Protokoll der Sitzung vom 27.02.2025

Bitte sehr, Frau Senatorin Bonde!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Hassepaß! Nein, so war ich nicht zu verstehen,

sondern ich war so zu verstehen, dass dem Wirtschaftsverkehr bislang nicht die Bedeutung zugekommen ist, die ihm zukommen muss. Insofern endlich Vorrang für den Wirtschaftsverkehr, dass er so eingesetzt wird beziehungsweise die Möglichkeiten gegeben werden, die er braucht, um diese Stadt hinreichend zu versorgen! Natürlich wird der individuelle Personenverkehr dadurch nicht zurückgedrängt, dass wir Liefer- und Ladeflächen ausweisen. Aber ich habe auch sehr deutlich gesagt, dass mit der Ausweisung von Liefer- und Ladeflächen natürlich erzielt werden soll, dass auf diesen Flächen keine privaten Fahrzeuge mehr parken, damit eben der Lieferverkehr auch entsprechend durchgeführt werden kann.

[Stefan Ziller (GRÜNE): Also doch!]

Nein!

Dann schaffen wir vermutlich noch eine weitere Frage. Die geht an den Kollegen Kurt und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank! – Ich frage den Senat: Die Armutsgefährdung in Berlin ist auf über 20 Prozent gestiegen. Immer mehr Rentnerinnen und Rentner landen in Altersarmut und sammeln Flaschen. Gleichzeitig spart der Senat die soziale Infrastruktur unserer Stadt kaputt. Was wollen Sie angesichts dieser katastrophalen sozialen Situation tun, um mehr als bisher armutsbetroffene Berlinerinnen und Berliner gezielter zu unterstützen, oder ist das etwa das Leitbild Ihrer funktionierenden Stadt?

[Zuruf von Carsten Ubbelohde (AfD)]

Das beantwortet offenbar die Sozialsenatorin. – Bitte sehr, Frau Kiziltepe!

Senatorin Cansel Kiziltepe (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Danke, Herr Abgeordneter, für die Frage! Das ist leider so. Wir beobachten, dass die Schere zwischen Arm und Reich schon in den vergangenen Jahren – das ist kein neues Phänomen – auseinanderging. Zum Beispiel hat die Ausweitung des Niedriglohnsektors in den vergangenen 15 Jahren zunächst einmal dazu geführt, dass wir auch Altersarmut in Berlin haben, weil das Lohnniveau in Berlin im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht so hoch ist.

Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes auf Bundesebene und dann auch die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes auf Bundesebene auf 12 Euro haben

(Senatorin Ute Bonde)

dazu geführt, dass der Niedriglohnsektor massiv eingeschränkt werden konnte. Das ist ein guter Erfolg. Sie wissen sicherlich auch, im Rahmen des Wahlkampfes gab es auch Diskussionen über eine weitere Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Das wäre ein guter Weg. Mal gucken, wie sich die Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen in dieser Frage entwickeln werden! Das würde dazu führen, dass wir Lohnarmut verhindern.

Altersarmut ist auch ein Problem. Deshalb wäre es notwendig, wenn wir nicht wollen, dass ältere Menschen in dieser Stadt Flaschen sammeln, das ist kein schönes Bild, dass wir eben über eine Änderung der Rentenpolitik auch Altersarmut in diesem Land verhindern können. Dazu ist es notwendig, dass das Rentenniveau stabilisiert wird. Sie wissen sicherlich, dass die bisherige Vorgabe zur Stabilisierung des Rentenniveaus in diesem Jahr ausläuft. Das heißt, wir brauchen dieses Jahr noch ein Bekenntnis dazu, dass wir ein stabiles Rentenniveau haben wollen. Auch das wird in den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen besprochen werden müssen, wenn wir diese Phänomene in einem der reichsten Länder der Welt in unserem Stadtbild, aber auch in unserem Land nicht haben wollen.

Auch wir auf Landesebene kümmern uns um die ärmsten Menschen in unserer Stadt. Dieser Verantwortung sind wir uns sehr bewusst. In der Kältehilfe wie auch in der Obdachlosenpolitik sind unsere Bemühungen bekannt. Insofern können Sie sicher sein, dass wir uns sowohl auf Landesebene als auch auf Bundesebene dafür einsetzen werden, Armut in einem reichen Land zu reduzieren. Dazu ist es auch notwendig, die Verteilungsfrage grundsätzlich zu stellen. Auch da sind die Gespräche auf Bundesebene abzuwarten. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Dann frage ich den Kollegen, ob er nachfragen möchte. – Herr Kurt, bitte schön!

Vielen Dank, Frau Senatorin! – Warum ducken Sie sich weg zu beantworten, was Sie als Senat bei 48 000 Menschen, die Grundsicherung im Alter bekommen, und überlasteten Sozialämtern, die nicht funktionieren, tun wollen?

Frau Senatorin Kiziltepe, bitte schön!

Senatorin Cansel Kiziltepe (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Danke, Herr Abgeordneter, für die Nachfrage! Sie meinen offensichtlich den offenen Brief der Sozialämter an den Berliner Senat. Das haben wir hier schon besprochen. Es ist so, dass wir natürlich auch Personalressourcen dafür brauchen. Die Aufgaben steigen. Das heißt, das Personal muss eigentlich mit den steigenden Aufgaben erhöht werden. Ich bin mir sicher, wir haben das auch im Senat besprochen, dass der Regierende und wir in unserer Verantwortung mit dem Bundesgesetzgeber sprechen werden, in Zukunft auch darauf zu achten, dass bei neuen Aufgaben, neuen gesetzlichen Regelungen den Ländern die Mittel für die erforderlichen Personalressourcen zur Verfügung gestellt werden.

Zum Beispiel in der Eingliederungshilfe haben wir in den letzten Jahren viele neue Aufgaben bekommen, die die Bundesländer umsetzen müssen. Auch das ist eine Personalfrage, gar keine Frage. Auch die Sozialämter sind in dem Bereich betroffen. Da werden wir gemeinsam mit anderen Bundesländern schauen, auch im Bereich der Eingliederungshilfe, dass der Bund stärker in die Pflicht genommen wird, wenn es darum geht, neue Gesetze zu erlassen, die dann in Länderverantwortung sind. – Vielen Dank!

Die zweite Nachfrage geht an den Kollegen Wapler von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank! – Frau Senatorin! Sie haben vom Mindestlohn gesprochen, der weder auf Bundes- noch auf Landesebene armutsfest ist. Wie bewertet denn der Senat das Verfahren der gesetzlichen Mindestlohnfindung auf Bundesebene durch die Mindestlohnkommission wie auch die Findung des Vergabe- und Landesmindestlohns auf Berliner Ebene?

Bitte sehr, Frau Senatorin Kiziltepe!

Senatorin Cansel Kiziltepe (Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Vielen Dank, Herr Abgeordneter, für die Frage! In der Tat ist es so, dass der aktuelle gesetzliche Mindestlohn nicht armutsfest ist, wenn man nämlich zu diesem Lohn 45 Jahre arbeitet, gelangt man in der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Rente, die unter der Grundsicherung liegt. Allerdings ist die Einführung eines Mindestlohns, aber auch die Er

(Senatorin Cansel Kiziltepe)

höhung des Mindestlohns durch die Regierung – – Es muss ein Kompromiss gefunden werden. Und der Kompromiss damals war, den Mindestlohn auf 12 Euro zu erhöhen. Das ist schon mal ein guter Schritt dahin.

Jetzt steht zur Frage, ob der Mindestlohn auf 15 Euro erhöht werden kann. Das wäre ein armutsfester Mindestlohn. Sie kennen sicherlich die Mindestlohnrichtlinie der EU. Wenn wir uns an diese Richtlinie halten, nämlich einen Mindestlohn einzuführen, der sich am Median orientiert, also am durchschnittlichen Lohn in einem Land, dann landen wir bei etwa 15 Euro. Das heißt, das wäre eine gute Sache, um armutsfeste Löhne einzuführen und Altersarmut zu reduzieren.

In Berlin haben wir ein Landesmindestlohngesetz, das im Vergleich zu anderen Bundesländern eine Vorreiterrolle hat. Wir haben einen Landesmindestlohn und einen Vergabemindestlohn. Wir haben in den Richtlinien der Regierungspolitik festgehalten, dass wir den Anpassungsmechanismus an den Bund koppeln wollen. Dazu ist es erforderlich, dass wir gucken, wie sich das jetzt entwickelt.

Die Mindestlohnkommission wird im Juni dieses Jahres wieder tagen und eine Entscheidung fällen. Die Mindestlohnkommission hat sich selbst schon neue Vorgaben gemacht. Letztes Jahr war die Entscheidung nicht im Einvernehmen, und das hat zu großen Zerwürfnissen innerhalb der Sozialpartnerschaft geführt. Das ändert sich dann hoffentlich, so ist mein Verständnis, durch die Aussagen der Mindestlohnkommission. Das gilt es abzuwarten. Auf jeden Fall wollen wir eine Kopplung an die Entscheidungen der Mindestlohnkommission in dieser Frage, aber arbeiten auch an einer Novellierung des Landesmindestlohngesetzes. Das soll auch, wie in den Richtlinien festgehalten, in Verbindung parallel mit dem Vergabemindestlohn gemacht werden. – Danke!

Die Fragestunde ist damit für heute beendet.

Wir kommen zu

lfd. Nr. 3:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.1:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 42

Frauen- und Demokratieprojekte stärken – Antifeminismus bekämpfen

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke Drucksache 19/2244

In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Kollegin Dr. Haghanipour.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Männer sind die besseren Führungskräfte. Mütter sind für die Erziehung verantwortlich. Frauen sind doch schon längst mehr als gleichberechtigt. Sie teilen eine oder mehrere dieser Aussagen? Dann herzlichen Glückwunsch! Sie haben ein antifeministisches Weltbild.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Im Gegensatz zu den Frauen haben Sie Glück. Sie sind nicht allein. Laut der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2024 vertreten ein Viertel der Deutschen ein antifeministisches Weltbild, mehrheitlich Männer, Tendenz steigend. Das ist doch traurig.

Ich sage Ihnen was, gerade anlässlich des bevorstehenden Weltfrauentags: Wir Grüne werden das nicht hinnehmen, und wir werden für die Rechte der Frauen und für die Gleichberechtigung kämpfen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich bin gegen Antifeminismus, und ich sage Ihnen, warum. Ich bin gegen Antifeminismus, denn Antifeminismus ist ein Türöffner für Rechtsextremismus. Frauenhass ist oft der Einstieg in radikale Ideologien. So haben wir es auch beim Attentäter von Halle gesehen. Deshalb müssen wir die unabhängige politische Bildung stärken und noch in diesem Jahr 2025 endlich das Demokratiefördergesetz beschließen.