bei einem anderen Projekt – einem Immobilieneigentümer in den Rachen zu werfen und gegen die Wirtschaftlichkeit zu verstoßen, da wir es anderen Menschen an anderer Stelle versagen müssten. Das werden wir nicht tun. Das will ich an der Stelle auch glasklar sagen.

[Beifall bei der CDU]

Daher zum Schluss: Warten wir doch mal ab. Ich hoffe, dass die Genossenschaft das wirtschaftlich dargestellt bekommt,

[Werner Graf (GRÜNE): Nicht immer abwarten, einfach mal machen!]

sodass wir das im Land Berlin im Rahmen der geltenden Bestimmungen unserer Haushaltsgesetzgebung unterstützen können. Ich fände das toll!

Wie gesagt: Das Haus gehört zum Bezirk und erst recht zum Ortsteil Prenzlauer Berg. Das wollen wir auch sehr gerne unterstützen, und da werden wir auch in den Dialog gehen. Vielleicht schaffen wir es dann – es muss ja nicht nächsten Samstag sein, vielleicht übernächsten –, dass wir noch einmal zusammen hingehen, und dann bin ich mal gespannt, wer nachts länger aushält! – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Katrin Schmidberger (GRÜNE): Die Wette gilt!]

An seinem Geburtstag hat auch der Kollege Dr. Lederer lange ausgehalten. – Zum Abschluss der letzten Rederunde hat er noch einmal das Wort. Für die Linksfraktion spricht Herr Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Vielen lieben Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja klar: Wenn wir über Berlin reden, dann gibt es bestimmte Wahrzeichen, die kennt die ganze Welt, das Brandenburg Tor, die Oberbaumbrücke, der Fernsehturm. Wir kennen das. Dann gibt es aber auch bestimmte ikonische Orte in der Stadt, die kennen tatsächlich nicht alle, und das muss man auch nicht. Das Tuntenhaus gehört mit großer Sicherheit dazu. Das ist vielleicht für die Gesamtgesellschaft nicht so ein relevanter Ort, aber für bestimmte Communities in der Stadt ist es ein zentraler und wichtiger Ort.

Dieser Ort hat vor allem eine soziale Bedeutung. – Herr Gräff, darauf komme ich gleich noch mal zurück. – Ich glaube, dass diese soziale Komponente einen Unterschied zu einem normalen Wohnhaus mit normalen Mietparteien macht, obwohl die soziale Komponente natürlich auch beim Vorkaufsrecht immer eine Rolle spielt.

(Christian Gräff)

Das Tuntenhaus ist für viele queere Menschen – nicht nur in Berlin, nicht nur in Deutschland, sondern tatsächlich auch international – ein solcher Ort und damit auch ein solches Berliner Wahrzeichen. Das ist ein Ort, an dem so etwas wie Solidarität noch mal ganz anders durchbuchstabiert wird, übrigens auch über Generationen hinweg. Es ist ein Ort, an dem unterschiedliche geschlechtliche Identitäten und sexuelle Orientierungen miteinander versuchen, der Stadt auch etwas zurückzugeben. Das ist nämlich ziemlich wichtig.

Es ist vor allem ein sicherer queerer Ort, und da muss man an dieser Stelle sagen: Als das Tuntenhaus entstanden ist, in den früher 1990er-Jahren, galt der § 175 noch. Es ist tatsächlich so, dass das Strafgesetzbuch damals noch zwei unterschiedliche Dimensionen kannte, nämlich die heterosexuelle Beziehung und alle übrigen Beziehungen.

Auch heute sind diese Orte noch viel zu selten. Wir brauchen mehr von diesen Orten. Wenn Hoffeste, Lebensmittelausgaben und die Küche für alle auch dafür sorgen, dass das ein wichtiger Anker in der Nachbarschaft ist – die Kollegin Schmidberger hat es gesagt –, für eine lebenswerte Nachbarschaft, auch identitätsstiftend für den Kiez, dann ist das doch etwas, wofür wir uns einsetzen müssen, wofür wir kämpfen müssen.

Das ist einer dieser geschichtsträchtigen Orte, die immer gemeint sind, wenn Politikerinnen und Politiker von der Stadt der Freiheit reden und die Vielfalt der Lebensweisen preisen. Wir kennen diese Sätze. Es ist vor allem einer dieser Orte, von denen im Laufe der Zeit schon viel zu viele verschwunden sind, von einem Immobilienmarkt geschluckt, auf dem die Rendite zählt und wo sozialkulturelles Erbe und menschliche Schicksale nicht so eine große Rolle spielen.

Das Tuntenhaus kann ein Ort sein, an dem wir zeigen, dass es anders geht, dass Stadtentwicklung nicht dem freien Kampf der großen Marktmacht überlassen wird, ein Ort, wo Stadt auch gestaltet wird. Es gibt politische Instrumente. Über das Vorkaufsrecht ist schon gesprochen worden. Es ist nur noch sehr eingeschränkt nutzbar. Die FDP blockiert leider auf Bundesebene eine Reform, die wir dringend bräuchten. Aber im konkreten Fall kann es noch ausgeübt werden, weil ein städtebaulicher Missstand vorliegt. Das wird der Bezirk ohne Unterstützung der Landesebene nicht leisten können. Deswegen will ich von Herzen dafür werben, dass wir hier Wege finden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Das ist heute mal so ein Moment, wo ich wirklich Danke sagen muss, denn Herr Gräff hat diesen Tweet abgesetzt – jetzt hört sich das ganz anders an, und ich bin sehr froh, denn es ist in der Tat ein besonderer Ort. Der Ort hat seit dem Zeitpunkt Mietverträge, als ich 16 Jahre alt war. Was in der Weichselstraße 52 in Neukölln ging, das muss auch

in Prenzlauer Berg in der Kastanienallee gelten, denn genau wie andere Menschen brauchen auch queere Menschen ein Dach über dem Kopf, und um nicht mehr und nicht weniger geht es.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

„Wir verstehen das kommunale Vorkaufsrecht weiter als wichtiges Instrument für unsere mieten- und wohnungspolitische Ziele.“

Ups! – Herr Präsident! Ich habe vergessen, das Zitat kenntlich zu machen; das steht im Koalitionsvertrag von SPD und CDU. Ich zitiere mit Ihrer Genehmigung weiter:

„Safer Spaces und diskriminierungssensible Begegnungsräume schützen wir vor Verdrängung.“

[Anne Helm (LINKE): Sehr gut!]

Das steht dort auch. Jetzt müssen wir das nur noch schnell umsetzen. Wir scheinen uns alle einig zu sein. Es ist ja nicht so üblich, einen persönlichen Wunsch zu äußern, aber da Frau Präsidentin mir heute früh so nett gratuliert hat: An seinem 50. Geburtstag darf man sich vielleicht vom Haus und vom Senat mal was wünschen. Ich wünsche mir wirklich, dass sich jetzt nicht alle irgendwie herausreden, sondern wir wirklich alles gemeinsam tun, damit das Tuntenhaus bleibt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Elif Eralp (LINKE): Huhu!]

Vielen Dank! – Dann kommt für die SPD-Fraktion die Kollegin Aydin ans Pult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unbestritten: Das sogenannte Tuntenhaus ist das bunteste, bekannteste Haus auf der Kastanienallee im Prenzlauer Berg. Seit 30 Jahren wird hier Vielfalt gelebt, und es ist zur Ikone der schwulen und queeren Community geworden. Das Hausprojekt steht für ein diverses Berlin, für Subkultur und kollektive Hausgemeinschaften, für einen Freiraum, der kulturelle und soziale Aktivitäten im Kiez schafft; diese wurden hier gerade dargestellt. Deshalb ist es so wichtig, dass wir dieses Hausprojekt erhalten.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN]

Es ist bekannt – seit Februar –, dass das Tuntenhaus in der Kastanienallee verkauft wurde. Es liegt in einem sozialen Erhaltungsgebiet. Deshalb kann das Vorkaufsrecht bis Mitte Mai zum Zuge kommen. Wir wissen aber seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2021, dass die Anwendung des Vorkaufsrechts

(Dr. Klaus Lederer)

weitgehend eingeschränkt ist. Nur wenn schwerwiegende Mängel und Missstände vorliegen, kann es ausgeübt werden. Nach Auffassung des Bezirks liegen diese Voraussetzungen vor. Es werden weiterhin Prüfungen erfolgen. Das Haus besteht aus 27 Wohneinheiten, die von Verdrängung bedroht sind. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es die Einschätzung, dass die Kosten für die Instandsetzung den Kaufpreis um das Zweifache übersteigen. Es gibt aber auch eine Genossenschaft, die bereits Interesse an dem Ankauf geäußert hat. Ich freue mich sehr, dass die SPD-geführte Senatsverwaltung aktuell gewissenhaft prüft, ob die Voraussetzungen für eine Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten einer landeseigenen Wohnungsgesellschaft oder Genossenschaft geschaffen werden können. Sie loten aus, welche Finanzierungsmöglichkeiten infrage kommen könnten.

Ich möchte auch zu Herrn Gräff sagen: Wir als SPDFraktion haben im Zusammenhang mit Vorkaufsrechtsfällen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass ein angemessener, wirtschaftlicher Kaufpreis eine wichtige Voraussetzung für den Ankauf durch eine landeseigene Wohnungsgesellschaft oder Genossenschaft ist, denn auch wir wollen natürlich nicht Spekulanten Steuergelder in den Hals stecken. Aber wir haben auch immer gesagt, es kommt auf den Einzelfall an. Für mich ist die Bedeutung des Tuntenhauses für ein diverses Berlin, für die schwule und queere Community so entscheidend, dass wir dieses Haus erhalten müssen. Berlin ist und bleibt Regenbogenstadt, und auch die CDU hat sich dazu bekannt.

Deshalb fordere ich die CDU, auch den Finanzsenator, auf, sich da zu bekennen und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dabei zu unterstützen. Das Wohnprojekt hat Symbolcharakter, und es muss vor Verdrängung geschützt werden.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir als SPD-Fraktion stehen dazu. Dennoch möchte ich, unabhängig von diesem Fall, bei Vorkaufsrechtsfällen die Bezirke nicht aus der Haftung nehmen. Auch sie müssen ihre Aufgaben machen und die Beseitigung von Mängeln rechtzeitig anordnen, denn es kann wirklich nicht sein, dass Häuser so zerfallen, dass die Instandhaltungsmaßnahmen den Kaufpreis übersteigen.

Zum Schluss möchte ich aufgrund dieses Falles an die Bundesebene appellieren: Gebt uns das Vorkaufsrecht zurück! – Die FDP sitzt zwar nicht mehr hier; vermutlich würde es auch nichts bringen. Auf Bundesebene hat sie aber so oft bewiesen, dass sie zu nichts taugt und man sie im Grunde in die Tonne werfen kann.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf: Bravo!]

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Laatsch das Wort.

Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Hausbesetzerszene mit bunten Perücken versucht, die Karte der Wehrlosigkeit zu ziehen, um sich einen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit zu verschaffen. Tatsächlich handelt es sich um den Rest der Hausbesetzerszene, die einerseits den Staat und die soziale Marktwirtschaft ablehnt und andererseits von den Steuerzahlern Erlösung fordert.

[Beifall bei der AfD]

Eine weise Frau pflegte zu sagen: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! – Nicht dass sie tatsächlich an die Hilfe Gottes geglaubt hätte, aber ich verstand natürlich, was sie mir sagen wollte: Jeder ist seines Glückes Schmied, und du musst schon selbst etwas dafür tun, dass sich dein Leben in die gewünschte Richtung wendet.

Das Gebäude in der Kastanienallee 86 müsste eigentlich Infantilenhaus heißen, denn es wird von Menschen bewohnt, die nicht erwachsen werden wollen, die sich den Lasten des Lebens entziehen wollen und diese Lasten lieber anderen überhelfen. Mit sexuellen Neigungen hat das nichts zu tun. Die Bewohner hatten doch lange Zeit und Gelegenheit, aus diesem Haus eine Eigentümergemeinschaft zu machen. Das ist ja keine gänzlich neue Erfindung, und es gibt für außergewöhnliche Projekte Strukturen wie das Mietshäuser Syndikat, die man nutzen kann, wenn man will und die Ernsthaftigkeit mitbringt, wenn man also ausreichend erwachsen ist, um vor deren Augen Bestand zu haben. Haben sie da mal Kontakt aufgenommen und ihr Projekt prüfen lassen? Hatten sie überhaupt eins, ein Projekt meine ich? Oder haben sie sich gesagt: In Berlin muss man nur laut genug jammern,

[Heiterkeit von Ronald Gläser (AfD)]