Protokoll der Sitzung vom 10.04.2025

[Unruhe]

Jetzt kommen wir alle noch einmal zur Ruhe! Die Kollegin Kühnemann-Grunow hat das Wort zu ihrer Antwort.

Ich kann meinem Beitrag eigentlich nichts hinzufügen, außer das, dass das, was wir gerade erleben, geschichtsrevisionistisch sondergleichen ist, dass hier Dinge miteinander verglichen werden, um zu relativieren.

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Zuruf von der AfD]

Ich glaube, wir müssen uns bei den Haushaltsberatungen noch einmal die Landeszentrale für politische Bildung anschauen. Jeder Euro, den wir da investieren, ist gut investiertes Geld. Vielleicht belegt auch mal jemand von der AfD einen Kurs darüber. Wir freuen uns auf den 8. Mai als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus. Uns in diesem Haus hier, uns als Berliner SPD, als Berliner Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus, geht es eben um dieses Gedenken, um unsere deutsche Schuld. Die steht im Zentrum, und derer sind wir uns bewusst. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Carsten Ubbelohde (AfD): Ein echter Demokrat muss das nicht laufend wiederholen!]

Dann folgt für die Linksfraktion die Kollegin Helm.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser AfD-Antrag ist tatsächlich eine geschichtsrevisionistische Zumutung. Das sehe ich auch so.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von Jeannette Auricht (AfD)]

Es war erst im letzten Plenum, dass ich davor gewarnt habe, dass Putins imperialistische Umdeutung des 8. Mai ganz eng mit dem Revisionismus der deutschen Nationalisten verwoben ist, und prompt tritt die AfD heute hier den Beweis an. Mit dem Titel „‚Erlöst und vernichtet zugleich‘“ bemächtigt sie sich eines Zitats von Theodor Heuss. Er nannte 1949 den 8. Mai einen Tag, an dem Deutschland erlöst und vernichtet in einem wurde. Er sprach damals aus der Perspektive eines Mannes, der von Trümmern umgeben war, in einem Land, das Europa mit Vernichtung überzogen,

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

den grausamsten Krieg des 20. Jahrhunderts entfesselt und das Millionen Menschen ermordet hatte. Deutschland war vor allem moralisch restlos vernichtet.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Diese Analyse pervertiert die AfD nun im Sinne von Höcke,

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

um eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad einzufordern. Wenn die AfD von Differenzierung spricht, dann meint sie verwässern, dann meint sie relativeren und verdrehen.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Jetzt müssen wir hier ernsthaft die Frage diskutieren, ob es zu einseitig sei, den Sieg über Hitlerdeutschland zu feiern. Der 8. Mai 1945 war ein Tag der Befreiung von einem Regime, das Europa mit Krieg und Abscheulichkeiten überzogen hat, die bis dahin als undenkbar galten, von einem System, das Menschen industriell ermordete. Ja, selbstverständlich haben auch Deutsche gelitten.

[Jeannette Auricht (AfD): Aber die waren selbst schuld!]

Der Krieg brachte Hunger, Krankheit und Tod. Es gab Gewalt und Vertreibungen, aber wer heute so tut, als sei dieses Unrecht mit den Verbrechen des Naziregimes gleichzusetzen – und genau das macht der Antrag –, der verkleistert ganz bewusst die historische Schuld.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU) und Maik Penn (CDU)]

Dieser Antrag ist ein Angriff auf die Erinnerungskultur, die von den Opfern der Nazis und ihren Nachfahren gegen erbitterten Widerstand erkämpft werden musste. Im französischen Oradour-sur-Glane verbrannten SS-Männer 642 Menschen lebendig in einer Kirche, darunter

205 Kinder. In Leningrad wurden während der Belagerung rund eine Million Menschen gezielt ausgehungert. 1944 wurden in nur 50 Tagen über 400 000 ungarische Jüdinnen und Juden direkt nach Auschwitz deportiert, fast alle wurden sofort vergast. Auch die sogenannten Endphasenverbrechen gegen die Deutschen selbst verschweigt die AfD. Massenhaft versprengte Soldaten, Zivilisten, Generäle wurden ermordet, weil sie kapitulieren wollten oder auch nur, weil sie nicht bereit waren, ihre Kameraden wegen dieses Vorwurfs zu erschießen. All das wird hier mit keinem Wort erwähnt, aber das Leid nach 1945 ist eine Konsequenz daraus. Niemals kann es ohne diese Verbrechen erzählt werden, niemals ohne Auschwitz, und diese Wahrheit wollen Sie mit Ihrer Gleichsetzung verschleiern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Ich bin froh, dass das heute deutlich geworden ist. Es sind solche Anträge, die zeigen, warum Gedenkkultur so notwendig ist. Sie ist keine sentimentale Übung. Sie beinhaltet immer den Auftrag des „nie wieder“. Sie ist Widerstand gegen das Wiedererstarken des Faschismus. Genau deshalb stellen Landtagsfraktionen der AfD Anträge, die Mittel für Gedenkstätten zu streichen. Deshalb greifen Sie die Erinnerungskultur an, weil Sie Ihnen im Weg steht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Beifall von Christian Gräff (CDU) und Maik Penn (CDU)]

Abschließend möchte ich Ihnen schöne Grüße aus Thüringen ausrichten. Meine Großmutter wurde selbst als Kind aus Breslau vertrieben. Ich sage Ihnen mal, was ihre Lehre aus dieser einschneidenden Erfahrung ist: zum einen, dass Menschen, die flüchten müssen, Menschlichkeit und Schutz verdient haben, und zum anderen, dass sie sich mit 85 Jahren in Thüringen bei den Omas gegen Rechts engagiert und sich dem Faschisten Höcke und seinen Schergen entgegenstellt.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf von der AfD]

Denn die Lehre aus der Geschichte, auch aus der Geschichte meiner Großmutter, heißt: Nie wieder Faschismus! – Thank you! Merci! Spasibo!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Dr. King einen Redebeitrag angemeldet. – Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort!

[Tobias Schulze (LINKE): Es ist eigentlich schon alles gesagt!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Punkte möchte ich ansprechen. Erstens: Ich frage mich, Herr Trefzer, woher das eigentlich kommt, dieses Bedürfnis, ausgerechnet zum Jahrestag „80 Jahre Ende des Naziterrors“ immer über die Schuld der anderen zu sprechen. Das ist doch komisch. Die AfD ordnet die Verbrechen des Naziregimes, die wirklich einzigartig in der modernen menschlichen Geschichte sind, in eine Reihe ein mit anderen Verbrechen und anderem Unrecht. Das verbietet sich. Täter und Befreier, Wehrmacht und Rote Armee sind in Ihrem Antrag und in Ihrem Vortrag gerade, Herr Trefzer, alles mehr oder weniger dasselbe. Das finde ich unglaublich.

Ihr Antrag schließt damit, dass dem Holocaustmahnmal ein Mahnmal für die Opfer des Kommunismus zur Seite gestellt werden müsse. Selbst wenn man der Meinung ist, dass ein solches Mahnmal wichtig wäre – – Wer ausgerechnet anlässlich des Gedenkens an die Beendigung des industriellen Massenmordes der Nazis an den europäischen Juden und des Vernichtungskriegs der Wehrmacht mit einer solchen Forderung zu einem solchen Anlass, an einem solchen Tag ankommt, der will ablenken.

[Beifall von Christian Gräff (CDU)]

Ihre Vorsitzende vertrat in ihrem Fanmeeting mit Elon Musk sogar die abwegige These, Hitler sei gar nicht rechts, sondern ein Kommunist gewesen. Das war, genau wie Ihr Antrag, ein bewusster Versuch, davon abzulenken, wohin die Spuren des Nationalsozialismus in unserer heutigen Zeit führen, nämlich in Ihre Partei oder in Teile davon, wenn man sich Leute wie Höcke und Co anschaut. Das können Sie nicht dauerhaft vertuschen.

Zweitens ist vor diesem Hintergrund wirklich erschreckend, dass die AfD heute kurz davor ist, die stärkste Partei in diesem Land zu werden.

[Beifall bei der AfD]

Was aber auch erschreckend und 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs auch geschichtsvergessen ist, das ist die Vorbereitung auf einen neuen Großkrieg, wie EUKommissionschefin von der Leyen das nennt, für den wir uns jetzt mit vielen Milliarden Schulden wappnen sollen, Hunderte Milliarden, die jetzt an Schulden aufgenommen und die eben nicht in einen starken Sozialstaat oder die zivile Infrastruktur investiert werden, was dringend notwendig wäre, sondern in die Kriegstüchtigkeit und in einen Militärkeynesianismus, den wir schon hatten und der in der Vergangenheit immer wieder direkt in den Krieg geführt hat. Dieses Land wird sich enorm verändern in der nächsten Zeit. Wir werden einen massiven Abbau unseres Sozialstaats zugunsten des Militärs er

(Anne Helm)

leben. Das werden wir auch in Berlin zu spüren bekommen. Sie alle haben dem im Bundesrat zugestimmt, und zwar von Union bis Linke.

Herr Kollege! Ich darf Sie kurz fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff aus der CDU-Fraktion zulassen möchten.

Nein, danke! – Wir hätten angesichts des nahenden Jahrestages wahrlich andere Aufgaben, und ich hoffe, dass das Gedenken an 80 Jahre Befreiung und Weltkriegsende eine Manifestation möglichst vieler Menschen gegen Faschismus und gegen Krieg wird.

Wir hatten vorhin den Antrag von CDU und SPD auch zum Gedenken auf der Tagesordnung, leider ohne zweite Debatte. Es ist eigentlich schade, denn seit der ersten Lesung ist eine Handreichung der abgewählten grünen Außenministerin bekannt geworden, wie die Gedenkfeierlichkeiten möglichst ohne Vertreter Russlands und Weißrusslands durchzuführen sind. – Ich sage das bei allem Abscheu vor dem russischen Krieg in der Ukraine. – Es geht um die Länder, deren Opfern wir an diesem Tag, am 8. Mai, großen Dank schulden. Insofern wäre es schon interessant zu wissen: Werden denn in Berlin wirklich die Vertreter aller 15 Nachfolgestaaten der Sowjetunion in das Gedenken seitens des Senats einbezogen? Oder folgt der Senat der Handreichung und lässt Russen und Weißrussen außen vor? Und falls sie bei Veranstaltungen doch auftauchen, Herr Regierender Bürgermeister, was passiert denn dann? Wird der Senat dann, wie Baerbock empfiehlt, von seinem Hausrecht Gebrauch machen, vielleicht die Polizei rufen und die unerwünschten Gäste hinauswerfen lassen? Ich kann nur sagen, hoffentlich nicht. Denn dieses Ansinnen folgt letztlich auch derselben Gleichsetzungslogik, wie wir sie in dem AfDAntrag finden. Ich hoffe, dass Berlin das nicht umsetzen wird.

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgesehen ist jetzt eine sofortige Abstimmung. Wer also den Antrag der AfD-Fraktion auf Drucksache 19/2354 annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die AfD-Fraktion. Gegenstimmen? – Das sind alle anderen Fraktionen und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen kann es entsprechend nicht geben, und der Antrag ist damit abgelehnt.

Tagesordnungspunkt 46 steht auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 47:

Einbau von effizienter Heiztechnologie umsetzen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der SPD Drucksache 19/2358

In der Beratung beginnt die SPD-Fraktion und das mit der Kollegin Vierecke.