Protokoll der Sitzung vom 17.10.2024

[Lachen bei der AfD]

Sie schüren Hass und Hetze in unserem Land und in unserer Stadt,

[Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Zurufe von der AfD]

auch heute wieder, Herr Trefzer! Denn Sie nutzen, oder besser gesagt Sie missbrauchen

[Zuruf von Martin Trefzer (AfD)]

die Aktuelle Stunde für Ihre perfide Stimmungsmache.

[Zuruf: Hört, hört!]

Die Hochschulen liegen Ihnen

[Zurufe von der AfD]

in Wahrheit gar nicht am Herzen. Im Grunde verachten Sie doch jeden intellektuellen Diskurs.

[Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Jeannette Auricht (AfD): Lächerlich!]

Der Austausch von Meinungen ist Ihnen fremd.

Wieso nehmen Sie eigentlich Cancel-Culture im Titel der Aktuellen Stunde auf? Warum schmeißen Sie alles in einen Topf? – Weil Sie gar kein Interesse an der Lösung der Probleme in unserem Land haben, sondern sich an der Problembeschreibung ergötzen.

[Zuruf von Jeannette Auricht (AfD) – Weitere Zurufe von der AfD]

Die Sorgen und Ängste der Menschen sind Ihr Geschäftsmodell, und damit mögen Sie gegenwärtig Erfolg haben, auch weil die Ampel im Bund keine Erwartungen erfüllt und Enttäuschungen produziert. Ihr Kartenhaus fällt aber in sich zusammen, wenn die Probleme unseres Landes von einer neuen Bundesregierung

[Zurufe von der AfD]

mit neuem Schwung angepackt und gelöst werden. Dann braucht es keinen Protest von AfD oder dem BSW, und damit komme ich zur Linken und Ihrem Umgang mit Antisemitismus. Es ist beschämend.

[Beifall bei der CDU]

Es ist beschämend, was sich am Wochenende bei der Linkspartei abgespielt hat.

[Beifall bei der AfD]

Ich will das hier nicht weiter ausbreiten, weil ja selbst führende Linke, die auch Mitglied dieses Hauses sind, aufgrund der unerträglichen Diskussionen den Parteitag verlassen haben. Das war ein deutliches Statement. Aber es gibt eben auch andere Linke, die ebenfalls diesem Haus angehören. – Das zeigt, liebe Frau Brychcy, dass Sie Ihren Laden als Landesvorsitzende nicht mehr zusammenhalten können.

Unsere Hochschulen müssen Orte der Toleranz, des gegenseitigen Respekts und des friedlichen Miteinanders sein. Sie müssen Orte sein, an denen sich jede Person

unabhängig von ihrer Herkunft oder ihrem Glauben frei von Angst und Vorurteilen bewegen und lernen kann.

In diesem Sinne komme ich auf den Anfang meiner Rede zurück.

Bitte kommen Sie zum Schluss!

Ich wünsche allen einen erfolgreichen Start ins Wintersemester! Ich hoffe, dass sich die Bilder und Ereignisse aus dem Frühjahr dieses Jahres nicht wiederholen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin Neugebauer das Wort.

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauende! Liebe Studierende da draußen! Liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten des Studienkollegs! Was sind eigentlich Herausforderungen? Der Duden definiert sie als Anlass, tätig zu werden. Schon allein vor dem Hintergrund dieser Definition überrascht die Debattenanmeldung der AfD-Fraktion. – Denn von Tätigkeit in Bezug auf unsere Hochschulen haben Sie bisher nicht viel sehen lassen. Es sei denn, Tätigkeit besteht in Ihren Augen darin, einfach wiederholt eine Verschärfung des Ordnungsrechtes zu fordern und das als Lösung aller Probleme aufzutun.

Aber welche Anlässe, tätig zu werden, können wir in unseren Hochschulen sehen? Grundsätzlich ist dies eine berechtigte Frage, die wir bereits häufig diskutiert haben. Der von der AfD-Fraktion angesprochene und sich stärker zeigende Antisemitismus an unseren Hochschulen ist in der Tat ein Anlass, tätig zu werden; ein Anlass, sich jeder Form von Antisemitismus konsequent entgegenzustellen und an unseren Hochschulen insbesondere jüdische Studierende sowie alle Hochschulangehörige zu schützen.

Antisemitismus ist kein Phänomen, das in unserer Geschichte nach dem Sieg über das nationalsozialistische Regime verschwunden war und jetzt seit dem 7. Oktober 2023 erstmals wieder auftritt. Antisemitische Werte und Einstellungen bestehen nahezu so lange, wie das Judentum selbst existiert, und es muss unsere permanente Aufgabe als Gesellschaft sein, hiergegen zu kämpfen,

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

seien es nun Formen antisemitischer Diskriminierung, die unmittelbar dem Mittelalter entsprungen sind, oder israelbezogener Antisemitismus, den wir zu dieser Zeit besonders auf dem Vormarsch finden, auch auf dem linken politischen Spektrum. Die Angehörigen der AfD-Fraktion sind hierbei die Letzten in diesem Haus, die sich Antisemitismus tatsächlich glaubhaft entgegenstellen können.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD – Beifall von Dirk Stettner (CDU) – Zurufe von der AfD]

Gerade weil Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, gilt die Aufforderung, tätig zu werden, auch ganz klar in Richtung des Senats. Antisemitismus an Hochschulen geht nicht nur Hochschulen, sondern ganz Berlin etwas an. Betrachten Sie den erstarkenden Antisemitismus an unseren Hochschulen endlich als einen Anlass, tätig zu werden, und nehmen Sie die Herausforderung ernst! Sie lässt sich nämlich, liebe Koalition, nicht alleine mit Ordnungsrecht lösen. Der Senat ist aufgefordert, weitreichende präventive Maßnahmen zu ergreifen und durchzusetzen. Hierzu haben wir Ihnen im Juni bereits einen Antrag vorgelegt, den Sie leider abgelehnt haben, obwohl insbesondere Ihre Politik ihn bitter nötig gehabt hätte,

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

damit die Hochschulen sich gut gewappnet den Herausforderungen des erstarkenden Antisemitismus entgegenstellen können, damit Hochschulen wirklich wieder sichere Orte für jüdische Studierende sind.

An unseren Hochschulen haben wir zurzeit aber auch eine Vielzahl weiterer Herausforderungen, die unsere Aufmerksamkeit und Tätigkeit als Politik verdienen und nicht in Vergessenheit geraten dürfen, weil sie akut und alltäglich unsere Studierenden und unsere Wissenschaftlerinnen sowie alle im Kosmos der Hochschulen Beschäftigten betreffen. Hier möchte ich einmal ganz klar sagen, dass ich es wirklich zynisch finde, dass die AfD, die nicht ein Mal in der Anhörung zum Studierendenwerk oder in der letzten Ausschusssitzung nach den Wohnheimplätzen, nach der Armut der Studierenden gefragt hat, sich hier hinstellt und im letzten Halbsatz ihrer Rede die Armut der Studierenden als Feigenblatt vor sich hält.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der LINKEN]

Aber wenn Erstsemester und teilweise auch Studierende, die sich in höheren Semestern befinden, nach Berlin kommen, dann haben sie es nicht einfach, in dieser Stadt anzukommen, denn es fehlt Wohnraum, und sie sind über das Jahr immer wieder beschäftigt damit, von einem überteuerten WG-Zimmer ins nächste zu wechseln, oder

(Adrian Grasse)

ziehen gar in Hostels als Dauerlösung. Das, kann sich, glaube ich, jeder hier vorstellen, hilft nicht dem Fokus aufs Studium, sondern ist eher ein Fokus auf Nebenjob und Wohnungssuche.

Die Wohnungsnot unter Studierenden in Berlin ist so groß, dass aktuell 5 000 Studierende auf der Warteliste des Studierendenwerks stehen. Zum Start des Wintersemesters haben hiervon gerade einmal 216 einen Platz in Wohnheimen bekommen. Die restlichen und diejenigen, die gar nicht erst versucht haben, sich auf einen Wohnheimplatz zu bewerben, bleiben ohne vermögende Eltern auf eine BAföG-Wohnkostenpauschale von 380 Euro angewiesen, um ein Zimmer in Berlin zu finden. Wohlgemerkt: Die Durchschnittsmiete für ein WG-Zimmer liegt in dieser Stadt inzwischen bei 650 Euro. Damit ist Berlin bundesweit die drittteuerste Stadt, wenn es um WG-Zimmer geht; ein dramatischer dritter Platz.

Wer sich also glücklich schätzen kann, ein Dach über dem Kopf zu haben, zahlt laut Statistischem Bundesamt ungefähr 54 Prozent des Einkommens allein für Miete. Drei Viertel der Studierenden sind armutsgefährdet. Das ist kein haltbarer Zustand und kann auch Ihnen nicht entgangen sein; auch wenn Sie es jetzt am Ende kurz erwähnt haben.

[Zuruf von Thorsten Weiß (AfD)]

Das wahre, zentrale Problem besteht nicht in der von der AfD-Fraktion erdachten Cancel-Culture, sondern darin, dass unsere Studierenden sich ein Studium in Berlin kaum leisten können. Dass Sie dies allerdings meist übersehen und in Ihrer eigenen Welt bleiben, überrascht wirklich nicht.

Kommen wir noch einmal zum Studierendenwerk. Das Studierendenwerk betreibt neben studentischen Wohnheimen auch Mensen mit erschwinglichen Mahlzeiten und bietet Beratung für Studierende. Es liefert also eine Art studentische Grundversorgung für die über 175 000 Studierenden in Berlin. Es bildet hiermit eine wichtige Schnittstelle zwischen den Studierenden und den Hochschulen. Kurzum: Es sorgt für gute Studienbedingungen, oder sollte es zumindest. Damit es das kann, gibt es Rahmenverträge mit dem Land Berlin. Im letzten Ausschuss erfuhren wir, dass die Rahmenverträge, die für jeweils fünf Jahre mit den Leitlinien und Finanzierungen des Studierendenwerks beschlossen werden, verhandelt, aber nicht abgeschlossen sind. Mit diesen Verträgen wird die Finanzierung zwar nicht verbessert – Aussage von Frau Senatorin Dr. Czyborra im letzten Ausschuss –, aber man versucht, die Landesfinanzierung trotz prekärer Haushaltslage auf dem aktuellen Niveau zu halten.

Klar könnte ich mich jetzt hier hinstellen und fordern, dass die Förderung von Landesseite deutlich höher sein muss, aber auch wenn jeder Cent für das Studierendenwerk wichtig und notwendig ist, wissen wir alle, dass dies bei der aktuellen Haushaltslage nicht seriös wäre.

Was ich aber fordern kann, ist Sicherheit für das Studierendenwerk. Aber die Verträge sind doch verhandelt, das hört sich doch alles super an, in Sack und Tüten sozusagen! – Da ist nichts super, sonst hätten wir ja heute Verträge aus dem Senat hier im Abgeordnetenhaus vorliegen. Der Abschluss der Verträge wird im Moment vom Senat blockiert. Hierdurch ist die Zukunft des Studierendenwerks gefährdet, und das Studierendenwerk sieht sich gezwungen, sich auf eine unsichere Zukunft mit einer nicht sicheren Finanzierung vorzubereiten. Frau Dr. Czyborra! Herr Evers! Geben Sie die Verträge frei,

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

denn kein Rahmenvertrag heißt auch: keine neuen Studierendenwohnheime, steigende Preise für Mieten und Mensaessen, ein Abbau der Beratungsangebote und womöglich gar die Schließung von Mensen. Das kann hoffentlich nicht das Ziel sein. Die Angebote des Studierendenwerks müssen für die Studierenden, die hierauf angewiesen sind, sicher bleiben; heute, morgen und im Semester 2030.