[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Dr. Bahar Haghanipour (GRÜNE)]
Ich möchte an dieser Stelle auch der Senatorin Iris Spranger danken, dass sie sofort gehandelt und Verantwortung übernommen hat, als die Finanzierung des Projekts infrage stand. Ich will auch betonen, dass Präventionsarbeit überhaupt nicht freiwillig ist. Die Istanbul-Konvention verpflichtet uns dazu. Wir als SPD stehen ganz klar zu dieser Verpflichtung.
Für uns ist klar: Gewaltprävention ist ein Querschnittsthema und weit mehr als die Bereitstellung von Schutzplätzen. Die Istanbul-Konvention muss von allen Senatsverwaltungen umgesetzt werden. Auch die Senatsverwaltung für Bildung steht hier in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten.
Gewaltschutz darf nicht vom Ressort abhängen. Er muss gemeinsam gedacht und verantwortungsvoll umgesetzt werden. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Eines müsste ja wohl ganz klar sein: Berlin muss sparen. Die Zeiten der überzogenen Haushalte sind vorbei. Jetzt ist Ehrlichkeit gefragt. Ehrlichkeit darüber, wo gestrichen wird und wo nicht und vor allem warum. Die CDU zieht nun den Rotstift, und das ist grundsätzlich erst mal richtig. Aber statt durch die Hintertür Projekte zu streichen, wünsche ich mir tatsächlich mehr Offenheit. Welche Maßnahmen sind wirklich nötig, welche unnötig? Welche
können wir uns schlicht nicht mehr leisten, aber welche sollten wir uns noch leisten? Wir werden das in den Haushaltsberatungen sicherlich ausführlich diskutieren.
Heute blicken wir auf einen konkreten, vielleicht kleinen, aber aufschlussreichen Punkt: die schulische Präventionsarbeit gegen häusliche Gewalt. Es ist fraglich, wie unverzichtbar die Fortbildungen durch BIG Prävention wirklich sind, und vor allem: Wie hoch ist die tatsächliche Fachlichkeit? Ein Beispiel: Herr Adir Jan Tekîn arbeitet dort als Honorarkraft und führt Fortbildungen an Berliner Schulen durch; seine Qualifikation? – ein abgebrochenes Studium in Italienisch und Latein. Diese Arbeit könnte künftig ebenso gut und womöglich auch besser vom BLiQ, dem Berliner Landesinstitut für Qualifizierung und Qualitätsentwicklung an Schulen, übernommen werden, also alles aus einer Hand, mit pädagogischer Ausbildung und mit fachlicher Qualität.
Ich halte es grundsätzlich für problematisch, wenn Lobbyvereine Bildungsarbeit an Schulen leisten, ob das BIG ist oder sogenannten queere Bildung durch Homosexuellenvereine. Vereine verfolgen nämlich immer eigene, separate Interessen. Ich lade ja auch nicht den Metzgerverein zum Thema Ernährung ein, das hat nämlich immer so eine gewisse Schlagseite.
Auch BIG zeigt diesen Bias. Die Prävention wird dort als Geschlechterkampf inszeniert. Auf der Webseite des Vereins heißt es, man handle auf Basis einer feministischen Grundhaltung und einer aktivistischen Parteilichkeit. Häusliche Gewalt wird dort verstanden als eine Folge patriarchaler Machtverhältnisse, die Frauen unterdrücken. Aber Gewalt ist komplexer. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den Soziologen Prof. Dr. Walter Hollstein:
„Neuere Studien bestätigen seit langem und unisono, dass Frauen ebenso gewalttätig sind wie Männer. Gewalt hat also kein Geschlecht. In unseren Breitengraden üben etwa ein Drittel der Männer Gewalt aus, aber eben auch ein Drittel der Frauen. Bei schwerer körperlicher Gewalt dominieren Männer aufgrund ihrer größeren Körperkraft, bei psychischer Gewalt und Gewalttaten, um den Partner zu kontrollieren, Frauen. Die weit verbreitete Meinung, dass von Frauen keine körperliche Gewalt ausgeht, ist falsch. Frauen treten, beißen, ohrfeigen, stoßen, schlagen und werfen vor allem mit Gegenständen. Kinder – vor allem Buben – sind signifikant häufiger Opfer von Züchtigungen ihrer Mütter als ihrer Väter.“
Diese Realität wird von BIG weitgehend ausgeblendet. Ich plädiere für eine ideologiefreie Präventionsarbeit, die sich an der Realität orientiert und nicht an Aktivismus und Männerhass.
Wir müssen wegkommen von der Vorstellung einer feindselig polarisierten Welt aus Tätern und Opfern. Die BIG Prävention erreicht ohnehin nur einen Bruchteil der Schulen. Wenn einzelne Schulen weiterhin mit BIG zusammenarbeiten möchten, können sie das gerne aus eigenen Mitteln tun oder gegebenenfalls aus dem Sozialhaushalt; Frau Spranger hat es ja schon angeboten.
Und noch zu guter Letzt: Die BIG hat ja durchaus eine vernünftige Funktion, und darauf sollte sie sich auch weiter konzentrieren. Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen müssen natürlich erhalten bleiben. Männerhäuser brauchen wir aus meiner Sicht aktuell nicht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgeschlagen wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie sowie mitberatend an den Ausschuss für Integration, Frauen und Gleichstellung, Vielfalt und Antidiskriminierung sowie an den Hauptausschuss. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
„Erlöst und vernichtet zugleich“ – Der 80. Jahrestag des Kriegsendes: Tag der Mahnung und der Erinnerung
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In wenigen Wochen jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zum 80. Mal. Die bedingungslose Kapitulation des Deutschen Reichs am 8. Mai 1945 setzte der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik ein Ende, die in deutschem Namen unermessliches Leid über die Völker Europas gebracht hatte. So wurde der 8. Mai für Millionen Inhaftierte und Überlebende, die unter der nationalsozialistischen Gewalt- und Vernichtungspolitik gelitten hatten, zum Tag der Befreiung.
Und trotzdem taugt der 8. Mai 1945 nicht als allgemeines Symbol der Befreiung, denn während das nationalsozialistische Unrecht durch die Niederlage Deutschlands beendet wurde und im Westen in den Jahren nach der Kapitulation eine Perspektive für die Versöhnung der ehemaligen Kriegsgegner und einen demokratischen Wiederaufbau eröffnet wurde, errichtete Stalin in Osteuropa und im Osten Deutschlands neue Diktaturen sowjetischer Prägung. Dem vorausgegangen war die auch von den Westalliierten beschlossene Vertreibung von circa 14 Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat. Dabei kamen circa 2 Millionen Menschen ums Leben. Circa 860 000 deutsche Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, oftmals mehrfach. Die dabei erlittenen Traumata wurden über Generationen weitergetragen und wirken bis heute fort.
Der Begriff der Befreiung wird vor allem den Opfern dieser Kriegsverbrechen, den Opfern von Flucht und Vertreibung und auch den Opfern der rücksichtslosen Sowjetisierung Mittelost- und Osteuropas nicht gerecht, denn jeder, der sich der neuen Diktatur in den Weg stellte, wurde rücksichtslos interniert, deportiert oder liquidiert. So wurde für viele Ostdeutsche und Osteuropäer 1945 lediglich eine Diktatur durch eine andere ersetzt. Es ist gut, dass über dieses Unrecht heute genauso gesprochen werden kann wie über die Millionen Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik,
Eine bis heute treffende Bewertung des 8. Mai 1945 stammt von Theodor Heuss, dem späteren ersten Bundespräsidenten. Vier Jahre nach Kriegsende skizzierte er die doppelte Bedeutung des 8. Mai 1945 wie folgt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:
„Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“
Erlösend waren zweifelsohne die Zerschlagung des Nationalsozialismus, die Befreiung der Konzentrationslager und das Ende der Schrecken des Krieges. Vernichtend waren die Schutzlosigkeit gegen die Willkür der Sieger, der Verlust nationaler Selbstbestimmung,
die Zerstörung von Städten und Kulturgütern, das Elend der Kriegsgefangenen und Zivildeportierten, der Verlust eines Drittels des Staatsgebiets und die Vertreibung, die deutsche Teilung und schließlich die Errichtung einer neuen Diktatur in der SBZ und der DDR. Erst mit dem Umbruch 1989 und der Friedlichen Revolution in der DDR zerfiel das sowjetische Imperium, und erst der Sturz
Jedes Gedenken an den 8. Mai 1945 muss dieser Ambivalenz des Kriegsendes Rechnung tragen. Die Deutschen sind am 8. Mai 1945 vom Nationalsozialismus befreit worden, aber Freiheit und Demokratie hielten in ganz Deutschland erst 1989 Einzug. Der 80. Jahrestag des Kriegsendes gibt Anlass, zurückzublicken und sich des Krieges, aber auch der Leistungen des Wiederaufbaus nach 1945 und der Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern zu erinnern. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verneigen wir uns vor den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft. Gleichzeitig ehren wir das Andenken all derjenigen, die der Politik des Krieges, der Vernichtung und der Barbarei Widerstand entgegengesetzt oder schlicht unter widrigen Umständen die Menschlichkeit bewahrt haben.
Die Erfahrung von Krieg, Nationalsozialismus und Kommunismus taugt nicht für tagespolitische Polemiken, sondern ist bleibende Verpflichtung, für Frieden, Freiheit und Demokratie einzutreten und insbesondere jeder Form von Totalitarismus entschieden entgegenzutreten.
Das Vermächtnis aus der Geschichte sind Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie ein friedliches Miteinander souveräner Staaten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!