Protokoll der Sitzung vom 07.11.2024

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 14

Gesetz zur Aussetzung der Anpassung der Abgeordnetenentschädigung für das Jahr 2025

Antrag der AfD-Fraktion Drucksache 19/2000

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung der Gesetzesvorlage, und in der Beratung beginnt die AfD-Fraktion. – Bitte schön, Frau Dr. Brinker, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bürger ist der Souverän. Unsere Pflicht als Abgeordnete ist es, den Bürgern, den Wählern zu dienen. Diese Bürger sorgen nämlich dafür, dass den Regierungen und auch den Parlamenten das notwendige Steuergeld für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben zur Verfügung steht. Und in einer Zeit, in der ganz Berlin sparen muss, wie wir ja heute hören, in der sich die Regierungskoalition seit Monaten nicht auf finanzielle Prioritäten verständigen kann, wäre es tatsächlich angebracht, ein Zeichen zu setzen. Denn jedes Jahr erhöhen sich unsere Diäten automatisch, das nächste Mal am 1. Januar 2025. Wir sprechen hier von einer Summe von mehr als 1 Million Euro pro Jahr, die die Steuerzahler für unsere Diäten mehr zahlen sollen. Glauben Sie wirklich, dass die Berliner dafür Verständnis aufbringen? Jeder Berliner wird von den Sparmaßnahmen betroffen sein. Warum nicht auch wir als Abgeordnete? Wäre es nicht ein vernünftiges Zeichen, wenn wir hier verzichten?

Die Fakten liegen klar auf dem Tisch: 2025 müssen rund 3 Milliarden Euro gespart werden. Schon jetzt sagt der Senat, es ist kein Geld da, und stoppt deshalb sogar die Zuschüsse für die Klassenfahrten, wie wir eben gehört haben und wie es schon seit Wochen durch die Zeitungen und Medien geistert. Solche Maßnahmen – wir haben es eben ja auch gehört – treffen besonders sozial schwache Kinder und Familien, die bei solchen Fahrten die einzige Möglichkeit haben, ihren Horizont zu erweitern, mal rauszukommen. Aber nein, die Prioritäten liegen offensichtlich woanders. Also warum verzichten wir nicht auf diese Diätenerhöhung und sichern zum Beispiel mit unserem Verzicht die so dringend benötigten Klassenfahrten?

[Beifall bei der AfD]

Uns stehen monatlich bereits jetzt 7 249 Euro zuzüglich der steuerfreien Kostenpauschale zur Verfügung. Es geht hier nicht um das Geld, aber es geht im Wesentlichen um das Vertrauen der Bürger und um unsere Verantwortung unseren Bürgern und Wählern gegenüber.

Es gab mal vor vielen Jahren eine Diätenkommission, eine unabhängige Instanz, die mit außerparlamentarischen Vertretern wie dem Rechnungshof für Transparenz bei der Entwicklung der Diäten sorgte. Diese Kommission wurde leider schon vor Jahren abgeschafft, offenbar weil sie zu oft Nullrunden beschlossen hatte.

Im Jahr 2019, also vor fünf Jahren, haben wir hier im Abgeordnetenhaus aus einem Teilzeitparlament faktisch ein Vollzeitparlament gemacht – gegen die Stimmen der AfD. Mit dieser Parlamentsreform wurden die Diäten um sage und schreibe damals 60 Prozent erhöht. Grundlage dieser Parlamentsreform war auch, dass unsere Plenarsitzungen bis 22 Uhr dauern sollen. Seit 2019 tagen wir in meiner Erinnerung nur einmal pro Jahr bis 22 Uhr, eventuell etwas länger, nämlich dann, wenn wir unseren Haushalt debattieren und beschließen, ansonsten nie.

Berlin braucht keine Diätenerhöhung, sondern eine Rückkehr zur Vernunft und zum Gemeinwohl.

[Beifall bei der AfD]

Unsere Verantwortung ist es, Vorbild zu sein, und nicht, eigene Vorteile zu verteidigen. Eine Diätenerhöhung, die an keinerlei Bedingungen geknüpft ist, die sich stur an der wirtschaftlichen Entwicklung bestimmter Branchen orientiert, ohne die Verhältnisse unserer Stadt zu berücksichtigen, ist eine Farce. Eine Demokratie, die ihren Souverän ernst nimmt, braucht keine Automatismen, sondern den Mut zur Verantwortung. Zu Recht hatte der renommierte Verfassungsrechtler Professor Hans Herbert von Arnim 2019 diese Art der Parlamentsreform hier bei uns im Haus als „Griff in die Kasse“ deutlich kritisiert und angemahnt, dass man zumindest in so einem Fall unser Parlament verkleinern müsste. Aber das ist auch nicht passiert. Zu Recht schreibt von Arnim in vielen seiner Publikationen von der Parteienoligarchie, die sich den Staat zur Beute gemacht hat. Wenn politische Entscheidungen mehr den eigenen Interessen dienen, dann haben wir nicht nur ein Demokratieproblem, sondern auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.

[Beifall bei der AfD]

Und: Wir sind inzwischen nur noch fünf Fraktionen. Wir werden mal sehen, wie viele Fraktionen 2026 hier im Haus sitzen. Ich wette, wir werden dann auf vier Fraktionen schrumpfen, und darauf freue ich mich schon.

[Beifall bei der AfD]

Berlin braucht keine Diätenerhöhung, sondern einen Staat, der in Krisenzeiten die Bürger unterstützt und nicht sich selbst. Unser Antrag, die Diätenerhöhung auszusetzen, ist ein Akt der Vernunft, eine Verpflichtung gegenüber den Menschen in dieser Stadt. Geben Sie sich einen Ruck, stimmen Sie unserem Antrag zu! Ansonsten brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn wir, die AfD, immer stärker werden, weil wir immer mehr Wähler überzeugen. – Ich danke Ihnen!

(Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour)

[Beifall bei der AfD]

Für die CDU-Fraktion hat nun der Kollege Goiny das Wort. – Bitte schön!

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat ist es immer ein besonders heikles und brisantes Thema, wenn es darum geht: Was kostet Demokratie, was kostet Parlament, und was kostet Regierung? – Ich glaube, wir müssen da auch mit einem gewissen Selbstbewusstsein sagen, dass das natürlich auch etwas ist, was Geld kostet. Wir brauchen Parlamente, die arbeitsfähig sind, wir brauchen Parlamentarier, die sich diese Tätigkeit auch leisten können.

Ich darf nur mal sagen – ich nehme das mal für alle Mitglieder des Hauses in Anspruch –: Hier gibt es Abgeordnete, die tatsächlich sieben Tage in der Woche arbeiten, und zwar von früh bis spät; die wirklich hier im Parlament, in den Ausschüssen, im vorpolitischen Raum, in ihren Wahlkreisen und in vielen anderen Gremien und Institutionen ihre Aufgabe sehr ernst nehmen. Ich finde es keinen guten Beitrag, wenn Sie von der AfD jede Gelegenheit nutzen, das Parlament, die Arbeit der Parlamentarier zu diskreditieren, indem Sie so tun, als würden wir uns hier nur einen schönen Tag machen und uns die Taschen vollstecken.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Mirjam Golm (SPD)]

Wir haben ja bewusst vor Jahren mit der Parlamentsreform hier ein System etabliert, das uns unabhängig macht von politischen Entscheidungen, weil wir eben gesagt haben, wir wollen gerade nicht, dass egal wer hier entscheidet: Wie viel bekommt denn jetzt der Abgeordnete mehr oder nicht mehr? – Deswegen haben wir ja dieses indexbasierte System geschaffen: weil es eben nach objektiven Kriterien, die übrigens nicht irgendwie vom Mond sind, sondern die sich sehr wohl auch mit der realen Lage in der Stadt beschäftigen und diese entsprechend abbilden, sagt: Das sind die Maßstäbe, mit denen wir jetzt eine entsprechende Anpassung vornehmen.

Im Übrigen darf ich nur mal sagen – das ist jedenfalls die Position auch der CDU –, dass wir auch in diesen Zeiten der Auffassung sind, dass auch die Beschäftigten des Landes zum Beispiel weiter an Tarifsteigerungen und die Beamten an Beamtenbesoldungsanpassungen – dazu kommen wir ja noch – partizipieren müssen. Man kann natürlich immer irgendetwas gegeneinander ausspielen. Das finde ich auch eine ziemlich perfide Geschichte, dass Sie jetzt so tun, als würde es im nächsten Jahr keine Klas

senfahrten mehr geben. Natürlich wird es Klassenfahrten geben, natürlich werden die finanziert. Und das jetzt dagegen auszuspielen, das ist genau diese Art von Stimmungsmache, die Parlamentarismus und unsere Demokratie in unserem Land versucht lächerlich zu machen oder zu diskreditieren. Das kann ich an dieser Stelle nur auf das Schärfste zurückweisen.

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Niklas Schrader (LINKE)]

Ich bin ja nun auch schon ein paar Tage hier im Parlament, und ich muss Ihnen sagen: Ob die Kassen voll oder leer waren, es gab noch nie eine Zeit, in der es angemessen war, die Diäten von Abgeordneten zu erhöhen, denn irgendjemand kommt immer mit der Argumentation: Nein, nicht jetzt, die verdienen schon zu viel, und warum gerade die? – Wenn man sich mal ernst nimmt mit der Arbeit, die wir hier leisten, dann gehört es auch dazu, dass man sich sowohl dazu bekennt, was die Parlamentarier an Diäten bekommen, als auch dazu, was sie für ihre Arbeit hier im Parlament und in den Wahlkreisen zur Verfügung gestellt bekommen und wie die Fraktionen ihre Arbeit machen können. Das gehört zu den Dingen, die auch finanziert werden müssen.

Ich finde auch die Diskussion, ob wir weniger Parlamentarier sein müssten, immer etwas schwierig, denn ich finde, wir als Parlamentarier repräsentieren ja auch das Volk. Wir sind ja auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unterwegs. Wenn man ins Casino geht, sieht man, wie viele Menschen dort sitzen und gerne mit uns reden wollen über Dinge, die ihnen wichtig sind. Warum es ein Vorteil für unsere Demokratie sein soll, dass das jetzt weniger machen, ist mir, ehrlich gesagt, schleierhaft, wenn auf der anderen Seite immer mehr Bürgerbeteiligung, mehr Partizipation und mehr Beteiligung an politischen Diskussionsprozessen gefordert wird.

Ich kann den Menschen in dieser Stadt nur sagen: Engagieren Sie sich doch mehr in Parteien, oder gründen Sie eine neue! Egal bei welcher, aber machen Sie doch mit! – Wenn man sich anschaut, wie viele Mitglieder die jeweiligen Parteien in dieser Stadt zusammengerechnet haben, und die Gesamtbevölkerung sieht – da ist Luft nach oben. Insofern ist es Aufgabe der Parteien, interessante Angebote zu machen, aber Demokratie funktioniert auch nur, wenn die Menschen sich engagieren. Diktaturen sind allemal teurer als Demokratien, das haben wir heute früh gehört. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Niklas Schrader (LINKE) und Katina Schubert (LINKE)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege Walter. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Antrag der AfD hat mein Vorredner, Herr Goiny, bereits viel Richtiges gesagt. – Danke dafür! – Man kann versuchen, den Antrag der AfD gutwillig als symbolpolitisches Signal der Solidarität angesichts der bevorstehenden Haushaltseinsparungen zu deuten. Aber, ehrlich gesagt, liest sich die Antragsbegründung der AfD wie eine politische Selbstaufgabe. Denn die Kürzungen für 2025 sind keine hereinbrechende Naturkatastrophe, Frau Brinker, sondern sie sind das Ergebnis von politischen Priorisierungen und politischen Entscheidungen, und zwar dieser Regierung und auch dieses Parlaments.

Für meine Fraktion kann ich sagen, für uns bedeutet ernst gemeinte politische Solidarität in Zeiten des Sparens vor allem und als Erstes ein klares Bekenntnis: Wir stehen an der Seite der sozialen Träger und der Zivilgesellschaft, an der Seite der Beschäftigten in dieser Stadt. Die Versprechungen dieser Koalition müssen eingehalten werden. Die Hauptstadtzulage und die Tarifangleichung für die freien Träger, die Erhöhung des Landesmindestlohns müssen kommen, und es ist völlig klar: Im Sozialen darf nicht gekürzt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Aber all das, und das gehört auch zur Wahrheit dazu, ist ja Teufelszeug für die AfD. Wofür sie steht, hat sie hier in ganz regulären Haushaltsberatungen schon vielfach deutlich gemacht: Sie will ideologiegetrieben großflächig zusammenstreichen, unabhängig von der Haushaltssituation

[Beifall von Harald Laatsch (AfD)]

ja, da klatschen Sie sogar noch! –; in der Kultur, im Sozialen, im Klimaschutz, bei der Integration und beim gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ihr Haushaltskurs ist unsozial und spaltet, und deswegen ist dieses Zeichen, das Sie hier setzen wollen, alles andere als ernsthaft, sondern es ist verlogen, es ist geheuchelt, und die Berlinerinnen und Berliner brauchen es schlichtweg nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Derya Çağlar (SPD) und Melanie Kühnemann-Grunow (SPD)]

Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Heinemann. – Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann mich dem Kollegen Walter anschließen: Das ist die übliche Heuchelei. Das ist ja jetzt schon der zweite Sparvorschlag, den wir heute von der AfD gehört haben. Vorhin in der Rede zur Finanzplanung haben die Achtziger und Neunziger geklingelt, und jetzt geht es angesichts eines Einsparvolumens von 3 bis 5 Milliarden Euro um 1 Million Euro bei unserem Parlamentarismus. Das ist unanständig und Heuchelei.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und der LINKEN]

Aber es überrascht uns nicht, denn wir kennen Sie ja jetzt schon seit einiger Zeit, und wir kennen Ihr parlamentarisches Verhalten hier in Berlin oder in anderen Landtagen. Deswegen verwundert uns das nicht und trifft uns auch nicht. Wir lassen uns davon nicht beeindrucken.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gläser?

Danke, nein! – Dass Sie das Vollzeitparlament kritisieren, finde ich wirklich sehr bemerkenswert, aber es deutet auch auf Ihr Verständnis von Parlamentarismus hin.

[Thorsten Weiß (AfD): Wir kritisieren, dass wir bis 22 Uhr tagen sollen und Sie regelmäßig die Tagesordnung kürzen! – Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]

Ach, wissen Sie, wir sind nicht hier, um Fleißsternchen im Plenarsaal zu verteilen, sondern es geht darum, wie Sie ja selbst gesagt haben, dass wir den Berlinerinnen und Berlinern dienen. Da geht es nicht darum, dass wir hier von 10 bis 22 Uhr im Parlament sitzen müssen und damit unsere Pflicht getan haben. Sie vielleicht schon, aber wir reden auch mit der Stadtgesellschaft.

[Zuruf von Dr. Kristin Brinker (AfD)]