Wir als Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden am kommenden Montag Akteneinsicht nehmen und uns ein detailliertes Bild von dem Fall verschaffen. – Was ich aber bereits jetzt von Ihnen als Bildungssenatorin, Frau Günther-Wünsch, erwarte, ist eine klare Aussage,
dass Sie den Fall in Ihrem Haus ausführlich aufarbeiten und entsprechende Maßnahmen ergreifen, sodass sich das nicht wiederholt.
Stattdessen halten Sie, Frau Günther-Wünsch, im Bildungsausschuss, hier im Plenum und auch auf eine schriftliche Anfrage meiner Fraktion an der Aussage fest, dass es – Zitat – „eine deutliche Diskrepanz zwischen den … Vorwürfen“ in der Presse und denen, die der Betroffene selbst „gegenüber der Schulleitung, der Schulaufsicht und der Bildungsverwaltung“ geäußert habe, gebe. Erst letzte Woche Freitag erklärten Sie dann öffentlich, dass Ihnen das persönliche Beschwerdeschreiben des Anwalts des Betroffenen vom 4. Dezember letzten Jahres doch
persönlich vorlag und nicht erst im Mai dieses Jahres, dass Sie sich nur bedauerlicherweise nicht mehr daran erinnern konnten. – Insofern ist es auch keine Unterstellung, Herr Melzer. Die Senatorin hat es heute früh angesprochen, was ich auch richtig und gut finde.
Dennoch bleibt der Eindruck, dass von der Bildungsverwaltung und auch von Ihnen als Bildungssenatorin die homophobe Diskriminierung bis hin zu der dokumentierten Gewalt – es gab ja einen Vorfall gegen den betroffenen Lehrer, der auch dokumentiert ist – über mindestens zwei Jahre nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt behandelt wurde. Wenn das der Fall ist, ist das verantwortungslos, und das missbilligen wir.
Ich hätte schon erwartet, dass Sie alles in Ihrer Macht Stehende tun, um den Fall in Ihrem Haus aufzuklären und entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Dazu gehört auch, dass die Schulgemeinschaft an der betroffenen Schule schnell und unbürokratisch unterstützt wird, dass Sie sich im Doppelhaushalt 2026/2027 für den Erhalt von queeren Fachstellen und Beratungsstellen und Projekten einsetzen, anstatt alles auf null zu setzen, sodass Homophobie an unseren Schulen auch durch Präventionsarbeit bekämpft werden kann.
Von Ihnen persönlich hätte ich schon erwartet, dass Sie als zuständige Senatorin den betroffenen Lehrer einfach anrufen, um ihm das Gespräch anzubieten, so wie es Ihre Senatskollegin Kiziltepe auch getan hat. Das hätte nichts ungeschehen gemacht, was er als Betroffener erlebt hat, das hätte auch nichts vorweggenommen, ob gegebenenfalls oder welche Konsequenzen noch folgen, aber es wäre eine Geste gewesen, eine Geste, dass niemand, der an Berliner Schulen diskriminiert wird, allein gelassen wird. Diese Chance haben Sie als Bildungssenatorin leider verpasst.
Vielen Dank! – Für die SPD-Fraktion gibt es keine Anmeldung zur Rede, und für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Tabor das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Meine Fraktion und ich werden uns in Bezug auf den Antrag der Missbilligung gegen die Senatorin enthalten, nicht nur, weil wir ihn für politisch motiviert halten, sondern weil er eine zentrale Entwicklung der Berliner Bildungslandschaft ausblendet, Entwicklungen, die eine offene, sachliche Debatte und klare Lösungsansätze erfordern.
Konkret geht es heute um die Situation an der Carl-BolleGrundschule. Dort kam es offenbar über Jahre hinweg zu diskriminierenden und homophoben Äußerungen und Handlungen gegenüber einer Lehrkraft. Die öffentliche Berichterstattung, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, legt nahe – und eigentlich wissen wir es ja alle –, dass diese Vorfälle kein bedauerlicher Einzelfall waren, sondern Ausdruck eines gesellschaftlichen und strukturellen Problems hier in Berlin, Sprüche wie: „Du Schwuler, geh weg von hier. Der Islam ist hier der Chef.“ Horst Seehofer sagte einst: die „Migration ist die Mutter aller Probleme“, und er meinte damit die islamische Migration. Genau das ist der Elefant hier im Raum, den Sie alle nicht ansprechen wollen.
Diese Vorfälle werfen grundsätzliche Fragen auf. Wie kann es sein, dass Mobbing und religiöse Diskriminierung über einen derart langen Zeitraum ungestört stattfinden? Warum haben Schule und Schulaufsicht nicht frühzeitig reagiert? Wie schaffen wir es, Lehrkräfte in ihrer Arbeit besser zu schützen, insbesondere wenn sie Zielscheibe von Ausgrenzung aufgrund sexueller Orientierung, ihres weltanschaulichen oder religiösen Hintergrundes sind? Wir werden und wir dürfen nicht zulassen, dass aus falsch verstandener Toleranz heraus das Benennen solcher Probleme tabuisiert wird. Schulen müssen Orte sein, an denen Diskriminierung in jeglicher Form, sei sie religiös motiviert, homophob, sexistisch oder rassistisch, klar erkannt und konsequent geahndet wird.
Damit das gelingt, brauchen wir eigentlich drei Dinge – erstens: ein Klima der offenen Ansprache. Lehrkräfte müssen die Freiheit haben, problematische Entwicklungen im Kollegium oder in der Schulleitung offen anzusprechen, ohne Angst vor politischen oder gesellschaftlichen Repressionen zu haben.
Zweitens: eine funktionierende Kommunikation zwischen Lehrkräften, Schulleitung und Schulaufsicht. Wenn Missstände auftreten, muss rasch gehandelt werden. Es braucht eine klare Verantwortungsstruktur – es gibt eine Struktur, aber offensichtlich ist sie nicht ganz klar – und verbindliche Eskalationsstufen, um Gefahren sofort und vor allem konsequent zu unterbinden, sodass sie gar nicht erst groß werden.
Drittens: eine Bildungsverwaltung, die die Realität in den Schulen kennt, anerkennt und vor allem handelt. Es ist unbestreitbar, dass wir an vielen Schulen, insbesondere in sozialen Brennpunkten, mit einem sehr hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern mit muslimischem Hintergrund umgehen müssen. Das ist keine Kritik an den Kindern als solche, sondern ein Hinweis darauf, dass kulturelle und religiöse Einflussfaktoren den schulischen Alltag offensichtlich spürbar prägen können und das leider allzu oft im Negativen.
Auf negative Entwicklungen muss man reagieren können und dürfen, ohne dass sofort ein Generalverdacht des Rassismus im Raum steht. Die Aufgabe der Bildungspolitik ist es, nicht mit dem Finger zu zeigen, sondern Lösungen zu schaffen – für den Schutz der Lehrkräfte, für ein stärkeres Bewusstsein im Umgang mit dieser Diskriminierung und für eine offene Diskussionskultur an Schulen.
Senatorin Günther-Wünsch hat in den vergangenen Monaten Schritte unternommen, um Verbesserungen zu erreichen. Diesen Kurs nur wegen eines Fehlers zu ändern und diesen Fehler jetzt öffentlich hier im Parlament zu missbilligen, halten wir weder für angemessen noch zielführend, zumal sie sich ja heute auch noch vor dem gesamten Parlament und der Öffentlichkeit entschuldigt hat. Was unsere Schulen derzeit brauchen, sind Klarheit, Rückhalt und sachorientierte Politik, keine parteipolitisch motivierten Symbolanträge. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der fraktionslose Abgeordnete Dr. King einen Redebeitrag angemeldet. – Bitte sehr! Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme dem Missbilligungsantrag nicht zu. Dass die Senatorin die Unwahrheit gesagt hat – hoffentlich unabsichtlich, so etwas ist ja gesagt worden –, ist natürlich ein großes Problem. Frau Senatorin, ich finde, hier ist viel auch stichhaltige Kritik an Ihrem Umgang mit dem Fall geäußert worden. Da müssen Sie schon deutlich nachbessern. Das war nicht sehr überzeugend, wie Sie das bislang gemanagt haben.
Ich finde, was noch viel weniger überzeugend war, weil wir hier von ernsthaftem Umgang sprechen, ist dieser ganze Popanz. Die ganze Debatte ist in der Öffentlichkeit völlig entgleist. Der einzelne Fall und auch die gesellschaftlichen Herausforderungen, Probleme, die dahinter stehen, spielen in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle mehr, weil es immer nur darum geht, irgendwie der Senatorin eins reinzuwürgen. Das wird überhaupt niemandem gerecht. Das wird den Beteiligten nicht gerecht, den Lehrern, den Schülern, den Eltern an den Schulen nicht gerecht und auch dem einzelnen Fall nicht gerecht. Ich finde, das ist kein wirklich sinnvoller Umgang mit diesem Fall.
Hier wird ein gesellschaftliches Problem zu einer politischen Posse entwickelt, in der jeder seinen eigenen Vorteil sucht, übrigens auch im Senat. Jetzt hat sich die Integrationssenatorin noch eingeschaltet. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, dass es mit ihrer Kollegin nicht abgesprochen war. Wer solche Kollegen in der eigenen Koalition hat, braucht keine Opposition mehr. Ich finde, das ist Strafe genug. Deswegen brauchen wir jetzt nicht auch noch eine Missbilligung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Vorgesehen ist eine sofortige Abstimmung. Wer also den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 19/2538 – Missbilligung der Senatorin GüntherWünsch – annehmen möchte, den darf ich jetzt um das Handzeichen bitten. – Das sind die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke. Gegenstimmen? – Gegenstimmen der CDU-Fraktion, der SPDFraktion und zweier fraktionsloser Abgeordneter. Enthaltungen? – Enthaltung der AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wahl eines stellvertretenden Mitglieds und Wahl der/des stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses zur Untersuchung des Ermittlungsvorgehens im Zusammenhang mit der Aufklärung der im Zeitraum von 2009 bis 2021 erfolgten rechtsextremistischen Straftatenserie in Neukölln (UntA Neukölln II)
Meine Damen und Herren! Das funktioniert so nicht. Ich darf um Ruhe im Raum bitten, ansonsten unterbrechen wir so lange, bis es wieder ruhig ist.