Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

sehen im unflexiblen Arbeitsrecht in Deutschland ein Haupthemmnis für Beschäftigung und Wirtschaftsstandort.

(Abg. Bebber SPD: Solche Leute wie Sie werden schon in der CDU nicht mehr nominiert!)

Statt hier dringend notwendige Verbesserungen zu schaffen, hat die Bundesregierung die vorsichtigen Reformversuche der Regierung Kohl wieder zurückgenommen

(Abg. Sabine Schlager Bündnis 90/Die Grünen: Können Sie auch einmal von der Enquete reden?)

und verschärft mit vorgestrigen Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz oder einem gesetzlichen Teilzeitanspruch die Situation sogar noch.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

Bei den Anhörungen der Enquetekommission hat sich gezeigt: Nichts wurde häufiger kritisiert als die neue 630DM-Regelung.

(Abg. Moser SPD: Na ja! – Zuruf des Abg. Döpper CDU)

Aber, meine Damen und Herren, schon Tucholsky hat gesagt:

(Abg. Moser SPD: Was gehen mich dein Kaffee und deine Plantagen an!)

Der eine Zug, der entgleist, macht mehr Schlagzeilen, Kollege Moser, als die tausend Züge, die täglich am Bahnhof,

(Abg. Moser SPD: Tucholsky war in der CDU!)

wenn auch zurzeit vielleicht nicht ganz so pünktlich, ankommen.

(Zuruf des Abg. Bebber SPD)

So ist es auch bei der Arbeit der Enquetekommission.

(Zuruf von der SPD)

Vielleicht beruhigen Sie sich einmal ein bisschen, meine Kollegen von der SPD.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Denn Sie werden gleich noch Weiteres hören.

(Abg. Moser SPD: Kennen Sie den Spruch mit Tengelmann?)

Um auf Tucholsky zurückzukommen, lieber Kollege Moser: Es ist im Hinblick auf das, was diese Woche in der Presse stand, nicht so, dass die Kommission im Streit auseinander ging. Dieser bezog sich auf einen der Punkte aus dem 10-Punkte-Katalog. Vielmehr wurde vieles einvernehmlich vorgeschlagen.

(Abg. Moser SPD: Also! Was brummen Sie dann herum?)

Ich will einige Punkte davon nennen. Beispiel Bürokratie: Die Erkenntnisse aus den Anhörungen zeigen, dass ein großer Teil der bürokratischen Regelungen und Belastungen, etwa bei Genehmigungsverfahren, aus der falschen Rechtsanwendung oder der unzureichenden Ermessensausübung resultiert. Deswegen wollen wir bei der Landesregierung ein ressortübergreifendes Beschwerdemanagement für solche Fälle installieren.

Wir wollen die Kultur der Selbstständigkeit stärken. Handwerk und Landwirtschaft dürfen zum Beispiel nicht als folkloristische Veranstaltung, sondern müssen als das, was sie sind, nämlich als moderne Wirtschaftszweige in den Schulen vorkommen.

(Abg. Deuschle REP: Ja, das ist richtig!)

Wir wollen, dass neben der Existenzgründungsförderung mehr Wert auf bestehende Betriebe gelegt wird. Es ist zum Beispiel wenig bekannt, dass wir bereits seit einigen Jahren Betriebsübernehmer wie Existenzgründer fördern. Gerade die Übernahme von Familienbetrieben wird in den nächsten Jahren eine wichtige Frage werden.

Ausbildung und Weiterbildung gewinnen an Bedeutung, zum Beispiel in der Unternehmensführung, aber auch, wenn es um die Qualifizierung geeigneter Mitarbeiter geht. Unsere Handwerker – das hat sich immer wieder gezeigt und war auch die Auffassung der Angehörten – sind technisch hervorragend und Spitze in Europa und in der Welt. Aber wir dürften etwas mehr im Bereich Betriebsführung, betriebswirtschaftlicher Kenntnisse tun.

(Abg. Deuschle REP: Managementqualitäten!)

Wir wollen weiterhin eine flächendeckende Weiterbildung, nicht nur wenige zentrale Anbieter. Sie soll flächendeckend und, soweit es geht, auch nach dem Grundsatz der Subsidiarität angeboten werden.

Wir wollen Hemmnisse für kooperationswillige Landwirte abbauen. Wenn ihnen die Kooperation hilft, dann soll man

sie dabei nicht hemmen. Dazu gehört zum Beispiel, dass Regelungen nicht mehr bestehen sollten, wonach Landwirte, die sich zu einer Kooperation entschließen, ihre Milchquote an die Börse zurückgeben müssen, wie dies bisher der Fall ist.

(Zuruf des Abg. Moser SPD)

Wir wollen mehr Eigenkapitalförderung, und wir wollen, meine Damen und Herren, bei der Frage der Konzentration im Einzelhandel das Erpressungspotenzial von den Kommunen nehmen und die Planungshoheit für großflächigen Einzelhandel auf die Region, den Regionalverband oder regionale Zweckverbände übertragen.

Neben dem 10-Punkte-Katalog, der Ihnen vorliegt, finden Sie viele weitere wichtige Anregungen im großen Empfehlungskatalog. Exemplarisch will ich etwa den Verzicht auf Gebühren bei Ausbildung nennen, wie es die Handwerkskammer Stuttgart vorbildhaft vorgemacht hat. Ich möchte One-stop-Shops bei den Behörden zur Bürokratieerleichterung nennen, aber auch eine verbesserte Busförderung in unserem Land. Auch hier handelt es sich meistens um mittelständische Familienbetriebe.

Meine Damen und Herren, ein gesunder Mittelstand ist auch künftig im Land und für das Land und seine Menschen unverzichtbar. Ich glaube, wir haben mit der Arbeit der Kommission ein weiteres Stück Zukunftsfähigkeit für Baden-Württemberg vorbereitet.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Abg. Capezzuto.

(Abg. Brechtken SPD: Mario, jetzt!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Mittelstandsenquete mit ihren umfangreichen Handlungsempfehlungen haben in der Tat schwere Versäumnisse, ja gar ein Versagen der Landesregierung in ihrer Mittelstandspolitik der letzten Jahre offen gelegt.

(Beifall bei der SPD – Oh-Rufe von der CDU – Abg. Brechtken SPD: Sehr richtig! Dranbleiben! – Abg. Moser SPD: Sehr gut, Mario! – Abg. Döpper CDU: Jetzt fängt das schon wieder an!)

Die Leidtragenden dieser negativen Entwicklung sind die kleinen und mittleren Unternehmen und Betriebe dieses Landes. Wenn jetzt, kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, ein dicker Katalog mit sofort umzusetzenden Handlungsempfehlungen als Ergebnis der Anhörung von Sachverständigen durch die Kommission vorliegt, dann ist der Scherbenhaufen für jeden unübersehbar, vor dem diese Landesregierung in ihrer Mittelstandspolitik steht.

(Beifall bei der SPD – Abg. Ursula Haußmann SPD: Jawohl! – Zuruf der Abg. Veronika Netz- hammer CDU)

Ja, ich weiß, Frau Kollegin Netzhammer, die Wahrheit tut weh. – So hat im Rahmen der Anhörungen

(Zuruf des Abg. Hofer FDP/DVP)

hören Sie genau zu, Herr Kollege Hofer –

(Abg. Deuschle REP: Hofer war doch gar nicht da- bei!)

das Mannheimer Institut für Mittelstandsforschung sorgenvoll darauf hingewiesen, dass die Gründungsdynamik in unserem Land geringer als in anderen westlichen Bundesländern sei, dass der Anteil der Selbstständigen mit Beschäftigten in den Neunzigerjahren zugunsten von Einpersonenunternehmen zurückgegangen sei

(Abg. Ursula Haußmann SPD: Hört, hört! – Abg. Veronika Netzhammer CDU: Auf hohem Niveau ist es immer schwierig!)

und dass der Beschäftigungsbeitrag der kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg stärker als in den anderen Bundesländern zurückgegangen sei.

(Abg. Schmiedel SPD: Hört, hört! – Abg. Gerd Scheffold CDU: Woher haben wir denn die nied- rigste Arbeitslosigkeit, Herr Kollege?)