Protokoll der Sitzung vom 26.06.2025

[Beifall bei der LINKEN]

Es waren Jahrzehnte des Herumwurstelns, in denen unliebsame Aufgaben gern vom Land an die Bezirke geschoben worden sind, und zwar ohne Geld, ohne Personal und ohne Plan. Ich nenne auch Beispiele dazu: die Cannabislegalisierung.

[Zurufe von der AfD]

Die Gesundheitsverwaltung war der Auffassung, dass die Bezirke Beratungsstellen und die Zulassung der Anbauvereinigungen in Eigenregie lösen sollten. Dabei können sie das gar nicht. Den Bezirken fehlten dafür tatsächlich alle Voraussetzungen, und es war auch nicht sinnvoll, es in jedem Bezirk irgendwie anders und nach Gutdünken zu machen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Nächstes Beispiel: die Windows-11-Umstellung. Am 14. Oktober dieses Jahres endet der Support für Windows 10. Bisher sind 12 Prozent der Verwaltungsrechner umgestellt, und das heißt auch, zum Stichtag werden viele Berliner Verwaltungscomputer teuren Sonderservice von Microsoft brauchen, um überhaupt noch zu funktionieren. Das ist keine gute Verwaltung, das ist schlechte Verwaltung.

Wir als Linke haben uns in diesem Prozess für starke Bezirke eingesetzt, und „starke Bezirke“ heißt für uns nicht, dass Bezirksämter besonders viel blockieren können, sondern „starke Bezirke“ heißt, dass die Bezirke in der Lage sind, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die Ziele der Reform waren für uns dabei ganz klar: In Zukunft bekommen die Bezirke, erstens, Mitsprachemöglichkeiten bei der Gesetzgebung, und zwar verbindlich, zweitens, Verwaltungsvorschriften von der Senatsebene als Anleitung, damit die Umsetzung stadtweit gleich läuft, drittens, sie bekommen nicht zuletzt die Ressourcen für diese Umsetzung über das Konnexitätsprinzip, und, viertens, in Streitfällen können sie die Einigungsstelle anrufen, um Dinge zu klären.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das heißt gesamtstädtische Steuerung – eine gesamtstädtische Steuerung, die wir bisher nicht haben. Das ist das Neue an dieser Reform, und warum wir sie brauchen, hat Daniela Ortmann vom Hauptpersonalrat im Hauptausschuss sehr gut erklärt, Zitat: Der Gedanke, dass wir alle – und sie meint die Senatsverwaltungen – Teil eines öffentlichen Dienstes sind, dieser Gedanke ist bisher nicht vorhanden. – Ich sage es für uns auch ganz klar: Die Hauptverwaltung muss nicht die Schuld zuweisen, sondern sie muss in Zukunft Verantwortung übernehmen. Dafür brauchen wir eine neue Verwaltungskultur.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Christian Goiny (CDU)]

Aber Verwaltungskultur, was heißt das eigentlich? Das wurde heute auch schon oft gesagt. Das heißt natürlich nicht, dass ein Kicker auf dem Flur steht und man schöne Mittagspausen hat, sondern eine neue Kultur in der Berliner Verwaltung besteht aus Prozessen und Strukturen, die Vertrauen schaffen, aus Prozessen und Strukturen, die Kooperation ermöglichen. Mitarbeitende in den Verwaltungen müssen sich einbringen und miteinander reden können. Wir brauchen eine Verwaltung der Ermöglichung und nicht eine Verwaltung des gegenseitigen Misstrauens. Erst wenn die Ideen unserer Mitarbeitenden in den Verwaltungen anerkannt und wertgeschätzt werden, dann wird diese Stadt gut regierbar, und dann wird diese Stadt endlich gut regiert.

[Beifall bei der LINKEN]

Der Kernsatz dieser Reform lautet: Verwaltung muss Verantwortung übernehmen. – Verantwortung für ein Berlin, das da ist, wenn es gebraucht wird. Unsere Stadt Berlin, in der das soziale Elend immer sichtbarer wird, in dem die Mieten explodieren und Menschen nicht zuletzt wegen nicht funktionierender Ämter aus ihren Wohnungen fliegen.

Ein funktionierender Staat schützt vor allem die Schwächeren in der Gesellschaft, ob es Kinder und Jugendliche sind, ob es arme Menschen oder kranke Menschen sind. Das gilt zum Beispiel auch für Sozialleistungen wie das Wohngeld, und hier komme ich noch mal zum Kollegen Matz. Ja, die Bearbeitungszeiten für Wohngeld sind in den Berliner Bezirken sehr unterschiedlich, das stimmt. Ja, das hat mit einem unterschiedlichen Personaleinsatz in den Bezirksämtern zu tun. Und ja, es darf nicht den einzelnen Bezirksämtern überlassen bleiben, ob sie daran etwas ändern.

Nun meint der Kollege Matz, daran ändere die Reform gar nichts, aber da liegt er falsch. Eine Aufgabe wie die Wohngeldbearbeitung soll in Zukunft berlinweit durch Verwaltungsvorschriften geregelt sein. Sie soll mit Ressourcen unterlegt werden, und sie wird in der Umsetzungsqualität geprüft. Das ist das Neue an dieser Reform. Um das alles zu erreichen, ist noch viel zu tun, aber diese Reform legt den Grundstein und stellt das Gerüst für einen funktionierenden Staat auf. Deswegen arbeiten wir als Linke gerne daran mit.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN]

Denn die Reform klärt nicht nur das Verhältnis von Land und Bezirken, sondern auch das der Senatsverwaltungen untereinander, die sich ebenfalls gern unliebsame Aufgaben hin und her schieben. Mal ein Beispiel, die gesundheitliche Versorgung von geflüchteten Menschen oder von Obdachlosen: Seit Jahren, wirklich seit Jahren, streiten sich die Senatsverwaltung für Soziales und die für Gesundheit um die Verantwortung, insbesondere für die notwendigen Ressourcen. Wenn diese Reform umgesetzt

und gelebt wird, dann hat dieser jahrelange Streit endlich ein Ende.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN]

Zum Schluss, ich will es noch mal ganz deutlich sagen: Die faktischen Haushaltskürzungen bei den Bezirken gefährden das Potenzial dieser Verwaltungsreform. Selbst gesetzliche Leistungen wie die Hilfen zur Erziehung sollen nicht mehr ausfinanziert werden. Die Basiskorrektur ist völlig ungenügend. Der Bezirk Mitte ist gezwungen, alle Schulstationen zu schließen, um Jugendeinrichtungen zu retten. In Neukölln würden bei der jetzigen Planung fast alle Jugendeinrichtungen, Schulstationen und Familienzentren wegfallen. Der Bezirk Lichtenberg löst alle Rücklagen auf und geht trotzdem mit einer pauschalen Minderausgabe in die Haushaltsaufstellung. Tarifsteigerungen und Inflation werden in den Bezirken nur vollkommen unzureichend abgebildet.

[Zuruf von Dennis Haustein (CDU)]

Dazu kürzen Sie als Senat noch bei den Programmen im Bereich Bildung und Jugend bei der Gewaltprävention. Aber ich sage es ganz klar: Die nächste Generation wächst jetzt heran, und viele junge Menschen brauchen diese Unterstützung dringend. Wenn die Drohung der Streichung aller Zuwendungen Realität werden sollte, dann hätten alle Berliner Bezirke eine faktische Haushaltssperre.

Ich warne Sie von der Koalition eindringlich: Was die Verwaltungsreform an Verantwortungsübernahme bringt, darf nicht von Beginn an durch Unterausstattung bei den Bezirksfinanzen kaputt gemacht werden.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Hier in den Berliner Bezirken erfahren die Menschen eine funktionierende oder nicht funktionierende Stadt hautnah und am eigenen Leib. Wir als Linke sagen ganz klar: Berlin bleibt unkürzbar! – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die AfD-Fraktion hat jetzt die Abgeordnete Dr. Brinker das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Verwaltungsreform werden Sie ganz sicher keinen Preis gewinnen. Um mal einige Bilder meiner Vorredner zu bemühen: Der antifaschistische Gulliver bekommt damit noch mehr Fesseln auferlegt.

(Tobias Schulze)

Dabei ist es von immenser Bedeutung, dass die Bürger auf eine funktionierende Verwaltung vertrauen können und ihnen schnell geholfen wird. Schließlich müssen sie, die Bürger, so viele Steuern und Abgaben zahlen wie nie zuvor. Da ist es eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass die Regierung für eine funktionierende Verwaltung sorgt, egal unter welcher Führung.

[Beifall bei der AfD]

Einige Ansätze im vorgelegten Entwurf gehen aus unserer Sicht durchaus in die richtige Richtung. Sie sind aber lange nicht ausreichend, und ob der ewige Zuständigkeitsstreit zwischen Landes- und Bezirksebene mit dem vorgelegten Konvolut aufgehoben werden kann, wird die Praxis zeigen. Es wäre jedenfalls bitter nötig, wie das ewige Hickhack um den Görlitzer Park oder der unselige Pollerirrsinn auf wichtigen Straßen zeigen. Dass die Koalition selbst nicht an ihren eigenen Erfolg glaubt, hat der viel zitierte Kollege Matz von der SPD-Fraktion mit seinen öffentlichen Statements eindeutig bewiesen.

Einige relevante Punkte möchte ich aber ansprechen, wo genau der vorgelegte Entwurf den eigenen Ansprüchen der Koalitionsfraktionen und der vermeintlich demokratischen Opposition eben nicht gerecht wird und die wir auch in vier Änderungsanträgen formuliert haben.

Erstens, wenn den Bezirken Aufgaben vollends übertragen werden sollen, dann müssen sie dafür finanziell ausgestattet werden. Eine konkrete Regelung dazu, wie genau Sie sich das vorstellen, fehlt, und die wäre dringend nötig gewesen, gerade in den bevorstehenden Haushaltsberatungen im Herbst dieses Jahres.

[Beifall bei der AfD – Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Zweitens, die von Ihnen lange verhandelte Einigungsstelle wäre eigentlich nicht nötig, wenn Sie an den Erfolg Ihrer eigenen Reform glauben würden. Denn wenn Sie die Aufgaben wirklich so klar teilen zwischen Bezirk und Land, dann brauchen Sie keine Einigungsstelle. Sie scheinen also Ihrer eigenen Reform nicht über den Weg zu trauen.

[Beifall bei der AfD]

Drittens, wenn Sie mit diesem Konvolut schon die Verfassung anfassen, warum haben Sie nicht ein einziges Element der direkten Demokratie aufgenommen, wie zum Beispiel die Direktwahl der Bezirksbürgermeister?

[Beifall bei der AfD]

Das wäre doch mal ein echter Einsatz für die Demokratie und nicht nur eine Worthülse!

Vor einem Thema scheinen Sie, Herr Wegner, geradezu Angst zu haben. Ich meine den gigantisch aufgeblähten Personalbestand im öffentlichen Dienst. Dieses Thema fassen Sie gar nicht erst an. Dabei haben wir pro Kopf fast doppelt so viele Mitarbeiter in der öffentlichen Ver

waltung wie Hamburg. Eigentlich müsste bei uns in Berlin alles super schnell gehen. Tut es aber nicht. Hamburg funktioniert zumindest in Teilen, Berlin eben nicht. Das ist doch ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Organisation in Berlin nicht funktioniert, die Organisation der Berliner Verwaltung nicht stimmt. Mit der vorgelegten Reform wird sich daran leider nichts ändern.

[Beifall bei der AfD]

Ein weiteres Thema haben Sie völlig außer Acht gelassen, das zu einem echten Standortrisiko in Berlin und Deutschland geworden ist, der Bürokratieabbau. Wenn man ernsthaft eine Verwaltungsreform angehen will, muss das in der Konsequenz heißen: unbedingter Bürokratieabbau.

[Beifall bei der AfD]

Mit Verlaub, wo soll der denn hier sein? – Aus Ihren Vorlagen geht null Komma null hervor, an welchen Stellen Sie endlich unsinnige Vorschriften streichen wollen. Es bleibt beim Wildwuchs an Verordnungen und Ausführungsvorschriften, die kein normaler Mensch mehr nachvollziehen kann, und es kommen sogar noch welche obendrauf. Was soll das?

Es gibt im Personalwesen eine Floskel, die die derzeitige Situation gut beschreibt. Die heißt: Er war stets bemüht. Das reicht aber nicht, um zu den Besten zu gehören. – Sie wollten aber zu den Besten gehören, als Sie Ihr Amt antraten, Herr Wegner! Das war Ihr Anspruch. Doch bis heute sind Sie über das stetige, oftmals erfolglose Bemühen nicht hinausgekommen.

[Beifall bei der AfD]

Herr Wegner! Sie versprachen den Berlinern eine Politikwende. Dafür sind Sie gewählt worden. Doch was haben die Berliner bekommen? – Einen Bürgermeister, der sich sofort nach der Wahl einen roten Mantel umgehängt und alle Wahlversprechen vergessen hat. Das mit dem Vergessen kennen wir zur Genüge vom letzten SPDBundeskanzler, der sich auch an nichts mehr erinnern konnte, typisch linke Politik.

[Beifall bei der AfD]

Wenn wir schon bei den Wahlversprechen sind: Wo sind die Bürgeramtstermine innerhalb von 14 Tagen geblieben? – Kai Wegner höchstpersönlich hatte versprochen, ab Januar 2024 solle das möglich sein. Das Versprechen wurde nicht gehalten.