Protokoll der Sitzung vom 17.10.2024

sagte mir am Montag eine Honorarkraft in einer Musikschule, als ich sie fragte, was ihr auf dem Herzen liegt. Was sie damit meinte, dürfte uns allen klar sein. Es geht um die Umsetzung des sogenannten Herrenberg-Urteils des Bundessozialgerichts.

Damit spricht sie nicht nur für sich, sondern für knapp 2 000 Musikschullehrkräfte in Berlin, die seit Monaten um ihre Existenzgrundlage bangen. Ich weiß das, weil sich viele Musikschullehrkräfte an mich gewandt haben, und ich weiß, dass Sie das auch wissen. Was ich aber nicht weiß, ist, wie Sie das Urteil umsetzen wollen. Dabei haben wir oft genug danach gefragt, das erste Mal bereits im Dezember letzten Jahres, dann erneut im Februar dieses Jahres und diverse Male im Ausschuss, zuletzt letzte Woche. Ich weiß, dass Sie das langsam ziemlich nervt: Die Grünen wieder? – Ja, die Grünen wieder. Die stehen fest an der Seite der Musikschulen.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Deshalb lassen wir auch nicht locker, wenn Sie immer wieder erzählen, man bräuchte noch Zeit. Andere Städte und Kommunen machen es längst vor, Potsdam zum Beispiel. Vielleicht müssen wir uns mal gemeinsam in den Regio setzen, dort hinfahren und fragen, was die Kolleginnen und Kollegen dort machen und können, was Berlin nicht kann. Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben mit Ihrer CDU gemeinsam das Versprechen abgegeben, dass Berlin wieder funktioniert. Wenn Sie schon am 14-Tage-Ziel bei dem Bürgeramtstermin gescheitert sind, dann dürfen wir doch wohl wenigstens erwarten, dass Sie in Berlin Recht und Gesetz umsetzen.

Weil der Kollege Haustein von der CDU – genau, da drüben – sicherlich schon ganz aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her rutscht bei dem, was ich sage, möchte ich noch etwas zum Vorschlag der Koalition hinzufügen. Sie haben im September vollmundig verkündet, Sie hätten aus dem Kulturhaushalt ein bisschen Geld zusammengekratzt, und man könnte jetzt schon mal in einem Stufenmodell mit einem Teil der Festanstellung starten, und der Rest käme dann später. Was für eine schlechte Kulturpolitik! Es gibt mit dem Herrenberg-Urteil eine Aufgabe, die in der Verantwortung des gesamten Senats liegt, und Sie fangen an, im Kulturhaushalt nach Geld dafür zu suchen und spielen damit Kultur gegen Kultur aus. Das tun Sie in einer Zeit, in der sowieso viele Kultureinrichtungen um ihr Fortbestehen fürchten.

Sie werden gestern zum Aktionstag der Kultur in Berlin die gleichen Mails bekommen haben wie ich. Wir müssen Kultur schützen. Das ist umso fataler, als die Musikschulen noch nie aus dem Kulturhaushalt finanziert wurden. Das ist also nicht nur politisch kompletter Unsinn, sondern hat auch mit der bisherigen Haushaltssystematik rein gar nichts zu tun.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich habe bisher nur über Musikschulen gesprochen. Aber in unserem Antrag heißt es nicht umsonst: Berlins kulturelle Grundversorgung sichern. Das Herrenberg-Urteil betrifft, wenn auch in unterschiedlicher Art und Weise, eben nicht nur Musikschulen, sondern auch Volkshochschulen, Jugendkunstschulen und verschiedene andere Einrichtungen. Sie alle brauchen nun endlich Sicherheit. Diese Sicherheit gibt es noch immer nicht. Am Dienstag ist das Moratorium der Deutschen Rentenversicherung ausgelaufen. Diesen Termin hatten viele Lehrkräfte mit Angst im Kalender stehen. Dass es bis heute keine öffentliche Mitteilung des Senats dazu gibt, wie es nun weitergeht, finde ich besonders traurig. Ich kann das aber gerne für Sie übernehmen. Während die Betriebsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung nun wieder in Gang gesetzt wurde, bleibt eine Antwort auf das HerrenbergUrteil weiter aus. Diese Fälle sollen nach hinten verschoben werden. Das kommt einer Kapitulation gleich und geht am Ende zulasten der Beschäftigten und der Schülerinnen und Schüler.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Bei meinem Besuch in der Musikschule habe ich auch einer Musikschülerin, Josie, eine Frage gestellt. Ich habe sie gefragt: Warum ist dir die Musikschule wichtig? – Weil ich hier Gitarre lernen kann. – Weil ich hier Gitarre lernen kann. So einfach kann manchmal eine Antwort sein. Würde ich fragen: Was macht man mit einem Gerichtsurteil? –, dann wäre die Antwort wohl ebenso klar: Man setzt es um. Nicht irgendwann, nicht gestaffelt, nicht nach Haushaltslage, nein, man setzt es um, und zwar jetzt. – Nicht mehr und nicht weniger fordern wir in diesem Antrag, und nicht mehr und nicht weniger erwarten die Berlinerinnen und Berliner von einer verantwortungsbewussten Regierung. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Es folgt für die CDU-Fraktion der Kollege Haustein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Kollege hat gerade schon ausgeführt, was an diesem Herrenberg-Urteil hängt und wie es uns in der Kulturlandschaft insgesamt, aber auch in der Bildungslandschaft belastet. Die Jugendkunstschulen, die Volkshochschulen, die Musikschulen sind die größten Beispiele dafür. Viele von den vielen Tausend betroffenen Lehrkräften, von den Zehntausenden Schülern und von den Eltern, die dazugehören, verfolgen unser Geschehen, unser Handeln seit Monaten. Das ist richtig. Ich kann Ihnen sagen, Sie haben uns als Regierungskoalition da immer an Ihrer Seite, und da spreche ich vielleicht auch für die Senatsmitglieder, dass wir diesen Kraftakt, diese Herausforderung wirklich bewältigen. Ich

(Louis Krüger)

kann Ihnen versichern, so, wie Sie mich an Ihrer Seite haben und ich Ihnen bei den Veranstaltungen, den verschiedenen Demos in den Musikschulen immer wieder unseren Weg skizziert habe: Wir wollen und wir werden diese Unsicherheiten beseitigen.

[Beifall bei der CDU]

Nun gehört aber zur Wahrheit dazu: Der Kollege hat jetzt einige wichtige Punkte verschwiegen, denn so, wie wir diese desolate Haushaltslage von der Vorgängerregierung geerbt haben,

[Zuruf von den GRÜNEN: Oh!]

so haben wir auch die Auswirkungen des HerrenbergUrteils von 2022 und die Nichtlösung geerbt.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): So ist es!]

Ich möchte noch mal daran erinnern: Der Haushaltsentwurf mit einem milliardenschweren Defizit, den wir behandeln, ist im Grunde mit einigen Nuancen und Tendenzen der Entwurf, den die Vorgängerregierung irgendwann mal aufgestellt hat, und da finde ich überhaupt nichts zu Musikschulen. Da war überhaupt nichts enthalten. Es wurden keine Vorsorgen und keine anderslautenden Möglichkeiten getroffen.

Liebe Grünenfraktion! Da mache ich Ihnen auch ganz persönlich einen Vorwurf. In den fetten Jahren Berlins, wo wir nicht Milliardenüberschüsse, aber HunderteMillionen-Überschüsse hatten, haben Sie Prioritäten gesetzt, nur nicht bei den Lehrkräften.

[Werner Graf (GRÜNE): Quatsch!]

Das haben Sie ausgespart. Jetzt möchten Sie, in der Opposition angekommen, ganz schnell eine Festanstellungsquote von 100 Prozent. Das will ich auch. Das ist aber mit den aktuellen Haushaltsmitteln nicht ganz so einfach umzusetzen, wie Sie das hier gerade beschreiben. Sie schreiben in dem Antrag, dass dem Rechtsstaat nicht Folge geleistet wird. Ich sage es noch einmal: 2022 waren Sie an der Regierung. Da haben Sie nicht reagiert, und jetzt möchten Sie sich mit Ad-hoc-Lösungen aus der Verantwortung stehlen. Finden Sie das nicht selbst etwas scheinheilig?

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ganz am Ende, wie man das Geld am besten zusammenbekommt, ist bei Ihnen die Lösung, man plant es jetzt ein, und am Ende wird das Geld schon einfach so zusammengestrichen. Das lässt tief blicken, wie anscheinend die Grünenfraktion früher Haushaltspolitik gemacht hat. Ich brauche überhaupt keine Erklärung mehr dafür, dass wir so ein milliardenschweres Defizit geerbt haben, wenn ich so einer Logik folgen muss.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Beifall von Robert Eschricht (AfD) – Zuruf von Werner Graf (GRÜNE)]

Wovon reden wir eigentlich konkret? – Nehmen wir mal das Beispiel Musikschulen, weil Sie selbst über Musikschulen gesprochen haben. Wir reden hier von einem Mehrbedarf von mindestens 20 Millionen Euro bis 25 Millionen Euro pro Jahr. Klar, wir wollen das nicht allein im Kulturbereich wegstreichen, denn das würde bedeuten, dass wir allein in diesem Einzelplan nicht 120 Millionen Euro einsparen müssen, sondern 140 Millionen Euro bis 145 Millionen Euro. Da würde ich gern von Ihnen wissen: Nennen Sie mal ganz titelscharf: Welche Bühnen, welche Theater, welche freien Gruppen sollen dafür herhalten, damit wir diesen Mehrbedarf decken können?

[Zuruf von der AfD: Gorki!]

Sie halten sich auffälligerweise immer wieder zurück, wenn es ganz konkret wird.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Ich lade aber alle ein, die unserem überlegten Kurs folgen, diesem gern beizuwohnen und nachzukommen, denn das Ziel steht fest: Wir wollen in ganz naher Zeit die 100 Prozent Festanstellungsquote für unsere Honorarkräfte haben. Wir möchten gleichartige Eingruppierungen über die Bezirksgrenzen hinweg, keine Auswahlverfahren bei den Umsetzungen, die wir dort haben und natürlich eine gerechte Anrechnung der Erfahrungsstufen. Dazu sind wir in den Verhandlungen mit der Rentenversicherung. Da können wir den Senat nur unterstützen. Die Rentenversicherung muss jetzt unser Drei-Säulen-Modell bewerten und dann über ein Stufenmodell darüber entscheiden, dass wir mit diesem Stufenmodell einen realistischen Fahrplan haben, wann wir bei den 100 Prozent angekommen sind. Nur mit diesem Säulenmodell werden wir nämlich der aktuellen Haushaltssituation Rechnung tragen können.

Letzter Punkt: Die Lastenverteilung muss nicht nur bei unserer Kulturverwaltung, sondern über alle Senatsverwaltungen – –

Darf ich Sie kurz fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krüger aus der Grünenfraktion zulassen möchten?

Klar!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Haustein, dass ich eine Zwischenfrage stellen kann! Über das Stufenmodell haben wir jetzt schon ein paar Mal gesprochen, und ich hatte im Ausschuss auch gefragt, wie denn das Stufenmodell konkret umgesetzt werden soll, wenn zuerst nur ein Teil fest angestellt werden soll. Wie sollen

(Dennis Haustein)

diese Personen ausgewählt werden, wie zeitnah ist denn die zeitnahe Umsetzung des Urteils, die Sie anstreben?

Wenn es nach mir persönlich gehen würde, sprächen wir von einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren in verschiedenen Stufen. Natürlich darf die Ausgestaltung, wer nachher zuerst gezogen wird, wer zuerst umgewandelt wird, nicht bei den Bezirken liegen. Damit macht man sich die Strukturen und die Bezirksämter kaputt. Deswegen müssen wir der Senatsverwaltung nachher dafür Ausführungsvorschriften beziehungsweise Handlungsempfehlungen mit an die Hand geben.

Zur Kostenverteilung habe ich schon gesagt, dass wir dazu wir im Gespräch sind. Wir unterstützen den Senat nach Leibeskräften, aber ich bitte Sie, wenn Sie selbst in der Verantwortung waren, dort keinen Handlungsbedarf gesehen haben, jetzt nicht solche Schaufensteranträge zu stellen und die schnelle Lösung für komplizierte Sachverhalte zu suchen und damit auch ein überdachtes, wohlüberlegtes Regierungshandeln zu stören. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Als Nächste für die Linksfraktion die Kollegin Dr. Schmidt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Haustein! Auch wenn es mich geradezu reizt, aber ich will hier keine Haushaltsrede halten. Nur so viel: Wir reden hier nicht über Wünsch-dir-was, wir reden über eine Rechtsprechung und eine Umsetzung einer Rechtsprechung und übrigens auch nicht über einen Haushaltsentwurf, sondern über einen Beschluss.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Tobias Schulze (LINKE): Richtig!]

Die angekündigten Sparmaßnahmen von 10 Prozent im Berliner Haushalt schlagen hohe Wellen, und die drohenden Kürzungen gerade im kleinsten Ressort der Stadt werden verheerende Auswirkungen haben. Darüber brauchen wir uns nichts vorzumachen. Genau in diese Zeit nun fällt die Entscheidung, wie mit dem HerrenbergUrteil des Bundessozialgerichts umgegangen wird und welche Angebote die Politik unterbreitet, eine rechtssichere Lösung im Sinne derer zu finden, die in Musikschulen unverzichtbare Arbeit leisten, denn Honorarverträge für regelmäßig beschäftigte Musikschullehrkräfte, das will ich noch einmal deutlich aussprechen, sind nicht mehr möglich, und zwar nach Rechtsprechung. Der Musikunterricht für Tausende Lernende ist in Gefahr. Der Senat und die Koalition haben es jetzt in der Hand: Wird

der Unterricht an Musikschulen zum Luxusgut, das sich nur Menschen mit höherem Einkommen in Form von Privatstunden leisten können, oder gelingt die Festanstellung aller Musikschullehrkräfte, die es wollen und die laut Herrenberg-Urteil angestellt werden müssen, und das in akzeptabler Zeit? – Dass dies möglich ist, das hat mein Kollege schon gesagt, haben andere Bundesländer und Städte bereits vorgemacht. Es geht um nicht mehr oder weniger als die Umsetzung der Rechtslage und der aktuellen Rechtsprechung zum Status der Lehr- und Honorarkräfte, übrigens nicht nur in den Berliner Musikschulen, sondern auch in den Volkshochschulen und Jugendkunstschulen.

Wir sagen, eine Umsetzung der Rechtslage kann und darf nicht von der aktuellen Finanzlage abhängig sein, denn es geht hier nicht um etwas Wünschenswertes, das man sich in guten Zeiten leisten möchte, sondern stattdessen um rechtlich Gebotenes. Dafür gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Eine Verzögerung mit Verweis auf Sparauflagen käme einem Rechtsbruch gleich. – Wir haben übrigens mit dem Einstieg in Festanstellungen angefangen, Herr Haustein, das nur mal zur Erinnerung.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf von Dennis Haustein (CDU)]

Jetzt geht es um die Rechtssicherheit für alle Betroffenen. Die Arbeit der Musikschullehrkräfte war und ist uns nicht nur willkommen. Sie ist ein nicht verhandelbares Gut, da sie einen wichtigen und unschätzbaren Beitrag für die kulturelle Bildung unserer Berliner Kinder, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, leistet. Willkommen war uns auch deren Engagement und Kreativität gerade während der Coronazeit. Zu Recht verweist der Landesschülerausschuss in seinem Positionspapier auf das Versprechen der Regierung in dieser Zeit. Den Jugendlichen wurde versprochen, mit Angeboten wie dem Kulturpass einen Ausgleich für verpasste Möglichkeiten und verpasste Kultur zu schaffen. Glaubt diese Koalition, glaubt dieser Senat tatsächlich, dass die damals entstandenen Schäden mittlerweile beseitigt seien und nun wieder an kultureller Jugendbildung, an der Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, an Kunst und Kultur gespart werden könnte?

Die Musikschulen sind unersetzliche Orte für alle Kinder, um sich im Bereich der Musik auszuprobieren. Das geht weit über das Erlernen eines Instruments hinaus – so schön das mit der Gitarre ist. Es ermöglicht den Kindern, Interessen zu entwickeln, soziale Kontakte zu leben, ihren Horizont zu erweitern, teilzuhaben und Selbstbewusstsein zu erlangen. Sie machen die Erfahrung, dass Bildung unabhängig vom finanziellen und sozialen Status offensteht, die Gesellschaft an ihnen interessiert ist und ihnen Förderung zuteilwerden lässt, dass es möglich ist, sich einen Wunsch zu erfüllen, ein Interesse zu leben, weil sie gemeint sind und nicht der Geldbeutel der Eltern. Musikschulen sind Orte der Gleichheit in einer Welt, die ansonsten viel zu viel Ungleichheit aufgrund ungleich verteilter Mittel und Möglichkeiten zulässt. Schon so

(Louis Krüger)